Elisabeth Charlotte von Orléans
Briefe der Herzogin von Orléans
Elisabeth Charlotte von Orléans

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An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 793; vgl. Ranke XIII, 297.

Marly den 8. Aprill 1712.

.... Mein sohn undt ich wißen leyder nur zu woll, wer die sein, so ihm alles auffbringen undt ihn wollen verhast machen undt mich auch; sie hatten sich aber noch nicht so clar erwießen alß nun, wenn E.L. nur wollen reflection machen auff die, so mich allezeit gehast haben. Es ist eine gantz eygene cabale, denn der hoff ist voller cabalen ärger, alß nie; wenn ich einmahl eine sichere gelegenheit werde finden, will ich E.L. dießes alles expliciren undt [E.L.] werden sehen, daß ich nur gar zu groß recht habe allarmirt zu sein; weillen ich aber nicht in dießer sach thun kan, habe ich mein parthey gefast undt alles in Gottes willen ergeben, ohne welchen doch nichts in der welt geschehen kan, gehe meinen geraden weg fort undt thue alß wenn ich nicht von der sachen wüste; warne doch meinen sohn, sobaldt ich etwaß erfahre. Wir wissen leyder nur zu woll, daß er übel redt, wenn er gesoffen hatt, aber was man in Teütschlandt geschrieben, hatt er gar gewiß nicht gesagt, aber was er gesagt, deücht auch nicht viel, nehmblich alß man ihn an taffel gefragt, warumb er seine elfte dochter lieber hette, alß alle seine andere kinder, soll er geantwortet haben, weillen dieße die eintzige von seiner frawen kinder were, so er gewiß wüste, daß sie seine dochter were; das war in der that ein gar impertinenter discurs. Ich habe ihn mehr alß taußendt mahl gebetten, doch mitt den desbauchierend leütten alß wie der chev. de Bouillon undt chev. de Simiane nicht umbzugehen; je mehr ich ihn aber gebetten, je mehr ist er mitt ihnen umbgangen. Nun sicht er, daß ich recht gehabt habe, aber es ist zu spät. Gott gebe, daß er sich einmahl vor eine warnung sein laße. Man kan nicht genung sagen: Gott behütte unßern König! Solte der in jetzigen zeitten unß fehlen, müste alles über undt drüber gehen .... Seyder ein jahr her undt seyder Monseigneurs todt haben sie ahngefangen, die alte Maintenon in ihre caballe gezogen, die hatt dem König vorgetragen, daß mein sohn den letzten dauphin und die dauphine vergifft hatt. Sie haben gemeint, daß würde den König gleich so sehr erschrecken, daß er ohnge examinirt meinen sohn von hoff weg schicken würde; welches ich darauß weiß, daß, wie die docktoren kamen undt dem König verzehlten, wie sie alles genau examinirt hetten undt daß gar gewiß dieße zwey personen keinen gifft bekommen hetten, threhte sich der König zu der Maintenon undt sagte: » he bien, madame, he bien, ne vous avois je pas dit que ce que vous m'avés dit de mon neveu estoit faux?«Nun, Madame, hatte ich Ihnen nicht gesagt, daß alles, was Sie mir über meinen Neffen sagten, falsch sei? Man hatt zu Paris von Dantins leütten gesehen, so diß außgebreydt haben bey dem peupel; dadurch sehen E.L., daß wir gar recht gejudicirt haben, das alte weib mögte gern ihre aufferzucht auff den thron sehen, haßt unß alle, aber ich werde mich nichts davon mercken lassen.

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 808; vgl. Ranke XIII, 303.

Versaille den 10. December 1712.

.... Ich erinere mich noch woll, zu Hannover die commedie von Wallenstein gesehen zu haben, einer, so Leßle heist, ersticht den Wallenstein zuletzt in einem bett mitt einer partisanen; ich erinere mich auch noch, daß, wie man die commedie von dockter Faust spilte und der teüffel den dockter Faust holte, kam die zeittung, daß der bischoff von snabruck todt war, welches jedermann lachen machte.

Wie E.L. Dero Lisselottegesehen undt sie so woll lauffen undt springen konte, war sie leicht undt jung; nun bin ich alt undt schwer, das gibt große verenderung. Ich bin gewiß, daß, wenn ich so glücklich were, daß E.L. mich ahn einem ort sehen könten, so sie nicht vermuhten, daß ich da were, wenn ich nicht redte, würden sie mich ohnmöglich kennen. Meine verruntzelte Augen, meine hengende große backen, meine schneeweiße haar, meine höhle zwischen den ohren undt backen, undt mein groß dopelt kin würde E.L. garnicht ahn Lisselotte erinern. Ich gleiche mir selbsten in nichts mehr, mein langer halß ist gantz kurtz geworden, habe nun dicke breytte schultern, abscheüliche dicke hüfften; meine bein seindt mehr alß dick, denn sie seindt sehr geschwollen. Da sehen E.L. woll, daß sie mich in dieser figur gar nicht kenen würden. Wenn ich den mundt auffthue, seindt meine zähn auch sowoll in einem ellenden standt: einer ist gebrochen, der ander ist schwartz, die überigen seindt zerbrochen; summa: überall ist ellendt in meiner gantzen person. Aber was will man thun? man muß woll sein parthie nehmen in was nicht zu endern stehet ....

Ich bin gantz stoltz, daß E.L. meinen letzten brieff ahn den gutten hertzog artig gefunden haben, da halte ich mehr von alß wenn mein brieff in der biblioteck Wolffenbüdel würde behalten werden. Mich wundert, daß hertzog Anthon Ulrich allezeit reyßet, da er doch einen so schönnen ort zu bleiben hatt .... Es muß ein wildt weßen in Moscovien sein, ich finde also, daß herr Leibenitz groß recht hatt, nicht dahin gehen zu wollen. Ich bin alß charmirt vom Czaar, wenn ich sehe, daß er so viel mühe nimbt, sein landt zu verbeßern; biß nach Berlin, glaube ich, wirdt mons. Leibenitz gern folgen, umb die cronprintzes undt cronprintzen auffzuwartten .... Seyder ich weiß, daß die freüden von jener weldt so sein: »die kein ohr gehört, kein aug gesehen undt nie in keines menschen hertz kommen ist«, mache ich mir gar keine idée davon, dencke nur, Gott ist allmächtig undt warhafft, er verspricht mir freüde, er wirdt schon mittel finden, daß ich es entpfinde, ob ich gleich jetzt nicht weiß, wie oder wann; darauff vertrawe ich .... Ich rede gar wenig mitt dem König; I.M. laßen sich vom comte de Thoulousse seine jagten verzehlen, wie auch wie er seine heüßer undt wälder zurichten lest, spricht auch mit den printzessinen von ihren heüßern, wo ich den hir undt dar ein par wordt zu sage. Der König thut mir auch die gnade, sich wegen Meiner gesundtheit zu informiren, wovon ich rechenschafft gebe; etlichmahl rede ich auch so davon, daß ich I.M. lachen mache ....

An Raugräfin Louise von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 107, Nr. 586.

Marly den 29 Julli 1713.

.... Ich gestehe, liebe Louiße, ich kan nicht vertragen, Teütsche zu finden, die ihre muttersprach so verrachten, daß sie nie mitt andern Teütschen reden oder schreiben wollen, daß ärgert mich recht; undt die königin in Preüßen, wen ich sie nicht von jedermann loben hörte alß eine gar tugendtsame fürstin, sonsten solte ich fürchten, daß sie mitt frembden sprachen auch der fremden länder fehler aprobiren solte undt nicht mehr ahn unßere alte teütschen maximen gedencken, so doch warlich nicht zu verwerffen sein. Weillen man sich im reden woll der wortter Monsieur, Madame undt Mademoiselle bedint, worumb könt man es nicht auch so woll im schreiben thun? Wen man nur die teütsche handt schreiben kan, hatt man nicht nötig, brieff zu lehrnen machen. Man kan ja nur schreiben, wie es einen ihm kopff kompt, wie ich thue; den muß ich gezwungen schreiben, würde ich mich mein leben nicht dazu resolviren können. Umb woll Frantzösch [zu schreiben], muß man die sprach gar woll können, sonsten kompts doll herrauß. Ich habe frantzösche brieffe von Teütschen gesehen, so nichts, als ein Teütsch, übersetzt, wahren, welches wunderlich auff Frantzösch lautt, insonderheit wen man titel drin setzt, welches gar nicht bräuchlich ist....

