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Im Palast der Mediceischen Bank war schon am frühen Morgen des nächsten Tages bei den Stallungen alles geschäftig, Cosimos Abreise nach Florenz vorzubereiten. Starke Packpferde wurden mit dem Gepäck beladen, die zur Begleitung bestimmten Diener striegelten und fütterten die Reitpferde und putzten ihre Waffen, und obgleich Cosimo schnell und ohne besonderen Glanz seine Reise machen wollte, so bestand doch sein Gefolge aus fünf Dienern, und mehrere Pferde zum Ersatz für Unglücksfälle wurden wie immer mitgeführt.
Cosimo wurde zu Giovanni Tornabuoni gerufen, der sich früh schon in sein Arbeitskabinett begeben und einen langen Brief geschrieben hatte, den Cosimo zu Lorenzo überbringen sollte.
»Nun höre wohl zu,« sagte Tornabuoni zu dem jungen Mann, der ihn ehrerbietig begrüßte und sich neben seinen Schreibtisch gesetzt hatte, »und merke dir jedes Wort, das ich dir sagen werde, damit du alles genau an Lorenzo wiederholen kannst. Es werden der Worte nicht viele sein, und er wird mich auch ohne lange Reden verstehen. Du wirst ihm sagen, daß der Papst tief erbittert gegen ihn sei, aus vielen Gründen, die er selbst wohl kennt, und daß unsere Feinde, die zahlreich und mächtig sind, sich alle Mühe geben, die Verstimmung zu einem offenen Bruch mit dem heiligen Stuhle zu treiben. Nach meiner Meinung – und Acciaiuoli stimmt mir bei, wie Lorenzo wissen wird, – wäre eine solche Feindschaft eine ernste Gefahr, vielleicht ein schweres Unglück für uns alle; der Papst ist mächtig und wenn es einmal zum offenen Bruch gekommen ist, schwer versöhnlich. Zu ihm steht Neapel und viele Staaten unserer Nachbarschaft, die nur unmutig unsere Herrschaft ertragen, sie werden jede Gelegenheit benutzen, sich gegen uns zu erheben, Venedig ist eifersüchtig, und auf die Sforza ist kein Verlaß. Unsere einzige Hilfe ist der König von Frankreich, aber dem heuchlerischen Ludwig XI. ist wenig zu trauen, und wenn er wirklich fest zu uns stünde, so würde ich's beklagen, eine Hilfe von einem Fremden anzunehmen, die immer auf Kosten unsers italienischen Vaterlandes bezahlt werden müßte. Ich möchte nicht, daß ein solcher Vorwurf auf uns und auf Lorenzos Namen hafte. Graf Girolamo ist unser Freund gewesen, oder giebt sich wenigstens den Anschein es zu sein und würde auch weiter das gute Einvernehmen zu erhalten suchen; wenn wir ihm aber den so wichtigen Dienst verweigern, der ihm die ersehnte Erwerbung von Imola unmöglich macht, so wird er zu unseren Feinden übergehen und alles aufbieten, um des Papstes Zorn auf die Spitze zu treiben; das möchte ich um eine Summe Geldes, die nicht zu schwer ins Gewicht fällt, nicht herbeiführen. Wohl erkenne ich es an, daß es eine Gefahr für uns ist, wenn Girolamo in der Romagna und an den Grenzen sich fest setzt, aber diese Gefahr ist die geringere und wird immer nur so lange dauern, als das Leben des Papstes Sixtus. Nach dessen Tode wird sein Neffe Girolamo nichts mehr bedeuten, und wir werden leicht seine Macht brechen können, vielleicht und wahrscheinlich mit Hilfe des Nachfolgers auf den heiligen Stuhl. Deshalb ist es mein Wunsch und mein dringender Rat, daß Lorenzo mir auftragen möge, die von dem Papste geforderten dreißigtausend Goldgulden sogleich zu zahlen. Der Papst wird darin einen dankenswerten Dienst erblicken und der Graf Riario wird für die nächste Zeit wenigstens sich nicht zu unseren Feinden wenden. Dann bitte ich Lorenzo, daß er Francesco Salviati, der bald kommen wird, um sein Erzbistum in Pisa zu übernehmen, mit Freundlichkeit und Auszeichnung empfängt und die lange Verzögerung mit versöhnenden Worten entschuldigt. Der Papst wird auch darin ein Entgegenkommen erblicken und dasselbe hoch anerkennen und wir werden zwei schlimme Feinde wenigstens äußerlich zu unseren Freunden gemacht haben. Hast du wohl verstanden, was ich dir gesagt?«
»Vollkommen,« erwiderte Cosimo, »und ich werde es nicht vergessen.«
Er wiederholte genau die Worte seines Oheims und dieser nickte zufrieden mit dem Kopf.
