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Drittes Kapitel.

Von dem Läger vor Wittenberg, und wie das Ding mit dem Churfürsten beschaffen.

Das war ein lustig Leben im Lager und gute Schnabelweide und kunnten wir zween Tage essen und trinken, als wie viel wir mochten. Schwärmete und jubilierete darum das Volk Tag und Nacht und ließe sichs wohl sein. Im teutschen Quartier lärmete und brüllete es von allen Gassen her; saßen, krabbelten und lagen um die Biertonnen, balgeten sich, spielten Würfel und Landsknecht und zechten nach teutschem Brauch. Im spanischen Quartier aber wiederhallete es von Gesang, Pfeifen und Trommeln, ließen sich wacker ufspielen und tanzeten und sprungen, als obs Hochzeit wär; summa: jede Nation nach ihrem Brauch. Doch gings nit ganz ohne Händel ab, und wären die Feldweibel nit mit dem langen Rohr herummarschieret, hätten sich Teutsche und Spanische bald in den Haaren gelegen, wie sie sich denn nit gerne vertragen mochten. Aber mir war solch Leben fast zuwider, wasmaßen ich sider Ihro Majestät mich zum Ritter geschlahn, nur an meine Julia gedachte und was sie sagen würd, wann sie es in Erfahrung zöge; summa: war mit meinen Gedanken nur daheim; litt es mich darum auch nit in meinem Zelt und schlenkerte uf dem Schlachtfelde umher. So kam ich denn in meinen Gedanken nach Beyersdorf, als ich aus einer Hütten ein jämmerlich Geschrei vernähme, und als ich über den Zaun schaue und etliche spanische Kriegsknecht entwahre, judicirete ich balde, daß die Unmenschen wieder ein gräulich Handwerk fürhätten, springe also über den Zaun in das Haus hinein und gewahre zu meinem Entsetzen, daß diese Hallunken einem Bauer fadennackende ausgezogen, ihn mit einem Strick gar unschaamhaft geschneeret und an der Thürpfosten aufgehenket haben, daß er ihnen sein Geld zeigen sölle. S. Sastrows Leben, herausgegeben von Mohnike. Greifswald 1824. Thl. II. S. 10 II. 32. Da reiß ich mein Schwert aus der Scheiden und schlage den spanischen Bösewicht, so ihn hielte, mit der flachen Klingen über das Maul, daß er speiende zu Boden stürzet und rufe: was machet ihr Unmenschen allhier mit dem Bauer! schnitt den armen Teufel ab, so für Schmerz sich wie ein Wurm uf der Erden krümmete. Hätte mögen der spanischen Bestien mein Schwert in den Wannst stoßen; befähle aber den anderen, so wie ich merkete, Lust haben mochten, uf mich einzudringen, mit scharfer, fester Stimmen: »bindet den Nichtswürdigen und führet ihn ins Lager!« worauf sie denn alsbalde ohne Widermurren gehorchten. Aber was seh ich, als ich hinaustrate, kämen noch etliche Andere, auch Teutsche darunter, hatten den Kindlein Händ und Fuß abgehauen und sich als Federbusch uf den Hut gestecket.

Thate aber als ob ichs nicht entwahr worden, denn ansonsten wär es mir wohl übel bekommen, ginge aber spornstreichs ins Lager zum Herzogen von Alba und erzählete ihm, was fürgefallen, und wenn solchem Gräuel nit gestöret würd, wär es kein Wunder, wenn die Lutherschen uns vor den Endechrist hielten. Da kam denn auch alsbalde Befehl, daß sich die Spanier nicht aus dem Lager rühren sollten und daß die Sach würd später in Untersuchung gezogen werden.

Aber das war mir ein Stich durchs Herze, daß die Spanier, so zur Rettung der Christenheit für Gott und die heilige Kirche streiten wollten, sich also blutdürstig gebahreten; erzählte es auch den anderen Officiers; Etlichen aber schien das gar nit zu kümmern und vermeineten: das sei einmal im Krieg nit anders; die Ketzerbrut müsse mit Stumpf und Stiel vertilget werden und müsse man schon ein Auge zudrücken; die Lutherschen machten es auch nit anders etc. S. Dreyhaupt. Magdeburgischer Saalkreis I. 244. die entsetzliche Tortur des kath. Caspar Querhammer durch den protest. Pöbel. Da könnt ich mich aber nit entwehren, und wenn das so fortginge, verließe ich mit Nächstem das Heer und zöge von dannen; hätt vermeinet mit einem christlichen Heer zu ziehende, aber nit mit Christen, die schlimmer als Türken und Heiden.

Doch muß ich denen Spaniern auch zum Ruhme nachsagen, daß ihrer Viele gar edelmüthige und wahrhaft katholische Ritter waren und auch nach Kräften dem Unwesen steuerten, insonderheit Einer, – ist mir der Name wieder entwischet, – der ein Verwandter war von dem Ignatio von Loyola, demselben, der die Jesuiter gestiftet, und muß ich doch allhie noch kurz notiren, was ich von selbigem über den Ignatium vernommen, zumalen man in unsern Tägen nit klug aus dem Gered wird, das ihne bald als den Ausbund aller Frömmigkeit, balde als den eingefleischten Teufel abschildert.

Verzählete mir also, wie dieser Ignatius ehender ein gar gewaltiger, unerschrockener Feldherr gewest, und daß er selber mit ihm vor Pampelona gefochten, wo ein Mauerstein ihm das Bein zuquetschet. Hab ihn dann später, als Niemand von den Seinen nit gewußt, wo er blieben, bei einer Hetzjagd in der Berghöhlen zu Manresa wieder gefunden, hätt aber so abgezehret und tröge ausgesehen, sein Haupthaar verwildert und zuwachsen, daß er ihn balde nit wieder erkannt. Sei wohl bei einer halben Stunden bei ihm verweilet und da er, verstehe den Ritter, ehender ein fast wilder Geselle gewest, hab er aus dieser bloßen Unterredunge ein solch brünstig Feuer in seinem Herzen verspüret, daß er nachdenkende seiner Straßen geritten, um bei dem Beichtvater des Ignatii, wie dieser ihm gerathen, ein offenherzig Bekenntniß abzulegen. Und habe dieser nachgehends ihm erzählet: was groß Wunderwerk Gott, mit diesem müg fürhaben, so weiland ein großer, berühmter Kriegsobrister, anjetzo ein also demüthiger Büßer worden. – Täglich brächt er 7 Stunden mit Kniebeugunge im Gebet zu, faste also erschröcklich, daß es kaumb zu glauben, geißle sich auch 3malen des Tags bis ufs Blut und bereue und beweine sonder Unterlaß seine Sünden. – Aber was vor Allem zu verwundern und was solch Tugendwerk allein verdienstlich mache für Gott, sei seine große Demuth, und als mein Pater solches erzählete, trat ihm das Wasser in die Augen und könnt er nit weiter. Nachgehends aber hab er als 33jähriger Mann sich unter die Kinder in die Schul gesatzet und die rudimenta latinae linguae gestudiret, worauf er in Paris ein hochgelahrter Mann worden und den Orden der Jesuiter gestiftet, und wird aller Orts als ein Ausbund der Tugend und Gelahrsamkeit gepriesen.