An Kurfürstin Sophie von HannoverRanke XIII, 310; vgl. Bodemann, Sophie Nr. 831.

Versaille den 15. Mertz 1714.

.... Heütte abendts oder morgen wirdt der heldt des friedens, mons. de Villar, herkommen. Man sagt, daß der friedenVon Rastatt, am 7. März 1714 vom Kaiser mit Frankreich abgeschlossen, und zwar zugleich im Namen des Reichs. gar avantageux vor den König undt die zwey bayerische Churfürsten ist, daß der Churfürst von Bayern wider der Erste Churfürst werden solle und die oberpfaltz wider bekommen. Aber seyder wen kan der Keyßer alles vor die Churfürsten ohne sie selber undt daß reich? Daß Nimbt mich unerhört wunder; alles Muß den In teütschlandt seyder Ich weg bin abscheülich geendert [sein]. Ich finde auch, daß Churpfaltz mehr verliehrt, alß gewindt, den die oberpfaltz ist Ihm ja gelegener, alß das Königreich von Sardaignen;Sardinien wurde dem Kaiser zugesprochen, aber 1718 gegen Sizilien umgetauscht, das im Frieden von Utrecht an Savoyen gegeben worden war. daß, wie Ich gehört, bringt wenig Ein, undt wie Churpfaltz gar hochmüthig ist, wirdt Er noch Einen größeren staht haben wollen; daß wirdt alles über die arme pfaltz gehen; also gefält mir dießer article nicht, wofern Er war ist, denn ich weiß noch gar nichts recht von den articlen, man helt sie noch gar geheim. Man kan nun hir singen:

»Allein Gott in der hohe sey ehr Undt danck vor seine gnade,
Daß nun forthin undt nimmermehr Unß schaden kan kein schade.
Ein wollgefahlen Gott ahn unß hatt,
Es ist groß freüdt ohn Unterlaß,
All feht hatt nun ein ende.«

Aber meine freüde kan nicht eher ahnfangen, biß ich E.L. in volkommener gesundtheit wißen werde ohne verfluchten stöhr auff den magen ....

An Raugräfin Louise von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 107, Nr. 653.

Marly den 1 Julli 1714.

Hertzallerliebe Louiße, vor etlichen tagen habe ich Ewer liebes schreiben vom 14 Juni zu recht empfangen. Ich konte Eüch woll in echo andtwortten, den ich weiß warlich nicht, wie ich nicht vor schrecken undt betrübtnus todt niedergefallen bin. Waß ich seyder dem alle tag leyde, ist nicht außzusprechen, wie Ihr schon auß meinem letzten schreiben, so ich Eüch vor 8 tagen geschrieben, werdet ersehen; aber ich weiß selber nicht recht, waß ich Euch geschrieben habe, so sehr setzt mich diß abscheüliche Unglück auß mir selber. Es ist woll daß gröste, so mir in dießer welt hette begegnen können. Dieße liebe churfürstin s. [Sophie von Hannover war am 8. Juni gestorben] hatt mich durch dero gnädige schreiben auß manche betrübtnuß undt hertzenleydt gezogen, so ich hir im landt entpfunden, aber nun lebe ich ohne trost undt habe auch keinen nirgendts zu hoffen; also könt Ihr, liebe Louiße, leicht erachten, waß vor ein ellendes undt traweriges leben ich hinfüro biß ahn mein endt führen werde. Die threnen hören auff, aber der innerliche schmertzen undt trawerigkeit wirdt biß ahn mein endt wehren. Ich weiß selber nicht mehr, ob ich Eüch geschrieben habe, liebe Louiße, wie ich diß Unglück erfahren undt wie man mirs durch meinem beichtsvatter hatt ahnkünden laßen. Es kamme mir ein zittern ahn, alß wen man in einem starcken fieber den frost hatt; ich wurde auch dabey bleich wie der todt, war woll eine viertelstundt ohne weinen, aber der ahtem fehlte mir, war, alß wen ich ersticken müste. Hernach kammen die threnen heüffig undt wehrten tag undt nacht, darnach wurde ich wider trucken undt erstickte, biß die threnen wider heüffig kammen, daß hat so bißher gewehrt, Waß mich wunder nimbt, ist, wie ich so gesundt dabey bleibe, den ich bin gar nicht [krank]. Man hatt mich schon 2mahl auff die jagt führen wollen, ich habe mich aber nicht dazu resolviren können, den ich kan in nichts in der weldt lust nehmen. Ihr habt woll recht, zu sagen, daß mir dieße abscheüliche zeittung durch hertz undt seele gedrungen hatt. Ihr seudt so gottsförchtig, liebe Louiße, daß, wen mir gott der allmächtige trost undt erleichterung schicken solte, würde ich es Ewerm gebett zuschreiben....

Sontagnachmittags, den 1 Julli, umb 5 abends.

Ich bin gleich nach dem eßen greulich geplagt worden mitt allen meinen schuldenern [Gläubigern], denen ich alle mont waß gebe, biß sie gantz bezahlt werden, drumb fange ich so spat ahn, zu schreiben. Ihr solt Euch kein scrupel machen, Ewere reiße fortgefahren zu haben; den erstlich so kontet Ihr dieß unglück nicht vorsehen, weillen Ihr ma tante s[eelig] in gutter gesundtheit verlaßen hattet, undt zum andern so habt Ihr ja gott zu dancken, Eüch nicht dabey gefunden zu haben. Daß gehen hatt daß schleünige unglück nicht verursachen können, es muß ein schlagfluß geweßen sein, so unßer abscheülich unglück verursacht, aber wie Ihr gar recht sagt, es war deß högsten will, die liebe churfürstin abzufordern. Die zu gott gehen, seindt nicht zu beklagen, aber woll die, so noch bleiben in dießer bößen unleydtlichen weldt. Ach gott, mir selber hatte ma tante offt geschrieben, biß [daß] sie einen schleünigen todt vor den besten halte undt daß es eine schlegte sach seye, wen man im bett stirbt, den pater oder prister auff einer seydt hatte undt den docktor auff der andern seytten undt können doch nichts helffen; sie woll es so machen, daß sie dieß spectacle nicht geben wolle, hatt leyder nur zu wahr gesagt.... Ma tante war mein eintziger trost in allen widerwertigkeytten hir, sie machte mir mitt ihren lustigen brieffen alles leicht, waß mich auch ahm betrübsten gedaugt [gedünkt] hatt, sie hatt mir dadurch bißher daß leben erhalten. Zudem vor waß solle ich mich conserviren? Ich bin niemandts nichts nutz undt mir selber beschwehrlich.... Ich pretendire, Eüch, liebe Louiße, fleißig [zu] schreiben; Ihr seydts allein, die mir noch von alles, waß mir nahe undt lieb ist, überig seydt in gantz Teütschlandt. Adieu, liebe Louiße! Ich weiß, wie Ihr zu beklagen seydt, den ich bin gewiß, daß ich fühle, waß Ihr fühlt; aber in welchem standt ich auch sein mag, so werde ich doch, so lang mein ellendes leben wehren wirdt, allezeit dießelbe vor Eüch sein undt Eüch von hertzen lieb behalten.

Elisabeth Charlotte.

An Geheimerat v.HarlingBodemann, Geheimrat Harling Nr. 21.