»Ich sehe,« sagte er, »daß du deinen Weg machen wirst, da du eine ernste Botschaft scharf zu fassen und festzuhalten vermagst, obgleich dein Herz, wie ich´s nach deinem Geständnis von gestern abend vermute, wohl mit anderen Dingen beschäftigt sein mag. Das ist die erste und wichtigste Regel für alle politischen und kaufmännischen Geschäfte, auf denen die Stellung der Medici und unser aller, die wir ihnen zugehören, beruht, daß nichts das Herz und den Sinn von dem Ernst des Lebens abzuwenden vermag, und daß die Liebe selbst sich nur wie Blumenranken um den unerschütterlichen Felsen des Willens und der männlichen Kraft windet. Geh nun und nimm Abschied von der Markgräfin und der schönen Giovanna,« fügte er lächelnd hinzu, »wir werden uns dann zu einem schnellen Frühmahl noch einmal vereinigen, und du sollst sogleich abreisen, um womöglich noch bis zur Nacht Viterbo zu erreichen, damit diese peinliche Sache so schnell als möglich zum guten und erwünschten Abschluß geführt wird.«
Cosimo stürmte die Treppe hinauf und wurde sogleich bei den Damen eingeführt.
Die Marchesa saß, mit einer feinen Stickerei beschäftigt, neben dem flackernden Kaminfeuer von wohlriechendem Sandelholz. Giovanna versuchte die Begleitung eines Liedes auf einer prächtig geschnitzten und reich vergoldeten Harfe. Sie trug ein weißes Gewand; ihr reiches, goldrotes Haar fiel, nur in einen griechischen Knoten zusammengefaßt, über ihren Nacken herab, und die weiten Ärmel waren beim Spiel von ihren schönen Armen herabgefallen.
Als sie bei Cosimos Eintreten hoch errötend mit glücklich strahlenden Blicken die Augen aufschlug und dann schnell wieder senkte, hatte man kaum ein schöneres Bild ersinnen können – für Cosimo wenigstens war es das schönste auf Erden, und er hatte Mühe, mit ernster Miene zu der Marchesa heranzutreten und ihr zu sagen, daß er käme, um sich von ihr vor einer Reise nach Florenz, die er im Auftrage seines Oheims antreten müsse, zu verabschieden.
»Ihr wollt fort,« rief Giovanna schmerzlich – »so schnell – heute noch?«
»Ich muß es,« erwiderte Cosimo, alle seine Willenskraft aufbietend, um eine ruhige gleichgültige Miene zu bewahren, »es ist eine kurze Reise in unaufschieblichen Geschäften, und bald werde ich wieder hier sein.«
»Bald wieder hier sein,« sagte Giovanna seufzend, »o Florenz ist so weit, wir haben länger als eine Woche gebraucht, um hierher zu kommen.«
Sie sank auf ihren Sessel vor der Harfe zurück, die gefalteten Hände ruhten in ihrem Schoß. Sie senkte die Augen, und Cosimo sah, wie eine Thräne aus ihren Wimpern perlte.
Cosimos aufwallendes Gefühl überwältigte sie.
»O,« rief er, »der Abschied von hier thut mir weh, ich werde eilen, so viel ich's vermag, um schnell zurückzukehren. Muß ich's denn nicht,« sagte er, alles um sich her vergessend und zu Giovanna hineilend, »zieht mich nicht hierher alles zurück, was mein Herz an das Leben fesselt?« Sie schlug die feuchten Augen zu ihm auf, ihr Blick öffnete ihm eine Welt von Glück, er streckte seine Arme nach ihr aus, aber plötzlich sich besinnend wendete er sich schnell von ihr ab, trat vor die Markgräfin und sagte mit tief bewegter Stimme:
»Verzeiht, erlauchte Marchesa, was in meinem Herzen lebt und was ich glaubte verbergen zu können, das wallt auf mit unwiderstehlicher Macht in dieser Stunde des Abschieds. Die Thräne in Giovannas Augen macht es mir unmöglich zu schweigen und Euch, erlauchte Madonna, muß ich's zuerst bekennen, daß mein Herz für ewig Eurer edlen Tochter gehört – o ich bitte Euch, habt Mitleid mit meiner Liebe und gewährt mir' Euern gnädigen Schutz!«
Er eilte wieder zu Giovanna, beugte das Knie vor ihr und küßte ehrerbietig und zärtlich ihre Hand.
