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»Mir hat heut nacht so komisch geträumt, Nettl,« sagte Kathi, während sie mit einer kleinen Blechkanne die Geranien begoß, die in weißen Töpfen hinter den Mullvorhängen standen. Sie schien müde von den Aufregungen des Traums und setzte sich seufzend in den gepolsterten Stuhl, der vor einem Nähtischchen in der Fensternische stand.
»Ich hab' so geweint im Schlaf, daß mir jetzt noch alles weh tut.«
Nanette Fröhlich, schon damals gesuchte Gesangs- und Klavierlehrerin, war eben eifrig beschäftigt, mit einem weichen Lappen die hellgelben Kirschholzmöbel abzureiben. Vom vielen Bücken war ihr das Blut ins Gesicht geschossen, sie sah noch blühender aus als sonst, und es schien, als ob der hausmütterliche Eifer neben der Beschäftigung mit den schönen Künsten ein probates Mittel wäre, die persönliche Anmut und Frische der Mädchen zu erhöhen. Nettl hatte die Löckchenfrisur mit einem rotgetupften weißen Tuch eingebunden, das ihr mit den zwei Zipfeln vorne an der Stirne das kecke Aussehen eines harben Wäschermädels gab. Niemand würde in diesem Aufzug die Musikprofessorin vermutet haben. Aber der Genius des Hauses verriet sich sogleich, denn im Nebenzimmer stieg eben die Arie der Konstanze aus Mozarts »Entführung aus dem Serail« auf, eine schöne Altstimme breitete ihren weichen Glanz aus, die funkelnden Töne perlten und sprangen wie bunte Bälle, und die Leute, die an dem Fröhlichschen Hause in der Singerstraße vorübergingen, blieben mit einem schmunzelnden Blick nach oben ein Weilchen stehen und gingen dann gehobenen Schritts von dannen, mit einem Gefühl, als wären die Lerchen in ihrer eigenen Brust erwacht. Bis auf den Franziskanerplatz folgten ihnen die Mozartschen Arpeggien und Mortenden wie muntere Vögel, die ihnen jubelnd um die Ohren schwirrten. Es war die jüngste Schwester Pepi, die ihre Rolle übte, in der sie nächstens zum erstenmal im Kärnthnertor-Theater auftreten sollte.
»Was die heut wieder z'sammsingt,« fing die Kathi an. »Hörst du, wie sie distoniert? Das ist nur eine Schlamperei von ihr.«
Obzwar Kathi keinen musikalischen Beruf ausübte und in Ermangelung von Dienstpersonal das Hauswesen betreute, war sie auch in künstlerischen Dingen der getreue Eckhart der Schwestern. Sie besaß ein feines Gehör und ausgebildetes Musikverständnis und gab auf diese Weise einen vorzüglichen Kritiker ab.
Die Nettl ließ den Wischlappen sinken und horchte eine kleine Weile. Jetzt kam in dem Wiener Wäschermädeltypus wieder die strenge Gesangsprofessorin zum Vorschein, die es um der heiligen Sache willen mit den Worten nicht sehr genau nahm.
»So ein Trampel,« fuhr es ihr heraus, und schon flog sie zur Pepi hinein, die mit ihrer Arie Katz und Maus spielte.
»Ach, ich liebte, war so glücklich,
Kannte nicht der Liebe Schmerz ...«
Wie mit einem Messer war der süße Faden abgeschnitten.
Drinnen hackten sie ein bißchen aufeinander los – sie hatten scharfe Schnäbel, die lieblichen Nachtigallen. Aber die Autorität der schwesterlichen Gesangsmeisterin trug den Sieg davon, von neuem stieg die Arie der Konstanze auf, diesmal in makelloser Schönheit, und der harte Zank um diese Vollkommenheit endete mit Umarmung und Kuß. Den Kopf im Rhythmus wiegend, trällerte Kathi leise die Melodie mit und nickte befriedigt der Netty zu, die wieder im Wohnzimmer erschienen war und ihre Wischarbeit fertigmachte.
