Friedrich Lienhard
Das Landhaus bei Eisenach
Friedrich Lienhard

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Anhang

1. Das Landhaus, von dem in diesem Buche die Rede ist, hat in Wirklichkeit zu Eisenach gestanden, und zwar in der Nähe des Bahnhofs, in der Schillerstraße; ich sah ein Bild des Hauses in einer alten Zeitschrift; es war bezeichnet als Hauptlotteriegewinn der damaligen Schillerlotterie (1859, zum Besten der Deutschen Schillerstiftung), gestiftet vom Großherzog, der das Haus wohl angekauft hatte. Aber die hier vorkommenden Menschen und Geschehnisse machen keinen Anspruch auf geschichtliche Wirklichkeit. Erst die späteren Kapitel (z. B. Wagenfahrt mit Goethe oder das Wartburgfest selber) halten sich natürlich an die historischen Tatsachen, wobei mir z. B. Eduard Dürres jetzt vergriffene Erinnerungen, auch Kühns Buch über das Wartburgfest oder Max Hodann und Walter Koch, »Die Urburschenschaft als Jugendbewegung« (Diederichs, Jena) usw. gute Dienste geleistet haben.

2. Über Heinrich Arminius Riemann, den Wartburgredner von 1817, ist eine besondere Schrift von Friedrich Koch erst neulich (1927) erschienen (Verlag der Deutschen Burschenschaft, Frankfurt a. Main). Dieser wackere Mann ist geboren am 3. Dezember 1793 zu Ratzeburg und gestorben am 26. Januar 1872, nachdem er sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum gefeiert hatte, weithin geehrt.

Zum 10. Kapitel (Seite 120):

3. Diese Wagenfahrt ist in Eckermanns Gesprächen mit Goethe mitgeteilt.

Zum 14. Kapitel (Seite 157): Die Rede des stud. theol. Riemann am 18. Oktober 1817 sei wörtlich hier abgedruckt, da sie von dauernder Wichtigkeit ist:

»Ein schwerer Auftrag ward mir zu Theil, als man von mir forderte, ich sollte an diesem der Erinnerung einer großen Vergangenheit geweihten Orte zum Beginn unsres gemeinsamen Burschenfestes das Wort nehmen, und vor Euch, meine versammelten Brüder, reden von dem großen Gedanken, der seine Herbeiführung nothwendig machte, reden von seiner Beziehung auf das teutsche Vaterland. – Nimmer hätte ich zu solch kühnem Unternehmen mich hinreißen lassen, hätte nicht die Hoffnung mich begeistert, vielleicht auf die eine oder andere Weise durch solche Worte ein Scherflein beizutragen zu des Vaterlandes Nutz und Frommen. Darum muß ich von Euch fordern, und ich bin gewiß, meine Bitte wird Eingang bei Euch finden, daß Ihr nicht künstlich gearbeitete Reden erwartet, sondern die Sprache meines Herzens, das erfüllt ist von dem Gedanken an Freiheit und Vaterland, die herzlichen Worte eines Eurer Brüder, der mit Euch allen nach einem und demselben Ziele strebt.

Zuerst begrüß' ich im Namen der Jenaischen Burschenschaft Euch alle, Ihr freien Brüder, die Ihr hierher, zum Theil aus den entferntesten Gauen Deutschlands, gekommen seid, gemeinschaftlich mit uns das Wiedergeburtsfest des freien Gedankens und das Errettungsfest des Vaterlandes aus schmählichem Sklavenjoch zu feiern. Nehmt für die Bereitwilligkeit, mit der Ihr unserer Einladung willfahret, unsern Dank, und in diesem die Versicherung, daß wir überzeugt sind von Eurer vaterländischen Gesinnung, und von dem heiligen Willen Eures Gemüthes, für des Vaterlandes Wohl nach Euren Kräften Alles zu thun. Seid uns willkommen in diesen heiligen Mauern! –

Zum Beginn nun meiner Rede ist es nöthig, daß wir uns verständigen über den Zweck unsrer Zusammenkunft, der nach meiner Ansicht dieser ist und kein andrer sein kann: daß wir gemeinschaftlich das Bild der Vergangenheit uns vor die Seele rufen, um aus ihr Kraft zu schöpfen für die lebendige That der Gegenwart; daß wir gemeinschaftlich uns berathen über unser Thun und Treiben, unsere Ansichten austauschen, das Burschenleben in seiner Reinheit uns anschaulicher zu machen suchen; und endlich, daß wir unserem Volke zeigen wollen, was es von seiner Jugend zu hoffen hat, welcher Geist sie beseelt, wie Eintracht und Brudersinn von uns geehrt werden, wie wir ringen und streben, den Geist der Zeit zu verstehen, der mit Flammenzügen in den Thaten der jüngsten Vergangenheit sich uns kund thut.

