Gotthold Ephraim Lessing
Minna von Barnhelm
Gotthold Ephraim Lessing

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3. Akt

1. Szene

Just. Muß ich doch noch einmal in das verdammte Haus kommen! – Ein Briefchen von meinem Herrn an das gnädige Fräulein, das seine Schwester sein will. – Wenn sich nur da nichts anspinnt! – Sonst wird des Brieftragens kein Ende werden. – Ich wär es gern los, aber ich möchte auch nicht gern ins Zimmer hinein. – Das Frauenszeug fragt so viel, und ich antworte so ungern! – Ha, die Türe geht auf. Wie gewünscht! das Kammerkätzchen!

2. Szene

Franziska (zur Türe herein, aus der sie kömmt). Sorgen Sie nicht; ich will schon aufpassen. – Sieh! (indem sie Justen gewahr wird) da stieße mir ja gleich was auf. Aber mit dem Vieh ist nichts anzufangen.

Just. Ihr Diener, Jungfer –

Franziska. Ich wollte so einen Diener nicht –

Just. Nu, nu, verzeih Sie mir die Redensart! – Da bring ich ein Briefchen von meinem Herrn an Ihre Herrschaft, das gnädige Fräulein – Schwester. – War's nicht so? Schwester.

Franziska. Geb Er her! (Reißt ihm den Brief aus der Hand.)

Just. Sie soll so gut sein, läßt mein Herr bitten, und es übergeben. Hernach soll Sie so gut sein, läßt mein Herr bitten – daß Sie nicht etwa denkt, ich bitte was! –

Franziska. Nun denn?

Just. Mein Herr versteht den Rummel. Er weiß, daß der Weg zu den Fräuleins durch die Kammermädchen geht: – bild ich mir ein! – Die Jungfer soll also so gut sein – läßt mein Herr bitten – und ihm sagen lassen, ob er nicht das Vergnügen haben könnte, die Jungfer auf ein Viertelstündchen zu sprechen.

Franziska. Mich?

Just. Verzeih Sie mir, wenn ich Ihr einen unrechten Titel gebe. – Ja, Sie! – Nur auf ein Viertelstündchen; aber allein, ganz allein, insgeheim, unter vier Augen. Er hätte Ihr was sehr Notwendiges zu sagen.

Franziska. Gut! ich habe ihm auch viel zu sagen. – Er kann nur kommen, ich werde zu seinem Befehle sein.

Just. Aber, wenn kann er kommen? Wenn ist es Ihr am gelegensten, Jungfer? So in der Dämmerung? –

Franziska. Wie meint Er das? – Sein Herr kann kommen, wenn er will – und damit packe Er sich nur!

Just. Herzlich gern! (Will fortgehen.)

Franziska. Hör Er doch; noch auf ein Wort. – Wo sind denn die andern Bedienten des Majors?

Just. Die andern? Dahin, dorthin, überallhin.

Franziska. Wo ist Wilhelm?

Just. Der Kammerdiener? den läßt der Major reisen.

Franziska. So? Und Philipp, wo ist der?

Just. Der Jäger? den hat der Herr aufzuheben gegeben.

Franziska. Weil er jetzt keine Jagd hat, ohne Zweifel. – Aber Martin?

Just. Der Kutscher? der ist weggeritten.

Franziska. Und Fritz?

Just. Der Läufer? der ist avanciert.

Franziska. Wo war Er denn, als der Major bei uns in Thüringen im Winterquartiere stand? Er war wohl noch nicht bei ihm?

Just. O ja, ich war Reitknecht bei ihm, aber ich lag im Lazarett.

Franziska. Reitknecht? Und jetzt is Er?

Just. Alles in allem; Kammerdiener und Jäger, Läufer und Reitknecht.

Franziska. Das muß ich gestehen! So viele gute, tüchtige Leute von sich zu lassen und gerade den Allerschlechtesten zu behalten! Ich möchte doch wissen, was Sein Herr an Ihm fände!

Just. Vielleicht findet er, daß ich ein ehrlicher Kerl bin.

Franziska. Oh, man ist auch verzweifelt wenig, wenn man weiter nichts ist als ehrlich. – Wilhelm war ein andrer Mensch – Reisen läßt ihn der Herr?

Just. Ja, er läßt ihn – da er's nicht hindern kann.

Franziska. Wie?

Just. Oh, Wilhelm wird sich alle Ehre auf seinen Reisen machen. Er hat des Herrn ganze Garderobe mit.

Franziska. Was? Er ist doch nicht damit durchgegangen?

Just. Das kann man nun eben nicht sagen; sondern als wir von Nürnberg weggingen, ist er uns nur nicht damit nachgekommen.

Franziska. Oh, der Spitzbube!

Just. Es war ein ganzer Mensch! Er konnte frisieren und rasieren und parlieren – und scharmieren – Nicht wahr?

Franziska. Sonach hätte ich den Jäger nicht von mir getan, wenn ich wie der Major gewesen wäre. Konnte er ihn schon nicht als Jäger nützen, so war es doch sonst ein tüchtiger Bursche. – Wem hat er ihn denn aufzuheben gegeben?

Just. Dem Kommandanten von Spandau.

Franziska. Der Festung? Die Jagd auf den Wällen kann doch da auch nicht groß sein.

Just. Oh, Philipp jagt auch da nicht.

Franziska. Was tut er denn?

Just. Er karrt.

Franziska. Er karrt?

