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Am Apennin glomm letztes Sonnenfeuer,
Und an den Hügeln dort bebaute stumm
Und finstern Blicks sein Gut, das ihm so theuer,
Ein Römer noch sein letztes Eigenthum.
Er führte selbst das Korn in seine Scheuer,
Und grub auch selbst in seinem Garten um,
Und schritt vom Feld, aus dem er mäht' und rechte,
Die Sens' auf seiner Schulter wie die Knechte.
»Mein Vater dünkt sich hier im engen Kreise
Noch stets ein Cincinnatus,« sprach der Sohn,
Ein römischer Senator, zu dem Greise;
»Es trat die Zeit, wie lang, wie lange schon
In andre Bahnen ein.« »Nicht du verweise
Mir auch noch, was schon längst mit bittrem Hohn
Die Welt mir sagt,« ward ihm darauf – »das Ende
Ist da, vergönn' mir, daß ich's mit vollende.«
»Und wenn nun,« fuhr Boëthius fort, »in Schaaren
Auch hier der Rugier eindringt nächster Zeit,
Sprich, willst du dann die Schmach dir nicht ersparen,
Mit anzuschau'n, wie man dein Land verleiht?
Wenn sie dein Feld vertheilen, die Barbaren,
Und in den Räumen lagern, sonst geweiht
Der Muse – dieß zu schauen und darüber
Zu jammern, Vater, laß den Sklaven über!«
»Still!« rief der Greis, und eine seiner Hacken
Ergriff und schwang er, »sieh, mit dieser Faust
Greif' ich zur letzten Wehr, so will ich packen
Den Hund, der frech an unsern Tischen schmaust.«
»O!« rief der Sohn, und schluchzend um den Nacken
Des Alten schlang er seinen Arm. – »Es braust
Der Sturm vorüber, wenn wir ihm uns beugen,
Für Höh'res gilt's als für Besitz nur zeugen.
Zu retten gilt's vom wüthenden Gewirre,
Das überall hereinbricht, einen Hort,
Den höchsten Schatz, die Sprache; vom Geklirre
Der Waffen unser Letztes; Schrift und Wort,
Der Weisheit Lehre von der finstern Irre,
Damit sie über alle Zeiten fort
Noch künftigen Geschlechtern leuchten möge,
Auch wenn der Feind mit Blut die Welt umzöge.
Auf dieser nicht, und nicht auf jener Scholle
Ragt noch die Macht, vor der die Welt gebebt,
Dort nur, wo jeden Stab der heil'gen Rolle
Der Grazien zarter Schatten noch umwebt,
Wo eine Wittwe zwar die trauervolle
Beredsamkeit in ihrem Nachhall lebt,
Wo man gewohnt ist, vor Tyrannenketten
Die Freiheit, Würde und das Recht zu retten.«
»Auch dahin soll mein Segen dich geleiten,
Du glühst beseelt von höchster Ehrbegier,
Du wirst im Geist, du wirst gewaltig streiten,
Dein Platz ist im Senat, wie meiner hier.
Es mehrt sich die Gefahr auf beiden Seiten.
Als Römer leben, sterben beide wir.«
Anicius sprach's – »leb' wohl!« – und im Gesause
Des Wagens schied der Sohn vom Vaterhause.
»Leb' wohl!« rief ihm der Alte nach, »und Segen
Und meinen reichsten dir!« Es sah das Land,
Vor seinem Blick im Abendgold gelegen,
Mit Feld und Waldung bis hinab zum Strand
Voll weinbelaubter Höhen ihm entgegen,
Und als er auf des Hauses Giebel stand,
»Italien!« rief er aus – »du Schmuck der Länder,
O daß dich jetzt umhüllen Klaggewänder!
Sie haben dir das Scepter abgerungen,
Und weit hinüber übers Meer geführt,
Die Fürsten, die vom Norden hergedrungen,
Die dich gejocht so kalt und ungerührt.
Das Siegslied hat, von Land zu Land erklungen,
Ein Feuer unter allen Völkern angeschürt;
Doch überall aus Blut und Städterauchen
Sah man empor dein altes Scepter tauchen,
Als ob es noch der Welt gebieten wolle,
Und Weggeleiter sein im Sturm der Zeit,
Und unten tönt's als ob die Kugel rolle,
Noch immer Sinnbild ihrer Ewigkeit.
Doch jene mit dem Raub auf fremder Scholle
Begegnen wie geflügelt sich im Streit,
Und keine von den mächtigen Gestalten,
Vermag das Scepter dauernd festzuhalten.
Im Westen schlägt der Gothe den Burgunden,
Mit beiden liegt der Sueven Volk im Krieg,
Alanen mit Vandalen erst verbunden,
Entreißen gegenseitig sich den Sieg,
Im Osten wird der Hunne überwunden,
Zum Abgrund stürzt, was bis zum Himmel stieg,
Sie werden sich zerfleischen wie Harpyen,
Da jeder will an sich die Beute ziehen.«
Indem er solche Hoffnung aussprach, ahnte
Anicius nicht, wie nah herangerückt
Der Held schon war, der einen Weg sich bahnte
Zur Einigung der Völker, der, geschmückt
Mit Muth zugleich und Weisheit, mild ermahnte
Und furchtbar schlug, der, war sein Schwert gezückt,
Den Frieden gab und Bündniß und Versöhnen,
Der zwischen Waffen schritt und Harfentönen.
Mit Gold verzeichnet in der Zeit von Eisen
Erglänzt der Ruhm Theodorichs, den gleich
Die Sieger wie die Ueberwundnen preisen.
Um seinen Namen schlingt so thatenreich
Ein goldner Rahmen sich von Sagenkreisen
Und blüht noch fort, indeß sein mächtig Reich
Verschwunden ist, das durch der Jahre Dunkel
Noch leuchtet wie ein magischer Karfunkel.
