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14

Die Kontrolluhren beginnen wieder zu knarren. Schichtwechsel.

Es gehen die Negerinnen, die Chinesinnen, die Spanierinnen in bunten, billigen Kleidern zurück in ihre Quartiere. Es gehen laut, schwerfällig Hausmänner, Fensterputzer, Handwerker; es kommen Heizer, Nachtwächter, Kellner. Es kommen Köche, es gehen Köche; es kommen Stubenmädchen, es gehen Stubenmädchen. Kommen, Gehen, Kommen, Gehen – es ist Schichtwechsel, die Kontrolluhren knarren.

Vor dem Ausgang des Personals stauen sich die Massen, man hört Zurufe, Lachen, Grüße.

Die Portiers beobachten aufmerksam die Ausgänge. Keiner darf unbemerkt mit einem Paket hinaus.

   

Zwischen den Kommenden und Gehenden erscheint heute zahlreicher als sonst Aufsichtspersonal. Man achtet darauf, daß keine Gespräche in Gang kommen, damit die Kommenden von den Gehenden keine Aufklärung über die Ereignisse des heutigen Tages erhalten.

Es stehen oder sitzen aber auch manche auf den Treppen und auf dem Boden herum, die nicht fortgehen, die sich nur das Treiben bis zum Essen ansehen oder auf jemanden warten.

Shirley ist da, blaß und unruhig; die Ungewißheit quält sie immer stärker. Sie hatte erwartet, daß man ihr nach Arbeitsschluß eine Anweisung auf ihren restlichen Lohn geben und auf ihre weiteren Dienste verzichten würde; doch nichts von alledem. Anscheinend will die Direktion alles vermeiden, was die Stimmung des Personals erregen könnte.

Shirley weiß jetzt nicht, was zu beginnen. Sie weiß nicht, wie sie mit ihrem Freund in Verbindung treten könnte. Auf telefonische Anrufe in seinem Zimmer bekommt sie keine Antwort. Sie kann auch nicht mehr auf die Gästekorridore; als sie wieder nach oben wollte, um sich persönlich zu erkundigen, wurde sie von Frau Magpag verjagt.

»Du bist ja so fleißig, Shirley, man ist das von dir sonst nicht gewohnt, du willst sogar dann arbeiten, wenn keine Arbeit mehr für dich da ist.«

Ach, diese Frau Magpag! Ob sie wohl etwas ahnte? Jedenfalls: hinauf konnte sie nicht mehr. Wie sollte sie nun ihren Freund suchen – heute, wo sie den ganzen Tag über so sicher war, von hier fort zu können?

Ein Versuch, in die Hotelhalle zu gehen und dort auf ihn zu warten, ist von vornherein zwecklos. Man würde sie erkennen und fortscheuchen. Für Angestellte war es nicht möglich, Gast zu spielen.

Der neue Küchenjunge Fritz hält sich auch beim Ausgang auf und blickt immer wieder zu ihr herüber. Shirley bemerkt das wohl; aber jetzt, wo sie selbst große Sorgen hat, hat sie keine Lust, sich mit ihm zu unterhalten.

Fritz kauert auf dem Boden; er sieht sehr müde, fahl und abgespannt aus. Man merkt es ihm an, daß ihn die Arbeit mitgenommen hat.

Er wartet auf seinen Freund, den Nachtwächter.

Als Heinrich Klüter durch das Tor kommt und den Freund erblickt, strahlt er förmlich.

Sie begrüßen sich, als hätten sie sich seit langer Zeit nicht gesehen.

Heinrich Klüter hat Fritz Sandwiches mitgebracht.

Fritz springt auf und massiert seine Glieder.

»Mensch, man merkt es, wenn man arbeitet, ich bin ganz krumm geworden, soviel mußte ich hin und her springen. Aber es war ein toller Tag, es fehlte nicht viel, und wir hätten einen richtigen Streik bekommen. Aber vielleicht kommt es noch einmal zum Klappen; gäbe es nur noch mehr so Tüchtige wie dieses Mädel hier.«

Fritz steht jetzt bei Shirley.

»Das ist Shirley O'Brien.«

Und zu Shirley:

»Habe ich deinen Namen richtig behalten?«

»Du hast meinen Namen richtig behalten, aber ich mag es nicht, wenn man sich dumme Scherze mit mir erlaubt.«

»Scherze? Heinrich, du hättest das Mädel hören müssen, wie es dem Direktor seine Meinung gesagt hat. Feige ist sie nicht, das ist sicher. Hat man dich nicht entlassen?«

»Nein, man hat mich nicht entlassen.«

»Siehst du, man hat doch Angst vor uns.«

»Vielleicht bin ich eine so tüchtige Arbeitskraft.«

»Wolltest du nicht heute reich werden, als Gast wiederkommen?«

»Ja, das will ich noch immer; du kannst mich ruhig auslachen, ich kümmere mich nicht darum.«

Heinrich Klüter will alles Nähere erfahren.

Aber es ist heute nicht so einfach, etwas zu berichten. Leute, die sonst unter dem Personal nicht zu sehen sind, versuchen sich der Gruppe anzuschließen.

