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Viertes Kapitel

Sir Beamish, dieser, alles in allem, der Reflexion zugeneigte Gentleman und unser erster, wenn nicht unser einziger Beau mit philosophischem Geiste, Sir Beamish, sage ich, tat dieses Axiom, daß der Engländer Im gesellschaftlichen Leben einer tyrannischen Regierung bedürfe, ebenso wie er im politischen Leben ohne eine solche auskomme. Die Erklärung dieser Tatsache gründete er auf den Charakter der Rasse. Deren Repräsentanten, sagte er, besitzen eine eminente Tugend, die darin bestünde, sich als Individuum zu bestätigen. Auch verstünden sie überall dort, wo sich eine größere Menge von ihnen versammle, sich Platz zu schaffen, hinreichend, daß jeder seine Ellenbogenfreiheit habe. Aber das gesellige Leben ist nicht erträglich, wenn beständige Reibungen das Annehmliche der Beziehungen stören. So wird eine Qualität, durchaus lobenswert beim unabhängigen Bürger, bedauerlich dann, wenn sich ein etwas brüderlicher Cercle bilde. Und die gleichen Menschen, welche ein viel zu eklatantes Beispiel der Zivilisation gegeben haben, als daß man ihnen deren Mangel vorwerfen könnte, kann man oft dabei überraschen, daß sie mit Fäusten an den rauhen Grenzen der Barbarei aufeinander losgehen. Darum muß es sein, daß sie in der geselligen Sphäre Gesetze hinnehmen, die sie nicht gemacht haben und die von äußerster Strenge sind.

Aber hier belauert sie eine neue Gefahr, und der Beau antizipierte sie aus der schmerzlichen Erfahrung einer kommenden Epoche. Werden sie nicht, diesen Gesetzen einmal unterworfen, völlig die schöne Lebendigkeit verlieren, die sie im Zustande der Unabhängigkeit auszeichnet? Hat je die Vernunft Macht über ihre Wildheit bekommen, werden sie in ihren freiesten Reunions diese turbulente Blutader behalten, die auf dem Dorfplatz nicht auffällt und hingehört? Unser »lustiges England« wird das England langer Gesichter werden, ein England armer »erschreckter Teufel, Schweinsköpfe mit einer Zitrone im Maul. Gutes Essen vielleicht, aber triste Gesellschaft.

Man möchte sagen, Beamish habe hier Gefahren vorausgesehen, anhaftend einer Umänderung, deren Etappen er nur verfolgen konnte, solange er lebte. »Ich empfehle mich,« sagte er, wie ich gekommen bin, in einem Blitz.«

Er hatte in der Tat weder Ahnen noch Nachkommen. Er war ein Genie und wußte sich aus diesem Umstände einzelhaft, trotzdem er sich sehr mühte, sich Ähnliche, Gleichende zu schaffen. Im Umkreis seines Territoriums war sein Tun effektiv. Uns Heutigen kommt es vor, als würde uns das eher gestört als gedient haben. Aber das darf uns nicht hindern, in ihm einen Fürsten unserer domestikalen Zivilisation zu bewundern. Das Natürliche verjagen geht nicht ohne einiges Risiko. Kommt die Natur im Galopp zurück, wie das Sprichwort sagt, so im Sturm. Gemeiniglich aber flüchtet sie im Galopp und verschwindet. Wir behalten dann keine Basis, darauf unsere andere Hoffnung zu gründen als unser Hirn, daß es uns Wärme und Belebung gebe. Wir sind darauf eingeschränkt, von unserm Intellekt zu leben, der gewöhnlich weniger fruchtbar ist als Felder und auch kein Artikel mit Wechselwirtschaft.

Ob er nun recht oder unrecht hatte, die Meinungen gehen darüber auseinander. Beau Beamish unterwarf das natürliche Chthonische der Regel und bediente sich dazu eiserner Ruten. Bauernlümmel und Magd hatten keine Ruhe, bevor sie nicht Herr und Dame machen konnten. Und was Herrn und Dame betraf, so erlaubte er auch ihnen nicht, ihre, wie er sagte. »Fahnen flattern zu lassen wie der Wind wolle«. Die verliebte Leidenschaft fand ihn nicht erbarmungslos: aber er bediente sich dieses selben Wortes, seine Schläge wem immer zu versetzen, der vorgab, ohne Skrupel galanter Abenteurer nachzugehen. Eines Tages einer Dame begegnend, die auf einem gewissen Punkte stand und den Eindruck eines steuerlos rollenden Schiffes machte, sprach er sie mit diesen Worten an, die berühmt geblieben sind: »Ich höre, daß Sie in den ehrwürdigen Orden der Buhlweiber eintreten wollen.« Dieses freche Wort trug ihm einen Handel mit dem Gatten ein und mit diesem »Spitzbuben von Diener«, wie den Dritten in der Partie zu bezeichnen ihm gefiel: aber das Wort brachte, sagt man, die Dame wieder auf den rechten Weg.