Entsprossen dem Geschlechte der Amalen,
Ein Stern des Siegs schien seiner Wiege schon;
Was glänzt so hell in aller Zeit Annalen
Als eines Volks erkorner Heldensohn?
Er sah das erste Licht, als seine Strahlen
Den Tag beschienen, da vom langen Frohn
Des Hunnenjoches Walamir im Streite
Der Ostrogothen tapfres Volk befreite.
Die Boten mit der Siegesnachricht kamen
Zu seines Bruders freuderfülltem Haus;
Sie setzten, als sie von dem Fest vernahmen,
Sich ohne weit'res gleich zum Kindbettschmaus,
Und brachten mit dem Trinkhorn auf den Namen
Des Knaben einen Doppelheilspruch aus:
»So siegesreich wie dieses Tages Sonne
Sei stets sein Leben, Allen bring' es Wonne!
Heil ihm! der schönste Sieg ist seine Weihe,
Der Sieg, der ihm und uns als Angebind
Die Freiheit gab, sie blühe, sie gedeihe,
Und wachs' im Volk empor, wie dieses Kind!
Und du auch, wenn du größer wirst, befreie!
Die Lindwürm' und die Drachen überwind'!«
So hoben aus der Taufe die Bewährten,
Den Sprößling, die ergrauten Kriegsgefährten.
Sie trugen ihn auch um die Tafelrunde
Aus goldnem Schild. Das Kind, als fühlt' es so
Sich ganz am Platz, lacht mit dem kleinen Munde,
Und sah um sich als wie ein König froh,
Indeß den Hof durch, drauß von Stund zu Stunde,
Dem Feind, der in die Nacht hinaus entfloh,
Theodomirs Beritt'ne nachzusetzen
Vorüber sprengten unter lautem Hetzen.
Und Erelieva, seine Mutter, hob
Den Knaben an ihr Herz und sprach mit Beben:
»Da solch ein Glück sich mit dem Tag verwob,
An dem ich dieses Kind der Welt gegeben,
O Theudemir! versprich mir und gelob',
Du wollest nun auch mich zu dir erheben,
Und mir, wenn gleich aus niederem Geschlecht,
Gewähren einer Gattin Ehr' und Recht.«
»Das will ich, dir zu lieb und deinem Sohne,
Und diesem Tag,« sprach Theudemir – »ein Traum
Ward mir; ich sah mit breiter Wipfelkrone
Aus deinem Schooß erwachsen einen Baum,
Und dieser Baum schuf über einem Throne,
Von welchem eine Riesin sank, sich Raum,
Und unter seines Laubes ausgespannter
Umwölbung lagerten sich Leu'n und Panther.«
Verstummt vor Glück hob Erelieva wieder
Ihr Kind an sich. Bei jedem Morgenlicht,
Und wenn es schloß die zarten Augenlieder,
Erneut' sich ihrer Liebe süße Pflicht.
So schwand die Zeit dahin, als jäh darnieder
Ein Blitzstrahl fuhr, und in die Zuversicht
Der goldnen, nimmer noch getrübten Morgen
Ein Dunkel warf, und Kämpfe bracht' und Sorgen.
Denn als Byzanz vergaß der Jahresspende,
Womit es sich die Gothen treu erhielt,
So dachten diese, wenn man Boten sende,
So würde das Gewünschte bald erzielt.
Doch die Gesandtschaft kam zu keinem Ende,
Sie fand bald ihre Rollen ausgespielt,
Und trat, in Ruhe sich und Gleichmuth fassend,
Die Heimkehr an, ein Drohwort hinterlassend.
Und als es Walamir und seine Schwieger
Theodemir und Widemir gehört,
So riefen sie zusammen ihre Krieger;
Und weithin ward der Griechen Reich verheert.
Der Kaiser jetzt, erkennend seine Sieger,
Erneuert schnell die Freundschaft und beschwört
Ein heilig Bündniß unter dem Bedingen,
Daß Geißeln ihm die Gothen überbringen.
Dazu ward nun Theodorich erkoren,
Der schon herangewachsen war, und fein
Und schön gebildet. »Ach, du bist verloren!«
Rief Erelieva aus in bittrer Pein;
»Mein armes Kind, wem hab' ich dich geboren –
Den Fremden? – Mördern, mir nicht, nein, ach nein!«
»Sei ruhig, Mutter,« rief der Knabe, »zähme
Dein Leid, daß nicht ein Andrer mich beschäme.
Zehn Jahre, Mutter, sind wie bald verflossen,
Ich will die Stadt, das Meer, die Völker sehn,
Nicht ewig Wald und Hirten nur auf Rossen,
Ich lernt' auch dort die Sprache gern verstehn,
An jenem Hof mit seinen Kaiserpossen;
Doch nie soll einer mir sich unterstehn,
Ein Wort des Spottes über uns zu sagen,
Ich würd' ihn ohne weit'res gleich erschlagen.«
»So recht,« rief Walamir und hob den Knaben
Mit Freuden auf sein Pferd! »Komm nur mit mir,
Du sollst ihn, Erelieva, wieder haben!
Leb' wohl! – Komm! – lebe wohl, Theodemir!«
So ritten sie davon. Mit Ehrengaben
Empfing sie Kaiser Leo; solche Zier
Und Anmuth, solcher Ernst in sanften Mienen
War niemals noch wie jetzt vor ihm erschienen.