»Und nun schwimmt mein Aug' in Tränen,
Kummer ruht in meinem Schoß ...«
»Sie kann schon, wenn sie will, der Fratz,« verständigten sich die beiden, »jetzt geht's, daß es eine Freud' ist.«
Auf dem Nähtisch lag buntes Zeug, Kaschmirstoffe, himmelblau und rosenrot, Flitterzeug und ähnlicher Tand. Kathi hatte ihre Blumen besorgt, kramte dann in dem Nähzeug herum und begann an einer silbergestickten Haube zu arbeiten. Auch Netty hatte ihren Teil an der morgendlichen Aufräumarbeit getan, sie band das Kopftuch auf, nahm die Ärmelschürze, die sie ganz einhüllte, ab und stand ebenso wie Kathi fix und fertig frisiert und vollständig angezogen da, um Schülerinnen oder sonstige Besuche empfangen zu können, obzwar es noch sehr früh am Tage war. Auch sie setzte sich zur Schneiderarbeit und begann emsig zu nähen. Später gesellte sich als Dritte Pepi zu ihnen, die ihre Übungen beendet hatte, und die Stunde Zeit, die ihr jetzt verblieb, mit der Näherei ausfüllen wollte, ehe sie fort zur Theaterprobe mußte.
Eine Zeitlang saßen die drei Prachtmädels schweigend über ihre Arbeit gebeugt und nähten ihre stillen Gedanken, Hoffnungen und Wünsche in das Flitterkleid hinein. Dann und wann ward ein Stück der Pepi anprobiert, ein Häubchen, ein Miederleibchen, ein Jäckchen.
»Aussehen wirst du, Pepi, bezaubernd,« schwärmte Kathi. »Wenn ich ein Mannsbild wär', ich tät mich über Hals und Kopf in dich verlieben.«
»Schau halt, daß d' ein' großen Erfolg hast, das ist g'scheiter,« mahnte die herbere Netty.
»Ich schau ja eh, was ich kann,« versetzte die schnippische Pepi und tanzte mit den anprobierten Putzsachen in eitler Selbstbetrachtung vor dem Spiegel umher.
Das Kostüm für Pepis Opernrolle war es, das die Schwestern einträchtig schneiderten und nähten. Alles wurde im Hause gemacht, teils aus Sparsamkeit, teils aus Liebe zur Sache, und weil es sonst den kunstfertigen Schwestern niemand recht machen konnte.
»Was hätt' denn ich sonst zu tun,« pflegte Kathi zu sagen, die sich in ihrer raschen warmherzigen Art um alles annahm, »ich müßt' mich ja rein um eine Stelle umschauen, damit ich mein Brot nicht umsonst eß', wenn ich für euch nichts zu tun hätt'.«
»Red' nicht so dumm daher,« ließen sich dann immer die anderen Schwestern vernehmen, »was täten denn wir ohne dich, du Stiefel?«
Die Wahrheit aber war die, daß keine von den dreien glücklich und zufrieden war, wenn sie sich nicht für die anderen recht tüchtig absorgen und in die Schanze schlagen durfte. Sie taten, was sie einander von den Augen ablasen, und hätten sich fressen mögen vor Liebe. Und dabei zankten sie sich bei jedem geringfügigen Anlaß.
»Dein Traum? Du hast uns ja noch gar nicht deinen Traum erzählt,« mahnte die Netty. »Der muß ja ganz schrecklich gewesen sein, daß du noch so tramhappert bist.«
»Also denkts euch,« begann Kathi breit zu erzählen, »mir hat von unserm Kaiser 'träumt. Ich hab eine solche Angst ausg'standen, daß ich mich gar nöt rühren hab können. Zuerst wollte ich davonlaufen, wie ich die Menge Uniformen g'sehen hab, aber die Fuß waren mir so schwer, daß ich kein Glied hab rühren können. Auf einmal ist der Kaiser dicht vor mir g'standen, hat mich auf die Wangen g'streichelt und hat g'fragt: ›Wie heißt du denn, liebes Kind?‹ Ich hör' die Stimm' jetzt noch, so lebhaft hat mir geträumt. Ich wollt' ihm meinen Namen sagen, aber es hat mir so d' Red' verschlagen, daß ich keinen Laut hervorgebracht hab'. In meiner Angst und Aufregung hab' ich zu weinen ang'fangen, hab ihm die Hand geküßt, und die Tränen sind nur so über seine Hand heruntergeronnen. Sie war ganz naß, ich hab sie aber nicht mehr losgelassen, hab sie fest an mein Gesicht gepreßt, an die Wangen und an die Augen, und hab immer noch mehr weinen müssen. Wie ich plötzlich aufwach, war es der nasse Polsterzipf, in den ich hineingeschluchzt hab. Ich bin jetzt noch ganz müd von der Flennerei. Das hat gewiß nichts Guts zu bedeuten.«
»Bist ein rechts Tschaperl,« erklärte Netty. »Ein Glück bedeutet es, sogar ein großes Glück. Es ist immer ein gutes Zeichen, im Traum mit hochgestellten Persönlichkeiten zu tun zu haben, und gar mit dem Kaiser.«
Aber Kathi blieb nachdenklich. »Das nenn ich ein schönes Glück, bei dem es soviel Tränen gibt.«
»Ja, meine Liebe, das Glück schaut halt manchmal auch so aus.«
Aber Pepi fand Nettys Antwort zu hart und verbesserte sibyllenhaft: »Im Schlaf weinen, hat immer eine gute Bedeutung. Wenn man dagegen im Traum viel lachen muß, dann kann man sich auf einen Verdruß g'faßt machen.«
»Mädel, bist du abergläubisch!« entsetzte sich Kathi.
