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Was Aukko in den Kupferdeckeln gesehen hat

Als Half und Grim auf Gnupr einritten, kam Glum der Skalde selbst heraus, sie zu grüßen. Thorodd, sein Weib, die den gerühmtesten Skyr des ganzen Godords zu bereiten wußte, ging, das Mahl zu richten, und Eyvind, das Kind, war sehr glücklich, denn er durfte Sippeknauf an die Wand hängen. Half strich dem Knaben übers Haar, darob Eyvind lange heimlichen Stolz trug.

Auf der Herdbank hatte Hliot sein Wundlager und er lachte übers ganze Gesicht, als der eintrat, der ihn zum Hinkefuß geschlagen hatte. Half setzte sich zu ihm, fragte nach der Wunde und gab Hliot gute Rede, obgleich seine Stirn gefurcht war von schweren Sorgen und Unrast auf ihm lag.

Als die Männer beim Skyr saßen, begann Half vom Thing zu erzählen, und Hliot ward rot und blaß, da er von Atlis Schandeid vernahm. Man hielt ihn kaum zurück, wund, wie er war, hinzureiten und Atli zu erschlagen.

Lange sprachen sie hin und her, wie Atli zu züchtigen wäre.

Während sie so saßen, tat sich die Türe auf ohne Knarren und ohne daß die Hunde knurrten, die am Langfeuer lagen. Eyvind sah, daß es Aukko die Finnin, war, die wie allabends von Höh kam, um nach Hliots Wunde zu sehen.

Auf lautlosen Fellschuhen kam sie heran, das frische Linnenzeug überm Arm, die Bernsteinurne in der Hand, die die Zaubersalbe faßte. Denn wie kein andres Volk wissen die Finnen Tränke zu brauen und Wunde zu pflegen.

Sie trat zum Tisch und nahm still die Kanne fort, die Half gestört hatte, wischte vergossenen Met von der Platte auf und nickte Eyvind freundlich zu, während die Männer achtlos weiter sprachen.

Dann kniete sie neben Hliots Lager hin und begann, das Bein frisch zu salben und zu verbinden.

»Nun ist es so weit, daß du morgen aufstehen magst, Herr!« sagte sie mit ihrer leisen, wiegenden Stimme.

Im gleichen Augenblick aber fiel mit großem Lärm ein Ding zu Boden. Der Hund, der in der Asche gelegen hatte, ward getroffen, sprang aufjammernd herab und verkroch sich winselnd in der fernsten Ecke.

Eyvind rief bestürzt: »Das war Sippeknauf!« Denn er dachte, es sei seine Schuld, da er die Waffe an den Haken gehängt hatte.

Aber nur die Scheide war herabgefallen, das Schwert hing nackt und glitzernd an der Wand.

Aukko sprang zum Herde, sie nahm den großen Kupferdeckel vom Kessel, der dort stand, und einen kleinen Deckel von einem Topf. Sie hielt den großen Deckel hinter sich, den kleinen aber vor sich und sah lange auf die vom Dampf beperlte Fläche.

Als sie die Männer anblickte, war sie nicht Aukko mehr, die unfreie Finnin, sondern der Weisen eine, die Zauber und Ränke kennen.

»Gut behagt es, mit Freunden beim Mahl zu sitzen, Half Hjörleifsohn!« sagte sie. »Und doch rate ich dir heimzureiten, so schnell Igran es vermag!«

Und als Half in sie drang, zu sagen, was sie gesehen habe, antwortete sie: »Ich habe Sigrdryfa, dein Weib, gesehen, und sie warf ihre Spindel über ihre linke Schulter. Da fiel die Scheide von deinem Schwert, zum Zeichen, daß du ihr Hilfe bringen mögest, und der Hund verkroch sich, zum Zeichen, daß kein Schützer bei ihr ist, und Asche ward verstreut, da er herabsprang, zum Zeichen, daß deinem Herde Gefahr droht! Ich aber denke, daß es Atli ist, darum dünkte es mich am besten, ihr rittet alle nach Engihlid!«