Versaille den 3. Januari 1715

.... Ehe ich aber auf mons. Harlings schreiben antworte, muß ich nach unßerm alten teutschen brauch bey diesem neuen angetretenen jahr ein glückseeliges, friedt- undt freudenreiches neues jahr wünschen undt insonderheit eine beßere volkommenere gesundtheit, alß er bißher gehabt hat. Meine gesundtheit ist gott seye danck gar gutt, habe vergangen montag den hirsch gejagt in calesche. Mein sohn ist gott seye danck in so volkommener gesundtheit nun, daß er gestern 5 partien im balhaus gespilt hat; daß er ohnmächtig wardt, kam nur daher, daß er, nachdem er sich so dick gefressen hatte wie ein schindersteff (wie jene jungfer sagte)Vgl. Bodemann, Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte an die Kurfürstin Sophie von Hannover, Bd. II, S. 180. undt hernach in einer gar warmen cammer bey dem camin eingeschlaffen war, mit einem gar starcken husten undt schnuppen. Wir seindt nun gottlob beyde gar woll undt mein sohn hat mir versprochen, hinfüro gescheyder zu sein undt nicht mehr so abscheulich zu freßen. Hannover jammert mich, so einsam geworden zu sein, nachdem es allezeit so lustig geweßen.... Madame de Maintenon befindt sich gar woll; es ist mir des Königs wegen lieb, den solte sie zu sterben kommen, hilte ich es gefährlich vor den König, denn das attachement vor dieße dame ist sehr groß; sie ist nur zwey jahr elter alß unßer König. Des Königs in Schweden [Karl XII.] leben ist woll romanesque [romanhaft], fehlt nichts drinen alß daß er verliebt solte werden; wie ich höre, so will er mit aller gewahlt krieg haben; mich deucht doch, er solte lieber den frieden wünschen, sein armes reich wider zu ersetzen, alß neue unruhe zu suchen.Nach der Niederlage bei Pultawa (8. Juli 1709) war Karl XII. auf türkischen Boden geflohen und hatte in Bender Aufnahme gefunden. Nachdem die Pforte mit Peter dem Großen Frieden geschlossen hatte, forderte sie Karl XII. auf, die Türkei zu verlassen; als er ihrer Forderung bewaffneten Widerstand entgegensetzte, wurde er am 12. Februar 1713 gefangen genommen und nach Dimotika bei Adrianopel gebracht. Erst im Oktober 1714 entschloß er sich zur Abreise; den 22. November traf er in Stralsund ein, um den Krieg persönlich weiterzuführen. Ich bin ein kindt des friedens undt mögte gern überal frieden sehen.

An Raugräfin Louise von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 107, Nr. 702.

Versaille den 3. May 1715.

Hertzallerliebe Louise, ich bin expreße ein wenig früher auffgestanden, alß ordinarie, in hoffnung, Eüch dießen morgen einen raisonable langen biieff zu schreiben können; den weillen der hoff seyder vorgestern zu Marly ist, seindt nicht mehr so viel leütte hir, so interompiren kommen. Wie ich aber eben herein wollte, kam man mir sagen, ich solte doch nur in der gallerie die sonnenfinsternus sehen mitt dazu preparirten gläsern. Daß hatt mich gantz unvermuhtner weiß eine gantze stundt auffgehalten. Aber ich werde doch heütte ein gute taille von biieff schreiben, wils gott; den daß man in meiner cammer spilt, hintert mich nicht ahn schreiben. Gestern hatten wir 3 taffeln in meinem cabinet, 2 vom lombre undt eine vom berlan. Waß wir dießen nachmittag haben werden, weiß ich noch nicht; den es ist noch nicht halb 12 itzunder. Umb 12 werde ich in kirch in chaisse, so kan ich nicht die kälte fühlen; den es ist heütte gar kein Maywetter, sondern so kalt, alß wie im Mertzen; es geht eben so ein rauher undt scharpffer windt. Nach der meß werde ich zu madame la ducheße, so auch nicht nach Marly ist. Sie hatt eine schlimmere kranckheit, alß ich, so sie hir auffhelt; den sie hatt feygwartten, so ihr den affter fingers lang auß den hindern gehen macht, met verlöff, met verlöff, wie die fraw Woltzogin alß pflegt zu sagen, zudem hatt sie stein undt grieß undt mühe, zu pißen, daß hatt sie so geendert, daß man sie kaum kenen kan. Ich habe, gott lob, nur einen gutten husten undt schnupen, habe dieße nacht beßer geschlaffen undt nicht so stark gehust, alß die vorige nächte; aber seyder ich auffgestanden, huste ich erschrecklich, werde nicht nach Marly, biß mein husten ein wenig leydtlicher undt nicht so eckelhafft sein wirdt, wie nun, den daß ewige husten undt speyen ist sehr nicht einhalten. Aber da rufft man mich, umb in kirch zu gehen, muß also wider meinen willen eine pauße machen; den wen ich nach der kirch meine zwey vißitten werde abgelegt haben, so wirdt mein eßen auff der taffel stehen, so heütte in wenig schüßeln bestehet; den wegen meines abscheülichen husten eße ich kein fisch. Daß ist auch eine von den ursachen, warumb ich nicht nach Marly bin; den ich könte weder heütte noch morgen mitt dem könig eßen, den I.M. ärgern sich abscheülich, wen sie wißen, daß jemandts fleisch ist, wen man das fieber nicht hatt, undt wie ich gar persuadirt bin, [daß] argernüß geben eine gar große sünde ist, so hütte ich mich dafür, so viel mir möglich ist.

Freytag nachmittags umb 5 abendts.

Gleich nach dem eßen, eine gutte halbe stundt hernach, wie mein enckel zu mir kommen, der duc de Chartre, habe ich ihm ein spectacle geben, so meinem alter gemäß. Drey hundt, 3 dauben undt eine katz, ein triomphwagen, darin sitzt eine hündin, so Andriene heist; eine große katz führt den wagen, eine daub ist der kutzscher, 2 seindt die pagen undt ein hundt ist der laquay, der sitzt hinden auff. Der hundt heist Piquard, undt wen die dame auß der kutsch steicht, so treg[t] ihr Piquart den schlep. Andrien, wen sie gekleydt ist, geht sie nur auff die hinderfüße. Die katz heist Castille, sie springt durch reiffen. Picard thut auch, wie die Pferd auff der reydtschul; man satelt ihn und setzt ihm eine pupe auff den rücken, wie einen reütter. Der hund, undt dißes finde ich amb artigsten, dantzen durch 3 reiffen les olivette gar geschickt. Dißer kerl hatt noch eine hündin, so Badine heist; die kendt alle die kartten undt bringt, welche man will. Aber hiemitt genung von dießer badinerie [Narrenspossen].

An DieselbeBibl. d. lit. Vereins, Bd. 107, Nr. 724.

Versaille den 27 Augusti 1715.