»Ich bin doch nicht abergläubisch,« bestritt das junge Theaterblut. »Aber gewisse Sachen lassen sich halt nicht wegleugnen. Wenn ich einmal anstatt mit dem rechten Fuß, mit dem linken auf die Bühne tret, dann passiert g'wiß was. Das hab ich schon ausprobiert. Seitdem passiert's mir nimmer.«
»Wißts was,« fuhr Netty lebhaft auf, »den Traum der Kathi müssen wir in die Lotterie setzen. Kaiser hat die Nummer 90.«
»Ja, ja,« riefen die beiden anderen lebhaft aus, am lebhaftesten Kathi, die mit einemmal von den Nachtgespenstern erlöst schien. Die blauen Schatten um die Augen, die Spuren der Müdigkeit wichen aus dem Antlitz, es war nun ein Leuchten darin und eine fröhliche Zuversicht wie sonst, der Schalk saß wieder auf den Pfirsichwänglein, und die braunen Äuglein schossen wie muntere Rehe mutwillig hin und her.
»G'schwind, g'schwind,« heischte sie eilfertig, »schreib d' Nummern auf, Pepp, und schick d' Hausmeisterin mit einem Zwanziger in d' Lotterie.«
»Also 90,« schrieb Pepi auf einen Zettel. Dann rieten sie nach den weiteren Nummern. Die Jüngste war am geschicktesten in der Traumauslegung.
»Um dein Nam hat er dich g'fragt? Also mußt deinen Namenstag setzen: 25. November. Das gibt die Nummern 25 und 11.«
Während Pepi mit dem Zettel hinauseilte, die Hausmeisterin zu rufen, kam Papa Fröhlich im türkischen Schlafrock, die Schnur um das ein wenig umfangreiche Bäuchlein gebunden, das gestickte Hauskäppchen auf dem Kopf, die lange Morgenpfeife schmauchend, aus einer der Nebentüren ins Wohnzimmer herein. Die Mädchen umringten ihn mit ihrem lustigen Geschnatter und erzählten alle drei zugleich Kathis Traum und dessen Auslegung.
Papa Fröhlich nahm bedächtig die Pfeife aus dem Munde, und seine erste Frage war: »Habts in d' Lotterie g'setzt?« worauf ihm die drei geschulten Sängerinnen ein dreistimmiges Ja mit Koloraturen in die Ohren schmetterten.
»So, das ist gescheit!«
»Einen Terno, einen Terno, wenn alle drei Nummern kommen! Das viele Geld!« jauchzte Kathi und riß tanzend den würdigen Papa beim Schlafrock herum. »Par force reich werden, wär das schön! Darfst dir wünschen, was d' magst, Vaterl, alles kannst dann haben!«
Verschnaufend ließ sich der behäbige Papa Fröhlich in einen Armsessel sinken; die stämmigen Beine hätten das Herumtanzen schon vertragen, aber der Blasbalg konnte nicht recht mit.
»Ach, Kinder, Kinder!« lamentierte er.
Er war etwas larmoyant geworden, seit er sein Vermögen verloren, mit seiner Alten bei den Töchtern wohnte und sozusagen von ihrer Gnade lebte. Keine größere Seligkeit für ihn, als in der Erinnerung an die gute alte Zeit zu schwelgen und dann sich, sein Weib und seine Töchter zu bejammern, daß alles so gekommen ist. Der unbedachte Stoßseufzer Kathis, die sich sehnte, par force reich zu werden, hatte wieder auf seine Tränendrüsen gewirkt, er zog ein ungeheures blaues Taschentuch heraus, ein richtiges Zwölf-Männer-Taschentuch, und begann ein verdächtiges Räuspern und Schneuzen.