Just. Aber nur auf drei Jahr. Er machte ein kleines Komplott unter des Herrn Kompanie und wollte sechs Mann durch die Vorposten bringen. –

Franziska. Ich erstaune, der Bösewicht!

Just. Oh, es ist ein tüchtiger Kerl! Ein Jäger, der funfzig Meilen in der Runde durch Wälder und Moräste alle Fußsteige, alle Schleifwege kennt. Und schießen kann er!

Franziska. Gut, daß der Major nur noch den braven Kutscher hat!

Just. Hat er ihn noch?

Franziska. Ich denke, Er sagte, Martin wäre weggeritten? So wird er doch wohl wiederkommen?

Just. Meint Sie?

Franziska. Wo ist er denn hingeritten?

Just. Es geht nun in die zehnte Woche, da ritt er mit des Herrn einzigem und letztem Reitpferde – nach der Schwemme.

Franziska. Und ist noch nicht wieder da? Oh, der Galgenstrick!

Just. Die Schwemme kann den braven Kutscher auch wohl verschwemmt haben! – Es war gar ein rechter Kutscher! Er hatte in Wien zehn Jahre gefahren. So einen kriegt der Herr gar nicht wieder. Wenn die Pferde im vollen Rennen waren, so durfte er nur machen: »Burr!« und auf einmal standen sie wie die Mauern. Dabei war er ein ausgelernter Roßarzt!

Franziska. Nun ist mir für das Avancement des Läufers bange.

Just. Nein, nein, damit hat's seine Richtigkeit. Er ist Trommelschläger bei einem Garnisonregimente geworden.

Franziska. Dacht ich's doch!

Just. Fritz hing sich an ein liederliches Mensch, kam des Nachts niemals nach Hause, machte auf des Herrn Namen überall Schulden und tausend infame Streiche. Kurz, der Major sahe, daß er mit aller Gewalt höher wollte: (das Hängen pantomimisch anzeigend) er brachte ihn also auf guten Weg.

Franziska. Oh, der Bube!

Just. Aber ein perfekter Läufer ist er, das ist gewiß. Wenn ihm der Herr funfzig Schritte vorgab, so konnte er ihn mit seinem besten Renner nicht einholen. Fritz hingegen kann dem Galgen tausend Schritte vorgeben und, ich wette mein Leben, er holt ihn ein. – Es waren wohl alles Ihre guten Freunde, Jungfer? Der Wilhelm und der Philipp, der Martin und der Fritz? – Nun, Just empfiehlt sich! (Geht ab.)

3. Szene

Franziska (die ihm ernsthaft nachsieht). Ich verdiene den Biß! – Ich bedanke mich, Just. Ich setzte die Ehrlichkeit zu tief herab. Ich will die Lehre nicht vergessen. – Ah! der unglückliche Mann! (Kehrt sich um und will nach dem Zimmer des Fräuleins gehen, indem der Wirt kömmt.)

Wirt. Warte Sie doch, mein schönes Kind.

Franziska. Ich habe jetzt nicht Zeit, Herr Wirt –

Wirt. Nun ein kleines Augenblickchen! – Noch keine Nachricht weiter von dem Herrn Major? Das konnte doch unmöglich sein Abschied sein! –

Franziska. Was denn?

Wirt. Hat es Ihr das gnädige Fräulein nicht erzählt? – Als ich Sie, mein schönes Kind, unten in der Küche verließ, so kam ich von ungefähr wieder hier in den Saal –

Franziska. Von ungefähr, in der Absicht, ein wenig zu horchen.

Wirt. Ei, mein Kind, wie kann Sie das von mir denken? Einem Wirte läßt nichts übler als Neugierde. – Ich war nicht lange hier, so prellte auf einmal die Türe bei dem gnädigen Fräulein auf. Der Major stürzte heraus, das Fräulein ihm nach, beide in einer Bewegung, mit Blicken, in einer Stellung – so was läßt sich nur sehen. Sie ergriff ihn, er riß sich los, sie ergriff ihn wieder. »Tellheim!« – Fräulein, lassen Sie mich! – »Wohin?« – So zog er sie bis an die Treppe. Mir war schon bange, er würde sie mit herabreißen. Aber er wand sich noch los. Das Fräulein blieb an der obersten Schwelle stehn, sah ihm nach, rief ihm nach, rang die Hände. Auf einmal wandte sie sich um, lief nach dem Fenster, von dem Fenster wieder zur Treppe, von der Treppe in dem Saale hin und wider. Hier stand ich, hier ging sie dreimal bei mir vorbei, ohne mich zu sehen. Endlich war es, als ob sie mich sähe, aber, Gott sei bei uns! ich glaube, das Fräulein sahe mich für Sie an, mein Kind. »Franziska«, rief sie, die Augen auf mich gerichtet, »bin ich nun glücklich?« Darauf sahe sie steif an die Decke und wiederum: »Bin ich nun glücklich?« Darauf wischte sie sich Tränen aus dem Auge und lächelte und fragte mich wiederum: »Franziska, bin ich nun glücklich?« – Wahrhaftig, ich wußte nicht, wie mir war. Bis sie nach ihrer Türe lief, da kehrte sie sich nochmals nach mir um: »So komm doch, Franziska; wer jammert dich nun?« – Und damit hinein.

Franziska. Oh, Herr Wirt, das hat Ihnen geträumt.