Diesem Ritter nu klagete ich auch meine Meinunge; vertröstete mich aber und sölle mir nur Zeit lassen, würden diese Menschen ihren Lohn schon eingebrocket erhalten, anerwogen der Kaiser gar strenge Mannszucht hielt und schon gar Viele hätt Kopf kürzer machen lassen. Sei leider wahr, daß viel Satansbrut unter den spanischen Landsleuten sei; wär aber nit sonderlich zu verwundern, wasmaßen die Meisten zusammengeloffenes Gesindel, so ihr Lebtag vordem nur von Raub und Dieberei gelebet.

Und hat er in Wahrheit recht gesprochen: denn als wir noch miteinander redeten, hörten wir plötzlich die Trummel durch die Gassen gehen, traten darum heraußer, was es gäb; und war solches ein Trummler benebst einem Herold, und nachdem das Volk zusammen geströmet, wurd männiglich ufgefordert, vor etliche arme Sünder, so von wegen ihrer Grausamkeit würden abgethan werden, ein Vater unser zu thun. Liefe darum auch dem Volke nach, und funden wir schon uf dem freien Platz, gerad für des Kaisers Zelt, Meister Hansen mit seinen Schinderknechten das Gerüste ufrichten. – Indem ich nu der Vollstreckunge auch wollt anwohnen, ob die spanischen Bösewichter, so den Kindlein die Händ abgehauen, auch dabei wären, drängete ich mich unter den Galgen, als es mir plötzlichen uf die Schulter klopfet; war ein Feldweibel, und begehre der Herzog Alba meiner schon bei einer halben Stunden.

Liefe also spornstreichs, just als die Trummel gerühret und das Volk sich zusammendrängete und schrie: nu kommen sie, sicht, da kommen sie! – ins Gezelt des Herzog Alba; sahe nur noch, daß die spanischen Hallunken auch unter den armen Sündern. Als ich aber am Losament des fangnen Churfürsten fürüber kam, stunden Etliche von seiner Dienerschaft draußen bei der Schildwacht und schwätzeten mitsammen. So hätt' ich gern gehöret, was der alte Herr, der mir fast leid thäte, machte, allein ich hatte keine Zeit.

Konnt mir fast nit lieber treffen; denn Ihro Herzogliche Gnade, nachdem sie mich freundlich willkommen heißen, thäten mir einen fast willkommenen Befehlch ausrichten und hätten Ihro Kaiserlich Apostol. Majestät mich zur Bewachunge des Churfürsten von Sachsen commandiret, anerwogen wir morgen mit Tagesanbruch gen Torgau ufbrechen würden, und versichre er sich meiner Umsicht und Klugheit, daß der Fangene nit echappire.

Solches war mir denn angenehme und bedankete mich bei Ihro Herzogl. Gnaden, und daß ich mein Augenmerk schon uf ihn haben würd und die Kaiserliche Majestät dürften unbekümmert sein.

Ginge denn auch alsbalde in den Verschluß des Churfürsten, und säße der alte Herr uf einem Strohsack, so mit Pelzlin säuberlich behangen, und stützete sich mit dem Ellenbogen uf den Tisch, hätte aber nur einen Stiefel angezogen, uf den andern Fuß blos den Socken, anerwogen ihne widder das Zipperlein hart plagete, wie er meinte. Bate mich daher, nachdem ich ihm fürgestellet, daß wir morgen ufbrechen würden: ihm doch seine langen Schmeerstiefeln, die er in der Gutschen gelassen, zu verschaffende, dieweilen er für Schmerzen in seinen Stiefeln nit uftreten könne. Schickete auch alsbalde; aber als der Bot zurücke käme und keine Schmeerstiefeln brachte, besondern daß sie abhanden kommen und sie Niemand nit wölle gesehen haben, wurde der alte Herr fast traurig, sagete aber Nichtes. Das erbarmete mich denn nicht wing, daß ein fürnehmer Herr nunmehr so arm worden, daß er nit ein Paar Stiefeln mehr hätt, Die Stiefeln des Churfürsten wurden von Spaniern entwendet und als eine Merkwürdigkeit wegen ihrer Größe nach Spanien geschickt. S. Thuanus Lib. III. pag. 94. und wenn Seine Churfürstlichen Gnaden es nit für unlieb nehmen, würde ich ihm ein Paar andere besorgen. So bedankete er sich denn und vermeinete, indem er lächelnde uf seinen Fuß wiese: Ritter, wir leben uf eim zu großen Fuße, als daß wir könnten ebenbürtige Stiefeln finden! und hatt er in Wahrheit einen übermenschlich großen Fuß, just als mein Claus. Ei, sprach ich, da kann Rath werden, riefe meinen Claus, so draußen an der Thür stund und bracht ihm dessen Stiefel, welche auch passeten, und verehrete ihm der Churfürst einen Dukaten davor.

Am andern Tage nu brachen wir in der Frühe uf gen Torgau; glaubeten alldorten noch einen blutigen Tag zu haben, aber es Übergabe sich balde und konnten wir gleich weiter uf Wittenberg rucken, wo wir am 4ten des Maimonats anlangten. Doch vor Witteberge war das Ding nit so gewachsen wie vor Torgau; wollt sich nimmer ergeben, besondern bis uf den letzten Blutstropfen vor ihren Churfürsten und die evangelische Lahr kämpfen. Hatten darum auch Alles verrammelt, das Geschütz uf die Wälle gefahren und stunde Alles kampfgerüstet uf den Mauern. Wurde also das Lager wieder ufgeschlagen und alle Anstalt getroffen, die Stadt mit Sturm zu nehmen. Da konnt ich wohl merken, daß der Churfürst eine heimliche Freud an der Treu seiner Stadt hätte, wußte es aber wohl zu vertuschen und säße geruhlich daheime in seinem Zelte und vertriebe sich die Zeit im Brettspiel. War sonst uf seine Weis ein fast frommer Herr, nur daß er zuweilen einen guten Trunk fassete.