»Mein Sohn!« begann er, »sieh dich um, und wähle
Was dir gefällt, bei uns des Schönsten aus,
So viel ich Diener, Pferde, Wagen zähle,
Welch Landgut dir gefällt, welch Sommerhaus.«
Er nahm ihn bei der Hand, durchschritt die Säle,
Die Hallen all des hohen Säulenbaus,
Und überließ zum Wohnort seinem Gaste
Die reichsten Prunkgemächer im Palaste,
Mit Weisen dann umgab er ihn, sie weckten
Des Wissens Durst in ihm, der Seele Kraft,
Indem sie höh're Welten ihm entdeckten;
Der Künste Reich, das Reich der Wissenschaft,
Gebiete, die sich reizend forterstreckten
Bis zur Unendlichkeit, um zauberhaft
Noch in den fernsten der Erscheinungsfüllen
Die Sterne des Gedankens zu enthüllen.
Und war er an der Hand des Astrologen
Dem Sternenlauf, im Flug der Phantasie
Orions Bahn und Cepheus nachgezogen,
So traten dann, noch mächtiger als die,
Gestalten vor ihm auf am Himmelsbogen,
Halbgötter und Heroen, Poesie
Und Mythus, und voran im ersten Lichte
Die Könige und Helden der Geschichte.
Entflammt vom Vorbild jeder großen That,
Voll Eifers, jeder größten nachzustreben,
War bald Theodorich der Zeit genaht,
Die seine Wage hielt. Einst als er eben
Wie sonst vor Kaiser Leo Morgens trat,
Hieß feierlich ihn dieser sich erheben,
Und zog ihn mit den Worten an die Brust:
»Auf Leid folgt Freud', Gewinn folgt auf Verlust.
Der Held, der euch vom Hunnenjoch befreite,
Der Bruder deines Vaters – Walamir
Ist todt; er fiel nach großvollbrachtem Streite,
Und ließ die Frucht des Siegs dem Volk und dir.
Dein Vater ist nun König, fortan leite
Dich höh'res Glück.« »O dürft ich fort von hier!«
Rief's in Theodorich, der bitter fühlte,
Wie Schmerz zugleich und Stolz sein Herz zerwühlte.
Er hatte schnell sich auf sein Pferd geschwungen,
Ritt vor die Stadt und dunkler Pinienwald
Umfängt ihn. Plötzlich kommt herangesprungen
Des Hauses treuer Hund, ihm folgen bald
Zwei Diener seines Vaters, Huldigungen
Und Grüße rufen sie, und Giboald:
»Ach Herr,« beginnt er, »eine Trauerkunde
Mischt sich in dieses Wiedersehens Stunde.«
»Ich weiß es,« ruft Theodorich, »ihr Treuen,
Wie lebt mein Vater? Meine Mutter? sagt!«
»Was kann,« erwiedern die, »sie noch erfreuen,
Da du fehlst? Theudemir sieht hoch betagt
Nach allem Siegsglück Noth und Elend dräuen,
Die Hungersnoth, die schon am Volke nagt.
Verwüstet ist das Land vom langen Kriege,
Das sind zuletzt die Ernten unsrer Siege.«
»Und ich da,« rief Theodorich, »ich wußte,
Ich ahnte nicht einmal was ihr ertrugt,
Ich lag an Aetherquellen, ach! ich mußte
In Himmeln schwelgen, während ihr euch schlugt.
Nun aus! vielleicht ersetz' ich die Verluste.
Es ist ein großes Recht, das mich befugt,
Der Nothschrei meines Volks. So seht mich brechen,
Um Größres einzulösen – dieß Versprechen.«
Damit entriß er seinem Arm die Spange,
Auf der des Kaisers Name stund: »Ich bin
Nun eines Königs Sohn, und ich empfange
Den Freibrief durch mich selbst.« Sprach's, und dahin
Wie Windesschnelle flog der Ritt, die lange
Und öde Nacht durch; mancher Tag erschien
Und zweimal wechselte des Mondes Helle,
Eh sie erreicht des Heimathhauses Schwelle.
Nach Grüßen und Umarmungen, nach Tagen
Des Schmerzes und der Freude, einer Zeit,
Die kaum verbarg des Jammers stille Klagen,
Befahl Theodorich, es weit und breit
Den Jünglingen der Gothen anzusagen,
Wer mit ihm wolle, halte sich bereit,
Denn einen Streifzug gält's und kühne Thaten
Im Land der alten Feinde, der Sarmaten,
Sechstausend schaaren sich um ihn. Auf Häuten
Wird eines Nachts der Donaustrom durchsetzt,
Und den nach raschem Ueberfall zerstreuten
Sarmaten wird ihr Lager und zuletzt
Die Stadt genommen. So mit reichen Beuten
Wird heimgekehrt; für lange Zeit war jetzt
Der Noth gewehrt – es brachten taglang Fuhren
Den Mühlen Korn und neue Saat den Fluren.
Allein Theodorich verschwand, er wollte
Dahin, von wo er weggeflohen war,
Daß Niemand ihn der Untreu zeihen sollte,
Und stünde selbst aus seinen Kopf Gefahr.
So kam er nach Byzanz; dort wogt und rollte
Die Menge wie vordem, doch sonderbar,
Kaum hat er sich genaht der Hofburg Stufen,
Da hört er sich bei seinem Namen rufen.
Und auf den Ruf erblickt er einen Gothen,
Und in der Rüstung, die sonst ihn geschmückt;
Er nähert sich, da wird ihm Halt geboten,
Ein Zerrbild seiner schielt ihn an und drückt
Ihn roh zur Seite. »Kam ich zu den Todten,
Ist der, der ich einst war – bin ich verrückt?
Den Doppelgänger da in meinen Waffen,
Hat ihn die Höll' aus meiner Schuld geschaffen?«
Erschüttert denkt er's, weicht bestürzt zur Seite
Und setzt auf einen Pfeiler sich voll Gram.