Wirt. Geträumt? Nein, mein schönes Kind, so umständlich träumt man nicht. – Ja, ich wollte wieviel drum geben – ich bin nicht neugierig – aber ich wollte wieviel drum geben, wenn ich den Schlüssel dazu hätte.

Franziska. Den Schlüssel? zu unsrer Türe? Herr Wirt, der steckt innerhalb; wir haben ihn zur Nacht hereingezogen; wir sind furchtsam.

Wirt. Nicht so einen Schlüssel; ich will sagen, mein schönes Kind, den Schlüssel, die Auslegung gleichsam, so den eigentlichen Zusammenhang von dem, was ich gesehen. –

Franziska. Ja so! – Nun, adieu, Herr Wirt. Werden wir bald essen, Herr Wirt?

Wirt. Mein schönes Kind, nicht zu vergessen, was ich eigentlich sagen wollte.

Franziska. Nun? aber nur kurz –

Wirt. Das gnädige Fräulein hat noch meinen Ring; ich nenne ihn meinen –

Franziska. Er soll Ihnen unverloren sein.

Wirt. Ich trage darum auch keine Sorge; ich will's nur erinnern. Sieht Sie, ich will ihn gar nicht einmal wiederhaben. Ich kann mir doch wohl an den Fingern abzählen, woher sie den Ring kannte, und woher er dem ihrigen so ähnlich sah. Er ist in ihren Händen am besten aufgehoben. Ich mag ihn gar nicht mehr und will indes die hundert Pistolen, die ich darauf gegeben habe, auf des gnädigen Fräuleins Rechnung setzen. Nicht so recht, mein schönes Kind?

4. Szene

Werner. Da ist er ja!

Franziska. Hundert Pistolen? Ich meinte, nur achtzig.

Wirt. Es ist wahr, nur neunzig, nur neunzig. Das will ich tun, mein schönes Kind, das will ich tun.

Franziska. Alles das wird sich finden, Herr Wirt.

Werner (der ihnen hinterwärts näher kömmt und auf einmal der Franziska auf die Schulter klopft). Frauenzimmerchen! Frauenzimmerchen!

Franziska (erschrickt). He!

Werner. Erschrecke Sie nicht! – Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, ich sehe, Sie ist hübsch und ist wohl gar fremd – Und hübsche fremde Leute müssen gewarnet werden – Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, nehm Sie sich vor dem Manne in acht! (Auf den Wirt zeigend.)

Wirt. Je, unvermutete Freude! Herr Paul Werner! Willkommen bei uns, willkommen! – Ah, es ist doch immer noch der lustige, spaßhafte, ehrliche Werner! – Sie soll sich vor mir in acht nehmen, mein schönes Kind! Ha, ha, ha!

Werner. Geh Sie ihm überall aus dem Wege!

Wirt. Mir! mir! – Bin ich denn so gefährlich? – Ha, ha, ha! Hör' Sie doch, mein schönes Kind! Wie gefällt Ihr der Spaß?

Werner. Daß es doch immer Seinesgleichen für Spaß erklären, wenn man ihnen die Wahrheit sagt.

Wirt. Die Wahrheit! ha, ha, ha! – Nicht wahr, mein schönes Kind, immer besser! Der Mann kann spaßen! Ich gefährlich? – ich? – So vor zwanzig Jahren war was dran. Ja, ja, mein schönes Kind, da war ich gefährlich; da wußte manche davon zu sagen; aber jetzt –

Werner. Oh, über den alten Narrn!

Wirt. Da steckt's eben! Wenn wir alt werden, ist es mit unsrer Gefährlichkeit aus. Es wird Ihm auch nicht besser gehen, Herr Werner!

Werner. Potz Geck und kein Ende! – Frauenzimmerchen, so viel Verstand wird Sie mir wohl zutrauen, daß ich von der Gefährlichkeit nicht rede. Der eine Teufel hat ihn verlassen, aber es sind dafür sieben andre in ihn gefahren –

Wirt. Oh, hör Sie doch, hör Sie doch! Wie er das nun wieder so herumzubringen weiß! – Spaß über Spaß und immer was Neues! Oh, es ist ein vortrefflicher Mann, der Herr Paul Werner! – (Zur Franziska, als ins Ohr.) Ein wohlhabender Mann und noch ledig. Er hat drei Meilen von hier ein schönes Freischulzengerichte. Der hat Beute gemacht im Kriege! – Und ist Wachtmeister bei unserm Herrn Major gewesen. Oh, das ist ein Freund von unserm Herrn Major! das ist ein Freund! der sich für ihn totschlagen ließe! –

Werner. Ja! und das ist ein Freund von meinem Major! das ist ein Freund! – den der Major sollte totschlagen lassen.

Wirt. Wie? was? – Nein, Herr Werner, das ist nicht guter Spaß. – Ich kein Freund vom Herrn Major? – Nein, den Spaß versteh ich nicht.

Werner. Just hat mir schöne Dinge erzählt.

Wirt. Just? Ich dacht's wohl, daß Just durch Sie spräche. Just ist ein böser, garstiger Mensch. Aber hier ist ein schönes Kind zur Stelle; das kann reden; das mag sagen, ob ich kein Freund von dem Herrn Major bin? Ob ich ihm keine Dienste erwiesen habe? Und warum sollte ich nicht sein Freund sein? Ist er nicht ein verdienter Mann? Es ist wahr, er hat das Unglück gehabt, abgedankt zu werden: aber was tut das? Der König kann nicht alle verdiente Männer kennen, und wenn er sie auch alle kennte, so kann er sie nicht alle belohnen.