»Das Haus in Döbling sollten wir wenigstens noch habn,« begann er zu wehklagen, »wos ös Madeln alle auf d' Welt kommen seids. Man verlangt ja eh nöt viel vom Leben, aber das Haus wenigstens, wo einem jeder Winkel ans Herz g'wachsen ist, hätten s' uns lassen sollen, und den Garten mit die Rosenbäum' und mit die Nelken. Nun ja, man verlangt ja eh nöt viel. Und das Zeugl und die zwei Jucker, mit dem wir alle Sonntag nach Neustift am Walde und nach Dornbach g'fahren sind, oder nach Klosterneuburg, wo halt der Heurige am besten war, wißts es noch, Madeln? Das hätten s' uns doch auch lassen können. Man verlangt ja sonst eh nix. Man ist ja eh so bescheiden. Man begnügt sich ja doch mit einem trockenen Stückerl Brot, wenn's sein muß, aber der Mensch muß doch auch eine Freud habn. Ist denn das auch schon weiter was, ein Haus in Döbling, und ein Garten und ein Wagen und ein paar Pferd? Madeln, Madeln, das hätt ich und die Mamatscherl nimmer glaubt, daß es noch so kommen kann. Das ist die verfluchte neumodische Zeit mit ihren verrückten Ideen, die mich um mein Hab und Gut bracht hat. Um mein Hab und Gut!«
Seine Worte erstickten im Zwölf-Männer-Taschentuch. Die Töchter überboten sich in Tröstungen und Liebkosungen. Je mehr sie sich bemühten, desto weinerlicher wurde der Alte. Böse Zungen hatten behauptet, daß er in guten Zeiten das Rädlein allzu flott laufen ließ. Seine Fabrikation von Schwefeleinschlag für Weinfässer hatte ihn im österreichischen Weinlandl weit herumgeführt, und überall hat er es hoch hergehen lassen. Trotzdem hatte er ein ansehnliches Besitztum erwirtschaftet, und würde ein sehr vermögender Mann geblieben sein, wenn nicht verbesserte Methoden aufgekommen wären, die er anzuwenden zu dickschädlig war. So war aus dem jovialen Vater Fröhlich, der seinem Namen alle Ehre gab, ein altes Klageweib geworden.
»Euch Madeln auf meine alten Tag zur Last fallen zu müssen, das ist das ärgste,« heulte er in sein Aposteltuch hinein. »Schier s' Herz druckt's mir ab.«
»Aber Vaterl, red doch kein Unsinn,« redeten ihm die Mädchen liebreich zu, »wir sind doch so stolz darauf, daß wir dir und dem Mamatscherl was zulieb tun können. Von einem Zurlastfallen kann nie die Rede sein, so was darfst du nicht sagen, Vaterl, verstehst du? Es geht uns doch allen recht gut, wir leben ja im Überfluß, und haben nicht zu klagen.«
»Überfluß sagst? Gutgehen sagst?« raunzte der Alte, »daß ich nöt lach'! Daß euch schinden müßts von früh bis auf d' Nacht, Stunden geben, selber schneidern müßts, selber kochen, selber aufräumen, und noch eine kränkliche Mutter und einen alten Vater zu pflegen habts, das nennts gutgehen? Und euch nöt einmal einen Dienstboten halten könnts, Madeln, die ihr als Kinder Bonnen, Gouvernanten und Hauslehrer g'habt habts! Nein, nein, Kinder, diesen Pflanz könnts wem anderen derzählen!«
»Aber Vaterl, das machen wir doch alles rein zu unserem Vergnügen,« versicherten die drei Grazien mit geheuchelter Aufrichtigkeit. »Aus purem Vergnügen!«
»Aus purem Vergnügen!« kreischte der Alte auf und schlug die Hände zusammen. »Madeln, Madeln, wenn ich euch nöt hätt! Ös seids keine Madeln, Engeln seids, die reinen Engeln!« Er schneuzte seine ganze Rührung ins blaue Himmelstuch.