Sie neigte sich zu ihm und blickte mit glücklichem Lächeln in sein Gesicht.
»O seht, erlauchte Marchesa,« sagte er, »Eure Tochter nimmt meine Liebe an, wenn ihr mir Euer Fürwort gewährt bei Euerm edlen Gemahl, so werdet Ihr auch ihr Glück begründen, und ich schwöre es Euch, ein treueres Herz kann sie auf Erden nicht finden!«
Die Markgräfin blickte lächelnd zu den beiden hin. »Kinder, Kinder,« sagte sie mit drohend erhobenem Finger, »Ihr seid wohl unbedacht und vorschnell, doch das ist ja wohl die Jugend immer – wo die Liebe im Herzen stammt, da ist der kalte Verstand und die abwägende Geduld machtlos und da muß ich denn wohl verzeihen und da ihr Vertrauen zu mir habt und mit Eurer Liebe kein verborgenes Spiel treibt, so kann ich Euch meinen Schutz und mein Fürwort nicht versagen. Ich will mit Giovanni Tornabuoni sprechen.«
»O er weiß es, was ich im Herzen trage,« rief Cosimo jubelnd, indem er aufsprang und, vor der Markgräfin knieend, deren Hand an seine Lippen drückte – »er weiß es und hat mir meine Hoffnung nicht genommen.«
»Nun,« sagte die Markgräfin, »auch ich will sie Euch nicht nehmen, aber ich kann Euch nichts versprechen und Euch mehr als die Hoffnung nicht geben, jedoch hoffen mögt Ihr immer, ist doch Madonna Argentina meine ältere Tochter, die Gemahlin Pierro Soderinis, Eures Verwandten und ist Euer Haus doch würdig der Verbindung mit den edelsten Geschlechtern, so daß, wenn Lorenzo zustimmt, mein Gemahl wohl auch Eurer Liebe nicht feindlich sein wird.«
»Dank, Dank, erlauchte Madonna –« rief Cosimo, indem er aufsprang und auch Giovanna zu ihrer Mutter hinzog, »Ihr hört es – könnt Ihr auch dem Bunde unserer Herzen Euern Segen heute nicht geben, so segnet wenigstens unsere Hoffnung, der Ihr ja Euern Schutz verheißen habt!«
»Ich werde Gott bitten,« sagte die Markgräfin, indem sie ihre Hand auf das Haupt Giovannas legte, die sich zu ihr herabbeugte, »daß er Eure Hoffnung erfüllen möge.«
»Und Gott wird Euer Gebet erhören,« rief Cosimo, »ist doch mein edler Vetter Lorenzo mir von Herzen zugeneigt und ein treuer Freund des Hauses Soderini wie des Euren. Nicht wahr, Giovanna, jetzt laßt Ihr mich freudigen und leichten Herzens fortgehen, ich gehe ja zu Lorenzo, der auch bei Euerm Vater für uns sprechen wird.«
Giovanna reichte ihm glücklich lächelnd die Hand und beide beugten noch einmal das Knie vor der Markgräfin, die mit liebevoller Herzlichkeit zu ihnen herabsah.
Dann begaben sich alle in Tornabuonis Wohnung zu dem gemeinsamen Abschiedsmahl.
Auch Madonna Magdalena mußte wohl etwas gehört oder bemerkt haben von dem, was zwischen, den beiden jungen Leuten vorgegangen, denn sie blickte sie lächelnd, fast neckend und doch mit weicher Rührung an, und obgleich man bei dem kurzen Mahl nur von ganz gleichgültigen Dingen sprach, so schien es doch niemand auffallend zu finden, daß Cosimo und Giovanna nur für einander Blicke hatten und daß sie sich oft mit leise flüsternden Worten die Hände drückten und einander zutranken, indem sie ihre Kelche so zärtlich und innig mit den Lippen berührten, als wollten sie in diese symbolische Begrüßung alle Glut eines heißen Liebeskusses hineinlegen.