Werner. Das heißt Ihn Gott sprechen! – Aber Just – freilich ist an Justen auch nicht viel Besonders, doch ein Lügner ist Just nicht; und wenn das wahr wäre, was er mir gesagt hat –

Wirt. Ich will von Justen nichts hören! Wie gesagt: das schöne Kind hier mag sprechen! (Zu ihr ins Ohr.) Sie weiß, mein Kind, den Ring! – Erzähl' Sie es doch Herrn Wernern. Da wird er mich besser kennenlernen. Und damit es nicht herauskömmt, als ob Sie mir nur zu Gefallen rede, so will ich nicht einmal dabei sein. Ich will nicht dabei sein; ich will gehn; aber Sie sollen mir es wiedersagen, Herr Werner, Sie sollen mir es wiedersagen, ob Just nicht ein garstiger Verleumder ist.

5. Szene

Werner. Frauenzimmerchen, kennt Sie denn meinen Major?

Franziska. Den Major von Tellheim? Jawohl kenn ich den braven Mann.

Werner. Ist es nicht ein braver Mann? Ist Sie dem Manne wohl gut? –

Franziska. Vom Grund meines Herzens.

Werner. Wahrhaftig? Sieht Sie, Frauenzimmerchen; nun kömmt Sie mir noch einmal so schön vor. – Aber was sind denn das für Dienste, die der Wirt unserm Major will erwiesen haben?

Franziska. Ich wüßte eben nicht; es wäre denn, daß er sich das Gute zuschreiben wollte, welches glücklicherweise aus seinem schurkischen Betragen entstanden.

Werner. So wäre es ja wahr, was mir Just gesagt hat? – (Gegen die Seite, wo der Wirt abgegangen.) Dein Glück, daß du gegangen bist! – Er hat ihm wirklich die Zimmer ausgeräumt? – So einem Manne so einen Streich zu spielen, weil sich das Eselsgehirn einbildet, daß der Mann kein Geld mehr habe! Der Major kein Geld?

Franziska. So? Hat der Major Geld?

Werner. Wie Heu! Er weiß nicht, wieviel er hat. Er weiß nicht, wer ihm alles schuldig ist. Ich bin ihm selber schuldig und bringe ihm hier ein altes Restchen. Sieht Sie, Frauenzimmerchen, hier in diesem Beutelchen (das er aus der einen Tasche zieht) sind hundert Louisdor und in diesem Röllchen (das er aus der andern zieht) hundert Dukaten. Alles sein Geld!

Franziska. Wahrhaftig? Aber warum versetzt denn der Major? Er hat ja einen Ring versetzt –

Werner. Versetzt! Glaub Sie doch so was nicht. Vielleicht, daß er den Bettel hat gern wollen los sein.

Franziska. Es ist kein Bettel! Es ist ein sehr kostbarer Ring, den er wohl noch dazu von lieben Händen hat.

Werner. Das wird's auch sein. Von lieben Händen; ja, ja! So was erinnert einen manchmal, woran man nicht gern erinnert sein will. Drum schafft man's aus den Augen.

Franziska. Wie?

Werner. Dem Soldaten geht's in Winterquartieren wunderlich. Da hat er nichts zu tun und pflegt sich und macht vor langer Weile Bekanntschaften, die er nur auf den Winter meinet und die das gute Herz, mit dem er sie macht, für zeitlebens annimmt. Husch ist ihm denn ein Ringelchen an den Finger praktiziert; er weiß selbst nicht, wie es dran kömmt. Und nicht selten gäb' er gern den Finger mit drum, wenn er es nur wieder loswerden könnte.

Franziska. Ei! und sollte es dem Major auch so gegangen sein?

Werner. Ganz gewiß. Besonders in Sachsen; wenn er zehn Finger an jeder Hand gehabt hätte, er hätte sie alle zwanzig voller Ringe gekriegt.

Franziska (beiseite). Das klingt ja ganz besonders und verdient untersucht zu werden. – Herr Freischulze oder Herr Wachmeister –

Werner. Frauenzimmerchen, wenn's Ihr nichts verschlägt: – Herr Wachtmeister, höre ich am liebsten.

Franziska. Nun, Herr Wachtmeister, hier habe ich ein Briefchen von dem Herrn Major an meine Herrschaft. Ich will es nur geschwind hereintragen und bin gleich wieder da. Will Er wohl so gut sein und so lange hier warten? Ich möchte gar zu gern mehr mit Ihm plaudern.

Werner. Plaudert Sie gern, Frauenzimmerchen? Nun meinetwegen: geh Sie nur; ich plaudre auch gern; ich will warten.

Franziska. Oh, warte Er doch ja! (Geht ab.)

