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Am folgenden Tag wurde die geplante Reise unternommen, auf der unsere Freunde einen Teil des großen Planeten kennenlernen und Heinz in der Hauptstadt seinen Vortrag über die Entstehung der Sprache halten sollte.
Der König des Landes und die Lehrer an der Universität waren durch ausgesandte Schallwellen von dem bevorstehenden Besuch verständigt worden.
Als Fahrzeug diente das gewöhnliche Beförderungsmittel der Edeniten, eine Art großen Bootes mit verdeckten Schlafräumen und offenem Verdeck, das, durch die sogenannte Parallelkraft getrieben, in geringer Höhe über dem Erdboden durch die Luft flog.
Die Fluggeschwindigkeit, die sich bis auf 500 Stundenkilometer steigern ließ, so daß der ganze Planet in 160 Stunden umkreist werden konnte, wurde auf 100 Kilometer ermäßigt, damit die Reisenden alles bequem zu schauen vermochten.
Die ganze Familie Gabokol gab ihnen das Geleite, ebenso der Provinzfürst, der es sich zur Pflicht und Ehre anrechnete, sie persönlich dem König vorzustellen.
»Unser Land ist das größte und bedeutendste des Planeten«, erklärte der Fürst während der Fahrt. »Die Könige der andern Länder haben sich freiwillig unter die Oberhoheit unsres Königs gestellt, so daß dieser der oberste Herr über die zweihundert Millionen Einwohner unserer Weltkugel ist. Freilich gibt es da nicht viel zu regieren, da er den andern Herrschern volle Freiheit läßt und nie Grund hat, einzuschreiten; auch in den andern Ländern denkt nie ein Bürger daran, seine Pflichten zu vernachlässigen; so kommt die höchste Gewalt eigentlich nur für die einheitliche Leitung der gemeinsamen Arbeiten in Betracht, und da ist es freilich notwendig, zielbewußt und nach dem gleichen Plane zu wirken, damit die bewohnbare Zone unseres Planeten gleichmäßig verbreitert werde und die wachsende Bevölkerung stets Platz finde, sich auszudehnen.
Abgesehen von den zahlreichen Dialekten, haben wir nur vier eigentliche Sprachen, die auffallend voneinander verschieden sind. Die Hauptstadt unseres Landes liegt auf der nördlichen Halbkugel, jenseits des Äquators, etwa 20 Flüge von hier entfernt, was nach euren Maßen 6000 Kilometer ausmachen dürfte.«
Die Edeniten rechneten nach »Flügen«, das heißt nach der Strecke, welche sie gewöhnlich ohne Rast in einem Zuge zurücklegen konnten, und die 300 Kilometer nach Erdenmaß betrug.
Das Luftboot flog über Landschaften von wunderbarem Reize hinweg; Täler und Ebenen, Flüsse und Ströme, Hügel, Felsen und Hochgebirge, große Städte und idyllische Dörfer wurden überflogen, und als nach vierzigstündigem Flug der rosa Mond unterging, landete die Reisegesellschaft am Ufer eines brausenden, herrlichen Meeres.
Dieses wurde am folgenden Tage in 20stündiger Fahrt überflogen und am jenseitigen Ufer ragte die Landeshauptstadt hart an der Küste empor, eine Großstadt von anderthalb Millionen Einwohnern.
Der Rest des Tages, sowie die beiden folgenden Tage wurden der Besichtigung der hochinteressanten Ansiedelung gewidmet.
Noch am Tage ihrer Ankunft wurden unsere Freunde dem Könige auf dessen Wunsch vorgestellt.
Er empfing sie mit der gleichen Herzlichkeit und Einfachheit, wie es jeder Bürger des Landes tat.
Besonders erfreut waren die Gelehrten der Hochschule, die Erdenbewohner kennen zu lernen, und unsere Freunde hatten tausend Fragen zu beantworten, wobei ihnen stets versichert wurde, welchen Dank man ihnen schulde, da sie die Wissenschaft der Edeniten in ungeahntem Maße bereicherten.
Als Heinz seinen Vortrag hielt, konnte der größte Raum der Hauptstadt die Zuhörer nicht fassen, und er mußte seine Ausführungen noch dreimal wiederholen, um nach und nach die Mehrzahl der Wißbegierigen zu befriedigen.
Die Gelehrten versicherten, daß ihnen ein neues Licht für ihre Sprachforschungen aufgegangen sei, und Schultze mußte bei sich denken, daß hier oben neue Wahrheiten offenbar nicht unter dem Hohn und leidenschaftlichen Widerspruch von Fachgelehrten zu leiden hatten, deren Eitelkeit nicht zugeben will, daß ihre bisherigen Forschungsergebnisse falsch waren.
Besonders interessant war unsern Freunden ein Besuch der Sternwarte. Die Edeniten besaßen auch Fernrohre, die jedoch auf ganz anderen Prinzipien beruhten als die irdischen und ihnen eine ungleich bessere Kenntnis der Sternenwelt ermöglichten.