Hertzallerliebe Louise, ob ich zwar in einer solchen abscheülichen betrübtnuß bin, daß [ich] nicht weiß, waß ich thue oder rede, so will ich doch auff Ewer liebes schreiben andt möglich wirdt sein, muß aber vorher sagen, daß wir gestern daß betrübste undt touchanste spectacle gesehen haben, so man sein leben sehen wirdt. Unßer lieber könig Ludwig XIV. starb am 1. September 1715), nachdem er sich zum todt bereydt undt, wie es hir der brauch ist, seine letzte sacrementen entpfangen vorgestern umb 8 abendts undt alles ordonnirt, wie er es nach seinen todt will gehalten haben, hatt den jungen Dauphin hollen laßen, ihm seinen seegen geben und zugesprochen. Hernach hatt er die ducheße de Bery, mich undt alle seine andere dochter undt enckeln kommen laßen; er hatt mir mitt solchen tendren ^zarten) wortten adieu gesagt, daß ich mich noch selber verwundere, wie ich nicht rack [stracks) ohnmächtig worden bin. Er hatt mich versichert, daß er mich allezeit geliebt hette undt mehr, als ich selber gemeint, daß es ihm leydt seye, daß er mir jemahlen chagrin gegeben,- er bätte, ich solte mich doch seiner etlichmahl erinern, welches er glaubte, daß ich thun würde, weillen er persuadirt seue, daß ich ihn allezeit lieb gehabt hette,- daß er mir im sterben glück undt seegen wünsche undt daß ich all mein leben möge vergnügt zubringen. Ich wurff mich auff die knie, nahm seine handt undt küste sie, er ambrassirte mich, hernach sprach er ahn die andern, er sagte, er recommandire ihnen die einigkeit. Ich meinte, er sagte es zu mir, ich [sagte], daß ich E.M. in diß undt all mein leben gehorsamen würde; er threhet sich herumb, lächelte undt sagte.- »Ich sage Eüch diß nicht, ich weiß, daß Ihr es nicht von nöhten habt undt zu raisonabel dazu seydt,- ich sage es ahn die andern princessinnen.« Ihr könt leicht gedencken, in welchen standt mich dießes alles gesetzt hatt. Der könig hatt eine fermeté [Festigkeit), die nicht auszusprechen ist, gibt alle augenblick ordre, alß wen er nur eine reiß thete. Er hatt ahn alle seine leütte gesprochen undt adieu gesagt. Meinem sohn hatt er alles ahnbefohlen undt ihn zum regenten gemacht mitt solcher tendresse, daß es durch die seele dringt. Ich glaube, daß ich die erste vom königlichen hauß sein werde, so den könig folgen wirdt, wen er stirbt,- den er lebt noch, aber wirdt doch schwächer undt es ist nichts zu hoffen leyder. warumb ich glaube, daß ich die erste sein werde, so den könig folgen wird, ist erstlich mein hohes alter, zum andern, sobaldt der könig verschieden wirdt sein, führt man den jungen könig nach Vincennes, wir andern alle aber werden nach Paris, wo die luft mir schädtlich; ich werde dort in meiner trawerigkeit sitzen ohne gutte lufft, ohne exercitzien, werde also nach aller aparentz kranck werden müßen. Es ist nicht war, daß madame de Maintenon todt ist; sie ist in voller gesundtheit ins königs cammer, welchen sie weder nacht, noch tag quittirt. Daß ist alles, waß ich Eüch von dießen betrübten zustandt, worinnen wir hir leben, sagen kan. Ich war nicht lustig vorher, den ma tante ligt mir immer auff den hertzen, aber dießes nun gibt mir den garauß. Es ist mir, ich könte es ohnmöglich überstehen; gott woll sich meiner in gnaden erbarmen! Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben, liebe Louise! Deß königs zustandt habe ich Euch wie nun auch gar recht bericht. Der könig ist von einer gutten starcken constitution; ich glaube, daß, wen man eher dazu gethan hette, würde man ihn noch haben salviren können, stirbt der Herr, wie nicht zu zweyfflen stehet, so ist es ein größer unglück vor mich, alß Ihr Eüch immer einbilden könt, nutz viellen ursachen, die sich nicht schreiben laßen. Ich kan undt weiß nichts vor mir zu sehen, altz ellendt undt unglück; ohne verdruß, ungemach undt lange weill undt ungemach kan ich zu Paris nicht leben. Bin Eüch doch sehr verobligirt, mir guttes zu wünschen; aber wir seindt einander zu nahe, liebe Louiße, umb einander nicht alles guts zu wünschen. Es seindt schon lange jahre, daß freüde undt zufriedenheit nicht vor mich gemacht sein. Ich glaube nicht, daß, wen madame de Maintenon sterben solte, daß sie, waß sie hatt, ahn daß stifft von St Cire [[Cyr]] geben solte; den sie hatt ja ihres leiblichen bruders tochter, die ducheße de Noaille, bey sich, die kinder hatt, undt sonst noch baßen. Mein dochter schreibt mir, es seye nicht war, das der printz Francois so übel seye tractirt worden, daß man dem docktor nur zu leydt nachgesagt hatt, daß er den printzen so übel tractirt, daß es nicht war seye; daß man ihm kein ader gelaßen, noch clistir, noch tißane [Thee] geben, sondern besuar, undt cordies [Brustpflaumen]. Es geht dem meledi-Kentpulver, wie daß sprichwordt laut: »Kein Prophet gilt in seinem vatterlandt.« Mir hatt es gar gewiß 4mahl daß leben gerett, also kan ich woll davor verantworten, daß es gutt ist. Ich bitt, kaufst mir einen ballen undt schreibt mir, waß es köst! so will ichs Eüch mitt danck bezahlen. Ich weiß nicht, wie die welt geworden ist, aber man hört von allen ortten nichts mehr, als unglück, betrübtnuß, und hertzenleydt.

Ob ich zwar so hertzlich betrübt bin, liebe Louiße, auch so, daß ich kaum vor threnen mein papir sehen kan undt mit mühe schreibe, jedoch will ich Euch noch bitten, I.L. der printzes von Wallis [Caroline, geb. Prinzessin von Anspach, Gemahlin Georgs II. von England und Hannover] zu sagen, daß, in welchem standt ich mich auch finden mag, daß ich doch allezeit I.L. ehren, lieben und trewe, wiewoll sehr unnütze, dinnerin verbleiben werde. Sie hatt mein contrefait nur in brustbildt begehrt undt man arbeydt fest dran; brustbilder setzt man auch auff camin. Sobaldt alß ich ein wenig ruhiger sein werde, werde ich die begehrte pitschir ohnfehlbar schicken. Deß könig Georgen medaille, wie I.M. ertzschatzmeister worden, habe ich schön in silber undt daß ist schon genung.

Adieu, liebe Louise! Ich bin woll in der seelen betrübt, daß weiß mein gott, undt habe es auch woll große ursach, mehr, alß ich es Euch sagen kan; aber so lang ich mein ellendes leben schlepen werde, so seydt versichert, daß ich Euch recht lieb behalten werde!

Elisabeth Charlotte.

An DieselbeBibl. d. lit. Vereins, Bd. 107, Nr. 727.

Paris den 13. September 1715.