Da war großes Hasten, und Hliot warf die Felldecken fort und saß mit auf, da sie davonritten. Mutter Thorodd aber vermochte Eyvind kaum zu halten, der flehte und bat, man möge ihn nicht zu Hause lassen. Aukko war auf ihr zottiges Finnenpferdchen gestiegen und sagte, sie könne vielleicht den Männern nützlich sein, wenn sie mitkäme. Half ritt allen voraus und trieb Igran an, daß die andern ihm kaum zu folgen vermochten. Sie waren nur eine kurze Strecke weit geritten, da kam Eyvind ihnen keuchend nachgerannt und flehte so sehr, man möge ihn mitnehmen, daß Glum sein Vater sich seiner erbarmte und ihn zu sich aufs Pferd hob.

Es war aber jählings Nebel über Gnupr gefallen, weiß und dicht, daß man den Mann nicht sah, der neben einem ritt, und Glum rief von Zeit zu Zeit alle Namen. Half aber antwortete nur: »Schneller! Schneller!«, während er auf Igran einschlug.

So ritten sie eine Weile und man hörte an Hliots gepreßtem Atem, wie weh ihm dabei geschah.

Da kam es heran über die Heide wie Wetterbraus. Es schnaubte und stampfte, und alle hörten sie, daß ein einzelnes Roß in rasendem Lauf auf sie losstürmte. Jedem der Reiter war, als überrenne es gerade ihn, in diesem schwimmenden Nebel, der dicht wie weiße, feuchte Laken um sie hing. Und jählings scholl ein durchdringendes Wiehern, so nahe, daß sie ihre Gäule zur Seite rissen. Da schrie Half: »Freysfaxi!« – mit einer Stimme, die niemals vergessen kann, wer sie gehört hat. Und jählings zerfloß der brauende Nebel, er ward schleierdünn, und sie alle sahen Freysfaxi aus dem schwimmenden Dunstmeer treten. Feuer sprühte aus seinen Nüstern, Funken aus seinem Huf, und das Roß hob sich und bäumte sich, wuchs und wuchs, bis es den Himmel erreichte und in jagenden Wolken verging.

Und was auch die Weißröcke dagegen reden, sie können nicht abstreiten, was vier Helden und wohl viermal zehn Knechte bezeugt haben.

Als sie aber dies geschaut hatten, da schloß sich der Nebel von neuem, daß sie nicht die Hand mehr vor den Augen sahen. Half schrie zurück: »Aukko! Aukko! Was widerfährt der, die mein Weib ist?«

Sprach Aukko, und ihr Pferdchen schoß wie ein Sperber dahin: »Nebel ist mir wie klarer Tag. Waffen seh ich wie Wasser schimmern. Dies war Sigrdryfas zweite Botschaft, aber sie sandte sie nicht uns allein!« Und dann hörte man nichts mehr als das Klappern der Hufe auf dem nächtlich gefrornen Boden.

Da kamen sie nach Höh, Grims Hof, der an der Flußbiegung liegt. Hat man aber Höh im Rücken, so kann man hinüber bis nach Engihlid sehen.

Auf Höh war ein alter Kettenhund, den Ketil, Grims Vater, gezogen hatte, und den Grim nur darum noch hielt, denn er schlief, wer immer auch auf den Hof kam. Als sie aber an Höh vorbeijagten, da klärte sich von neuem der Nebel, und die Reitenden sahen sich scheu in ihre käseweißen Gesichter, als träfen sie sich zum erstenmal. Vor dem Hoftor stand der alte Hund, der räudige Gnadenbrotfresser, und er hielt seine Schnauze in die Luft und heulte, wie nie ein Hund geheult hat.

Da fiel das Grauen über alle Männer. Half faßte Glum am Arm und fragte: »Ist das das Zeichen, das mein Vater hörte?« und nochmals: »Ist das das Heulen, das mein Vater gehört hat?« Aber keiner antwortete. Half aber fragte nun auch Aukko nicht mehr, was seinem Weibe widerfahre. Denn nun hatten sie Höh im Rücken und sahen die Flammen auf Engihlid gen Himmel lodern.

