Lukian
Hetärengespräche
Lukian

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Krobyle und Korinna

Krobyle: Nun, Korinnchen, so hast du denn gelernt, daß es nichts so Erschreckliches darum ist, aus einer Jungfer eine Frau zu werden, wie du dir eingebildet hast? Der schöne junge Herr, der dich's gelehrt hat, hat dir auch, zum Einstand, nicht weniger als eine Mine dagelassen, wofür ich dir auf der Stelle ein schönes Halsband kaufen will.

Korinna: Tut das, liebes Mütterchen! – Und daß nur auch etliche Rubinen daran sind, wie an der Philänis ihrem!

Krobyle: Es soll so schön sein, als du es nur verlangen kannst. Aber nun will ich dir auch sagen, mein liebes Kind, was du nun weiter zu beobachten hast und wie die Männer behandelt sein wollen. Denn wir haben nun einmal kein anderes Mittel, uns durch die Welt zu bringen, als dies. Weißt du nicht, wie kümmerlich wir uns diese zwei Jahre her, seit deines seligen Vaters Tode, haben behelfen müssen? Solange er lebte, fehlte es uns freilich an nichts; er war ein Kupferschmied und hatte einen großen Namen im Piräus; noch auf diesen heutigen Tag kann man dort alle Augenblicke schwören hören, so ein Arbeiter wie Phibinus werde nicht wieder kommen! Aber nach seinem seligen Ende fand ich mich gar bald gezwungen, die Zangen, den Amboß und den Hammer um zwei Minen zu verkaufen. Wir lebten davon, solange es reichen wollte, und seitdem sie aufgezehrt sind, hab' ich Mühe genug gehabt, mit Weben, Zetteln und Spinnen kaum den notdürftigsten Unterhalt für dich und mich zu verdienen; alles in der Hoffnung –

Korinna: Der Mine, die ich soeben verdient habe?

Krobyle: Warum nicht gar! Ich rechnete darauf, wenn du nur erst in dieses Alter gekommen wärst, würdest du imstande sein, mich wieder zu ernähren und dich selbst in hübsche Umstände zu setzen und Geld zu verdienen und dir schöne Kleider und Mägde zu deiner Bedienung anzuschaffen.

Korinna: Ich, Mutter? Was meinst du damit? Wie soll das zugehen?

Krobyle: Dazu, Kind, brauchst du weiter nichts, als mit jungen Herren umzugehen, mit ihnen zu schmausen und für ihr bares Geld bei ihnen auf dem Sofa zu liegen.

Korinna: Wie die Tochter der Daphnis, die Lyra?

Krobyle: So ungefähr.

Korinna: Aber die ist ja eine HetäreKorinnchen war eines ehrlichen Bürgers Tochter zu Athen und bisher als eine solche auferzogen worden. Ungeachtet der Hetärenstand gewissermaßen privilegiert war, so war er doch, wie billig, nicht weniger mit einem bürgerlichen als sittlichen Makel behaftet. Eine Hetäre zu werden war also etwas, wodurch ein ehrliches Mädchen, wie arm sie auch war, sich sehr zu degradieren glaubte, und die junge naive Korinna erschrak vor dem Namen, wiewohl ihr die Sache nicht so übel gefiel..

Krobyle: Dächte man nicht, was es wäre! Mach es wie sie, so wirst du auch so reich werden wie sie und viele Liebhaber bekommen. Was meinst du, Korinna? Siehst du nicht, wie groß die Anzahl der Hetären ist und wie man ihnen die Aufwartung macht und was sie für ein Einkommen haben? Hab' ich nicht diese nämliche Tochter der Daphnis gekannt, ehe sie noch mannbar war? Heilige Adrastea! wenn sie was anderes als Lumpen auf dem Leibe hatte!»So strafe mich!« Denn dies will sie mit Anrufung der Adrastea sagen. Adrastea ist, nach der wahrscheinlichsten Meinung, nur ein Beiname der Nemesis von Adrastes, einem alten Könige zu Argos und Sicyon, der ihr den ersten Tempel erbaut haben soll. Aus einer Stelle des Pausanias im 33. Kapitel seiner Beschreibung von Attika läßt sich schließen, daß diese Göttin besonders auch von Liebenden als eine Patronin betrachtet wurde; und vermutlich rührt es daher, daß Lukian in diesen Dialogen seine Frauenzimmer mehrmals bei der Adrastea schwören läßt. Nun siehst du, wie sie dahergeht, über und über in Gold und buntgestickten Kleidern, und vier Mägde hinter ihr drein.

Korinna: Und wie kam denn Lyra zu dem allen?

Krobyle: Das will ich dir sagen, Kind. Vor allem hielt sie sich immer nett und reinlich in Kleidung und an ihrer ganzen Person; sie war gegen jedermann freundlich, aber brach darum nicht alle Augenblicke in ein lautes Kichern und Lachen aus, wie du zu tun pflegst sondern es war immer etwas Anmutiges und Anziehendes in ihrem Lächeln. Im Umgang mit den Mannsleuten, die zu ihr kamen oder sie zu sich rufen ließen, hielt sie zwischen schüchterner Zurückhaltung und unanständiger Frechheit den Mittelweg; sie betrog keinen in seiner Erwartung, aber warf sich auch keinem in die Arme. Verdingt sie sich zu einem Gastmahl, so betrinkt sie sich niemals (denn dadurch macht man sich zum Gespötte und den Mannsleuten ekelhaft), noch überfüllt sie sich mit Essen wie Leute, die keine Lebensart haben, sondern rührt alles nur mit den Fingerspitzen an, nimmt schweigend einen Bissen nach dem andern, ohne sich beide Backen vollzustopfen, und trinkt langsam, nicht auf einen Zug, sondern mit öfterem Absetzen.