Wie eine Bombe krachte Wettl, die Zweitälteste und verheiratete Schwester, ins Zimmer. Sie hatte in Schritt, Manier und Stimme ein ausgesprochen männliches Wesen, obzwar sie nicht weniger hübsch als die Schwestern und diesen durchaus ähnlich war. Die Natur hatte wahrscheinlich einen Mann aus ihr machen wollen und im letzten Augenblick einen Mißgriff getan, so daß sie als Mädchen geboren ward. Aber bis achtzehn Jahren ist sie in Knabenkleidern herumgelaufen, hat sich mit allen Buben in Hof und Feld herumgebalgt und bei jeder Rauferei den Sieg davongetragen. Sie war der Tausendsassa der Familie. Es gab kaum etwas, das sie nicht konnte. Wenn im Hause irgend etwas kaput ging, wurde sie geholt. Die Schlösser wurden von ihr repariert, die Klingelzüge hergestellt, alles was technische Geschicklichkeit erforderte, gehörte in ihr Gebiet. Daß sie eine vortreffliche Sängerin und Pianistin war, gehörte bei den Fröhlichs zu den Selbstverständlichkeiten; fluchen und wettern wie ein Grenadier war nicht das letzte, was sie konnte. Als sie hereinplatzte, verzog sich Papa Fröhlich. Die Wettl hatte keine so nachgebige Sanftmut für Papas raunzerische Laune, wie die Schwestern, aber er war sofort kuriert, wenn er ihre Nähe witterte.
»Familienzauber gehabt?« nickte sie bedeutsam mit dem Kopf nach der Türe, hinter der der Alte verschwunden war. Dabei wickelte sie rasch ein Paket auf, das sie mitgebracht hatte und stellte ein Paar niedliche, mit Halbmonden bestickte Pantöffelchen auf den Tisch.
»Für die Konstanze,« sagte sie kurz und deutete auf Josefine hinüber. »Selbst angefertigt, natürlich!«
Schon seit Jahren hatte Babette Fröhlich die Schuhe, die sie trug, selbst verfertigt, und hatte sich noch in den Zeiten, als die Alten im Wohlstande lebten, zum Weihnachtsgeschenk eine Kiste mit Schusterwerkzeug ausgebeten. Die Werkzeugkiste aus schön poliertem Holz mit blanken Stahlinstrumenten hatte sie damals bekommen, und sie hatte die Gabe gut angewendet. Kein Schuster hatte seither für sie zu tun. Die Zeugschuhe, die sie selbst trug, waren leicht und zierlich gearbeitet. Die Pantöffelchen für Pepi jedoch übertrafen alles, was ihre Kunst in dieser Richtung je hervorgebracht hatte. Aber sie verstand es auch, dem Jubel, der durch diese Überraschung hervorgerufen ward, einen Dämpfer aufzusetzen. Ohne sich viel um die Lobeserhebungen und Dankbezeugung zu kümmern, begann sie im Zimmer Umschau zu halten, dies und jenes zurecht zu rücken und die anderen wegen der »unordentlichen Wirtschaft« zu hofmeistern.
»Man sieht's halt, daß ich nicht mehr im Hause bin,« äußerte sie, öffnete den Glasschrank und begann die tausend Sächelchen neu zu stellen. »Ist das eine Ordnung?«
»Nun weißt du, Wetty, dazu haben wir dich nicht gebraucht,« kam die Antwort spitz zurück.
Aber sie ließ sich nicht beirren, hielt strenge Musterung, blickte dann prüfend um sich wie ein Oberst, der Inspektion hält, und nickte dann mit zufriedener Miene: »Jetzt ist's recht so. Das war ja eine Schweinerei, wie's da ausg'schaut hat.«
Es setzte wieder heftige Proteste seitens der anderen ab, und der gutmütig geführte Zank nahm erst sein Ende, als Babette Anstalten machte, wegzugehen.
»Hast's denn auf einmal so eilig?«
»Höchste Zeit! Sollt' längst beim Daffinger sein.«
»Was machst denn du beim Daffinger?«
»Gscheite Frag'. Malen, natürlich. Porträtmalen, was denn sonst?«
»Himmel, beim Daffinger, dem berühmten Miniaturmaler!«
Aber Babette war schon bei der Tür draußen und versagte es auf diese Weise, Rede und Antwort zu stehen.
»Da soll mir ein Mensch sagen, daß die Wettl nicht verrückt ist!«
Die drei, die im unbegreiflichen Staunen den Kopf schüttelten, waren sich darin durchaus einig, daß sie Babette sehr gerne hatten, daß es ihnen aber lieber war, wenn sie nicht allzuoft kam.