6. Szene

Werner. Das ist kein unebenes Frauenzimmerchen! – Aber ich hätte ihr doch nicht versprechen sollen zu warten. – Denn das Wichtigste wäre wohl, ich suchte den Major auf. – Er will mein Geld nicht und versetzt lieber? – Daran kenn ich ihn. – Es fällt mir ein Schneller ein. – Als ich vor vierzehn Tagen in der Stadt war, besuchte ich die Rittmeisterin Marloff. Das arme Weib lag krank und jammerte, daß ihr Mann dem Major vierhundert Taler schuldig geblieben wäre, die sie nicht wüßte, wie sie sie bezahlen sollte. Heute wollte ich sie wieder besuchen – ich wollte ihr sagen, wenn ich das Geld für mein Gütchen ausgezahlt kriegte, daß ich ihr fünfhundert Taler leihen könnte. – Denn ich muß ja wohl was davon in Sicherheit bringen, wenn's in Persien nicht geht. – Aber sie war über alle Berge. Und ganz gewiß wird sie dem Major nicht haben bezahlen können. – Ja, so will ich's machen; und das je eher, je lieber. – Das Frauenzimmerchen mag mir's nicht übelnehmen; ich kann nicht warten. (Geht in Gedanken ab und stößt fast auf den Major, der ihm entgegenkömmt.)

7. Szene

Tellheim. So in Gedanken, Werner?

Werner. Da sind Sie ja! ich wollte eben gehen und Sie in Ihrem neuen Quartiere besuchen, Herr Major.

Tellheim. Um mir auf den Wirt des alten die Ohren vollzufluchen. Gedenke mir nicht daran.

Werner. Das hätte ich beiher getan; ja. Aber eigentlich wollte ich mich nur bei Ihnen bedanken, daß Sie so gut gewesen und mir die hundert Louisdor aufgehoben. Just hat mir sie wiedergegeben. Es wäre mir wohl freilich lieb, wenn Sie mir sie noch länger aufheben könnten. Aber Sie sind in ein neu Quartier gezogen, das weder Sie noch ich kennen. Wer weiß, wie's da ist. Sie könnten Ihnen da gestohlen werden, und Sie müßten mir sie ersetzen; da hülfe nichts davor. Also kann ich's Ihnen freilich nicht zumuten.

Tellheim (lächelnd). Seit wenn bist du so vorsichtig, Werner?

Werner. Es lernt sich wohl. Man kann heutezutage mit seinem Gelde nicht vorsichtig genug sein. – Darnach hatte ich noch was an Sie zu bestellen, Herr Major; von der Rittmeisterin Marloff; ich kam eben von ihr her. Ihr Mann ist Ihnen ja vierhundert Taler schuldig geblieben; hier schickt sie Ihnen auf Abschlag hundert Dukaten. Das übrige will sie künftige Woche schicken. Ich mochte wohl selber Ursache sein, daß sie die Summe nicht ganz schickt. Denn sie war mir auch ein Taler achtzig schuldig; und weil sie dachte, ich wäre gekommen, sie zu mahnen – wie's denn auch wohl wahr war –, so gab sie mir sie und gab sie mir aus dem Röllchen, das sie für Sie schon zurechtgelegt hatte. – Sie können auch schon eher Ihre hundert Taler ein acht Tage noch missen als ich meine paar Groschen. – Da nehmen Sie doch! (Reicht ihm die Rolle Dukaten.)

Tellheim. Werner!

Werner. Nun? Warum sehen Sie mich so starr an? – So nehmen Sie doch, Herr Major! –

Tellheim. Werner!

Werner. Was fehlt Ihnen? Was ärgert Sie?

Tellheim (bitter, indem er sich vor die Stirne schlägt und mit dem Fuße auftritt). Daß es – die vierhundert Taler nicht ganz sind!

Werner. Nun, nun, Herr Major! Haben Sie mich denn nicht verstanden?

Tellheim. Eben weil ich dich verstanden habe! – Daß mich doch die besten Menschen heut am meisten quälen müssen!

Werner. Was sagen Sie?

Tellheim. Es geht dich nur zur Hälfte an! – Geh, Werner! (Indem er die Hand, mit der ihm Werner die Dukaten reichet, zurückstößt.)

Werner. Sobald ich das los bin!

Tellheim. Werner, wenn du nun von mir hörst, daß die Marloffin heute ganz früh selbst bei mir gewesen ist?

Werner. So?

Tellheim. Daß sie mir nichts mehr schuldig ist?

Werner. Wahrhaftig?

Tellheim. Daß sie mich bei Heller und Pfennig bezahlt hat: was wirst du denn sagen?

Werner (der sich einen Augenblick besinnt). Ich werde sagen, daß ich gelogen habe, und daß es eine hundsfött'sche Sache ums Lügen ist, weil man drüber ertappt werden kann.

Tellheim. Und wirst dich schämen?

Werner. Aber der, der mich so zu lügen zwingt, was sollte der? Sollte der sich nicht auch schämen? Sehen Sie, Herr Major, wenn ich sage, daß mich Ihr Verfahren nicht verdrösse, so hätte ich gelogen, und ich will nicht mehr lügen. –

Tellheim. Sei nicht verdrießlich, Werner! Ich erkenne dein Herz und deine Liebe zu mir. Aber ich brauche dein Geld nicht.

Werner. Sie brauchen es nicht? Und verkaufen lieber und versetzen lieber und bringen sich lieber in der Leute Mäuler?

Tellheim. Die Leute mögen es immer wissen, daß ich nichts mehr habe. Man muß nicht reicher scheinen wollen, als man ist.

Werner. Aber warum ärmer? – Wir haben, solange unser Freund hat.

Tellheim. Es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin.