Inwährendem nu der Kaiser wegen der Uebergebunge der Stadt unterhandelte, wurde von denen Rittern und adlichen Junkern allerlei Kurzweil getrieben, und da ich wegen der Gunst Ihro Kaiserl. Majestät in großem Ansehen stunde, so könnt es nicht feihlen, daß ich auch immer bei denen Traktamenten und Bankiethen, die sie einander gaben, dabei sein mußte. Nu hütete ich mich wohl mein Gelübd, so ich dem alten Dittrichstein geben, zu brechen und auch sonsten wie die Anderen, mit der Sauglocken zu läuten, hatte davor aber die losen Narrenmäuler uf mich und wurde nit anders, als meist der keusche Ritter betitulieret. Das verdroß mich nu zwar im Anfang, aber letzlich gefiele es mir, anerwogen ich darob bewundert wurd, und vermeinete ich Thor in meiner Tummheit und Verblendunge, daß ich in Wahrheit allbereits ein fürtrefflicher Katholik worden; summa: hörte solch Betitulirung mit geheimben Wohlgefallen. Aber o wehe! wer da meint, daß er stehe, sehe wohl zu, daß er nit falle, und sollt ichs gar bald erfahren, daß die Hoffahrt alles Uebels Anfang.

Hatte ich anfänglich bei diesen Traktamenten wohl ein leis Zuflüstern in meim Herzen verspüret: Sigmund, sei fürsichtig! und war mir auch oftermalen gar einsam und bang, wie es auch mit dem Beten nit so gehen wollt, wie ehender, und merkete ich auch wohl, daß es vom vielen wüsten Leben herkäme; so vermeinte ich Narre in meiner Hoffahrt: daß es sich nit anders vor einen Ritter gezieme; summa: war uf meinen jungen Ritterstand nit wing eingebildet und schluge die Warnungen meines Gewissens in den Wind. Merket also, was geschieht:

Hatt ich ehender mit meim Knecht Claus ein fast brüderlich Leben geführet, so verdroß es mich schon, daß er, sider ich Ritter worden, in Nichts mehr mich respectirete, als ehender, was er doch aus reiner, treuherziger Meinung thäte; und hatten mich die Ritter schon oste mit ihm genärret. Eines Täges, als ich bei einem spanischen Obristen gebeten und mit Vielen vom Adel zu Tische säße, kommt mein Claus in die Thür, rufet mich wie ansonsten bei meim Taufnamen: Sigmund! So verdreußt es mich, daß er mich in Gegenwärtigkeit so vieler Herren nit mehr ehrete, thate also für Aerger als ob ich ihn nit hörete, wiewohlen mir das Geblüte schon ins Gesicht stiege; rufet er abereins: Sigmund, kummet einmal heraußer! da könnt ich nit länger an mich halten, springe uf und trete bebende vor Wuth für ihn hin: Wen meinst du? So antwortet er nu ganz geruhlich: Euch Sigmund! quatsch! da hatt er auch schon eins über das Maul. Kannst du Schurke mich nit gestrenger Herr betituliren, wie es einem Ritter zukommt? wachte, ich werde dich Mores lehren, daß du mich zum Gespött für diesen vornehmen Herren machest! Da lacheten alle Junkers in die Höhe, aber mich erbarmete es fast gleich wieder, denn mein Claus sähe mich mit verwundert großen Augen an, darin eine Thräne, Erbisen groß, hinge. Gestrenger Herr! ich wollt Euch nur Meldung thun, daß der Churfürst hat andere Stieflein bekommen und, er mir meine wieder geschenket; wollt fragen: ob Ihr sie etwan anziehen wollet, da sie für mich jetztunder zu fürnehm, und hiermit längere er mir seine Stiefeln herfür, darinnen wohl ein Elephant hätt spazieren mögen. Da hätte Einer hören sollen, welch unbändig Gelächter herfürbrach, und hatt ich mich geschämet wegen des Sigmund, schämete ich mich anjetzo noch mehr; hielte aber an mich und schöbe ihn mit seinen Stiefeln zur Thür hinaus, worauf ich den Herrn das Ding mit den Stiefeln erzählete, um das Gelächter von mir abzukehren. Aergerte mich aber über meinen Claus und ärgerte mich auch über mich selbsten, und was die Ritter, so mich immer vor einen absonderlich frommen Christen gehalten, zu solcher Uebereilunge denken würden; summa: ich war mißmuthig, und wars mir willkommen, als wir endlich ufstanden und hinaußer uf die Lagergassen traten. Stehen noch und reden mit einander, als wir den Schall eines Glöcklein vernehmen, und kommt der Feldkaplan mit dem hochwürdigsten Sakrament, um es einem wunden Landsknecht zu bringen. So stunde ich nu unter lauter teutschen Rittern, gerad als er an uns fürüber käme. Aber meine Ritter achteten nit die Gegenwärtigkeit des allmächtigen Gottes, wußten nit ob Stehen, ob Knieen, und sahen zappelnde Einer uf den Andern, und mit denen Rittern, die sich schämeten niederzuknieende und ihren Herrn anzubeten, war auch Einer – Namens Sigismund Hager! Der Junker hatte knieen gekannt, aber der Ritter hielte sich für zu fürnehm!

Aber da raschelte es und uf einer Zeltstangen uns genüber kikerikite ein rother Haushahn. Wir werden naß Wetter Han, meinte Hans von Kökritz; ich aber ginge mit nassen Augen weinende in mein Gezelte; ich dachte an St. Petrus und seinen Hahn!

Ja o Herr, so gehet es den armen Menschen, wo Einer sich hoffährtig bedünket und vermeinet: er sei Etwas, da er doch Nichts ist, da ist er nicht weit vom Falle!