Wie häßlich dünkt ihn, seit er sich befreite,
Was einst ihn hier beglückt. »O bittre Scham!
Fort!« ruft er aus, als eben im Geleite
Des ganzen Hofs Leo vorüberkam;
Ein Blick, und mit der alten Güte wieder
Beugt sich der Kaiser zu dem Jüngling nieder.
»Woran,« begann er, »ließen wir es fehlen,
Was konnte dich bewegen, theurer Sohn,
Von uns so eilig dich hinwegzustehlen?
Ist unsre Seele doch mit dir entflohn!«
»O,« rief Theodorich, »kann ich's verhehlen,
Daß mir's das Herz zerriß, an deinem Thron
So da zu stehn in aller Freude Mitten,
Indeß Unsägliches die Meinen litten.
Ihr habt es klüglich mir verschwiegen, nimmer
Sollt' ich die strenge Wahrheit schau'n, bethört
Vom Glanz des Hofes, und in Glück und Schimmer
Hätt' ich auch bald den Nothruf überhört,
Die Mahnung, die mich rief. Jetzt um so grimmer
Und um so mehr im Innersten empört
Empfand ich meine Pflicht und mein Verlangen,
Je tiefer jener Schlaf mich hielt umfangen.
Hat denn umsonst mein Muth sich ausgerichtet
An Cyrus, Alexander, Hannibal?
Hab' ich auf jedes Heldenthum verzichtet?
Ein Nichts zu sein, auf meiner Stirn ein Mal,
Ein Brandmal? Bin ich nicht vielmehr verpflichtet,
Daß ich dem Volk, so groß an Muth und Zahl,
Daß meinen Gothen ich ein Leitstern werde,
Und meine Spur einpräge dieser Erde?«
»So zieh' dahin,« rief mit erhabnem Schauen
Der Kaiser aus: »Auf, Jüngling, rüste dich!
Und führe nach Hesperiens goldnen Auen
Und führ' nach Rom dein Volk, Theodorich!
Dir darf ich diese Sendung anvertrauen,
Dir jenes Rom und jenen Himmelsstrich,
So reich gesegnet einst – und so verachtet
Und so zertreten jetzt und hingeschlachtet.«
»Du sahst den Wunsch in meiner Seele sprossen,«
Rief froh der Jüngling voll Begeist'rung aus,
»Was ich ersehnt, bei dir war es beschlossen,
Du winkst, da tritt mein Stern in seinen Lauf,
Und künft'ger Glanz ist um ihn her ergossen.«
»Ja siege,« rief ihm Leo zu; darauf
Ergriff er seine Hand und am Balkone
Erschien er dann mit ihm als seinem Sohne.
»Er geht, er geht,« sprach schlau vor sich und leise
Der Doppelgänger, der Trabant, ein Mann
Aus andrem Gothenstamm, der gleicher Weise
Am Hofe Gunst und Ehren sich gewann.
Er spähte schielend jetzt umher im Kreise,
Und dachte lange nach, und sagte dann:
»So muß es kommen, ja, ich hab's gefunden,
Durch den Feind wird ein andrer überwunden.
Dem Odoaker gilt's, dem Feind der Togen,
Der niemals was auf euren Purpur hielt;
An diesem Knaben bricht der starke Bogen,
Der so gewaltig ist, so hoch gezielt.
Das Glück, nicht einem Alarich gewogen,
Gibt sich nun dem, der nur bisher gespielt,
Ein launisch Weib, das seine Gunst versteigert,
Und morgen wegwirft, was es heut verweigert.«
Er stellte sich in eines Saales Ecke,
Und sah den Festzug an und sah das Mahl,
Den Schenktisch und die silbernen Gedecke,
Besetzt mit manchem goldenen Pokal.
Mit unterschlagnen Armen stund der Recke
Wie steinern da, bis früh beim Morgenstrahl
Der Kaiserhof und alle Senatoren
Und Gast um Gast allmählig sich verloren.
»Ihr andern,« sprach er zu sich selbst, »so drückend
Ist noch der Panzer nicht, den mir mein Loos
Hier umgeschnallt, doch ihr, euch selbst zerstückend,
Bekrieget euch, daß blut- und mühelos
Byzanz die Welt beherrsche.« Sprach's, sich bückend
Vor einem Kämmerer, der vorüberschoß,
Dann hob er wieder sich in Riesenlänge
Und schritt hinweg, und schwand im Volksgedränge.
Umjubelt unter Heil und Glückverkünden,
Und im Triumph geführt bis vor das Thor,
Verließ die Stadt, an die zwei Meere münden,
Der Sohn des Theudemir. Als still empor
Die Nacht dann stieg aus ihren Felsenschlünden
Und sein Geleit sich nach und nach verlor,
Da läßt er gerne seinem Pferd die Zäume,
Und fliegt der Heimath zu, vertieft in Träume.
Ersehnt war ihm die Stille, sie versüßte
Den innern Kampf mit seiner Herbigkeit,
Und hob ihn durch der Ehrbegierden Wüste
In schönem Flug vom Niedrigen befreit,
Zu jenem hohen Ziel, das ihn begrüßte.
Mit ganzer Seele fühlt er sich bereit,
Sich ihm zu nahn, und hat nicht wahr genommen.
Wie sehr er unterdeß vom Weg gekommen.
Stets dunkler ward der Wald, der Uhu schwirrte,
Und flog um ihn heran in trägem Flug,
Indeß Gestrüpp, wo tastend der Verirrte
Durchs Dickicht drang, ihm Stirn und Wange schlug,
Und tiefer in die grause Nacht verwirrte.
Es scheinen riesenhaft im Zaubertrug
Der Bäume Stämme sich emporzuringeln,
Und Schlangen überall hervorzuzüngeln.