Werner. Ziemt sich nicht? – Wenn an einem heißen Tage, den uns die Sonne und der Feind heiß machte, sich Ihr Reitknecht mit den Kantinen verloren hatte, und Sie zu mir kamen und sagten: »Werner, hast du nichts zu trinken?« und ich Ihnen meine Feldflasche reichte, nicht wahr, Sie nahmen und tranken? – Ziemte sich das? – Bei meiner armen Seele, wenn ein Trunk faules Wasser damals nicht oft mehr wert war als alle der Quark! (Indem er auch den Beutel mit den Louisdoren herauszieht und ihm beides hinreicht.) Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie sich ein, es ist Wasser. Auch das hat Gott für alle geschaffen.

Tellheim. Du marterst mich; du hörst es ja, ich will dein Schuldner nicht sein.

Werner. Erst ziemte es sich nicht; nun wollen Sie nicht? Ja, das ist was anders. (Etwas ärgerlich.) Sie wollen mein Schuldner nicht sein? Wenn Sie es denn aber schon wären, Herr Major? Oder sind Sie dem Manne nichts schuldig, der einmal den Hieb auffing, der Ihnen den Kopf spalten sollte, und ein andermal den Arm vom Rumpfe hieb, der eben losdrücken und Ihnen die Kugel durch die Brust jagen wollte? – Was können Sie diesem Manne mehr schuldig werden? Oder hat es mit meinem Halse weniger zu sagen als mit meinem Beutel? – Wenn das vornehm gedacht ist, bei meiner armen Seele, so ist es auch sehr abgeschmackt gedacht!

Tellheim. Mit wem sprichst du so, Werner? Wir sind allein; jetzt darf ich es sagen; wenn uns ein Dritter hörte, so wäre es Windbeutelei. Ich bekenne es mit Vergnügen, daß ich dir zweimal mein Leben zu danken habe. Aber, Freund, woran fehlte mir es, daß ich bei Gelegenheit nicht ebensoviel für dich würde getan haben? He!

Werner. Nur an der Gelegenheit! Wer hat daran gezweifelt, Herr Major? Habe ich Sie nicht hundertmal für den gemeinsten Soldaten, wenn er ins Gedränge gekommen war, Ihr Leben wagen sehen?

Tellheim. Also!

Werner. Aber –

Tellheim. Warum verstehst du mich nicht recht? Ich sage: es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin; ich will dein Schuldner nicht sein. Nämlich in den Umständen nicht, in welchen ich mich jetzt befinde.

Werner. So, so! Sie wollen es versparen bis auf bessre Zeiten; Sie wollen ein andermal Geld von mir borgen, wenn Sie keines brauchen, wenn Sie selbst welches haben und ich vielleicht keines.

Tellheim. Man muß nicht borgen, wenn man nicht widerzugeben weiß.

Werner. Einem Manne wie Sie kann es nicht immer fehlen.

Tellheim. Du kennst die Welt! – Am wenigsten muß man sodann von einem borgen, der sein Geld selbst braucht.

Werner. O ja, so einer bin ich! Wozu braucht' ich's denn? – Wo man einen Wachtmeister nötig hat, gibt man ihm auch zu leben.

Tellheim. Du brauchst es, mehr als Wachtmeister zu werden, dich auf einer Bahn weiterzubringen, auf der ohne Geld auch der Würdigste zurückbleiben kann.

Werner. Mehr als Wachtmeister zu werden? Daran denke ich nicht. Ich bin ein guter Wachtmeister und dürfte leicht ein schlechter Rittmeister und sicherlich noch ein schlechtrer General werden. Die Erfahrung hat man.

Tellheim. Mache nicht, daß ich etwas Unrechtes von dir denken muß, Werner! Ich habe es nicht gern gehört, was mir Just gesagt hat. Du hast dein Gut verkauft und willst wieder herumschwärmen. Laß mich nicht von dir glauben, daß du nicht sowohl das Metier als die wilde, liederliche Lebensart liebest, die unglücklicherweise damit verbunden ist. Man muß Soldat sein für sein Land oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da dienen, heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts.

Werner. Nun ja doch, Herr Major, ich will Ihnen folgen. Sie wissen besser, was sich gehört. Ich will bei Ihnen bleiben. – Aber, lieber Major, nehmen Sie doch auch derweile mein Geld. Heut oder morgen muß Ihre Sache aus sein. Sie müssen Geld die Menge bekommen. Sie sollen mir es sodann mit Interessen wiedergeben. Ich tu es ja nur der Interessen wegen.

Tellheim. Schweig davon!

Werner. Bei meiner armen Seele, ich tu es nur der Interessen wegen! – Wenn ich manchmal dachte: Wie wird es mit dir aufs Alter werden? wenn du zuschanden gehauen bist? wenn du nichts haben wirst? wenn du wirst betteln gehen müssen? so dachte ich wieder: Nein, du wirst nicht betteln gehn; du wirst zum Major Tellheim gehn; der wird seinen letzten Pfennig mit dir teilen; der wird dich zu Tode füttern; bei dem wirst du als ein ehrlicher Kerl sterben können.

Tellheim (indem er Werners Hand ergreift). Und, Kamerad, das denkst du nicht noch?

Werner. Nein, das denk ich nicht mehr. – Wer von mir nichts nehmen will, wenn er's bedarf, und ich's habe, der will mir auch nichts geben, wenn er's hat, und ich's bedarf. – Schon gut! (Will gehen.)

Tellheim. Mensch, mache mich nicht rasend! Wo willst du hin? (Hält ihn zurück.) Wenn ich dich nun auf meine Ehre versichere, daß ich noch Geld habe; wenn ich dir auf meine Ehre verspreche, daß ich dir es sagen will, wenn ich keines mehr habe; daß du der erste und einzige sein sollst, bei dem ich mir etwas borgen will: – bist du dann zufrieden?