Freilich verdankten sie letzteres hauptsächlich der wunderbaren Einrichtung ihrer Augen, konnten sie doch schon mit bloßem Auge Welten erkennen, die unsern Fernrohren und selbst der photographischen Platte ewig verborgen bleiben.
Die Astronomen waren höchlichst erstaunt, zu vernehmen, daß die Erdenmenschen kaum 2000 Sterne mit unbewaffnetem Auge zu erkennen vermochten und daß der Sternkatalog, den Hipparch vor 2100 Jahren entwarf, nur 1080 Sterne enthielt, obgleich er alle einigermaßen hellen Sterne verzeichnete.
Schultze berichtete ihnen weiter, daß Argelander mittels des Fernrohrs etwa 360 000 Sterne bestimmte und in seinem Katalog verzeichnete, eine Arbeit, der er fast sein ganzes langes Leben widmete, und daß man gegenwärtig an der Arbeit sei, auf photographischem Wege eine Mappierung der Sterne vorzunehmen, die noch etwa hundert Erdenjahre in Anspruch nehmen dürfte und die über 20 Millionen Sterne enthalten werde, von denen drei Millionen ihrer Lage nach auf den Platten ausgemessen werden sollen.
Die Gelehrten zeigten Schultze einen Sternkatalog mit genauen Karten, der über 500 Millionen Sterne enthielt, unter diesen auch das irdische Sonnensystem mit sämtlichen Planeten und ihren Monden.
Ihre langen Nächte und ihr langes Leben gestatteten ihnen eben auch neben der Vorzüglichkeit ihrer Sehwerkzeuge, Aufgaben zu lösen, die den Menschen unmöglich wären.
Während die irdischen Astronomen nur durch die Spektralanalyse mit Sicherheit festzustellen vermögen, ob ein Nebelfleck, der auch durch das stärkste Fernrohr als solcher erscheint, in Wirklichkeit ein Sternnebel sei, oder aber ein Sternhaufen, eine große Zahl Sterne, die durch ihre scheinbare Nähe infolge der großen Entfernung nicht mehr als einzelne Sterne voneinander unterschieden werden, konnten die Sternkundigen Edens mittels ihrer Fernrohre Nebel und Sternhaufen deutlich unterscheiden.
Auch sie waren der Ansicht, daß die meist spiralförmigen Nebel die Werkstätte des Schöpfers seien, in der durch Verdichtung des weltenbildenden Stoffs neue Sterne, ja ganze Sonnensysteme gebildet würden, die sich aus dem häufig erkennbaren Zentralkern und den vielfach beobachteten anderweitigen Lichtknoten in der Nebelmasse herausbilden.
Schultze hielt auf Wunsch den Astronomen einen öffentlichen Vortrag über den Stand und die Errungenschaften der irdischen Astronomie; dabei führte er auch an, was David Gill in seiner berühmten Rede über die Bewegung und Verteilung der Sterne im Räume sagt: »Wir haben die Milchstraße als zwei majestätische Sternströme erkennen gelernt, die nach entgegengesetzten Richtungen wandern; der eine dieser Ströme führt das irdische Sonnensystem mit sich in unendliche Weiten, der andere wandert der Erde entgegen. Die Milchstraße löst sich im Fernrohr in Haufen unzähliger Sterne auf, die zum Teil in dichten Schwärmen beieinander stehen und mit geballten Nebelflecken erfüllt sind, zum Teil von dunklen, gewundenen Kanälen unterbrochen erscheinen.«
»Eure Hauptsonne«, fuhr der Professor fort, »wandert im Sternenstrom mit einer Schnelligkeit von 184 Kilometern in der Sekunde; unsere Erde mit ihrem ganzen Sonnensystem bewegt sich auf das Sternbild des Herkules oder der Lyra zu mit einer Geschwindigkeit von wahrscheinlich ebensoviel als die Umdrehungsgeschwindigkeit unsrer Erdkugel um die Sonne beträgt, nämlich 29 450 Meter in der Sekunde oder etwa 30 Kilometer, den zehnten Teil eines ›Fluges‹ nach eurer Rechnung im Zeitraum ›Zwei‹, wie ihr unsere Sekunden benennt.
Die Spektralanalyse, wie David Gill in seiner angeführten Rede sagt, hat uns die Sterne enthüllt als gewaltige Schmelztiegel des Schöpfers, in denen er den Stoff unter den Bedingungen des Drucks, der Hitze und Umgebung gestaltet in einer Mannigfaltigkeit und einem Größenmaßstabe, die alle Begriffe seiner Geschöpfe übersteigen.«
Drei Wochen dauerte der Aufenthalt in der Hauptstadt, dann wurde die Rückreise auf einem andern Wege angetreten, wobei unsere Freunde auch die ungeheuren Felsenwüsten Edens zu Gesicht bekamen, die keine Erde und daher auch keinen Pflanzenwuchs hatten, und an deren Bedeckung mit Erde emsig gearbeitet wurde.