Als Half das sah, stand er im Steigbügel auf, er schlug Igran mit dem blanken Schwerte, und ein unerhörtes Rennen begann. Sie sahen schon die Rinder, rasend vor Angst, zerrissene Stricke nachschleifend, vorbeistürmen. Sie hörten das Blöken der Schafe in den flammenden Ställen. Der Boden des weiten Hofes war zerpflügt von Tritten, und es lagen die Erschlagenen in ihrem Blute.

Igran strauchelte, denn Half hatte die letzte Kraft aus dem Hengst gehetzt, und er ließ ihn liegen, wo er lag. Allen voran rannte er auf das Haus zu, das wie eine Fackel brannte. Vor dem Hallentor häufte sich unter einem Wust von zertrümmertem Gebälk ein Knäuel von Toten. Einer aber, der unter Leichen lag, hob sich noch, und er war schrecklich anzusehen, denn ein Axthieb hatte seine Stirn getroffen, und wie ein Wunder wars, daß er noch redete. Es war dies Ivar, Halfs Knecht, der auf Engihlid geboren war, und er rief laut: »Herr, Herr! Atli hat dir das getan!«

Half aber stürzte an ihm vorbei.

Da kam Grim nachgeritten und hing sich an Half und flehte ihn an, nicht ins Haus zu dringen, um das die singende Flamme brauste wie um Lokis Wohnsitz.

Half jedoch würgte seinen Bruder Grim und schleuderte ihn von sich und warf sich in die Flammen. Er taumelte aber sogleich zurück, denn kein vom Weibe Geborener konnte dies ertragen. Aukko schrie warnend auf, und kaum hatte Grim Half zur Seite gerissen, – da brach die Halle auch schon in sich zusammen. Er aber schrie nach Sigrdryfa, die sein Weib gewesen war, und nannte sich feige und schlug sein Fleisch mit Fäusten, weil es dem Brande nicht standhielt und nannte Grim einen Neiding, der ihn gerettet hatte.

Eyvind, das Kind, weinte. Er wollte nicht, daß man ihn sähe, so trat er aus dem Schein der Flammen fort. Er stieß mit dem Fuß an etwas, das klang und glitzerte und fortrollte, da er sich bückte, es zu haschen. Aukko fing das Ding, und sie legte es still in Halfs Schoß. Es war dies Sigrdryfas Armreif, den Half ihr als Morgengabe gegeben hatte. Er nahm den Reif und sah ihn lange an und raunte: »Als ich ihn ihr gab, da staunte ich sehr, denn ich konnte den Reif weit über ihren Ellenbogen schieben, und mir selbst saß er am Handgelenk. Nie vorher hatte ich gewußt, wie schlank und weich der Frauen Arme sind, und nie will ich's künftighin wissen!« Da erst sah man, wie groß seine Liebe zu Sigrdryfa gewesen war, denn er weinte vor allen Männern und schämte sich nicht darum. Dann stand er auf und streifte den Reif an seine linke Hand und legte die Schwurfinger daran. So schwor er vor allen den Treueeid für Sigrdryfa, mit dem er der Manneslust absagte für alle Zeiten. Und es erschien vielen, die davon hörten, unmöglich, daß Half den Eid nicht brechen solle, denn er war jung und stark, und alles an ihm war, wie die Frauen es lieben. Aber er hielt den Schwur, obgleich er einst eine ganze Nacht bei einer stolzen Königin lag, – wie später zu berichten sein wird. Dann aber sagte Half: »Dies, ihr Männer, war ein Schwur. Nun kommt der andere.«

Er pflanzte Sippeknaufs Griff ins blutfeuchte Gras, daß die Spitze nach oben starrte. Und die Eidhand daran legend, verschwor er so Met, wie Skaldenlied, so Waffenspiel wie Herdfeuer, ehe nicht Atli erschlagen läge.

Und Hliot streckte scheu die Rechte vor und sagte, wenn Half den hinkenden Mann leiden möge, dann wolle er schwören, mit ihm zu gehen und sei es nach Hel.

Und Grim und Glum schworen, wie Hliot geschworen hatte, und alle Knechte schworen kniend nach ihnen.

Eyvind, das Kind, aber stand abseits und, ohne auf Aukkos Trost zu achten, weinte er zum Herzbrechen über seine dreizehn Jahre.

 


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