.... Ach, liebe Louiße, mich wundert nicht, daß Eüch unßers königs s. todtLudwig XIV. war am 1. September 1715 gestorben. zu hertzen gangen. Daß ich Euch davon geschrieben, ist nicht zu vergleichen, waß wir leyder gehört undt gesehen haben. Der könig war von sich selber gutt undt gerecht; allein daß alte weib [die Maintenon] hatte ihm so eingepregt, daß es niemandts gutt mitt ihm meint, alß sie undt seine minister, daß er niemandts, alß sie, seinem beichtsvatter undt seinen ministern getrawet; undt wie [der] gutte könig nicht gelehrt war, also hatt der Jeßuit undt daß alte weib in geistlichen sachen undt die minister in weltlichen sachen dem könig alles weiß gemacht, waß sie gewolt haben, undt die minister wahren meistentheils der alten zott creaturen, also kan ich mitt warheit sagen, daß alles, waß bößes geschehen, nicht vom könig kommen. Man hatt ihm alß weiß gemacht, seine seeligkeit bestehe drauff, undt Ihr wist, liebe Louiße, wen man davon persuadirt ist, ist man nicht zu abußiren. Meine augen thun mir noch wehe vom abscheülichen weinen, wie ich von Versaille weg bin. Ich habe woll nicht ohne ursach geweint, den ich bin ihr woll eine gequellet seehl, habe kein augenblick ruhe, werde allezeit interompirt. Heütte morgen habe ich ahngefangen umb halb 10 zu schreiben; da haben die interuptionen ahngefangen undt bis nun gewehrt, da es halb 4 ist. Mein eßen ist nicht ... da kan ich keinen bißen ins maul thun, muß alß die leutte entreteniren und gantz allein eßen; nichts ist verdrießlicher. Es ist war, liebe Louiße, daß unßer s. könig sontag, den 1. September, umb halb 9 verschieden ist; ich glaube, ich habe es Eüch schon bericht undt wie es im parlement zugangen. Gestern hatt man den jungen könig ins parlement zu sein lit de justice [Thronsitz] geführt, da ist meines sohns regence [Regentschaft] enregistrirt worden, also gar sicher undt gewiß. Mein parthie nehmen undt mich in gottes willen ergeben, kan ich woll; aber, liebe Louiße, wer kan in einem ewigen zwang undt ungemächlichkeit lustig undt vergnügt sein? Es ist aber gottes wille, daß ich biß ahn mein endt leiden solle; also muß man sich drinnen ergeben. Es kan mich gar nicht verdrießen, daß Ihr gern hettet, daß ich nicht mehr trawerig sein solle; den ich sehe woll, daß es auß purer fründtschafft ist undt daß Ihr fürcht, daß ich auß betrübtnuß kranck werde werden. Aber solte ich kranck werden, so wirdt es die hießige lufft verursachen; den seyder vergangen montag, daß ich hir ahnkommen, bin ich keine stundt ohne kopffwehe geweßen. Mein sohn, bin ich versichert, mogte wünschen, daß ich vergnügt hir mögte sein; aber daß stehet nicht in seinem vermögen. Es ist nur zu wünschen, daß ich baldt daß fieber bekommen möge; den ich habe versprochen, nicht eher hir wegzugehen, biß ich kranck werde. Kopffwehe ist nicht drin gerechnet, den ohne daß kan ich nicht zu Paris sein; bekomme ich aber daß fieber, gehe ich in unßer liebes St Clou. Mein sohn hatt woll andere sachen zu thun, alß ahn meine lust undt vergnügen zu gedencken. Er hatt woll von nöhten, daß man gott fleißig vor ihm bitt. Mich deucht, er ist sehr resolvirt, deß königs letzte ordre zu folgen undt friedtlich mitt seinen nachbar zu leben. Ich glaube, daß, wen es allein bey meinem sohn stünde, daß er gern allen bedrenckten beystehen wolte; aber viel sachen werden nicht darauß bey ihm stehen, undt ob zu weißen [um zu beweisen], daß er alles nicht auß eygenen fantasie regiren will, so hatt er schon unterschiedtliche räht gestifft, einen vor die staadtssachen, einen raht vor die geistlichen sachen, einen vor die frembdten affairen, einen vor kriegssachen; also kan er nichts thun, alß waß hirin beschloßen wirdt werden, undt es wirdt schwer zu glauben sein, daß der geistliche raht, so in pfaffen bestehen wirdt, favorable vor die refugirten sein wirdt. Ich habe mir vorgesetzt, mich in nichts in der weldt zu mischen. Franckreich ist gar zu lang leyder (unter unß gerett) durch weibern regirt worden; ich will nicht ursach [sein], waß mich ahnlangt, daß man daßelbige von meinem sohn sagen mag. Ich will daß gutt exempel geben, meinem sohn dadurch die augen zu offnen, sich von keinem weib, welche es auch sein mag, regiren zu laßen. St Clou ist ein ort, so mir lieb undt wehrt ist, den es ist der schönste ort von der Welt; allein, were ich gleich hingangen, hette mich gantz Paris gehast, die doch alle so eine groß affection vor mein sohn undt mich bezeüget, daß es woll billig ist, daß mich des königs todt in freyheit setzt, zu leben, wie ich es gerne wolte! Man muß nach landtsbrauch leben undt da hatt man die wahl gantz undt gar nicht; man muß in meinem standt eine rechte victime [Opfer] von der grandeur [Größe] sein undt allezeit gegen [seinen] willen thun, auffs wenigst gegen waß man gerne thete. Ihr solt mir, liebe Louiße, gar nicht verobligirt sein, Eüch in meiner betrübtnuß zu schreiben; den nichts erleichtert mehr daß hertz, alß denen sein leydt zu klagen, die man lieb hatt undt welche recht part ahn unßer unglück nehmen. Es ist war, daß alle menschen den könig todt gemeint, wie madame de Maintenon weg gefahren; sie hatt es selber gemeint gehabt, weillen er eine starcke ohnmacht gehabt; allein er ist wider zu sich selber kommen und [hat] noch gelebt, wie ichs schon gesagt. Ich will nicht mehr von dießen trawerigen sachen reden, den es schmerz[t] mich zu sehr. Standthafftig ist der könig biß im letzten augenblick geweßen, sagte auch zu madame de Maintenon in lachen: »Ich meinte, sterben were schwehrer, alß es ist; ich versichere, daß es keine gar große sach ist; kompt mir gar nicht schwer vor.« Er ist 2 mahl 24 stundt geweßen, ohne mitt jemandts zu reden. In der zeit hatt er nichts gethan, alß betten, undt alß gesagt: »Mon dieu, ayes pitie de moy! seigneur, je suis prest a paroistre, a paroistre devant vous. A quoy tient il, mon dieu, que vous ne me prenies?«Mein Gott erbarme dich meiner! Herr, ich bin bereit, vor dir zu erscheinen; woran liegt es, mein Gott, daß du mich nicht zu dir nimmst? Darnach hatt er sein unßervatter andachtig gebett undt den glauben undt alß seine seel in gottes handen befohlen, biß ihm die seel auß, undt alle gebetter von der seel befehlung mitt gebett.

An LeibnizZeitschr. d. lit. Vereins f. Niedersachsen, 1884, S. 21 ff.

Paris den 26 september 1715.

Ich dancke Ihn sehr vor den part [Anteil], so Er genohmen in meiner trawerigkeit über unßers Königs Verlust wie auch über die Freude, so Er meint, so Ich Entpfinde über meines sohnes regirung. Es geht aber hirmitt wie schir in allen sachen dießer Welt, da die trawerigkeitten allezeit volkommener sind, alß die Freude, den Mein sohns standt hatt zwar Einen großen schein und Esclat [Glanz], allein Ich habe doch noch große sorgen dabey. Er hatte das Königreich In keinem gutten standt unterhanden bekommen undt Es kost Ihm schon viel Mühe undt sorgen, daß Er keine Zeit zu Eßen oder zu schlaffen hatt undt mich fürchten macht, daß Er Endlich eine große Kranckheit davon tragen wirdt. Ich fürchte auch, Es wirdt meinen sohn gehen, ohne Vergleichung, wie Es mitt den großen fäßern zu Heydelberg gangen, alle Churfürsten so nicht gedruncken, haben sie gebawet undt die so viel gedruncken, haben keine gemacht. Der König war nicht gelehrt, hatt doch alle studien, undt gelehrten floriren machen, mein sohn aber, ob Er zwar nicht ignorent ist, auch die gelehrten liebt, wird Ihnen, wie ich fürchte, nicht favorabel sein können, weillen alles in so großer Unordnung hir ist, daß Mein sohn woll Mühe wirdt haben, zu thun waß Er ahm liebsten wolte; Er wirdt auch viel leütte übel zu feinden machen, den 50 pretendiren waß Nur Einer haben kan, daß mach[t] 49 mal contenten, ohne die zu rechnen, so Meinen sohn beneyden.

An Raugräfin Louise von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 122, Nr. 789.

St Clou den 19 November 1716,

.... Lenor [v. Rathsamshausen] ist alß die gesundtste geweßen undt ists noch gar sehr undt allezeit von guttem humor; daß, glaube ich, erhelt ihre gesundtheit. Daß kan ich ihr aber nicht nachthun, den ich muß etwaß haben, so mir gefelt undt [mich] erfreüet, umb lustig zu sein können; ohne ursach kan ich es unmöglich sein undt die ursachen, lustig zu sein, seindt bludtsrar hir. Ich erinnere mich jetzt, daß, wie Ihr mir von mein enckeln geschrieben, heist Ihr sie königliche hoheit; den tittel führen nur die, so man enfant de France undt petits enfants de France [nennt]. Enfants de France seindt die könige leibliche kinder undt ihre brüder, der könige bruderskinder, wie mein sohn undt seine schwester, wie auch die noch lebende großhertzogin, denen gibt man mitt recht den tittel von altesse royal oder königliche hoheit, aber meines sohn sohn undt töchter seindt nur prince du sang [Prinzen, Prinzessinnen von Geblüt], die haben keinen andern tittel, alß altesse serenissime, undt unter enfants de France und sie ist gar ein großer unterschiedt in alles, sie haben kein service par quartie[r]. Man kaufft die chargen [Stellen] nicht undt ihre chargen haben keine grand officier [Großoffizier], noch premier ausmonier [Groß-Almosenier], noch premier escuyer [Oberstallmeister], noch chevallier d'honneur [Ehrenritter]. Die privillegien von unß seindt, daß, wen wir gleich sterben, behalten unßere bedinten, so man officier de maison royale [Beamte des Königl. Hauses] heist, ihre prerogativen, daß [sie], wen sie gleich bawern sein, doch nicht, wie die andern, gelt geben müßen, sondern haben viel freyheiten, alß wen wir noch lebten; daß können der prince du sang ihre nie haben. Also, wie Ihr secht, nicht allein im tittel, sondern in alles gar ein großer unterschiedt. Ich habe gedacht, daß es Euch nicht leydt sein würde, alle dieße unterschiedt zu wißen. Unßere Kinder haben quartier undt officier wie wir, auch daß kauffen undt verkauffen der chargen; allein es ist doch noch ein unterschiedt, sie haben keine chaisse a bras [Armstuhl], noch chaisse a dos [Stuhl mit Rückenlehne] bey unß, wäschen auch nicht mitt unß, sie seindt aber, wie wir, auff den drap du pied [Betstuhldecke] in der kirch bey dem könig; die prince du sang aber, wie auch unßere enckeln, dorffen nicht außer dem drap de pied. Daß ist alles reglirt; es weiß ein jedes, wo es hin soll, seindt wir in tribunen, darff niemandts, alß unßere Kinder, sich bey unß knien, aber neben den printzen undt princessinnen du sang können alle damen knien, wen sie nur von condition sein. Also segt Ihr woll daß ein großer unterschiedt in allen ist. Mitt mir kan kein mansmensch eßen, aß prince du sang, souverains undt cardinals; mit meinen kindern eßen alle fürsten undt ducs [Herzöge], mitt den prince du sang alle edelleütte; vor unß kan niemandts sitzen, alß duchessenn undt printzessen, bey unßern kindern alle damen; die duchessen haben lehnstühl undt die ducs auch; bey den printzen du sang sitzen die ducs in chaisse a bras, wie sie, undt sie begleytten sie ahn der thür, undt generallement alle mansleüte sitzen bey sie undt eßen mitt ihnen. Es seindt noch mehr dergleichen unterschiedt, so mir jetzt eben nicht einfallen. Gott seye danck, daß unßere liebe printzes von Wallis glücklich zu St. James ahngelangt ist! Dieße reiße hatt mich in großen sorgen gesetzt, weillen sie einen bludtsturtz gehabt undt große schmertzen undt so nahe bey dem ziehl ist. Gott der allmachtige stehe unß ferner bey undt erhalte unß lange jahren die tugendtsame undt liebe printzessin! Ihre sentimenten charmiren mich recht. Ich hoffe, daß Ihr mir durch die erste post ihre glückseelige niederkunfft berichten werdet, liebe Louiße! den I.L. haben mir geschrieben, daß sie Eüch die comission geben werden. Mir were es kein danck, wen man sich auff meinen geburdtstag mitt schonen kleydern bützte; den da frag ich [nichts nach], sehe mein leben nicht, wie die leütte gekleydt sein, undt solte man meine eygene kleyder nehmen undt ahnthun undt vor mir kommen, würde ichs nicht mercken; den ich sehe mein leben nicht darnach, wie die leütte gekleydt, es müste den etwaß gar ridiculles [Lächerliches] sein. Fremde sprachen zu reden, stehet allen kindern woll ahn. Meine encklen in Lothringen können perfect teütsch undt frantzösch. Aber hiemitt genung, liebe Louiße!