Korinna: Auch wenn sie Durst hat, Mutter?

Krobyle: Dann am meisten, Korinna. Auch hat sie nicht immer den Mund zum Reden offen, sondern spricht nicht mehr, als sich schickt, übt ihren Witz nie auf Unkosten eines Anwesenden und sieht keinen an als den, der sie gedungen hat. Das ist es, wodurch sie sich so beliebt bei ihnen macht. Und wenn man sich endlich zu Bette legt, wird sie nie die geringste Leichtfertigkeit oder Unanständigkeit begehen, sondern alles ist bei ihr bloß darauf angelegt, und das ist ihr einziges Bestreben, wie sie das Herz des Mannes, bei dem sie ist, gewinnen und einen wahren Liebhaber aus ihm machen wolleNatürlicherweise war dies das letzte Ziel einer Hetäre, die Verstand und Konduite hatte, wie diese Lyra, welche Krobyle ihrer Tochter, als einer Anfängerin, zum Muster vorstellt. Ein bloßer Kundsmann blieb bei dem gewöhnlichen Preise; die Freigebigkeit eines eigentlichen Liebhabers hingegen war so groß als seine Leidenschaft.. Siehe, Korinna, das ist's, warum jedermann so gut von ihr spricht. Also brauchst du sie nur in diesem allen zum Muster zu nehmen, so werden auch wir glücklich werden. Denn was das übrige betrifft, das ist ein großer – vergib mir, liebste Adrastea!Krobyle hat nicht das Herz, es ganz herauszusagen, was sie auf der Zunge hatte (nämlich, daß Korinna viel jünger und schöner sei als Lyra), aus Furcht, Adrastea möchte es für einen Übermut ausdeuten und es, zur Bestrafung der Mutter, die Tochter entgelten lassen. Denn Nemesis oder Adrastea strafte immer durch das, wodurch man sich versündigte. ich sage kein Wort mehr. – Wenn du nur lebst, so wünsch' ich mir nichts weiter!

Korinna: Aber, liebe Mutter, sind die Herren, die uns mieten, alle so wie der Eukritus, bei dem ich gestern schlief?

Krobyle: Nicht alle. Es gibt noch bessere; manche darunter sind schon älter und mannhafter; es melden sich aber auch manche an, die nichts weniger als so hübsch und wohlgemacht sind.

Korinna: Und bei denen muß man auch schlafen?

Krobyle: Jawohl, meine Tochter, denn die geben auch am meisten; die schönen Herren sind in sich selbst verliebt und rechnen uns ihre Schönheit gar hoch an. Du hingegen mußt immer nur darauf sehen, wer am meisten gibt, wenn du die Zeit recht bald erleben willst, wo alle Leute mit Fingern auf dich weisen und sagen werden: Sieh einmal Korinnen, der Krobyle Tochter! Wie reich sie ist, und wie dreimal glücklich sie ihre Mutter gemacht hat! – Was sagst du? Willst du meinem Rate folgen? Ja, das willst du, ich weiß es, und so wirst du in kurzem die Erste unter allen sein. – Nun gehe und bade dich; vielleicht kommt der junge Eukritus heute wieder; wenigstens hat er mir's versprochenNur ein paar Worte über die Moralität dieser ziemlich anstößig klingenden Unterredung zwischen Mutter und Tochter. Krobyle, die in äußerst dürftigen Umständen ist, baut das Glück ihrer Tochter und die Hoffnung ihres Alters auf das Gewerbe, das sie Korinnen mit ihrer Schönheit daran recht treiben lehrt. Ob sie daran recht getan habe, ist ja wohl keine Frage. Aber Personen ihres Standes denken in ihren Umständen selten feiner und edler, und es wird in großen Städten, selbst unter Leuten, von deren Stand und Erziehung man billig mehr fordern könnte, nie an Müttern wie Krobyle fehlen. Und ist der Grundsatz, dem sie in ihrem Plan folgt (das, was moralisch besser und edler ist, im Kollisionsfalle dem Nützlicheren aufzuopfern), etwa nicht der nämliche, wonach die große Welt von jeher gehandelt hat? Das Gewerbe, das Korinna treiben solle, war bei den Griechen so wenig ehrsam als bei uns, aber es war erlaubt; und vorausgesetzt, daß sie es nun einmal ergriffen hatte, so tat Krobyle nichts als ihre Schuldigkeit, indem sie ihrer Tochter über die sichersten Mittel, sich beliebt zu machen, einen zweckmäßigen Unterricht gab, wozu sie als Mutter einen näheren Beruf hatte als Sokrates beim Xenophon, die schöne Theodota in der Verführungskunst zu unterweisen. Der Hauptpunkt aber, den man in Beurteilung dieses und aller übrigen Hetärengespräche nie aus den Augen verlieren muß, ist: daß es bei Sittengemälden dieser Art, wo Menschen, wie sie sind, nicht wie sie nach den reinsten moralischen Grundsätzen sein sollten, geschildert werden, bloß auf Wahrheit der Darstellung ankommt. Die Absicht ist, hier nicht Beispiele zur Bewunderung und Nachahmung aufzustellen, sondern uns eine gewisse Gattung von Menschen kennen zu lehren. Hat der Maler seine Personen nur recht getroffen, was an ihnen zu billigen oder nicht zu billigen ist, wird uns unser eigenes Gefühl schon sagen. .


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