Er steigt vom Pferd, er schafft sich unerschrocken
Mit seinem Schwert durchs Dickicht Bahn, allein
Auf kurze Zeit nur; immer wieder stocken
Die Schritte gegen Wurzel und Gestein,
Und Stimmen hört er sich dämonisch locken;
Als sich der Wald beim ersten Tagesschein
Vor ihm erschließt, steht bis zum Himmelsrande
Ein kahl Gebirge da im Sonnenbrande.
Und eine Felswand ragt vor ihm, bis oben
Wie lauter Marmor, spiegelblank und glatt;
Sie ist, sobald er näher dringt, zerstoben,
Doch eine zweite tritt an ihre Statt,
Sie weicht, die dritte hat sich schon erhoben.
So findet ihn die Nacht zu Tode matt
Und so der nächste Tag, da bringt ein Regen
Der Luft ihm einen fernen Schall entgegen.
Ein Hufschlag dröhnt, und siehe da, der Reiter,
Der sich durchs Dickicht schafft zu ihm die Bahn,
Antemidor ist's, einer der Begleiter,
Die jüngst noch mit ihm waren. »Ei beim Pan!«
Ruft ihm der Grieche zu, »bist du nicht weiter?
Laß dir's ein Omen sein, und nimm mich an
Als Reis'genossen, satt hab ich das Treiben
Der Stadt, ich will bei euch Germanen bleiben.«
»Ist möglich!« rief Theodorich; »Entsagen
Willst allem du was dir einst wohl gefiel?
Dem Glanz der Stadt, den sonnenhellen Tagen
Dem Wink zur Ehre, jedem Fest und Spiel?«
»Ja!« rief Antemidor, »ich will es wagen.
Ach wie der Tempel einer fern am Nil,
So lebensmüde bin ich, ich empfinde,
Daß ich bei euch nur wahre Freiheit finde.«
»Das sollst du,« rief der Gothenfürst und reicht
Die Hand dem Freunde dar, »du bist willkommen.«
So reiten sie dahin, und rasch entweicht
In Scherz und in Gespräch die Zeit. Durchschwommen
Wird mancher Strom, und mancher Mond verstreicht,
Bis sie dem Ziel der Reise nah gekommen,
Und an der Mark, den Ihrigen gewahr,
Begrüßt sich sehn von einer Gothenschaar.
Im Eichwald aber lag das Volk um Feuer
Bei seinen Bannern rathlos, thränenreich,
Denn Theudemir, der König, allen theuer,
In seinem Burghof lag er todt und bleich.
Den Sohn, der jetzt heransprengt, grüßt ein scheuer,
Erstickter Zuruf, froh und bang zugleich.
Ein Blick sagt alles ihm, hinstürzt er schreiend,
Dem Todten ganz und ganz dem Schmerz sich weihend.
Wehklage schallt umher, und um das Schloß
Stehn weiße Fraun, gehüllt in lange Schleier,
Und Trupp für Trupp, die Männer hoch zu Roß
Begehn mit Waffenschall die Leichenfeier.
Und endlich tönt's: »Heil dir, erlauchter Sproß
Vom Stamm der Amaler, steh' auf, Befreier,
Gebiete Stillstand deinem Schmerz hinfort,
Und führ' uns, führ' dein Volk, du junger Hort!«
Theodorich, erwachend aus dem Banne
Des tiefen Schmerzes, richtete sich auf,
Wie nach dem Sturmwind eine junge Tanne,
Und ging umher, und schritt von Hauf zu Hauf,
Und gab den Gruß und Handschlag jedem Manne,
Und setzte fest, daß in des Jahres Lauf
Bereit zum Aufbruch von der alten Scholle
Auf einem Feld sich Alles sammeln solle.
Und so geschah's, auf meilenweite Strecke
Ward von der Häuser Brand die Nacht erhellt,
Und Stiere zogen die mit weißer Decke
Umspannten Wagen, ein beweglich Zelt,
Belastet mit Geräth, mit Pflug und Egge,
Die hier zum letztenmal das Feld bestellt,
Mit Sens' und Sichel und mit all den Waffen,
Um einen neuen Boden zu beschaffen.
Und auf dem Wagen, Greis' und Kinder pflegend,
Sah man die Fraun, daneben her zu Roß
Die Männer ab und zu, dort Wild erlegend,
Hier ordnend in dem ungeheuren Troß.
So ging der Zug sich langsam fortbewegend
Von Gau zu Gau, bald um ein Felsenschloß
In froher Rast sich lagernd, bald auf Weiden,
Bald in der Wälder Nacht und bald auf Haiden.
Und vorwärts ging's von Herbstbeginn bis Mitten
Im Winter, rastlos wie der Wolken Flug.
Voraus auf Pferden stolz und mächtig ritten
Die Auserlesensten des Volks, ein Zug
Gepanzerter, und hinter ihnen schritten
Schildträger, deren eine Truppe schlug
Mit Keul' und Streitaxt, während andre Schaaren
Mit Schwert und Wurfgeschoß bewaffnet waren.
Es war, als spräch' aus dunklen Lorbeerkronen
Italien, das sie kommen sah: »Ach! floß
Denn noch nicht Blut genug, und lebt kein Schonen
Mit mir und meiner Söhne bittrem Loos?
Antwortet Stürme, wollt ihr mich bewohnen?
Ihr wißt doch Fremde, daß ich schon vergoß
Unzähl'ge Thränen, Ströme meines Blutes
Und allen Reichthum meines letzten Gutes.«
Von Odoaker auch erschienen Boten;
Theodorich, auf ihr Willkommen, stieß
Die Hand zurück, die sie ihm dargeboten.