An Geheimerat v. HartlingBodemann, Geheimrat Harling Nr. 39.

St. Cloud den 26 november 1716.

.... Ich gestehe, daß mich der schleunige todt von dem armen herrn von Leibnitz [gest. 14. Nov.) surprenirt [überrascht) hat. Es ist woll schade, daß ein solcher gelehrter mann es nicht hat weiter bringen [können]; er war alt undt über 80;Liselotte irrt sich; Leibniz, geb. am 21. Juni 1646, war etwas über 70 Jahre alt. muß doch einen sanften todt gehabt haben, weilen es so geschwindt hergangen, wenn die leütte gelebt haben wie dießer mann undt wie Mons. Harling mir sein leben beschreibt, kan ich nicht glauben, daß er von nöhten gehabt hat, prister bey sich zu haben, denn sie konnten ihm nichts lehren, er wuste mehr alß sie alle. Sanct Paullus sagt, daß die gutten wercke den wahren glauben zeichen, weillen sie die früchte davon sein; gewohnheit ist keine gottsforcht, man muß wißen, waß man in der gottsforcht thut; nur zum h. abendtmahl auß gewohnheit gehen, kan gott nicht ahngenehm sein, es muß auf wahren glauben gericht sein undt ein solchen glauben wir dadurch erweißen, daß wir gott danckbar sein, ihn lieben undt auf sein verdienst vertrawen, auch einen ernstlichen vorsatz [haben], unßern negsten zu lieben undt ihm nach gottes gebot behülflich [zu] sein. Ohne dieße puncten glaube ich nicht, daß einige communion dinlich sein kan. Ich zweyffle gar nicht ahn des Herrn Leibnitz seeligkeit undt finde, daß er ein glück gehabt, nicht lang zu leyden. Gott verley unß allen ein seeliges endt,- biß er ahn mir kompt, daß ich auch fortgehe, werde sein undt bleiben ...

St Clou den 30 Juni 1718, ein viertel auff 8 uhr.

An Raugräfin Louise von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 122, Nr. 928.

....wahre Christen, so gott die gnade gethan, ihn undt die tugendt zu lieben, kehren sich ahn daß pfaffengezäng nicht, sie folgen gottes wort, so gutt sie es verstehen mögen, undt die ordenung der kirchen, in welcher sie sich finden, laßen das gezäng den pfaffen, den aberglauben dem pöpel undt dinen ihren gott in ihrem hertzen undt suchen, niemandts ärgernuß zu geben. Diß ist, waß gott ahnbelangt, im überigen haben sie keinen haß gegen ihren negsten, welcher religion er auch sein mag, suchen ihm zu dinnen, wo sie können, undt ergeben sich gantz der gottlichen providentz. Daß ich Euch lieb habe, ist weder künst, noch wunder. Haben wir den nicht einen vatter gehabt undt welchen ich mehr, alß mein eygen leben, geliebt habe? Daß Ihr meiner fraw mutter dochter nicht seydt, ist Ewer schuldt nicht; Ihr reparirt daß Unglück Ewerer gebuhrt durch viel tugendten, warumb solt ich Euch den nicht lieben? Ob tugendt zwar keinen rang gibt, so ist sie doch über alles zu estimiren, undt daß macht auch, daß ich Euch von hertzen lieb habe undt all mein leben haben werde; drumb, liebe Louiße, müst Ihr nicht mir, sondern Euch selbsten dancken, daß ich Eüch estimire undt liebe. Ich bin nicht von denen devotten, so stehts in den kirchen stecken undt paplen viel zeügs daher. Wen ich unßern herrgott die bestimbte zeit ahngeruffen, gehe ich wider weg undt thue, waß ich sonst zu thun habe. Ich laße mich nicht stöhren und stecke nicht lenger in den kirchen, alß andere, die den geraden weg fortgehen undt, wie daß sprichwort hir lautt, »keine heyllige freßen«. Also macht Eüch keinen scrupel! Ewer brieff hatt mich nicht ahn meiner devotion gestört. Seyder vergangen sontag 8 tag regnets alle morgen, aber nachmittags ist es schön wetter, außer gestern, da es geregnet undt geschlost hatt. Apropa vom hagel, er hatt 7 dörffer in Lottringen ruinirt undt alles zerschlagen, sollen noch in andern ortten auch geweßen sein undt schloßen von 2 pfundt schwer gefallen sein. In Lottringen, wie mein dochter mir schreibt, contribuiren sie es den hexsen. Daß ist eine alberne meinung, daß sich weiber undt maner in den wolcken verstecken können undt hageln, umb alles zu verderben. Zu Paris glaubt man ahn keine hexsen undt hört auch von keine. Zu Rouen glauben sie, daß hexsen sein, undt dort hört man immer davon. Es were mir leydt, wen Ihr diß regen undt ungewitter im Schlangenbaadt haben soltet; den daß ist nicht gutt. Ihr thut woll, so ohnnohtige Unkosten zu sparen. Daß ist nicht discret von der graffin von Wittgenstein, Eüch zu Geißenheim mitt so viellen leütten zu überfahlen; undt wen Ihr auch schon reich wehret, müste es Eüch doch incommodiren, so viel leütte auff den halß zu haben. Es seindt viel leütte so, welche gar keine consideration haben, meinen, alles seye, ihnen zu dinnen. Hir im landt desfrairt [freihalten] man nur die vornehmen personnen, aber kutschen, pferdt undt alle livrey müssen die herrn selber ernehren. Dieße mode solte man in Teütschlandt auch folgen, da man doch Franckreich alles nachmachen will. Es ist billig, daß Eüch dieße gräffin fr. mutter heist, weillen Ihr muttertrew ahn ihr gethan habt. Wen man sich vor personen interessirt, verdrist es einem recht, wen sie nicht sein, wie sie sein sollen. Daß ist nichts neües, daß ein man neben auß geht und maitressen hatt; unter 10 taußenden findt man nicht einen, so nicht waß anderst, alß seine fraw, liebt. Sie seindt noch zu loben, wen sie ihre weiber gutte wortte geben undt nicht übel mitt ihnen leben. Ich haße die historger [Geschichten] [nicht]; hettet mir gefahlen gethan, wen Ihr mir deß graffen von Wittgenstein seine verzehlt hettet. Daß kan man keinen boßen heüraht heißen undt habt Ihr Eüch hirin gar nichts vorzuwerffen. Daß kan nicht hinder[n], daß der graff von Wittgenstein nicht lobenswerdt ist; den er kan sonsten gar viel guts ahn sich haben. Daß hindert wetter [weder] ahn verstandt, politesse, noch courage, deßwegen ein man zu loben ist. Sie ahn einem reichsgraffen zu heürahten, war woll gethan. Daß die reichsgraffen auff ihren standt halten, kan ich nicht desaprabiren [mißbilligen]. Die fraw von Veningen ist woll zu beklagen; man undt sohn auff einmahl verlohren zu haben, ist ein abscheülich [unglück) undt insonderheit vor die, so lehen besitzen. Schwetzingen ist gar zu ein kleiner ort, umb einen großen hoffstaht zu halten, wie man sagt daß Churpfaltz hatt. Es scheindt, daß dießer churfürst kein comerce mitt mir halten will; den er hatt mir weitter nicht geschrieben. Wo mir recht ist, so seydt Caroline undt Ihr zu Schwetzingen gebohren. Wen die fraw von Veningen meiner dochter gleicht, kan sie nichts von h. Max haben. Meine dochter hatt gutte minen und eine feine taille, aber ihr gesicht ist gar nicht schön; sie hatt keine waß man hir traits [charakteristische Gesichtszüge] heist, aber ein recht auffrichtig, from undt gutt gemühte hatt meine dochter, gott lob, welches ich der schönheit vorziehe....