Nu war mir klar worden, welch annoch großer Sünder ich wär, und nu fing auch mein Gewissen wieder an zu krähen. Da könnt ich denn kaum den Morgen erwarten und ginge zu dem Feldkaplan zur heiligen Beicht. So gelobte ich denn Gott, den ich verläugnet in der Gestalt des Brots, nunmehr vor Allem zu dienen. Und um gleich ans Werk zu gehen, legte ich mein Schwert abe und bunde die Rittersporen los und ministrirete dem Priester am Altare. Wurd zwar roth wie ein Scharlach, röther als der Meßknab in seim Chorrock, aber ich bisse die Zähne übereinander und überwände die falsche Schaam. Das hatten aber Etliche vom Adel gesehen, schüttelten mit dem Kopfe, verlacheten mich und sprachen: das geziemet sich nit vor einen Junker, geschweige vor einen Ritter, einem Pfaff zu dienen, und daß ich mich schämen solle, also meinen Ritterstand zu schänden. Solches that mir zwar wehe, sagte aber Nichts und gabe nach einer kleinen Weil zur Antwort: Ihr Herren, was ich gethan, ich gestehe es, ist mir selbsten fast sauer worden, aber ich habs gethan, weil ich mich geschämet hab, das hochwürdigste Sacrament durch Kniebeugung zu verehren; was aber das sich nit Ziemen anlanget, acht ich, daß es sich wohl ziemet auch vor ein Junker und Ritter, der Majestät des gewärtigen Gottes zu dienen, die sich ja auch nit schämet, dem ärmsten Bettler zu dienen und uf das Wort des Priesters vom Himmel zu steigende.

Das verredeten aber etliche Ritter und daß sie an die Gegenwärtigkeit des Herrn im heiligen Sacrament nit glauben könnten, anerwogen man nach wie vor Nichts als Brot sähe, und möcht wohl ein Aberglaube damit sein; hieltens in diesem Stück mit Zwingli Lahr, daß Brot, Brot; und Wein, Wein blieb, und nur ein Figura des Leibs und Bluts des Herrn, und daß es nur eine Erinnerung sein sollt, an sein Leiden und Sterben; summa: es entstünde ein großer Stritt unter uns. Die Meisten waren aber uf meiner Seiten und freueten sich, daß ich in diesem Punkt so bewandert. Explicierete also: wie die leibhafte Gegenwärtigkeit unsres Herrn in dem hochwürdigsten Sacrament selbsten in der heiligen Schrift klar begründet stünd, und daß Zwingli unsern Herrn Lügen strafe und es besser wissen wolle als Er. Hätte Christus ja selbsten bei Johannes am 6ten gesprochen: Ich bin das lebendige Brot, welches vom Himmel gestiegen, und das Brot, das ich gebe, ist mein Fleisch und mein Blut, item: ob er nit am grünen Donnerstage selbsten gesprochen: nehmet hin und esset, das ist mein Leib, und nehmet hin und trinket, das ist mein Blut?

Ja, vermeineten sie: der Herr will nit sagen das ist, besondern das bedeutet; und hätten sie wohl gehöret, daß das Wort, welches ist heißet, auch gelesen werden könne: es bedeutet.

Ueber solche Red verwunderte ich mich, und ob sie denn Zwingli mehr glaubeten als der heiligen Kirchen und der Schrift? Wär zwar kein Theologus und wüßt nur so viel, daß vom Anbeginn der heil. Kirche einmüthiglich an die wahrhaftige Gegenwärtigkeit unsers Herrn im heil. Sacrament geglaubt worden. Doch Ritter: lassens wir, kommet, wollen in mein Zelt treten, zu einem Morgenimbiß. Solches ließen sie sich nit zween Mal sagen. Als sich nu Alle gesatzet, sprech ich: lieber Ritter von Hutten; ich merk es wird etwan zu meinem End kommen, anerwogen ich schon einige Zeit fast schwach bin und an dem bösen Schwindel leide; da will ich mein Testament machen. Du sollst mein Erb sein, wann mir meine Julia nit eins Kindes geneset. Hab daheime benebst der reichen Morgengab meiner Julien annoch eine Burg und zween Güter. Da verwunderte sich mein Hutten, und obs Spaß oder Ernst? sölle es ihm schriftlich geben. Da nahm ich ein Stücklein Brots und spräche: nimm hin und iß, dieses ist mein Testament! es bedeutet meine Ritterburg und meine Herrschaft. Nu hätt Einer sehen sollen meinen Hutten, sprunge uf, inwährendem Alle einmüthiglich in die Höhe lacheten und: solchen Spaß woll er sich verbitten! Ich aber beschwichtigte ihn und sprach: siehst du lieber Hutten, allhie merkest du den Spaß und Hohn, und du willst gläuben, daß unser Herr Gott sich auch einen Spaß gemachet, da er sprach: Ich mache mein Testament, und als nu alle Jünger begierig, hätt' er gesprochen: nehmet hin dies Stücklein Brot und diesen Wein, das bedeutet mein Testament, nämlich mein Fleisch und Blut? Da verschaamete er sich und kratzete sich hinter die Ohren, die Anderen aber lacheten und: was doch Zwingli vor ein tummer Kerl sei! das hätt' ich recht gemacht, so müsse man ihn ablaufen lassen. Wiewohlen sich nu Alle hierüber zur Ruh begeben, so vermeineten doch Etliche: es sei gleichwohl schwer zu gläuben, daß der Herr im Sacrament gegenwärtig; sähe man doch nach wie vor Nichtes als Brot und Wein, und könnten sie also unmöglich an eine Verwandlung in Fleisch und Blut gläuben; solches widerspräch der Vernunft. Ei sprich ich: wann Ihr eben die Tummheit des Zwingli gemerket, wie wollet ihr denn das Wörtlein – dieses ist mein Fleisch und Blut, – anders erklären, wan es nit heißen kann: es bedeutet, als daß der Herr Brot und Wein in Wahrheit in sein Fleisch und Blut verwandelt? Doch lasset uns wieder ein Exempel brauchen. Ihr möget also nit glauben an die Verwandlung des Brots und Weins in Fleisch und Blut, dieweil ihrs nit sehet? Ist Niemand unter uns, der ehedem Medicinam gestudieret? Ja, ich, rief ein junger Ritter; ich hab in Salerno gestudieret. Nu, so saget uns: worin verwandelt sich das Brot und der Wein wie jede Speis, die wir nießen? In Fleisch und Blut antwortete er, welch eine Frag, das weiß männiglich! Nu, ihr Herrn? wenn schon durch die Natur die Müglichkeit solcher Verwandlung angedeutet wird; sollt dann nit auch der Herr der Natur solches auch plötzlichen bewirken können? Wann Ihrs aber noch nit glauben möget, und es vor eine Unvernunft haltet; so schlag ich Euch für, Ihr Herren: esset und trinket von heut ab nit mehr, vielleicht möcht ihr auch ohne Fleisch und Blut leben können, da ja nach eurer Meinung sich Brot und Wein nit verwandeln kann!