Fügen wir noch hinzu, daß er ganz offen vulgäre Manieren bei Personen vom Stande rügte. Als sich einmal eine elegante Dame eine Bewegung der Verachtung erlaubte, die sie nicht schöner machte, sagte er zu ihr: »Ist das wirklich Ihr Gesicht? Ich wäre glücklich, dessen Versicherung zu erhalten.« Eine Frau fragte ihn, weshalb gerade die Frauen das Objekt seiner Angriffe seien. »Weil ich«, sagte er, »für euch kämpfe und euch in den Reihen des Feindes sehe.« Er ging mit ihnen um wie mit Überläufern und Verrätern. Im übrigen sekundierten sie ihm gut. Die Frauen verachten ihre Schutzherren, wenn sie unter einem gewissen Alter sind, haben sie dies aber erreicht, lassen sie ihnen aus vollem Herzen Gerechtigkeit widerfahren. Dank einer Phalanx von großen Damen war der Beau in der öffentlichen Meinung mit dem olympischen Blitz investiert worden. Widerspenstige gab es nur bei den wagemutigen oder wilden Temperamenten oder den jenseits der erlaubten Grenzen Konfinierten. Er lenkte Blitz und Dekret glatt ans Ziel. Projektile gegen ihn geworfen fielen über ihn weg. Man fragte sich, ob das Land seinen Dorteil fände in der Tätigkeit dieses Menschen, der den kulturlosen Eingebornen und dessen Progenitur zivilisiere, indem er ihnen die naive Begeisterung, die Fröhlichkeit, die Kunst sich auszudrücken nehme, kurz, sie versteinere. Der Erfolg der Tracheotomie hängt von der Schnelligkeit und Geschicklichkeit des Operateurs in dem Momente ab, wo er sein Instrument in die Kehle des Patienten einführt. Vielleicht sind unsere unglücklichen Landsleute nicht mit der ganzen Kunst behandelt worden, oder es ist ihr Organismus widerspenstig gegen alles Artifizielle und es bleibt ihnen, ist die Natur vertrieben, nichts. Sei es wie immer, wir vermögen den Fall nicht weiter aufzuklären.

Die junge und schöne Herzogin von Ochsenschlepp bewahrte ihre Airs der Hirtin ihren gesellschaftlichen Talenten zum Trotz. Sie verführte unwiderstehlich. Der rote Apfel nah greifbar am Baumast versucht so den Vorübergänger, wenn der Gärtner nicht da ist. Sie sehen lassen, bewundern lassen, verlangen, daß ihr mit höchstem Respekt begegnet werde, trotz des Pseudonyms, das man ihr gegeben: solches hieß ein gefährliches Abenteuer wagen, solches bedeutete die Grenzen der Kühnheit überschreiten.

Beau Beamish hätte das nicht riskiert, wäre er nicht sicher gewesen, von seiner Phalanx von Damen unterstützt zu werden. Nachdem diese in das Geheimnis eingeweiht worden waren, hatten sie beschlossen, selber die Inspektion der metamorphosierten Melkerin zu übernehmen. Das Examen fiel für die Herzogin Susanne nicht ungünstig aus. Sie ging daraus als weiser als ihr Herzog hervor. Sie blieb stumm und ihre wohlerworbene Haltung wie auch ihre süperbe Geste taten das ihre, die Kritik dieser Damen milder zu stimmen. Sie lobten ihre im Errötenkönnen etwas zu prompte Unschuldigkeit mit einer Reserve, in dieser Bemerkung enthalten: »Sehr hübsches Spielzeug, die zweite Kindheit eines Herzogs zu erfreuen. Er hätte es in seinem Spiel- und Kinderzimmer eingeschlossen halten sollen.« Man billigte die Hüte. Alle Welt wußte um die große Kennerschaft des Herzogs im Kapitel der weiblichen Reize. Es kam ihm sehr natürlich die Oberaufsicht darüber zu, daß die Herzogin von den geschicktesten Haarkräuslern nach dem besten Geschmacke coiffürt würde, von den besten Modistinnen bedient. Man fand ihren Blick süß und ihr Lächeln gewinnend. Sie könnte ganz gut ausschlagen, vorausgesetzt, daß man sie in der ersten Zeit im Auge behielte. Die Art der Herzogin, ihr Charakter las sich durch ihren Namen hindurch wie beim Schein eines lebhaften Lichtstrahls; aber Ihre Richter vermochten sie nicht mit aller Rechtlichkeit zu schätzen. Man empfahl ihr im Chore Puder auf Haar und Wangen, erklärend, dies sei das einzige Mittel, ihr ländliche« Parfüm zu exorzisieren. Sie würde ja rot, daß es schon beinah indezent sei.