Mein sohn ist woll eine geplagte [seele]; er hatt so viel zu thun, das er kaum eßen, noch schlaffen kan, jammert mich offt so sehr, daß mir die threnen drüber in den augen kommen, thut hundert leütten guts, die es ihm doch gar kein danck [wißen]. Undanckbarer[e] leütte, alß hir im landt sein, habe ich mein tag deß lebens nicht gesehen. Dem preßident hatt er vergangen jahr zu fünffmahlhunderttaußendt francken geholfen; der ist nun gegen ihm dem hinckenten bastard [ duc du Maine] zu, welchem mein sohn viel gefallen auch gethan undt ja dazu sein schwager ist, welches dießem falschen teüffel ja ehre genung ist. Die falsch[h]eit ist gar zu arg hir im landt, ist aber, wen ich alles hirauff sagen solte, waß zu sagen were, müste ich ein buch ahnstatt eines brieffs schreiben. Dieße sagen [= Sachen] machen mich offt recht trawerig, will derowegen [nicht weiter davon reden].

An Geheimerat v. HarlingBodemann, Geheimrat Harling Nr. 57.

St. Clou den 3. Julli 1718.

....Von meiner langweilligen ceremonie, den ersten stein im closter de l'abbaye au bois zu legen, werde ich nichts mehr sagen; aber ich bin woll seiner meinung, daß unßerm herr gott wenig dran gelegen ist, ob einer kirchen erster stein von einem maurer oder fürsten gelegt wirdt, denn wir seindt ja alle nur staub undt aschen vor unßerm herr gott.... Ich habe gottlob noch einen gutten teutschen magen, der alles woll verdauet; alle abendt eße ich ein salatgen, so alle Frantzoßen sehr verwundert; sie verderben ihre magen, daß sie sie mittags undts abendts zu sehr überladen .... Ich finde, daß es eine rechte liebe ist, wenn man kinder scharpf helt; wenn man raisonabel wirdt, [erkennt man], auß welcher ursach es geschehen, undt weiß denen am meisten danck, so mit solcher affection unß zum beßten vor unß gesorgt haben, denn von natur seindt alle kinder zum boßen geneigt, drumb muß man sie kurtz halten. Wolte gott, die gutte fraw von Harling were bey mir geblieben, biß ich geheuraht worden, so würde ich noch beßer geworden sein; zu der jungfer Colb [Kolbe] hatte ich keine affection noch vertrawen. Mons. de PolierLehrer, später vertrauter Rat und Freund Liselottens, war ihr nach Frankreich gefolgt. Ihre Briefe an P. sind veröffentlicht in der Bibliothek des Literarischen Vereins zu Stuttgart, Bd. 231, und Bibliothèque universelle et Revue Suisse, Lausanne 1874, Bd.49 und 50. aber der hat die hoffmeisterstelle redtlich verricht; wer mir aber noch mehr instruction geben, war der gutte ehrliche Weibenheim [Oberst v. Webenheim], dem habe ichs auch all sein leben danck gewust.

An Geheimerat v. HarlingBodemann, Geheimrat Harling Nr. 58. – Dieser Brief lautet in den »Bekenntnissen der Elisabeth Charlotte von Orléans, 1791« (S. 95) etwas anders; ich konnte nicht feststellen, welche Wiedergabe dem Original getreu ist.

St. Clou den 25. Julli 1718.

Ich muß mich sehr eyllen, den das eßen ist getragen, nur sagen, daß ich die metwürst nicht entpfangen habe; aber umb zu weißen, daß man sie hir gutt findt, so hat man mir einmahl ein gantz kistgen weg gefreßen, so unßere liebe seel. Churfürstin mir geschickt hatte .... Niemandt ist hir verwundert, daß ich diese speyßen gerne eße; ich habe hir auch den rohen schincken in mode gebracht, undt viel von unßern teutschen eßen, alß sawer- undt süßkraudt, sallat mit speck, braunen kohl, auch wiltbrett, das man hir schir gar nicht ißt, das habe ich alles à la mode [gebracht]; und pfannkuchen mit bücking, dem gutten seel. König hatte ich diß eßen gelehrnt, er aß es hertzlich gern. Ich habe mein teutsch maul noch so auf die teutschen speißen verleckert, daß ich keinen eintzigen frantzöschen ragout leyden noch eßen kan, eße nur rindfleisch, kalbsbratten undt hammelschlägel, gebrattene hüner, selten feldthüner undt nie faßanen.

An Prinzessin Caroline von WalesBekenntnisse 1791, S. 123.

9. August 1718.

Ich muß wohl häßlich seyn, ich habe gar keine traits gehabt, kleine Augen, kurze dicke Nase, platte lange Lefzen, – das kann kein Gesicht formiren; große hangende Backen, ein groß Gesicht und bin gar klein von Person, dick und breit, kurzer Leib und Schenkel; summa summarum, ich bin gar ein häßlich Schäzchen. Hätte ich kein gut Gemüth, könnte man mich nirgends leiden. Um zu sehen ob ich Verstand in Augen habe, müßte man sie mit ein Microscope oder wenigstens mit einer Brille mit conserven ansehen, sonst ist es eine Kunst davon zu judiciren.

An Raugräfin Louise von der PfalzBibl. d. lit. Vereins, Bd. 122, Nr. 961.

St Clou, den 23 8br 1718, umb 8 uhr morgendts.

..Nichts verbeßert sich hir, man muß nur zufrieden sein, wen nichts neües schlimes vor handen kompt. Es ist leicht zu finden, warumb mein sohn in gantz Franckreich gehast ist. Die alte zot, der duc du Maine undt seine gemahlin, wie auch die gantze spanische parthey haben eygene leütte, die von hauß zu hauß gehen undt meinen sohn alß ein munster [ monstre, Ungeheuer] außschreyen, alß ein vergiffter, einen dieb, der alles stehlt, da doch mein sohn der desinteressirtste [uneigennützigste] mensch von der welt ist undt so gutt, daß er recht betrübt ist, wen er nicht alles guts thun kan, so er wünscht, undt so incapabel [unfähig] menschen zu vergifften, daß er keinen thier leydt thun kan; aber sie haben ihre ursachen undt dessein [Pläne] formirt, so sie folgen. Solche sachen seyndt jederzeit in den regencen [Regentschaften] geweßen, die ambition [Ehrgeiz] threhet manchem den hirnkasten. Vor alle gutte wünsche dancke ich Eüch sehr. Gott stehe unß bey! wir habens hoch von nöhten, hertzliebe Louiße!