Da lacheten Alle abereins in die Höhe, und als der Imbiß zu End, sprach ich zu den Herren: Nu gesegnete Mahlzeit, ihr Herren! Ich wünsche vor immer wohl gespeist zu haben! In Ewigkeit – Amen! rief ein Spaßvogel, und wollt das Gelächter nit abnehmen.

Also waren denn diese beeden Widerparter abgefertiget; aber da wir einmal uf diese Lahr kommen, riß es noch nit abe und vermeinete ein Anderer: nach seiner Meinung hätt' Lutherus Recht, daß sich Brot und Wein nit in Wahrheit verwandle im heil. Nachtmahl, besondern in mit und unter dem Brot der Leib unsers Herrn wär. Das wär eine vernünftige Lahr, so doch nit den 5 Sinnen widerspräch und doch ein Geheimniß, und blieben die Worte stahn: das ist mein Leib, das ist mein Blut, dem man doch nit widersprechen könnt, wie ich oben wider Zwingli Lahr klärlich dargethan. Luther hat schon das Richtige getroffen, gelt Ritter Hager; was möget Ihr hingegen fürbringen? So besann ich mich ein Weil und fragete: wie kommt denn der Leib des Herrn in mit und unter das Brot? Mich bedünket, das wär ein größer Wunder noch, als die katholische Lahr von der Umwandlunge des Brots und Weins in Fleisch und Blut? Mit Nichten! es ist ganz klar; wisset Ihr nit, daß Gott allgegenwärtig? Da nun Christus der Herr in seiner Menschheit zur Rechten des Vaters sitzet, die Rechte des Vaters aber überall ist, so ist auch natürlich der Leib des Herrn überall gegenwärtig, also auch in Brot und Wein. Die bekannte Ubiquitätslehre Luthers. Seht Ihrs, da fällt die Wandlung fort und was ist vernünftiger als dieses?

Ja, also ist es, riefen wieder Andere aus einem Halse: Lutherus hat Recht! Da wußte ich nit, sollte ich lachen oder schuddern. Was, der Leib des Herrn ist überall? Das hab ich noch nit gewußt, daß der Mensch (und Christus war doch ein Mensch so gut wie Gott) allgegenwärtig. Ritter! da empfahet Ihr ja den Leib des Herrn auch im Braten, in der Suppen und in jeder Speis; ja da könnet Ihr ja auch Gras essen, gleich dem Rindvieh und empfahet ihn auch! Aber Ritter, mich schreckt fast es zu sagende; da wird ja jede unvernünftige Creatur des Herrn Nachtmahl auch empfangen? ich bitt Euch, wie ists möglich!

Das hat Lutherus wohl bedacht, Ritter Hager! und beweiset, daß er seine heilige Menschheit nur binden lasset an Brot und Wein, und daß, wann man andre Speis oder das unvernünftige Vieh es empfänget, er sich ihme entzeucht, und nur wenn der Prädicant die Einsetzungsworte darüber spricht, sich binden lasset an Brot und Wein.

Ei, das ist wieder ein tumm Geschwätze! Will Lutherus Gott fangen und fänget sich selbsten mit seiner Lahr; denn wann, wie Lutherus will, die heilige Menschheit Christi allgegenwärtig, wie mag er sich dann entzeuchen, wann wir Braten und Suppen essen, oder wann das unvernünftige Vieh fristet? Dann bleibet er ja nit mehr allgegenwärtig, wann er sich unter sothanen Umständen entzeuchet! summa: sie mußten abereins verstummen und vermeineten: es sei Schad, daß ich nit Pabst worden. Aber Ritter Hager, da Ihr Alles müget so trefflich zu Boden werfen, was haltet Ihr denn von Calvini Lahr? Er vermeinet: Brot bleibt Brot und Wein bleibt Wein, und nur wann man im Glauben es empfanget, strömet vom Himmel eine Gnadenkraft, so wir alsdann mitnießen? Möget Ihr auch diese Lahr Lügen strafen, so soll mich Gott strafen, wann ich im Geringsten noch zweifelmüthig an unserem heiligen Glauben werd!

Da besann ich mich ein Weil: Calvini Lahr ist nach meiner Einsicht auch nit ein Haar besser als die andern. Wann der Glaub es macht, wie er meinet, wie will man da wissen, ob der Glaub in Wahrheit so groß, daß man die Gotteskraft vom Himmel zeucht? Wer kann da schwören, daß er diese Kraft hab empfangen? Ja, und hiegegen mag Niemand was fürzubringen, wann Calvinus gleich Luthero vermeinet: es geb keine Sünd, besondern Calvini institutiones Lib. III. c. 11 §. 13. C. 14. §. 1-7. Der Glaube allein macht gerecht; die sogenannten guten Werke sind nichts als Laster. der Unglaube allein. – Wie kann da Jemand das Sacrament unwürdig empfahn? Ist er ein Räuber, Mörder und Ehebrecher, was mags ihm schaden, empfähet er im Glauben das Sakrament, so empfängt ers würdig; glaubet er aber nit, was mags ihm da schaden, da nießet er ja weiter Nichts als schlechtes Brot und Wein; summa: nach Calvini Lahr ist St. Paulus ein Lügner, wann er spricht: wer unwürdig isset und trinket, der isset und trinket sich selbsten das Gericht. Und fürwahr, da kann Niemand, auch wenn er wollte, das Sacrament unwürdig empfahen!