Wie ich mich nun aber wende zum Werke Luthers, und seine Größe und Erhabenheit mit dem Gedanken zu umfassen suche, da fliehen mir wieder die Worte, und ich möchte verstummen vor dem allmächtigen Geist, der so deutlich sich erkennen läßt in dem, was Luther that. Schon war einem Sturz des Papstthums durch manche edle Geistesthat der Weg gebahnt, noch leuchtet aus dem dunklen Anfang des 15. Jahrhunderts in das folgende das öfter wieder angefachte Feuer hinüber, in dem Hussens Geist verklärt ward. Langsam nur durfte sich das Größte und Schönste, was der Mensch besitzen kann, die Freiheit und Reinheit des Glaubens entwickeln: es mußte durch Feuer geläutert werden. Als aber die Zeit erfüllet war, da erweckte Gott aus den dunklen Mauern eines Augustiner-Klosters einen Mann, zu verkünden eine bessere Lehre, umzustürzen die römischen Wechslertische, die Welt zu befreien von den schmählichsten aller Fesseln, den Geistesfesseln. Ausgerüstet mit großen Tugenden und Eigenschaften, trat Luther auf, voll Gottvertrauen und Gottesfurcht, ohne Menschenfurcht; erschütterte mit Riesenkraft den römischen Fels bis in seine Grundfesten, kühn aufstellend den Satz: daß es ein frei Ding sei um den Glauben, dazu man niemand könne zwingen, denn einem jeglichen liege seine eigne Gefahr daran, wie er glaube, und müsse jeder sich sehen, daß er recht glaube. Durch Abschaffung vieler großen Mißbräuche wirkte er wohlthätig für alle Völker, am meisten aber für sein teutsches Volk, dem er die heilige Schrift, dem er den Gottesdienst teutsch gab, dem er den unendlich reichen Schatz seiner Sprache aufschloß. Schon dies Verdienst hat ihn unsterblich gemacht. Tadelt ihn nicht, als habe er seines Volkes Zwietracht und Zerrissenheit herbeigeführt, das war die Schuld seiner Gegner, die göttliches und menschliches Recht anzuerkennen verschmähten. Darum soll er auch von uns gepriesen werden als der erste und größte Mann seiner Zeit, als der Mann Gottes und des Volks, des Name unverlöschlicher in seines Volkes Herzen lebt, als Erz und Stein ihn aufbewahren können. Denen aber unter uns, die als künftigen Beruf die Verkündigung des Glaubens und die Lehre des göttlichen Worts sich erkoren, soll und wird er stets ein lebendiges Vorbild bleiben, in demüthiger Anerkennung menschlicher Unvollkommenheit, in ehrfurchtsvollem Schauer von der Unendlichkeit Gottes, nach Wahrheit zu forschen, jeglicher Tugend zu huldigen.