Als Cosimo dann aufbrach und, nachdem er im Hofe zu Pferde gestiegen, mit seinem Gefolge an den Fenstern vorbeiritt, grüßten ihn noch einmal Giovannas Blicke, und füllten sich auch die Augen des schönen Mädchens, nachdem er an der Biegung des Weges verschwunden war, mit Thränen, so lächelte sie doch glücklich dabei, denn durch den Schmerz der Trennung hindurch leuchtete ihr ja die Hoffnung eines glückseligen Wiedersehens entgegen.
Als aber Tornabuoni in sein Arbeitszimmer zurückkehrte, fand er dort ein Schreiben des Kardinals Borromeo, in welchem ihm der Sekretär der päpstlichen Breven in kurzen und bestimmten Worten mitteilte, daß Seine Heiligkeit beschlossen habe, das Amt eines Schatzmeisters des apostolischen Stuhls dem Hause der Medici abzunehmen. Der Kardinal forderte daher den Vertreter der Mediceischen Bank auf, die Rechnungen abzuschließen und einzureichen.
Finsteren Blickes durchlas Tornabuoni das Schreiben noch einmal.
»Das ist der Rückschlag unserer Weigerung,« sagte er, »das Geschäft mit dem Grafen Girolamo abzuschließen; ich glaubte nicht, daß derselbe so schnell erfolgen würde; daß dies dennoch geschehen, beweist, daß der Zorn des Papstes hoch gestiegen sein muß, da er sich sonst nicht so schnell zu einer einschneidenden und verletzenden Maßregel verstanden haben würde. Doch vielleicht ist das nur eine Drohung, und wenn wir dennoch des Papstes Wunsch erfüllen, wird auch dieser Beschluß wieder aufgehoben. Jedenfalls ist es nötig, daß Lorenzo sofort Kenntnis erhält, um den ganzen Ernst der Lage zu begreifen.«
Er schrieb einen kurzen Brief und versiegelte denselben mit dem Schreiben des Kardinals zusammen. Dann ließ er einen seiner vertrauten Diener rufen, befahl demselben, sogleich ein schnelles Pferd zu satteln, um Cosimo nachzureiten und demselben das Schreiben zur Mitnahme nach Florenz zu überbringen.
Am Abend fand wie gewöhnlich der Empfang der Freunde und Bekannten des Hauses statt, es war fast dieselbe Gesellschaft wie am Abend vorher beisammen. Daß Cosimo Ruccellai plötzlich nach Florenz gereist war, erregte keine weitere Verwunderung, da bei den ausgedehnten Bankgeschäften des Hauses solche Sendungen ja öfter vorkamen. Peinlich betroffen aber wurde Tornabuoni, als der Kardinal Napoleone Orsini ihm sein Bedauern darüber aussprach, daß den Medici das Schatzmeisteramt abgenommen worden. Da man die Sache im Vatikan so öffentlich behandelte, so mußte sie kein bloßes Drohungsmittel sein, oder wenigstens mußte der Papst die Absicht haben, eine Demütigung der Medici durch die Bitte um ihre Wiedereinsetzung herbeizuführen.
»Hat Seine Heiligkeit einen anderen Schatzmeister ernannt?« fragte er den Kardinal.
»Davon habe ich nichts gehört,« erwiderte dieser, »an Euch wird es sein, dies zu verhindern, indem Ihr dem heiligen Vater keine Schwierigkeiten macht, die mehr für Euch als für ihn verhängnisvoll sein müssen.« Auch Acciaiuoli wußte bereits von der Entsetzung des Hauses Medici, aber er nahm die Sache leichter als Tornabuoni, denn bei aller diplomatischen Gewandtheit, die er besaß, wiederstrebte seiner feurigen und stolzen Natur doch jede Abhängigkeit von Rom.