Nein, nein, ihr Herren! es ist nit anders, als wie die heilige katholische Kirche lehret; bin zwar kein Theologus; aber schon die gesunde Vernunft spricht all die andern Lehren Lügen. Unser Herr Jesus Christus hat Brot und Wein verwandelt in sein Fleisch und Blut, indem er zu dem, was eben Brot war, spricht: das ist mein Leib etc. Und solche Wandlung hat er den Priestern übertragen mit den Worten: das thuet zu meinem Gedächtniß. Wo der Priester diese Worte spricht, da wird Brot und Wein Fleisch und Blut des Herrn. Und daß solche Wandelunge nicht wider die Vernunft, wenn auch über unsere menschliche Einsicht, hab ich Euch dargethan in dem Gleichniß, wo sich Brot und Wein in unserem Leibe schon verwandelt in Fleisch und Blut. Gläubet der heiligen Kirchen, und wenn auch eure Augen es nit sehen, so gedenket des Wortes des Herrn: selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Hier nur noch einige Zeugnisse über die Gegenwart Christi im heil. Sakrament des Altars aus den drei ersten Jahrhunderten:
Im I. Jahrhundert bezeugt es St. Ignatius, ein Schüler der heil. Apostel Petrus und Johannes, im Briefe an die Christen zu Smyrna VII. Kap.: Sie (die ketzerischen Doketen) enthalten sich der Eucharistie, weil sie nicht bekennen, die Eucharistie sei das Fleisch unsers Erlösers Jesu Christi.
II. Jahrhundert. St. Justinus apolog. I. Nr. 66. lehrt: Die Eucharistie ist das Fleisch und Blut des menschgewordenen Jesu. Vergl. St. Irenaeus IV. Buch contra haereses.
III. Jahrhundert. Tertullian Lib. IV. contra Marcion. Cap. 40.: Jesus sprach: Das ist mein Leib, und machte dadurch das in die Hand genommene und den Jüngern vertheilte Brot zu seinem Leibe. Vergl. Tertull. lib. VIII. de resurrectione carnis.
Die wahrhaftige Gegenwart Jesu Christi im allerheiligsten Sacramente des Altares unter den Gestalten des Brotes und Weines ist in den Aussprüchen Jesu Christi selber (Johannes 6.Kap., vergl. die Einsetzungsworte bei Matth., Markus, i. Corinth. 17. Kap. u. s. w.) so unerschütterlich begründet, daß nur ein Zwingli sich entblöden konnte, diese Gegenwart zu leugnen, und ist es in Wahrheit ein grauenerregendes Geständniß, daß er auf Eingabe des Teufels dieses Sacrament abgeschafft; während Calvin wenigstens noch etwas Göttliches in demselben erkannte. Um den Leser nicht zu ermüden, werden wir später noch auf die katholische Lehre vom heil. Sacrament des Altars und das heilige Meßopfer zurückkommen.

Nu lief aber ein tunkel Gerücht um, daß der Kaiser Kriegsrath hielte, und alle hohe Fürsten und Kriegsobristen zu ihme beschieden worden, und judicirete männiglich, daß es dem fangnen Churfürsten gelte. Liefe also in das Gefängniß und träfe ihn mit dem Herzoge Ernest im Brettspielen. Säße nach gewohnter Weist mit dem linken Ellenbogen sich sein Haupt stützende und jeweilen sich aus dem Humpen stärkende, wenn er gezogen; war ein fast trefflicher Spieler und währete nit lange, so bote er dem Herzogen mit seiner Königinne »Schachmatt.« Richtig, der Herzog war schachmatt! Gelts Gott, Herr Vetter! Ihr habt gewonnen; – wie ich verhoff, mags ein günstig Omen sein für Eure Sach! rief der Herzog, als sich die Thüre öffnete und der Kanzler Ihro Kaiserlichen Majestät Dr. Georg Seld mit vielen Obristen in das Zimmer traten. Hatte ein Pergamentrollen in der Hand, und nachdem er dem Churfürsten seine Reverenz bezeuget und selbiger mit dem Herzogen Ernesto ufgestanden, war er ein klein Weil stille, bis er letztlich sich fassete: Ew. churfürstlichen Gnaden, Ihro Kaiserliche Majestät haben in Erwägung des Hochverrathes und der Rebellion wider Ihro Majestät, in Erwägung der Kriegsunruhen und Calamitäten des teutschen Vaterlandes, in Erwägung endlich, daß Ew. Churfürstlichen Gnaden an solchem gemeinen Unheil zuerst Ursach und Schuld sein, in dem Kriegsrath der Durchlauchtigsten, Wohlgebornen Herrn (allhier nannt er die Namen) Ihro Churfürstlichen Gnaden von Urtel und Rechtswegen nach gefälltem Spruch: zum Tode durch das Beil, verurtheilet. Solch Todesurtheil wird von mir, Dr. Georg Seld, hiermit pflichtschuldig publiciret und notificiret. Ex mandato Augustissimi Caesaris, Caroli quinti.

Wie er Solches gesprochen, wurd es mir ganz schwarz für Augen und hielte mich an der Schemmellehne feste. Das hätt' ich nicht geahnt! Aber der Churfürst selbsten verzöge fast keine Miene, stunde geruhlich da und antwortete mit fester Stimmen: Ich kanns nit glauben, daß Ihro Majestät also mit mir verfahren wird; ists aber in Wahrheit also beschlossen, so bitt' ich um ein klein Frist, auf daß ich, was mein Ehegemahl und Kinder anlanget, Alles bestellen mög.

Als nu Dr. Georg Seld mit seinen Begleitern wieder abgetreten, fiel der Herzog Ernestus wie ein niedlahm Messer uf den Schemmel nieder, der Churfürst selbsten aber langete sich geruhlich die Bibel herfür. Da könnt ichs nit länger ertragen, ging zitternde und bleich heraußer, ließe aber die Schildwacht numehro verdoppeln, auch zween mit der Helleparten ins Zimmer des Churfürsten treten. O wehe, der arme Churfürst! aber ich könnt ihn nit retten. Draußen aber stunde das Volk in dickem Haufen beisammen, schwätzeten von der Hinrichtunge des Churfürsten und daß allbereits ein Herold gen Wittenberg geritten, um der Gemahlin und denen Kindern des Churfürsten das Todesurtheil zu publiciren, wann sich Wittenberg nit alsbalde übergebe, und drängte das unflätige Volk sich auch ans Zelt des Churfürsten, ob sie ihn etwan möchten zu sehen kriegen; summa: Alles war voll von der Hinrichtung des Churfürsten. So verhoffete ich nu, daß der Churfürst mit Wittenberg etwan noch sein Leben erkaufen würde; schwankete aber wie ein Laich umher, so leid thate mir der Churfürst, wollt's noch immer nit gläuben, und wann sich nur Wittenberg ergeben wollt! So dauerte das Ding etliche Täge; der Churfürst aber war immer geruhlich, betete viel, hatt auch Sprüchlein Lutheri auswendig gelernet, so er vor sich hin sunge, und merkete ich wohl, daß er sich zu einem christlichen Ende wollt fürbereiten. Verstörete ihn darum nit in seiner Andacht, horchete aber überall hin, ob nichts verlaute, daß Wittenberg bald überginge. Vernahm wohl, daß schon fleißig Herolde und Parlamentäre uf- und zuzögen, und daß auch des Churfürsten Ehgemahl sich habe anmelden lassen. Als ich solches hörete, da lachete mein Herz für Freuden, und bekam schon steifen Muth, konnts nit erwarten. Sie käme richtig; da liefe ich gleich nach vor das Zelte Ihro Kaiserlichen Majestät, umb zu hören, wie die Sach würd ablaufen. Hurrah! er ist gerettet; weiß nit, wie mir beschahe! ja und noch mehr, ich bekäme Uftrag, ihn 8 Täge lang gen Wittenberg zu geleiten, zum Besuch seiner Sippschaft; sollte mit dem Leben davon kommen, aber Wittenberg und Alles bis uf ein Geringes an Herzog Moritzen abtreten und bis uf Weiters in Kaiserlicher Haft bleiben. Als das der alte Herr hörete, daß wir gen Wittenberg fahren sollten, verfärbete er sich ein Wing für Freuden, bedankete sich auch vor diese Gutthat des Kaisers, und machten wir uns alsbalde uf, setzeten uns in eine Gutsche, so von des Churfürsten eigenen Liberei-Bedienten Liberei ist unser jetziges Livrée. gekutschieret wurd, und fuhren nach Wittenberg.