Heinrich Klüter kennt sie alle.

Sobald die der großen Masse der Angestellten unbekannten Gesichter auftauchen, versucht er, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.

Fritz will jedoch immer wieder von den Erlebnissen des heutigen Tages erzählen.

»Du hättest bloß sehen sollen, wie alles durcheinanderging in der Küche, nur weil das Hilfspersonal einige Minuten fehlte. Da merkt man erst, daß wir doch nicht so überflüssiges Füllsel sind. Ohne uns geht es doch nicht, und wenn wir auch die niedrigste Arbeit verrichten.«

»Das kann ich mir denken, daß es ohne dich nicht geht.«

Heinrich Klüter sieht liebevoll, wenn auch etwas spöttisch, auf seinen Freund.

»Ja, ohne uns alle geht auch nichts, glaube mir, wir können das nicht oft genug eingehämmert bekommen. Wir müssen es selbst mit eigenen Augen sehen, dann merken wir erst, daß wir eine Macht sind, und nichts auf der Welt ist wichtiger, als daß wir das wissen. Wir sind mächtig. Hab ich nicht recht, Shirley O'Brien?«

»Nein, wir sind nicht so mächtig; ganz im Gegenteil, mit den Leuten, die kein Geld haben, kann man tun, was man will, die müssen alles ausbaden. Nur wenn man Geld hat, kann einem nichts Böses geschehen, sonst ist man ein Sklave.«

»Da hör einer an, wie die Kleine spricht! Ich möchte nur wissen, von wo sie all die Weisheit her hat.«

»Das geht dich nichts an.«

»Und wie du auf die Idee gekommen bist, reich werden zu wollen, das möchte ich auch wissen.«

»Sei nur nicht gar so neugierig, von mir kannst du nicht mehr erfahren als das, was ich selbst sagen will.«

»Willst du nicht mit mir spazierengehen, wir könnten draußen besser miteinander sprechen als hier, wo es immer wieder Leute gibt, die Gesprächen zuhören möchten, die nicht für ihre Ohren bestimmt sind.«

Shirley überlegt, was sie tun könnte. Ihr wird es wirklich immer ungemütlicher; es scheint, daß man sie beobachtet. Aber sie kann zu keinem vernünftigen Gedanken kommen. Was soll nur aus ihr werden? Heute früh war sie so fest von ihrem Glück überzeugt – und jetzt? Nein, auch jetzt will sie hoffen; es wird noch alles gut werden, man muß nur wollen.

»Nun, willst du nicht kommen? Ich hätte gern noch mit dir gesprochen.«

Fritz steht dicht neben ihr, deren Augen unruhig hin und her wandern.

Plötzlich aber werden sie scharf und wach. Shirley hat in einen der Personalaufzüge verschiedene Kellner einsteigen sehen.

Dabei entdeckt sie etwas so Überraschendes, daß sie nun hineilt, um noch einen Blick in den Aufzug zu tun.

Sie kann es kaum glauben, und doch stimmt es, sie hat sich nicht getäuscht. Der eine Kellner ist ihr Freund. Auf seinen Frack ist eine Nummer geheftet, und unter dem Kragen läuft eine schmale silberne Borte.

Sie hat sich vor kurzem noch beunruhigt, weil sie nicht in die Abteilungen der Gäste gelangen konnte, und nun war er hier bei dem Personal, er gehörte zum Personal ...!

Warum hat er sie belogen, warum hat er ihr nicht die Wahrheit gesagt? Aber er war doch nicht nur Angestellter, er war auch Gast. Sie hat ihn ja oft selbst in seinem Zimmer gesehen. Wie konnte er nun plötzlich Kellner sein? Es gab sicher vieles, wovon er ihr nie erzählt hatte. Aber jetzt, da er einmal Kellner war, konnte er nicht wieder Gast werden; obgleich es überall Türen gibt, die die Reviere des Personals und die der Gäste verbinden, ist es doch nicht möglich, sich in einen Gast zu verwandeln, wenn man als Angestellter gearbeitet hat.

Sie möchte ihn wenigstens schnell noch sprechen, will endlich Gewißheit haben. Aber der Aufzug steigt hoch, entschwindet ihren Augen.

Ja, Herr Fish steigt empor zu dem Ballsaal. Er wird betreut von dem »schönen Alex«, der sich überraschenderweise in jeder Beziehung, sogar in der finanziellen Frage, zuvorkommend zeigt. Er hat sich bereit erklärt, Herrn Fish auf seine Arbeitsstätte zu begleiten und ihn in die Geheimnisse seines neuen Berufes einzuweihen. Herr Fish nimmt diese Freundlichkeit mit einigem Mißtrauen entgegen. Es gelingt ihm jedoch nicht, der beharrlichen Hilfsbereitschaft des »schönen Alex« zu entgehen.

»Nun, Shirley O'Brien, willst du nicht mit mir ins Freie?«

Fritz ist beharrlich.

»Nein, ich will nicht ins Freie, ich will hier warten, ich muß etwas Bestimmtes erfahren.«


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