Er sprach: »Byzanziums Herrscher überließ
Italien mir und meinen Ostrogothen,
Und wer ist Odoaker? Ich verließ
Der Donau Land, um hier fortan zu thronen,
Beugt jener sich, so will ich seiner schonen.«
»Er ist,« erwiedert Heremud entrüstet,
»So tapfer und so edlen Stamms wie du,
Doch unrecht ist's, daß dich nach dem gelüstet,
Was er erkämpft hat und genießt in Ruh.«
»O,« rief Theodorich, »daß ihr nicht wüßtet,
Er ist ein Räuber und Tyrann dazu.«
»Doch keine Krone hat er je getragen …«
»So leichter wird das Haupt ihm abgeschlagen!« –
Da wandten, Schmerz im Blick, die Rugier Mannen,
Die Zügel ihrer Rosse: »Hör' es jetzt
Der Himmel, daß nicht wir den Streit begannen,
Daß nicht den Gottesfrieden wir verletzt.«
So rufend sprengen sie voll Zorns von dannen.
In Gram ward Odoakers Brust versetzt,
Als er sie hört: »Muß ich mit dem mich schlagen,
Den ich so hoch im Herzen stets getragen.
Er ist ein krafterfüllter Lanzenschwinger,
Ein junger Held, mir bleicht die Locke schon,
Auf seine Wiege wies mit goldnem Finger
Das Glücksgestirn, er ist ein Königssohn;
Ich bin vor ihm in jeder Art geringer;
Ein Kämpfer bin ich nur um kargen Lohn.
Doch gilts, so will ich an die Arbeit gehen,
Und blutig streiten, mag was muß geschehen.«
Er rief hierauf die besten seiner Recken
Zum Kriegsrath um sich her im Waffensaal,
Die schwuren: stets vor ihn ihr Schwert zu strecken,
Ihr Leben ihm zu weihen allzumal,
Mit ihrem Leib ihn noch im Tod zu decken. –
Er zog sein Heer zusammen in dem Thal,
Wo brausend durch der Felsenkluft Gedränge
Die Etsch ans Meer rollt ihre Wogengänge.
Mit ihm sind, die dort wild und unbehaust
Auf Felsen wohnend das Gebirg durchjagen.
Es treffen, wo des Sontius Woge braust,
Die Heere sich, um hier die Schlacht zu schlagen.
Da reitet er, den Speer in seiner Faust,
Den Fluß hindurch, durchbricht Gezelt und Wagen,
Und fordert vor dem Lager gegen sich
Heraus zum Zweikampf den Theodorich.
»Hör', was der Gothenkönig dir verkündet,«
Rief ihm der Herold zu, »er hält nicht werth
Den Odoaker, der ein Reich gegründet
Auf Raub und Mord, zu fallen durch sein Schwert.«
Wie wenn ein Baum, in den ein Blitz gezündet,
Jäh aufflammt, so von raschem Zorn versehrt
Rief Odoaker aus: »Gut, er versuche
Die Waffe nicht, beschwert von solchem Fluche.
Ein Aar wie er sollt' nicht mir Falken weichen,
Doch weil es denn nicht anders enden soll,
So übersäe sich das Feld mit Leichen,
Das Volk verbüße seiner Fürsten Groll.«
Sprach's Odoaker, gab zur Schlacht das Zeichen
Und stürmt voran. Lang wogt' und schwoll
Die Kampffluth hin und her und hob die Wage
Der Streiter zwischen Sieg und Niederlage.
Was mag dem Anprall, wenn im Nothgedränge
Ein ganzes Volk heranwogt, widerstehn,
Das wüthend ward durch jeder Mühsal Länge,
Und nur noch Sieg hat oder Untergehn?
So ließen denn des Falken schwächre Fänge
Allmählig über sich den Sieg geschehn,
Und Odoaker wich mit seinem Heere
Zurück vom Tag des Glückes und der Ehre.
Noch an der Adda einen Kampf zu streiten,
Und vor Verona hält er seine Macht,
Viel Volkes ward erwürgt auf beiden Seiten,
Und manche löwenmuth'ge That vollbracht.
Manch alter Mauerrest aus jenen Zeiten,
Wenn hell auf ihm die Mittagssonne lacht,
Erzählt, wie nach Ravenna die versprengte,
Die letzte Heerschaar Odoakers drängte.
Zerfetzt die Waffen, trauernd und geächtet,
Auf müden Pferden ziehn sie durch das Thor,
Die deutschen Söldner; wenn ihr es bedächtet,
Ihr Gothen, die zum Sieg das Glück erkor,
Daß ihr gar bald das gleiche Recht verfechtet,
Daß euch ein gleiches Schicksal steht bevor,
Ihr würdet gern die Hand den Männern reichen,
Die euch an Aussehn und an Sprache gleichen!
Doch solch Erwägen kennt noch nicht der rohe
Und stolze Sohn der ungezähmten Kraft,
Und ohne Mitleid ist der Siegesfrohe;
So wird der Anfang stets hinweggerafft
Nur durch sich selbst, und alles Große, Hohe
Ersteht allein durch diese Eigenschaft,
Des Chaos Eigenschaft, das immerwährend
Sich selbst vertilgt, sich immer neu gebärend.
Die Luft schien wie aus Licht und Schnee gewoben,
Durchglüht von Blumen eines Diamants,
Wie aus der Erd aufbrausend, dampfend schnoben
Die Pferde durch der Lüfte reinen Glanz,
An Purpurzügeln wiehernd; Funken stoben
Vom Eisenhuf, es blitzte Lanz an Lanz;
Wie Höllendrachen brausend nach Gehenna,
So ging der Gothen Heerzug auf Ravenna.