Der Gottesglaube, dessen Reinheit Luthers uns wieder gegeben, kann nur dann dem Menschen das werden, was er sein soll, wenn er fußet im vaterländischen Boden, wenn er seine Anwendung findet im Vaterlande, durch dieses im bürgerlichen Wirkungskreise und weiter im häuslichen Leben. Ohne die innigste Betrübniß können wir deshalb die Jahrbücher der teutschen Geschichte aufschlagen, denn wir sehen, wie so ganz trübe diese schöne Seite des Lebens daliegt, wie einem verderblichen Weltbürgersinn die Vaterlandsliebe weichen muß. Allem Großen und Schönen war die Bahn gebrochen, unaufhaltsam schritten unsere Weisen vor, in jeglicher Wissenschaft erreichend, was frühere Zeiten nicht zu denken vermochten, keinem anderen Volke nachstehend. Das Vaterland aber ward vergessen und mit ihm seine Tugend und Sitte. Im grimmigen Bruderkriege fanden Deutsche ihre Lust daran, Deutsche zu morden; im Krieg mit dem Auslande fochten sie als Söldlinge gegen ihre Brüder. Deutschlands Fürsten, sie sollten die Vorfechter sein für des Reiches Herrlichkeit und ewigen Ruhm, vergaßen über ihrer Länder scheinbare Vortheile das gemeinsame Wohl. Die Stämme der Deutschen standen in vielen Verhältnissen immer getrennt, ja feindlich gegen einander und festeten die Trennung. Das teutsche Volk, sonst geehrt und gefürchtet, mußte zum Gespött dienen dem Gemeinen – den Edlern zum Gegenstand des tiefsten Mitleids und der Trauer. Weil wir aber die ewigen Gesetze, den Völkern und der Vorsehung weise vorgeschrieben, nicht befolgten, Volksthümlichkeit und des Vaterlandes Einigkeit verachteten, so mußte die Strafe Gottes über uns kommen. Sie kam über uns durch den Arm des wälschen Volks, das, anfangs zur Freude der Welt, der Freiheit Fackel entzündend, bald der frühern Schwüre, nur für des eignen Herdes Sicherheit und Unabhängigkeit zu kämpfen, uneingedenk ward, und einer schändlichen Raub- und Herrschsucht Raum gab. Auch wir wurden geknechtet und seufzeten Jahre lang in schmählichen Ketten. Da allmählich ward die Sehnsucht rege nach der verloren gegangenen Freiheit, nach der Herstellung des zertretenen Vaterlandes; bald ward sie laut und alles rief nach einem Retter. Endlich loderte uns die Flamme der Freiheit empor, in dem Brande Moskaus; wir verstanden die Stimme Gottes und folgten ihr. Was das erwachte Volk zu opfern versprach, im Gefühl der erlittenen Schande, im Bewußtsein der verjüngten Kraft und im Vertrauen auf den allmächtigen Gott, deß zeugen die Blutgefilde von Lützen und Bautzen. Auf den Ebenen Schlesiens, wo des alten Feldmarschall Donnerstimme den Wälschen die Flucht gebot, auf den Feldern der Mark, wo Bülows Schaaren bewiesen, daß Deutschland noch nicht arm sei an Helden, in den Gebirgen Böhmens, wo treue Bundesgenossen redlich mitkämpften, verkündete sich die Stimme des ewigen Geistes der Gerechtigkeit; am lautesten aber und am herrlichsten als am 18. des Wein-, nun des Siegmondes 1813 die Fluren Leipzigs zum Winnfelde umgeschaffen wurden.