Werner. Muß ich nicht? – Geben Sie mir die Hand darauf, Herr Major.

Tellheim. Da, Paul! – Und nun genug davon. Ich kam hieher, um ein gewisses Mädchen zu sprechen –

8. Szene

Franziska (im Hereintreten). Sind Sie noch da, Herr Wachtmeister? – (Indem sie den Tellheim gewahr wird.) Und Sie sind auch da, Herr Major? – Den Augenblick bin ich zu Ihren Diensten. (Geht geschwind wieder in das Zimmer.)

9. Szene

Tellheim. Das war sie! – Aber ich höre ja, du kennst sie, Werner?

Werner. Ja, ich kenne das Frauenzimmerchen. –

Tellheim. Gleichwohl, wenn ich mich recht erinnere, als ich in Thüringen Winterquartier hatte, warst du nicht bei mir?

Werner. Nein, da besorgte ich in Leipzig Mundierungsstücke.

Tellheim. Woher kennst du sie denn also?

Werner. Unsere Bekanntschaft ist noch blutjung. Sie ist von heute. Aber junge Bekanntschaft ist warm.

Tellheim. Also hast du ihr Fräulein wohl auch schon gesehen?

Werner. Ist ihre Herrschaft ein Fräulein? Sie hat mir gesagt, Sie kennten ihre Herrschaft.

Tellheim. Hörst du nicht? aus Thüringen her.

Werner. Ist das Fräulein jung?

Tellheim. Ja.

Werner. Schön?

Tellheim. Sehr schön.

Werner. Reich?

Tellheim. Sehr reich.

Werner. Ist Ihnen das Fräulein auch so gut wie das Mädchen? Das wäre ja vortrefflich!

Tellheim. Wie meinst du?

10. Szene

Franziska. Herr Major –

Tellheim. Liebe Franziska, ich habe dich noch nicht willkommen heißen können.

Franziska. In Gedanken werden Sie es doch schon getan haben. Ich weiß, Sie sind mir gut. Ich Ihnen auch. Aber das ist gar nicht artig, daß Sie Leute, die Ihnen gut sind, so ängstigen.

Werner (vor sich). Ha, nun merk ich. Es ist richtig!

Tellheim. Mein Schicksal, Franziska! – Hast du ihr den Brief übergeben?

Franziska. Ja, und hier übergebe ich Ihnen – (Reicht ihm den Brief.)

Tellheim. Eine Antwort?-

Franziska. Nein, Ihren eignen Brief wieder.

Tellheim. Was? Sie will ihn nicht lesen?

Franziska. Sie wollte wohl, aber – wir können Geschriebenes nicht gut lesen.

Tellheim. Schäkerin!

Franziska. Und wir denken, daß das Briefschreiben für die nicht erfunden ist, die sich mündlich miteinander unterhalten können, sobald sie wollen.

Tellheim. Welcher Vorwand! Sie muß ihn lesen. Er enthält meine Rechtfertigung – alle die Gründe und Ursachen –

Franziska. Die will das Fräulein von Ihnen selbst hören, nicht lesen.

Tellheim. Von mir selbst hören? Damit mich jedes Wort, jede Miene von ihr verwirre; damit ich in jedem ihrer Blicke die ganze Größe meines Verlusts empfinde? –

Franziska. Ohne Barmherzigkeit! – Nehmen Sie! (Sie gibt ihm den Brief.) Sie erwartet Sie um drei Uhr. Sie will ausfahren und die Stadt besehen. Sie sollen mit ihr fahren?

Tellheim. Mit ihr fahren?

Franziska. Und was geben Sie mir, so laß ich Sie beide ganz allein fahren? Ich will zu Hause bleiben.

Tellheim. Ganz allein?

Franziska. In einem schönen verschloßnen Wagen.

Tellheim. Unmöglich!

Franziska. Ja, ja; im Wagen muß der Herr Major Katz aushalten; da kann er uns nicht entwischen. Darum geschieht es eben. – Kurz, Sie kommen, Herr Major; und Punkte drei. – Nun? Sie wollten mich ja auch allein sprechen. Was haben Sie mir denn zu sagen? – Ja so, wir sind nicht allein. (Indem sie Wernern ansieht.)

Tellheim. Doch, Franziska, wir wären allein. Aber da das Fräulein den Brief nicht gelesen hat, so habe ich dir noch nichts zu sagen.

Franziska. So? wären wir doch allein? Sie haben vor dem Herrn Wachtmeister keine Geheimnisse?

Tellheim. Nein, keine.

Franziska. Gleichwohl, dünkt mich, sollten Sie welche vor ihm haben.

Tellheim. Wie das?

Werner. Warum das, Frauenzimmerchen?

Franziska. Besonders Geheimnisse von einer gewissen Art. – Alle zwanzig, Herr Wachtmeister? (Indem sie beide Hände mit gespreizten Fingern in die Höhe hält.)

Werner. St! st! Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen!

Tellheim. Was heißt das?

Franziska. Husch ist's am Finger, Herr Wachtmeister? (Als ob sie einen Ring geschwind ansteckte.)

Tellheim. Was habt ihr?

Werner. Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, Sie wird ja wohl Spaß verstehn?