Voraus Theodorich. Von Gau zu Gaue
Bestimmt er seines neuen Reiches Mark,
Er wirft den Hammer über Feld und Aue
Und über breiten Strom, so weit die Bark'
Des Fischers geht und Pflugschaar wühlt und Haue,
Wird Alles sein, er stößt ins Heerhorn stark,
Ins Hüfthorn auf dem Berg wie Sturmgeläute,
Und die da kommen, nennt er seine Leute.
So weit der Wurfspeer reicht, der Pfeil vom Bogen,
Der Wald den Schatten wirft ins Land hinein,
Der Vogel in der Luft, der Fisch in Wogen,
So weit ein Hahn kräht, Wind weht, Groß und Klein,
So weit des Weges kommt ein Mann gezogen,
So weit ist Alles, Wild und Zahmes sein!
Er sprengt die Heerstraß' her im Waffenglanze,
Und in die Erde bohrt er seine Lanze.
Als Rastort ward ihm einst in jenen Tagen
Das Landhaus des Anicius bestimmt,
Doch als er ankommt, hört er Schrei'n und Klagen,
Und seine Krieger sagen ihm ergrimmt:
»Den Alten da, den mußten wir erschlagen;
Wem man nicht mehr als eine Traube nimmt,
Und der das Schwert dann zückt nach deinen Treuen,
Der soll's, und jeder so wie der, bereuen.«
Theodorich rief: »Otochar, der Wüther,
Hat solchen Haß in dieses Volk gesät,
Er hat der Senatoren reiche Güter
Mit seiner Söldner Waffen abgemäht.
Befrein will ich das Land von solchem Hüter,
Doch diesen da begrabt mir, er verräth,
Wenn auch in schlechter Kleidung und beim Pfluge,
Den edlen Römer noch in jedem Zuge.«
Er nahm sein Lager nun, wo dichtverschlungen
Ein Fichtenhain sein Königszelt umgab,
Empfing auch hier der Städte Huldigungen,
Zu seinen Füßen Schlüssel, Schwert und Stab,
Denn Alles, bald von neuem Glück bezwungen,
Fiel nach und nach von Odoaker ab –
Er sah vom Thurm Ravenna's schon die Tage
Der Noth herannahn, der Belagrung Plage.
Und diese Tage wurden Jahre, Jahre
Voll Widerstand und Hoffnungslosigkeit,
Ravenna ward die Rabenstadt, die wahre,
Und jede Straße, worin dicht gereiht
Die Leichen lagen, eine lange Bahre.
In einer Nacht der tiefsten Dunkelheit
Ward jene ungeheure, in den Sagen
Die Rabenschlacht geheißne Schlacht geschlagen.
Ein letzter Ausfall war's, das letzte Ringen
Der Riesen mit dem Schicksal. Todesmuth
Auf dieser, für ein endlich Siegsgelingen
Die Zuversicht auf jener Seite, Wuth
Und Trotz auf beiden so, daß von den Klingen
Der Blitz die Nacht erleuchtete, daß Blut
Statt Wassers das versiegte Flußbett füllte,
Mit Leichen wie mit Schutt die Gräben hüllte.
Und in dem leichenvollen dunklen Graben
Auf Odoaker traf Theodorich,
Nur wie sie Hieb auf Hieb sich wiedergaben,
Erkannten gern die beiden Helden sich.
Es war ein Streit gewaltig und erhaben
Und lautlos, keiner wankte, keiner wich,
Zwei Stern' allein am schwarzen Firmamente,
Bis daß die allgemeine Flucht sie trennte.
Das Ende kam, auf blauen Meereswogen
Schwamm einst, die großen Segel ausgespannt,
Des Feindes Flotte her, und hielt im Bogen
Den Hafen vor Ravenna's Thor berannt.
Die letzte Hoffnung war damit entflogen,
Von Hunger und von Krankheit übermannt
Ergab sich Odoaker, seine Todten
Und seine letzten Treuen an die Gothen.
Trompetenschall empfing ihn an dem Tage,
Als er vor seinen Sieger trat, erhellt
Von goldnen Leuchtern war ein Festgelage
Im Schatten eines Lorbeerhains bestellt.
Theodorich empfing ihn mit der Frage;
»Sag mir, ob dieser Garten dir gefällt?
Du siehst hier Wein und bei dem Wein die Traube,
Und zwischen Blüthen goldne Frucht im Laube.«
»O wohl,« sprach Odoaker und ihm schien,
Es lieg ein Stachel in des Königs Worte,
Er frug: »Ich möchte wissen, ob ich bin
Nur ein Gefangner an so schönem Orte?«
Da wies ihn jener nach der Tafel hin
Und winkte, plötzlich durch die Pforte
Drang Pfeil auf Pfeil, es stürzten aus dem Laub
Die Früchte und der Wein zerrann im Staub.
»Sieh, so hast du den großen schönen Garten
Italiens verwandelt.« »Nein, o nein!«
Rief Odoaker, »rede nicht so harten
Und ungerechten Spott, vielmehr allein
War's ich, der diesem Land den längst erharrten,
Ersehnten Frieden gab und ein Gedeihn.
Ein Kirchhof, nicht ein Hain der Hesperiden
War vor uns hier, wir aber hielten Frieden.«
»Es mag so sein, nun setze dich zum Mahle,
Komm!« rief der Gothe, den ein Römerkleid
Und Gold umgab aus hellem Panzerstahle,
Ein Purpurmantel, Spangen und Geschmeid.
Doch Odoaker, vor dem Sonnenstrahle
Des Siegers glich nur seinem eignen Leid.
Er trug sein Schwert nur und den rauhen
Bestaubten Panzer, blutig und zerhauen.