Aber die Richter des feindlichen Geschlechtes betrugen sich, wie gesagt werden muß, danach, daß der Herzogin die Farbe Ins Gesicht steigen mußte. Und die Farbe strömte immerzu. So ergötzt sich der Trupp kleiner rosenfarbener Amoretten um Cythere inmitten der Wellen: steigend oder sich stürzen lassend, ein fliegender Gürtel, voltigieren sie in der Luft, schweben, hängen in ihr, den Blumenblättern gleich, die ein Sommerlüftchen hinaufbläst, und fädeln das Netz, das sie über die Welt werfen.

Die Herzogin Susanne konnte zu ihrer Verteidigung anführen, daß sie nicht Herrin dieser Blutstöße sei, daß dessen Ursache die frechen Augen seien, nicht ihr ungepudertes Gesicht. Kein Zweifel, aber das Natürliche muß, handelt es sich darum, den Mann zu beherrschen, versteckt, bis zu einem gewissen Grade ausgelöscht, ja bei Gelegenheit ganz unterdrückt werden. Jedesmal, wenn die natürliche Frau ihren Fuß auf die Erde stellt, ruft sie mit dem Schlag auf den Boden die schreckliche Erscheinung des natürlichen Mannes hervor, – und der natürliche Mann sieht ihr gar nicht ähnlich, ist ein Wilder, ein Kannibale. Um das Licht seines Weges zu sein, muß sie es verstehen, sich in der durchsichtigen luftigen Draperie einer Vorstellung zu verhüllen, um im Geiste des Mannes wie eine Idee zu sein, sehr süß, sehr mächtig, aber auch sehr mysteriös und unfaßbar. Man richtete zu diesem Punkte sehr kluge Reden an die Herzogin: sie verstand ein kleines Teil davon und machte ohne Einwände gegen den unverstandenen Rest gutes Echo, nichts wünschend als sich in allen Punkten gelehrig zu zeigen, soweit wenigstens ihre Intelligenz zustimmte, geweckt zu werden.

Sie durchschritt eine Phase, die alle jungen hübschen Frauen passieren müssen, welche in ihrer Kindheit nicht abgerichtet wurden, und man sieht sie das Entzücken an sich selber mit einer raffinierten und leicht gemilderten Unschuld kultivieren. Es kommt ihnen wie eine Beschmutzung vor, sich anders zu zeigen als so, wie sie die gute Mutter Natur gemacht hak. Mutter Natur, die sie schön gemacht hat, und dafür, wie man doch zugeben müsse, verdiene, angebetet zu werden. Weder die Vorstellungen der Damen von Welt, noch die Ratschläge Chloes vermochten sie zu überzeugen, daß sie die Puderquaste gebrauchen müsse. Vielleicht auch fand sie, Ängstlichkeit aufgebend, ein Vergnügen darin, gegen ihre Umgebung abzustechen.

Aber diese erstaunliche Herzogin von Ochsenschlepp mit ihrem Teint und ihrem Haar des Landmädchens konnte ernsthafte Unruhen erzeugen. Die Vor- und Voraussichten eines Beamish konnten vereitelt werden. Sehr wohl ihre anziehende Kraft erratend, hatte er nicht mit dem harmonischen Ensemble ihrer besondern und sehr englischen Reize gerechnet. Eine Schöne in Rot, Weiß und Blau, das ist unsere insulare Göttin Venus, die in ihrer Hand den Apfel des Paris hält. Die Herzogin brauchte nur zweimal im Kursaal und einmal auf der Promenade beim Rathaus zu erscheinen, und schon waren alle Bewohner von Wells hinsichtlich ihrer in zwei Lager gespalten. Sie waren Männer und Frauen durch die Meinung, ganz so wie sie Männer und Frauen durch die Natur ihres Geschlechtes waren.

Die Männer wiesen es von sich, im Schweigen zu verschwinden. Ihre Augen hatten ihre Lieblingsgottheit geschaut. Es war an den Frauen, diese Attitüde des Schweigens einzunehmen, hinter der sich so viel Sturm und Gefahr verbirgt. Einfache und Edelleute, Militärs und Herren vom Lande gaben allseits ihre Funktionen auf, um sich dem Dienst der robusten Schönheit vor Ihnen da zu weihen. Sie taten das jeder auf seine Weise mit entzückten Ausrufen, mit Sapperlot! mit Holla! und Drauf los!