Tellheim. Werner, du hast doch nicht vergessen, was ich dir mehrmal gesagt habe, daß man über einen gewissen Punkt mit dem Frauenzimmer nie scherzen muß?

Werner. Bei meiner armen Seele, ich kann's vergessen haben! – Frauenzimmerchen, ich bitte –

Franziska. Nun, wenn es Spaß gewesen ist; dasmal will ich es Ihm verzeihen.

Tellheim. Wenn ich denn durchaus kommen muß, Franziska: so mache doch nur, daß das Fräulein den Brief vorher noch lieset. Das wird mir die Peinigung ersparen, Dinge noch einmal zu denken, noch einmal zu sagen, die ich so gern vergessen möchte. Da, gib ihr ihn! (Indem er den Brief umkehrt und ihr ihn zureichen will, wird er gewahr, daß er erbrochen ist.) Aber sehe ich recht? Der Brief, Franziska, ist ja erbrochen.

Franziska. Das kann wohl sein. (Besieht ihn.) Wahrhaftig, er ist erbrochen. Wer muß ihn denn erbrochen haben? Doch gelesen haben wir ihn wirklich nicht, Herr Major, wirklich nicht. Wir wollen ihn auch nicht lesen, denn der Schreiber kömmt selbst. Kommen Sie ja; und wissen Sie was, Herr Major? Kommen Sie nicht so, wie Sie da sind, in Stiefeln, kaum frisiert. Sie sind zu entschuldigen, Sie haben uns nicht vermutet. Kommen Sie in Schuhen, und lassen Sie sich frisieren. – So sehen Sie mir gar zu brav, gar zu preußisch aus!

Tellheim. Ich danke dir, Franziska.

Franziska. Sie sehen aus, als ob Sie vorige Nacht kampiert hätten.

Tellheim. Du kannst es erraten haben.

Franziska. Wir wollen uns gleich auch putzen und sodann essen. Wir behielten Sie gern zum Essen, aber Ihre Gegenwart möchte uns an dem Essen hindern; und sehen Sie, so gar verliebt sind wir nicht, daß uns nicht hungerte.

Tellheim. Ich geh! Franziska, bereite sie indes ein wenig vor, damit ich weder in ihren noch in meinen Augen verächtlich werden darf. – Komm, Werner, du sollst mit mir essen.

Werner. An der Wirtstafel hier im Hause? Da wird mir kein Bissen schmecken.

Tellheim. Bei mir auf der Stube.

Werner. So folge ich Ihnen gleich. Nur noch ein Wort mit dem Frauenzimmerchen.

Tellheim. Das gefällt mir nicht übel! (Geht ab.)

11. Szene

Franziska. Nun, Herr Wachtmeister? –

Werner. Frauenzimmerchen, wenn ich wiederkomme, soll ich auch geputzter kommen?

Franziska. Komm Er, wie Er will, Herr Wachtmeister; meine Augen werden nichts wider Ihn haben. Aber meine Ohren werden desto mehr auf ihrer Hut gegen Ihn sein müssen. – Zwanzig Finger, alle voller Ringe! Ei, ei, Herr Wachtmeister!

Werner. Nein, Frauenzimmerchen; eben das wollt' ich Ihr noch sagen: die Schnurre fuhr mir mir so heraus! Es ist nichts dran. Man hat ja wohl an einem Ringe genug. Und hundert- und aberhundertmal habe ich den Major sagen hören: »Das muß ein Schurke von einem Soldaten sein, der ein Mädchen anführen kann!« – So denk ich auch, Frauenzimmerchen. Verlaß Sie sich darauf! – Ich muß machen, daß ich ihm nachkomme. – Guten Appetit, Frauenzimmerchen! (Geht ab.)

Franziska. Gleichfalls, Herr Wachtmeister! – Ich glaube, der Mann gefällt mir! (Indem sie hineingehen will, kömmt ihr das Fräulein entgegen.)

12. Szene

Fräulein. Ist der Major schon wieder fort? – Franziska, ich glaube, ich wäre jetzt schon wieder ruhig genug, daß ich ihn hätte hierbehalten können.

Franziska. Und ich will Sie noch ruhiger machen.

Fräulein. Desto besser! Sein Brief, oh, sein Brief! Jede Zeile sprach den ehrlichen, edlen Mann. Jede Weigerung, mich zu besitzen, beteuerte mir seine Liebe. – Er wird es wohl gemerkt haben, daß wir den Brief gelesen. – Mag er doch, wenn er nur kömmt. Er kömmt doch gewiß? – Bloß ein wenig zu viel Stolz, Franziska, scheint mir in seiner Aufführung zu sein. Denn auch seiner Geliebten sein Glück nicht wollen zu danken haben, ist Stolz, unverzeihlicher Stolz! Wenn er mir diesen zu stark merken läßt, Franziska –

Franziska. So wollen Sie seiner entsagen?

Fräulein. Ei, sieh doch! Jammert er dich nicht schon wieder? Nein, liebe Närrin, eines Fehlers wegen entsagt man keinem Manne. Nein, aber ein Streich ist mir beigefallen, ihn wegen dieses Stolzes mit ähnlichem Stolze ein wenig zu martern.

Franziska. Nun, da müssen Sie ja recht sehr ruhig sein, mein Fräulein, wenn Ihnen schon wieder Streiche beifallen.

Fräulein. Ich bin es auch; komm nur. Du wirst deine Rolle dabei zu spielen haben. (Sie gehen herein.)


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