Theodorich mit einem Seitenblick
Auf Jenes Schwert rief aus: »Laß dir's behagen,
Trink und vergiß dein trauriges Geschick,
Du, der Italiens Krone ausgeschlagen,
Fürwahr du hast ein eisernes Genick!« –
»Und eine Seele fähig zu ertragen«
Sprach Odoaker, dem von Unmuth schwoll
Die Brust: »Dein Wohlsein, mein Pokal ist voll!
»Dein Hochruhm,« fuhr er fort, »durchtönt die Lande,
Dir huldigt Alles, wen bezwingst du nicht?
Wer fügte sich nicht gern in deine Bande,
Da Sanftmuth strahlt von deinem Angesicht?
Der Prunk auf deinem glänzenden Gewande
Ist gegen dich nur ein erborgtes Licht,
Und welche Krone dich in Zukunft schmücke,
Du leuchtest über ihr und jedem Glücke.«
Verfinstert ward des Königs Stirn, »mich hassen,
Das wirst du,« sprach er, »bald, ich werde dich
Dem Kaiser von Byzanzium überlassen,
Entscheiden darf nur er dein Loos, nicht ich.«
Mit Müh schien Odoaker sich zu fassen,
Er sagte tief bewegt: »Theodorich!
Nur dir ergab ich mich mit meinem Heere,
Nicht einem Schergen, dir, weil ich dich ehre.«
»Ich hört' genug, der Söldnerkönig wisse – «
Rief jetzt der Gothe, »daß er uns verletzt,
Das edle Roß zwar schäumt in sein Gebisse,
Doch wem schon die Geburt ein Joch gesetzt,
Der sehe zu, daß man an ihm nicht misse
Die Art zu reden, die ihm ziemt.« Und jetzt
Erhob sich Odoaker: »Hör' mich, Knabe – «
Klang seine Stimme dumpf wie aus dem Grabe:
»Kein Wunder, daß dir Alles wohl gelungen,
Da du gezeugt im Bett der wilden Lust,
Vielleicht von einem Dämon bist entsprungen,
Und Theudemir hat nichts davon gewußt.«
»Tod!« schrie Theodorich »den Schlangenzungen,«
Und stieß das Schwert in Odoakers Brust.
Der sank, und lautlos schied dahingegeben
Der schmerzerfüllten Seele Hauch vom Leben.
Gejauchz erschallt, und während still die Leiche
Entfernt wird, tönt Fanfarenklang
Dem neuen König im Italer-Reiche,
Und Blumen regnet's und es schallt Gesang.
Er aber starrt hinaus, ihm däucht, es schleiche
Vom Meer her eine Schlange, lang und lang
Erhebt sie sich hoch aus der Welle Blinken
Und läßt von ihrem Haupt ein Krönlein sinken.
Es kommt zu ihm heran und stimmt und schießt
Im Glanz empor zu lichter Augenweide,
Und wie er darnach langen will, zerfließt
Gleich einem Regenbogen das Geschmeide.
Sein Mundschenk tritt zu ihm heran und gießt
Den Becher ihm zu fröhlichem Bescheide,
Und immer wieder voll mit Feuerwein
Den Becher ihm, den reich besetzten ein.
Doch früh verscheucht vom Jubel der Gesänge
Verläßt er stumm den Saal, und im Palast
Durchwallt er Hof um Hof und Gäng' um Gänge;
Die That so raschen Zorns gereut ihn fast,
Da horch; erschallen da nicht Harfenklänge?
Er lauscht und lauscht und nähert sich mit Hast,
Und sieht durch eine der noch offnen Thüren
Den Harfner im Gemach die Saite rühren.
Von seinen Lippen aber bebt darein
Ein Lied zum Ruhm von Odoakers Thaten:
»Er war ein Mann, sein Herz schlug groß und rein,
Er war ein Hort für alle die ihm nahten,
Er wollte, statt gekrönt und Herrscher sein,
In Allem nur mit seinem Volk berathen,
Und der an Glanz und Prunk der letzte war,
War stets voran im Kampf und in Gefahr,«
Theodorich vernimmt mit Schmerz und Trauer
Des Todten Preis, aus seinen Augen bricht
Die Thräne vor, und ihn ergreift ein Schauer,
Als sprächen Himmelsstimmen sein Gericht.
Er seufzt aus tiefster Brust, und an die Mauer
Der Säule birgt er weinend sein Gesicht,
Dann legt er ab Geschmeid und Goldgefunkel,
Und eilt allein hinaus in Nacht und Dunkel.
Durch eines Klosters Hof zur gleichen Stunde
Rief's in der nächsten Nacht: »Auf! wenn ihr schlieft,
Herbei ihr Mönche mit dem Schlüsselbunde!
Schließt auf das Thor, ich bin es, den ihr rieft!«
Theodorich trat ein, vor ihm im Grunde
Vor einer Nische lag ein Grab vertieft.
»Der ist es,« sprach ein Mönch, »der sich erboten
Uns einzumauern in die Gruft den Todten.«
Mit seiner Hilfe trugen sie zur Stätte
Des Odoakers Leichnam, und allein,
Als ob er ihm was abzubitten hätte,
Bog jener lang sich über ihn herein.
Er schloß den Sarg von schwarzer Marmorglätte,
Ergriff die Kelle, fügte Stein an Stein
Zum stillen Haus, umweht von Moderfeuchte,
Und bei ihm saß der Mönch und hielt die Leuchte.
Als Morgens früh des Klosters kleine Glocke
Zum Beten rief, trat aus dem Kirchengang
Theodorich, und aus dem Marmorblocke
Der letzten Stufe horcht er nach dem Klang,
Er strich von seiner heißen Stirn die Locke,
Sein jugendliches Antlitz überdrang
Ein tiefer Ernst und in der Morgenwolke
Flog über ihm ein Adler vor dem Volke.