»Ich hoffe,« sagte er, »daß nun gerade Lorenzo festhalten wird. Die Mediceische Bank kann auch ohne dieses oft lästige Ehrenamt bestehen, der Papst aber wird schwerlich einen Schatzmeister finden, der ihm Ersatz bietet, und wir müssen vor allem zeigen, daß wir wohl, wie ich es von Herzen wünsche, Freunde des heiligen Stuhls, aber nicht seine Vasallen sein sollen.«
Auch Francesco Pazzi erschien in dem kleinen Kreise, Er hatte von Cosimos Abreise gehört, und seine Leidenschaft wie sein Stolz trieben ihn an, seine Hoffnung in betreff Giovannas nicht aufzugeben, es mußte ihm, dem reiferen, trotz seiner Jugend hoch angesehenen Manne ja doch gelingen, den kaum dem Knabenalter entwachsenen Cosimo bei Giovanna auszustechen, wenn überhaupt das Herz der schönen Marchesina bereits sich dem verhaßten Nebenbuhler zugewendet hätte, woran er auch noch, die Hoffnung mit dem Wunsch verbindend, zweifelte; denn was er an dem gestrigen Abend gesehen zu haben glaubte, konnte ja auch ein einfaches Spiel des Zufalls oder der leichten Galanterie gewesen sein. Heute machte ihm niemand den Platz neben Giovanna streitig, und wie gestern es Cosimo gethan, wendete er sich in flüsterndem Gespräch zu ihr, während von verschiedenen Sängern ein vierstimmiges Lied vorgetragen wurde.
»Fast müßte ich Euch zürnen, edle Signora,« sagte er, »wenn es mir überhaupt möglich wäre, ein solches Gefühl gegen Euch zu hegen.«
»Mir zürnen,« fragte Giovanna, aus ihrem träumenden Sinnen auffahrend, »und warum – wüßte ich doch nicht, daß ich Euch gekränkt hätte, Signor Francesco?«
»Und nennt Ihr es keine Kränkung,« fragte Francesco, »wenn ich habe sehen müssen, daß Ihr eine Blume, die ich Euch gebracht, einem andern gegeben habt, einem anderen, den Ihr seit kürzerer Zeit kennt als mich und dem ich keine Berechtigung zu einem Vergleich mit mir zugestehen kann.«
Giovanna war erschrocken durch den feurigen, fast drohenden Ton seiner Worte.
Aber, schnell gefaßt, antwortete sie lachend:
»Ihr nehmt eine zufällige und gleichgültige Sache zu ernst, Signor Francesco. Ist eine Blume nicht geschaffen, um allen Freude zu bringen – warum sollte ich denn nicht eine von den herrlichen Rosenblüten, die Ihr mir geschenkt, dazu benutzen, einem anderen ebenfalls Teil an meiner Freude darüber zu gewähren, einem anderen, der mein Freund ist, wie der Eurige.«
»Weil,« erwiderte Francesco, noch leiser flüsternd, »jene Rosen nur für Euch bestimmt waren – weil sie Euch eine Botschaft sein sollten meiner tiefen Verehrung und Bewunderung, die ich nicht leicht irgend jemand gewähre und die ich noch keiner Dame, das schwöre ich, so wahr und innig geweiht habe, als Euch, edle Signora. Sprechen doch die Orientalen miteinander durch die Zeichen der Blumen, wenn sie sich die innigsten Geheimnisse ihrer Herzen mitteilen wollen, und eine Blume, die ein solches Geheimnis in sich birgt, sollte nur dem gehören, dem sie es verkündet, ebenso wie ein inniges und warmes Wort im Herzen bewahrt bleiben und nicht in die Winde hinausgerufen werden soll.«
Giovanna wendete sich schnell um und blickte erschrocken in seine flammenden Augen.
»Dann habt Ihr Unrecht gethan, Signor Francesco, jene Blumen mir zu geben,« sagte sie, »denn ich verstehe es nicht, deren Geheimnisse zu lesen und bin darum auch nicht im Stande, sie zu bewahren.«
»Ich hatte gehofft, Signora,« sagte er unmutig, »daß Euch jenes Geheimnis nicht so gar fremd sein möchte, da es mir oft schon auf die Lippen getreten ist und Ihr es in meinen Augen lange schon hättet lesen können. Da Ihr es aber nicht verstanden habt, oder nicht habt verstehen wollen, so muß ich es wohl dennoch aussprechen und muß Euch sagen, daß –«
»Halt,« fiel Giovanna ein, »halt, Signor Francesco, sagt mir nichts, das ich nicht verstehen kann und vielleicht nicht verstehen darf; habe ich die Sprache der Blume nicht verstanden, so werde ich auch kaum die Worte verstehen, und es würde mir peinvoll und schmerzlich sein, wenn Euer Geheimnis, das Ihr ja mit einer Blume vergleicht, bei mir keine Stätte fände, um sich blühend und duftend zu entfalten.«
»Und warum nicht,« sagte Francesco erbleichend, »warum nicht? – Für das Geheimnis, das ich in mir trage, ist das Herz einer edlen Jungfrau die beste Stätte, wie ein sonniges Gartenbeet für eine edle Blüte.«
Jetzt sah sie ihn groß mit wehmütigem Ernst an.