...Wie Ihr mir die pfaltzgraffin beschreibt, muß sie hofflich, wollgezogen undt ahngenehm sein. Wer ist die oberhoffmeisterin? Ihr sagt ihren nahmen nicht. Ist der eßsahl noch zu Schwetzingen, der einen ercker hatt, so auff den vorhoff undt die mühl sicht? Zu meiner zeit logirte mein bruder s. in dem apartement. I. G. der churfürst, unßer Herr vatter, undt Ewer fraw mutter wahren im zweytten stockwerck, wo die cammern luftiger sein undt über den gartten ins flache felt sehen. Ich logirte just gegenüber die brück undt daß thor vom schloß. Hatt man ein stockwerck hinter diß apartement gemacht, so muß der graben gefüllt sein worden. Habt Ihr meine cammer nicht mehr gekendt? Aber wie nun alles dort geendert ist, würde ich sie woll selber nicht mehr kennen; keinen thurm weiß ich zu Schwetzingen, alß die zwey schwindelstiegen, oder schnecken, welches gantz oben ein cabinet, so eine schöne außsicht hatt undt wo man daß schloß zu Heydelberg perfect sicht. Wen mäner alt werden, steht es ihnen beßer, dicker, alß mager zu werden; daß gibt ihnen gutte minen ...

Interesse ist eine verfluchste sach von der welt, so alles verdirbt auff den ganzen erdtbotten, so die welt falsch undt untrew macht. Ich habe einmahl eine medaille von bley von teütschen meister gesehen, ich glaube, es ist der itzige churfürst von Trier; das gliche meinem armen bruder s. so perfect, daß ich meinte, daß es vor ihm gemacht were. Schreibt mir doch, bitte ich Euch, liebe Louise, ob der churfürst von Trier meinen bruder s. in der that gleicht, oder nicht!

An DieselbeBibl. d. lit. Vereins, Bd. 122. Nr. 967.

St Clou, sontag, den 13 9br 1718, umb 7 uhr morgendts.

... Es ist eine erbarmbliche sache, blindt zu werden; wolte liber todt sein, alß blindt. Meine augen seindt bey weittem nicht so gutt, alß sie geweßen sein; allein ich habe doch zum leßen, noch schreiben keinen brill von nöhten undt sehe noch so woll von weittem, alß von nahe. Wie lang es wehren wirdt, mag gott wißen. Ein gutter occulist, so nun todt, aber der konigin von Sicilien boße augen courirt hatt, wie sie noch ein kindt, hatt mir gesagt, ich solle mich, wen ich ahnfangen würde, einigen unterschiedt ahn meine augen zu spüren, mich nie weder brill, noch conserven [Schonungsbrille] gebrauchen, sondern gedult haben, daß gesicht würde wiederkommen. Dießen raht folge ich undt befinde mich woll dabey, sehe nun beßer, als vor 10 jahren. Die tage seindt nun kurtz, verlangt mich, zu vernehmen, daß Ihr wider woll undt glücklich mogt zu Franckfort ahnkommen sein. Fahren macht, wie mich deücht, nicht müde, man habe den kutschen ohne ressort [Federn] wie ich hoffe, daß Ihr nicht habt. Der weg nach Schwetzingen ist ja eben, wie dieße kamer, nicht einmahl ein Hügel zu finden. Daß wetter hir ist nebellicht, aber nicht kalt. Zu meiner zeit hatt man den Heydelberger berg auch nicht gescheüet. Alles endert in der weldt, wirdt aber leyder nicht beßer. Es ist mir leydt, liebe Louise, daß Ihr ohne gelt wider weg geschickt werdt. Ihr habt den ruff, liebe Louise, allezeit alles weg zu geben, waß Ihr habt, undt daß Ihr lieber selber leydt, alß nicht zu spendiren. Daß ist doch ein großer trost, überall woll ahngesehen undt lieb zu sein. Den St Hubertstag muß man jagen. Dießer tag hatt mich vor dießem hertzlich erfreüet, nun feyere ich ihn nicht mehr mitt jagen, habe der jagt, auch in caleschen, gantz abgesagt, frage nichts mehr darnach, alß wen ich mein leben nicht gejagt, habe doch dieß handtwerck 40 jahr lang geführt 2 mahl die woch, auch offt mehr. Aber so gehts; nichts ist bestandig in der welt. Nichts ist verdrießlicher, alß die interuptionen, wen man zu schreiben hatt; mich machts recht ungeduldig. Ich bitte, schickt mir die allerneüeste durchleüchtigste welt undt auch die callenderger wie vorm jähr, wo alle gebuhrten in stehen! Daß nehm ich zum geschenck ahn; aber die durchleüchtigste welt müst Ihr mir schreiben, waß sie kost, die will ich bezahlen. Dem dumherren Veningen habe durch seine tante Lenor den brieff geschickt. Ich thue gern gefallen, liebe Louiße, wo ich kan. Alle der fraw von Rotzenhautzen [Rathsamhausen] brieff schickt man mir; ihr würdt es viel kosten undt mir kost es gar nichts, den [ich] bezahle kein postgelt, habe ich post frey wegen meines rangs.

An Geheimerat v. HarlingBodemann, Geheimrat Harling Nr. 71; vgl. Wille, Elisabeth Charlotte von Orléans, Leipzig 1907, S. 59.

Paris den 26. Jan. 1719.

... Meines sohns feinde, so in großer menge bey hoff sein, haben nicht auß lieb vor mons. du Maine, sondern auß haß vor meinen sohn solche falschheytten undt lügen von ihm außgebreydt undt das in gantz Frankreich, daß man mühe haben wirdt, die leutte zu desabuiren [Lügen zu strafen], welches noch desto undanckbarer ist, indem mein sohn allen hoffleutten, seyder er regent ist, mehr guts gethan, alß der König s[eelig] in seiner gantzen regierung gethan. Aber alle seindt nicht zufrieden, wenn sie nicht selber regieren undt regenten sein; welches woll eine ungerechte sache ist. Alles hatt ambition in Franckreich biß auff die weiber, so alle meinen sie würden das königreich woll regieren können, undt wir lachen alle einander auß: sie mich, daß ich mich undüchtig dazu halte undt fest glaube, daß es der weiber sache nicht ist, undt mich in nichts mischen will, undt ich sie, daß sie so falsche opinionen von sich selber [haben] undt sich viel capabler einbilden zu sein, alß ich finde, daß sie sein undt ihre naß in alles stecken. Mein sohns gemahlin [Marie Françoise, Schwester des Duc du Maine] were in der that recht zu beklagen, den[n] sie nicht in der falschen opinion war, daß ihrem bruder unrecht geschehen, daß er nicht regent seye undt ihrem man undt dem fürsten vom königlichem geblütte solte vorgezogen werden undt will nicht begreiffen, daß der bastart standt eine schande seye undt sie durch ihren heuraht erhöhet ist worden, da doch ihre elste schwester undt jüngster bruder beydes gestehen. Das macht mich unter unß gerett ettlich mahl recht ungedultig über sie, gehe davon, umb nicht zu reden, würde sonsten greulich mit der thür in die stuben fallen. Mein sohn ist ein unglückseeligsr mensch, den heuraht gethan zu haben; hette er mir geglaubt, were es nie geschehen undt hette nun seine coudée franche [avoir ses coudées franches = freies Spiel haben], wie man hir im sprüchwort sagt, aber es ist gottes wille nicht geweßen, er hat unß, insonderheit mir, dieß fegfewer geschickt; sie ist gantz vor ihren bruder undt verhehlts nicht sonderlich. So eine zeitt wie dieße hatt man, glaube ich, noch nie erlebt, da man nichts alß lautter unglück undt verdrießlichen sachen hört. Das macht die rauschenplattenknechtger ahn statt lustig sehr nachdencklich. Ich kan leicht erdencken, waß ein abscheulicher Verlust durch den brandt zu Berlin muß geschehen sein. Unser hertzog von Lotteringen [Leopold] ist nicht so reich wie der König von Preußen undt sein verlust [Brand des Schlosses zu Luneville] alles wohl abgeregnet geht auff 3 millionen in allem ... Des duc und der duchesse du Maine boßheit ist nicht zu erdencken; von ihm wunderts mich eben nicht sehr, denn er hat die unchristlichste, ehrvergeßendste und leichtfertigste mutter (Montespan) von der welt gehabt, aber waß zu verwundern ist, ist seine gemahlin, die noch viel schlimmer ist als er, undt die tugendtsambste mutter von der welt Anne de Condé] hatt ... Ich sehe gern gutte ehrliche Teutschen, sie haben einen freyen zutritt bey mir undt daß kan ihnen noch weniger fehlen mit mons. Harlings recomandation.


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