Nu kann männiglich schließen, wasmaßen die Freud groß war. Weineten vor Freud und Wehe; vor Freud, weil sie ihn lebend wiedersahen, vor Wehe, weil er sein Leben mit also großen, theuren Opfern gewonnen und vom Fürstenmantel Nichts übrig geblieben, besondern ein arm Edelmann. Aber der Churfürst war gefasset und vertröstete sein Ehegemahl, daß er vor seinen Glauben also arm worden und vermeinete, daß ihm davor der allgerechte Gott eine viel bessere Krone geben würde, anerwogen er selbsten gesprochen: »wer Hab und Gut um meines Namens willen verlieret, der wirds 100fältig erben;« doch verhoffe er noch, der Kaiser würds nit so hart mit ihm machen.

Nu hätte doch wohl männiglich gläuben sollen, daß seine vorigen Unterthanen und insonderheit die Professores academiae ihm, dem Märtyrer der evangelischen Sach, ihr Betraurung und Theilnahme hatten sollen kund thun, aber da ließe sich Niemand nit sehen, ob aus Furcht vor dem Kaiser oder sonsten, laß ich in seinen Würden. Stunde zwar viel neugierig Pöfel uf dem Burghof und lugete nach dem Fenster, aber weiters ließe sich Niemand nit sehen. Solches mußte auch wohl dem Churfürsten wehe thun, träte öfter zum Fenster, so uf die Straße hin, kehrte aber seufzende und schweigende wieder um und unterhielt sich mit seiner Sippschaft: ob denn Niemand nit kommen würd, um ihm christlichen Zuspruch zu geben? Endlich, wie ich auch am Fenster stunde, sah ich den Dr. Pommer, Dr. Bugenhagen wurde oft Dr. Pommeranus genannt, weil er aus Pommern gebürtig. so mir noch wohl bekannt von meint Ebenteuer bei Luthero, die Gasse heraufkommen; stunde erstlich beim Eingänge zum Burghofe stille, als ob er sich besänne, bis er endlich über den Hof zur Burgtreppen heraufschritte. Währete auch nit lange, so käme ein Liebereibedienter und meldete Dr. Bugenhagen an, so Sr. Churfürstlichen Gnaden zu sprechen begehrte. Da stunde der Churfürst sogleich von seinem Sessel uf und sprach: er müge gleich kommen; und könnt ich es ihm ansehen, waserlei innere Freud er ob diesem Besuch hätte.

Käme denn auch alsbalde Dr. Pommeranus in die Thüre herein, war sehr roth und fast verlegen, entschüldigte sich, daß er ihne verstöre und was er sonsten fürbrachte. Aber der Churfürst griff ihne freundlich bei der Faust: und sei er ihm gar willkommen und was sein Anliegen? So räusperte sich mein Dr. Pommeranus und hube an: »Gnädigster Herr! Ew. Churfürstlichen Gnaden, ich hab schon sider langer Zeit keine Besoldunge mehr bekommen, und wollt Eure Churfürstlichen Gnaden unterthänigst gebeten han, mir meine Rückständer auszahlen zu lassen, anerwogen ich Nichtes mehr habe.« S. Ratzeberger, Luther und seine Zeit, herausgegeben von Neudecker, Jena 1850, S.173. Von einem christlichen, tröstenden Zuspruch war keine Rede. Da wurde mein Churfürst roth um die Stirn: Euer Begehr soll erfüllt werden, Dr. Pommerane! Ich werds Euch zukommen lassen. Habet Ihr sonst noch was fürzubringen?

Aber mein Pommeranus verredete es, bedankete sich und ging, wie er kommen, wieder abe. Da brach der Unmuth herfür beim Churfürsten, wurf sich in einen Sessel und wischte sich den Schweiß von der Stirn: Hätt gehofft, eine Vertröstunge zu hören von wegen der evangelischen Sach; nu aber säh ers klärlich, was schon Lutherus beklaget: »Jeder sucht nur das Seine;« belobete den Kaiser, so ihm mehr Gutes erwiesen, denn diese seine einstigen Unterthanen. Ja, es ist fast hart, daß die Meinen mich so verlassen! Ja, dieser Undank thut meinem Herzen weher, denn der Verlust meiner Würden! Ich aber verwunderte mich nit über Dr. Pommeranus und seinen schnöden Geiz, da ich ihn schon bei Lutherus in dem Ebenteuer mit seinem vertriebenen Landsmann genugsam kennen gelernt. Aber summa: in Wittenberg war der alte Herr nu ganz vergessen, wasmaßen er Nichts mehr zu geben hatte, wie ich aus Allem merken konnte; schimpfireten wohl gar uf ihn, als den Stifter solches Unheils und beschwänzelten ihren neuen Herrn, Herzog Moritz, als einen gar milden, lieben Herrn, so, wenn er auch papistisch, doch ihnen lieber, als der alte.

Solches war denn wohl nit zu verwundern, als Herzog Moritz des Geldes nit schonte, um sein neu Regiment zu befestigen, nachdem er die Zusagunge vom Kaiser allbereis empfangen. Wußte insonderheit die Häupter der Lutherischen, Mag. Philippum, und eben mein Dr. Pommer also zu kirrende, daß sie das Volk ihm gewönnen, und muß ich allhier doch notiren, was ich in Wittenberg erlebt, woraus man am Besten mag abnehmen, waserlei schändlicher Undank und schnöder Geiz unter den Gottesmännern zu Wittenberg gewest.