Zum vierten Male, meine versammelten Brüder, werden die Freudenfeuer gen Himmel lodern, uns zu erinnern an das Geschehene, und zu mahnen an die Zukunft. Vier lange Jahre sind seit jener Schlacht verflossen; das teutsche Volk hatte schöne Hoffnungen gefaßt, sie sind alle vereitelt. Alles ist anders gekommen als wir erwartet haben; viel Großes und Herrliches, was geschehen konnte und wußte, ist unterblieben; mit manchem heiligen und edlen Gefühl ist Spott und Hohn getrieben worden. Von allen Fürsten Deutschlands hat nur einer sein gegebenes Wort gelöst, der, in dessen freiem Lande wir das Schlachtfest begehen. Aber solchen Ausgang sind viel wackre Männer kleinmüthig geworden, meinen, es sei eben nichts mit der vielgepriesenen Herrlichkeit des teutschen Volkes, ziehn sich zurück vom öffentlichen Leben, das uns so schön zu erblühen versprach, und suchen in stiller Beschäftigung mit der Wissenschaft Entschädigung dafür. Andre sogar ziehn vor, in fernen Welttheilen, wo neues Leben sich regt, ein neues Vaterland zu suchen. – Nun frage ich Euch, die Ihr hier versammelt seid in der Blüte Eurer Jugend, mit allen den Hochgefühlen, welche die junge frische Lebenskraft gibt, Euch, die Ihr dereinst des Volkes Lehrer, Vertreter und Richter sein werdet, auf die das Vaterland seine Hoffnung setzt, Euch, die Ihr zum Theil schon mit den Waffen in der Hand, alle aber im Geist und mit dem Willen für des Vaterlandes Ziel gekämpft habt; Euch frage ich, ob ihr solcher Gesinnung beistimmt? Nein! Nun und nimmermehr! In den Zeiten der Noth haben wir Gottes Willen erkannt, und sind ihm gefolgt. An dem, was wir erkannt haben, wollen wir aber auch nun halten, solange ein Tropfen Bluts in unsern Adern rinnt; der Geist, der uns hier zusammengeführt, der Geist der Wahrheit und Gerechtigkeit, soll uns leiten durch unser ganzes Leben, daß wir, Alle Brüder, Alle Söhne eines und desselben Vaterlandes, eine eherne Mauer bilden gegen jegliche innere und äußere Feinde dieses Vaterlandes, daß uns in offner Schlacht der brüllende Tod nicht schrecken soll, den heißesten Kampf zu bestehen, wenn der Eroberer droht, daß uns nicht blenden soll der Glanz des Herrscherthrones, zu reden das starke freie Wort, wenn es Wahrheit und Recht gilt; – daß nimmer in uns erlösche das Streben nach Erkenntniß der Wahrheit, das Streben nach jeder menschlichen und vaterländischen Tugend. – Mit solchen Grundsätzen wollen wir einst zurücktreten ins bürgerliche Leben, fest und unverrückt vor Augen das Ziel als Gemeinwohl, tief und unvertilgbar im Herzen die Liebe zum einigen teutschen Vaterlande. Du Mann Gottes, du starker Held der Kirche Christi, der du mit eisernem Muthe gegen die Finsterniß ankämpfest, der du auf dieser Burg den Teufel bezwangst, nimm unser Gelübde an, wenn dein Geist noch in Gemeinschaft mit uns steht! Euch, Geister unserer erschlagenen Helden, Schill und Scharnhorst, Körner und Friesen, Braunschweig-Öls und ihr andern alle, die ihr euer Herzblut vergossen habt für des teutschen Landes Herrlichkeit und Freiheit, die ihr jetzt über uns schwebt, in ewiger Klarheit mit hellem Blick in die Zukunft schaut, euch rufen wir auf zu Zeugen unsres Gelübdes. Der Gedanke an euch soll uns Kraft geben zu jedem Kampfe, fähig machen zu jeder Aufopferung. So wie euch der Dank eures Volkes bleiben wird, und sein Segen euch gefolgt ist in euer Grab, so seien uns auch gesegnet alle die, welche für des Vaterlandes Wohl, für Recht und Freiheit erglüht sind, dafür leben und mit Wort und That wirken. Verderben und Haß der Guten allen denen, die in niedriger schmutziger Selbstsucht das Gemeinwohl vergessen, die ein knechtisches Leben einem Grab in freier Erde vorziehn, die lieber im Staube kriechen, als frei und kühn ihre Stimme erheben gegen jegliche Unbill, die, um ihre Erbärmlichkeit und Halbheit zu verbergen, unsrer heiligsten Gefühle spotten, Begeisterung und vaterländischen Sinn und Sitten für leere Hirngespinste, für überspannte Gedanken eines krankhaften Gemüthes ausschreiben! Ihrer sind noch viel; möchte bald die Zeit kommen, wo wir sie nicht mehr nennen dürfen.

Ewiger allgütiger Gott, der du dein treues Volk erweckt hast aus der Finsterniß, der du es erleuchtet hast und ihm den Weg geöffnet zu deiner reinen Erkenntniß, der du dein gebeugtes und zertretenes Volk aus den Fesseln der Zwingherrschaft und Knechtschaft erhoben hast zur Freiheit, höre das Flehen deiner Kinder, die hier im Staube vor dir sich beugen; laß unser Gebet dir wohlgefällig sein! Sieh gnädig herab auf unser teutsches Vaterland, laß es gedeihen in Freiheit und Gerechtigkeit, zu deiner Ehre, zu deinem Ruhme! Laß es gedeihn in Einigkeit und Treue, daß noch späte Enkel den Tag preisen, wo du uns der Freiheit Thor geöffnet. – Laß gesegnet sein diesen Tag, daß er stets wiederkehre zur Freude deines einigen dankbaren und freien Volkes! Amen!«

Zum 15. Kapitel (Seite 164):

5. Am 23. März 1819, also anderthalb Jahre später, erstach der Student Carl Ludwig Sand zu Mannheim den Staatsrat August von Kotzebue und beschwor dadurch unendliches Unheil über die Burschenschaft herab.

Zum 15. Kapitel (Seite 167):

6. Es braucht kaum daran erinnert zu werden, daß am 1. April 1815 Otto von Bismarck zu Schönhausen in der Mark geboren wurde, der zwar nicht durch die Burschenschaft ging, aber doch – wie Prof. Dr. Eduard Heyck in der Festrede zur Einweihung des Burschenschaftsdenkmals am 22. Mai 1902 mit Recht hervorhob – ohne das vorbereitende Werk der Burschenschaft nicht denkbar ist.


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