»Ein menschliches Herz, Signor Francesco, ist nur ein kleines Beet und hat nicht Raum für bunten Blumenflor, es vermag eine Blüte nur zu hegen und hat, wenn diese sich erschlossen, keinen Platz für eine zweite.«
»O,« erwiderte Francesco finster, »ich sehe es wohl, edle Marchesina, daß Ihr es meisterhaft versteht, Geheimnisse zu erfassen und sie auch in Worte zu kleiden. Wenn ich Euch nun aber sage, daß auch auf dem schönsten, sonnigsten Beet ein Unkraut erwachsen kann, ein Unkraut der Täuschung und Verirrung, und daß ein sorgsamer Gärtner wünschen und trachten muß, solches Unkraut, das des Gartens nicht würdig ist, auszureißen um einem edlen Keim Raum und Licht zur Entfaltung seiner Blüten zu geben, müßtet Ihr nicht solcher Sorge dankbar sein?«
Ihre eben noch so sanften und wehmütigen Augen flammten zornig auf.
»Ihr habt mich irrig gerühmt, Signor Francesco, daß ich die Geheimnisse zu erfassen verstünde, Eure Worte verstehe ich nicht, habt Ihr nicht eben das Herz einer edlen Jungfrau mit einem Gartenbeet verglichen, und nun sprecht Ihr von einem Unkraut auf solchem Beet. Wenn ich Euern Vergleich auf mich beziehe, so muß ich Euch sagen, daß in meinem Garten kein Unkraut keimen kann, und was darin sprießt, das ist fest gewurzelt, es wird zu immer schönerer Blüte emporwachsen und keines unbefugten Gärtners Hand wird es berühren.«
Das Lied war beendet.
Giovanna stand, während des allgemeinen Beifallklatschens schnell auf und trat zu dem Kardinal Orsini, der eben den Sängern einige liebenswürdige Worte gesagt hatte.
»Nun, meine schöne Giovanna,« sagte der Prälat mit einem seinen Lächeln, »Ihr scheint zum großen Schaden unserer Künstler kein Ohr für die Musik haben zu sollen.«
»Und warum nicht, Eminenz?«
»Gestern, während des schönen Liedes,« sagte der Kardinal, »waret Ihr in einer leisen, aber sehr eifrigen Unterhaltung vertieft, und heute schien mir dasselbe der Fall zu sein – dasselbe wohl nicht, denn gestern konnte ich wohl merken, daß das Gespräch harmonisch zusammenklang mit den Tönen der Musik, heute aber kam es mir vor, als könne ich in Euern schönen Augen lesen, daß ein Mißklang Euch berührte.«
Giovanna errötete.
»Ein Mißklang, Eminenz?« fragte sie, »aber,« fuhr sie dann mit glücklichem Lächeln fort, »das eine weiß ich, daß es eine Harmonie giebt, die alle Mißtöne überwindet.«
»Und ich weiß eines,« sagte der Kardinal galant, »das alle Harmonie auf Erden in sich vereinigt, das ist eine so schöne und geistvolle Dame wie Ihr, die trotz ihrer Jugend die Sanftmut der Taube und die Klugheit der Schlange in sich vereinigt.«
Francesco war noch einen Augenblick auf seinem Platz sitzen geblieben und starrte dem jungen Mädchen, das ihn so plötzlich verlassen und deren Worte er so genau verstanden, mit schmerzlich düsterem Blick nach.
Dann aber stand er schnell auf, mischte sich unter die Gesellschaft und zeigte eine so sprudelnde Heiterkeit, wie man sie selten an ihm gewohnt war, ebenso blieb er während des Abendmahls, bei welchem er den Platz neben Giovanna, der ihm vielleicht gebührt hätte, ganz absichtslos und zufällig aufgab, indem er sich mit einem der Künstler in ein lebhaftes Gespräch so lange vertiefte, bis die Gesellschaft sich zu Tisch gesetzt.
Giovanna war heiter und ruhig, nur wenn sie zuweilen bemerkte, daß Francescos Blicke, während aus seinen Lippen kecke Scherze hervorsprudelten, finster und fast feindlich drohend auf ihr ruhten, röteten sich ihre Wangen, aber sie schlug die Augen vor seinem Blick nicht nieder, und ihre Lippen kräuselten sich in stolzem, kaltem Lächeln.