Da der Sonntag käme, wäre ich denn doch begierig, was Dr. Bugenhagen würd fürbringen, ob er etwan auch so feige als geizig wäre. Ginge darum, nachdem ich zuvor als katholischer Christ meine Andacht gethan, in die Kirchen. So predigte denn mein Dr. Pommeranus des Langes und Breites, so ich aber nit recht verstünde, anerwogen er plattdeutsch redete. Aber so viel hörete ich wohl, daß diesmal nichts vom Papst und dem römischen Endechrist fürkam, besondern Alles ohne Schimpfirung ihm abginge. Als er aber nu zum Schluß zu den Vorbitten kam und das Volk vermahnete, auch vor die christliche Oberkeit zu beten, hustete er erst und sprach mit erhobner Stimmen: Und besonders, werthe Gemein! bitt auch vor unsern gnädigsten Herrn, den Churfürsten; doch meine ich nit den alten, gefangenen, sondern den itzigen, neuen, unsern gnädigsten Herrn, Herzog Moritz; der ist ein rechter, milder, gutthätiger Fürst; denn er hat neulich mir und dem Herrn Mag. Philippo, eim Jeden eine Pumpmütze voll Thaler verehren und schenken lassen; Ratzeberger S. 188; vergl. Arnold Kirchen- und Ketzerhistorie Th. II. Buch XVI. Kap. IV. S. 32. vor diesen milden, gnädigen Herrn lasset uns beten. Auch wollen wir nu ein Te Deum anstimmen zum Dank dem gerechten Gott, so den Feind vor Mühlberg hat fangen lassen, der alles Unheil hat anstiftet Arnold a. a. O. und historia mscrpt. de Joan. Fried, pag. 26. So lohnte man dem Martyrer der evangelischen Sache! und uns einen neuen, so gnädigen Herrn bescheeret. Und hiermit stimmte er mit heiserer Kehlen das »Großer Gott, wir loben Dich,« an und watschelte von der Kanzel, mit den Händen in den Taschen wühlende. Summa: ich hatte genung und auch mein fangner Churfürst, dem solch schnöder Undank mehr am Herzen fraße, als der Verlust seiner Würden. Beklagete sich auch gar bitter bei seiner Frauen und belobete den Kaiser, wie er ihm von fürnehmen Officieren mit aller Ehrfurcht lasse bedienet werden, da er doch sein Gefangener; seine Freunde hätten ihn vergessen; aber seine Feinde thäten ihm alles Gutes. Wörtliche Klage des unglücklichen Churfürsten! S. Woltmanns Geschichte der Reformation.

So war nu, wie leicht zu judiciren, ein großer Commersch zwischen dem Läger und der Stadt, und kämen auch gar Viele hineingeritten, um sich das Augustiner Kloster, wo Lutherus ehender gewest, zu besehen und auch sein Grabmal in der Kirchen; und da ich mit Allem wohl bekennt war und gar manchen Schwank dieses Münches, und was ich selbsten bei ihm erlebt hatte, zu erzählen wußte, so wäre es ihnen angenehm, sie zu begleiten und ihnen Alles zu expliciren. Währete auch nit lange, als Ihro Kaiserliche Majestät selbsten in die Stadt geritten kämen, um das Sehenswürdige in Augenschein zu nehmen, und mußte ich ebenmäßig auch Ihro Majestät den Dolmetsch machen. So wollten denn Ihro Majestät sich die Stadtpfarrkirchen besehen und ritten darum über den Kirchhof an der Pfarrwohnung fürüber, so mein Dr. Pommeranus als Pfarrherr bewohnte, und stunde er just mit verschränkten Armen am Fenster, als wir fürüber kämen, sprunge aber gleich zurücke, als ich ihn mit der Hand herunter wenkete. Aber die Kirchenporten waren verschlossen und konnten wir nicht hinein, da Meister Thelke, der Küster, nit zu Hause war, besondern, wie sein Eheweib vermeinete, das Sacrament zu eim Kranken brächte und die Schlüssel mitgenommen hätt'. Ritten darum nur um die Kirche ein Stück, und belobete der Kaiser das schöne Bauwerk und entblößete gar demüthig sein Haupt, als er ein Crucifixe, so an der hohen Mauer befindlich, entwahrte. Ratzeberger a. a. O. S. 170. So konnten wir denn nit in die Kirche, wegen der tummen Schlüssel, und ritten nach der Schloßkirchen, wo Dr. Luther begraben. Stunde grade ein Studiosus, Namens Johann Burges von Quedlinburg, an der Kirchthüren, so uns uf unser Begehr alsbalde ufschloß und uns hineinführete. War Alles gar öde in dieser Kirchen, und unheimlich. Die Altäre waren zubrochen und hingen dicke Kreuzspinnen in den leeren Rahmen, wo ehender die Bilder der lieben Heiligen; von den Wänden aber schauete uns das Conterfey Dr. Lutheri mit den finsteren Runzeln über der rechten Augenbrame fast grimmig an, sonsten aber sahen wir kein Bilde. So stunde der Kaiser ein Augenblick für Lutheri Conterfey, bis wir denn pochenden Herzens an das Grabmal Dr. Lutheri kamen, das hart am Predigtstuhl belegen. Da schlüge Ihro Majestät über sich ein Kreuze und wir Alle ihm nach, und nu traten wir an die meßine Tafel, darunter Lutherus begraben. Wohl etliche Minuten stunde der Kaiser und spräche kein Wort, also ruhlich, daß man das Uhrwerk im Thurme ticken hörte, schaute unverwandten Auges uf den Grabstein. Da träte endlich ein spanischer Prälate an Ihro Majestät hinan und raunete ihm etliche Worte, so ich aber nit verstehen konnte, zu. Aber Ihro Majestät mußte es verdreußen, wandte sich schnell ab und sagte: »nein, nein, lasset ihn ruhen bis zum Tage der Auferstehung; wir führen keinen Krieg mit den Todten, besondern mit den Lebendigen; er wird seinen Richter schon gefunden haben.« Tom. IX. Altenb. S. 1581. Da klunge die meßine Tafel, ob vom Winde oder sonsten, laß ich in seinen Würden; wir sahen uns aber stillschweigende an und gingen nachdenkende heraußer.



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