Es passiert in Britannien nicht häufig, daß die Schönheit die Feinheit des Geruchssinnes erregt, wie bei der Fuchsjagd. Da tat nun die Herzogin Susanne ganz Ungewöhnliches: sie verwandelte alle ihre Nachsteiger in Jagdhunde: ganz närrisch waren sie. Paar Tage nach ihrer Ankunft wurden schon tolle Wetten auf sie gemacht, gab sie Anlaß zu Verfeindungen, rief mehr oder weniger delikate Propos über sich hervor, Auseinandersetzungen gab es über sie, ja, eines schönen Tages stürzte einer auf die Erde infolge eines ihm in aller Öffentlichkeit versetzten Faustschlages, – genau so, als ob die zivilisatorische Hand des Beau Beamish niemals über das Land gestrichen wäre. Der Faustschlag stürzte ihn in tiefe Ratlosigkeit. So stark er auch das Duell mißbilligte, der Degen wäre immerhin erträglicher als die grobe Faust. Und wer hätte unter allen Männern gerade den jungen Alonzo, den stillen und bescheidenen Anbeter Chloes in Verdacht gehabt! Und er war der Schuldige! Der Fall wurde Herrn Beamish unterbreitet. Seine Pflicht war, ein unparteiisches Urteil zu fällen. Während der Dauer der Verhöre litt er wahrhaft königliche Qualen eines Potentaten. Er selber ist es, der uns dessen in seinen Erinnerungen versichert. Mit dem Richterschwerte gerade jene treffen zu müssen, die ihn am meisten schätzten, dies ist der Könige allergrößter Schmerz. Der Beau erlitt ihn: er verdiente zu herrschen. Zum Glücke dienten die Aussagen zu Lasten des Opfers, des Herrn Ralph Shipster, als Entschuldigung für Herrn Augustus Camwell, genannt Alonzo, als Entschuldigung für die Energie, mit der er jenem den Mund geschlossen hatte.

Der genannte Shipster, ein junger schlechtpolierter Krautjunker, der, wie Beau Beamish schreibt, »ein Parfüm halb Land- halb Stadtluft ausstrahlte«, hatte in seinen familiären Bemerkungen über die Herzogin von Ochsenschlepp Chloe einbezogen. Aus Respekt für Chloe billigte Herr Beamish mit erhobener Stimme ihren Verteidiger Alonzo, so gut, daß er bei Verkündigung seines Urteils die Passion des jungen Mannes hervorhob, um damit sowohl das Desinteressement des Angreifers, als auch den judiziarischen Charakter seines Spruches zu beweisen: Herr Ralph Shipster wurde zur Strafe der Verbannung aus Wells verurteilt, aber ihm das Recht, Genugtuung zu verlangen, zugesprochen. Dieser letzte Teil des Urteiles erleichterte die Ausführung des ersten Satzes. Die kalte Klinge aus Stahl sagte einem Shipster gar nichts. Er erklärte, alle Duellanten seien Mörder, und hörte zu dieser Aufstellung nicht auf, sich in Betrachtungen über die natürliche Logik zu erschöpfen. Weil es einem Manne beliebte, mir einen Schlag zu geben, der mich zu Boden wirft, soll Ich von ihm noch einen weiteren fordern müssen, der mich durchbohrt? Und mit dem Kopfe machte er eine Geste, die sagen sollte: »Ich bin nicht so idiotisch.« Geschwätzig und fruchtbar an Bildern, wie bloß die Kinder der Natur sind, die in deren Namen und nach deren Weisheit sprechen, bot er dem Urteil Trotz und schlug sich selber die erlaubte Satisfaktion aus. Aber sehr bald wurde er auf die merkwürdigste Weise von Flügen weißer Federn überfallen. Wurde der Gegenstand von tausend Verfolgungen, die die Freundschaft seiner Freunde auf eine allzu harte Probe stellten. Er ergriff die Flucht, nicht ohne nochmals seine Geschichte zu erzählen und weiterzugeben: er habe, versicherte er, die »Herzogin von Beamish« in Begleitung Chloes zu einem Rendezvous ins Südliche Boskett gehen sehen, und hier hätte sich den abenteuernden Damen ein in den Wells unbekannter Herr angeschlossen und wäre mit ihnen promeniert... und vollendete seine Geschichte mit erläuterndem Augenzwinkern.

Mit der Verbannung Shipsters errang die Gerechtigkeit einen jener Siege, zu denen man die Menschheit beglückwünschen möchte, dächte man nicht an die Folgen. Hat ein Schuljunge vor seinen Kameraden die Rute bekommen, so packt alle die Furcht. So. genau so ist es auf dem ganzen Globus. Dient eine summarische Bestrafung nicht zu einer radikalen Reinigung, so kann sie leicht jene verderben, die sie verschont hat. Die großen Gesetzgeber, Lykurg. Drakon, Solon, Beamish, erkannten mit Betrübnis, daß sie zu den infernalischen Mächten Zuflucht nehmen mußten, nachdem sie die Gesellschaft durch Aufmunterung eines Schuldigen gereinigt hatten. Die Ärzte machen dasselbe Geständnis, indem sie von ihren Medikamenten sprechen. Das vertreibende Agens, die subtile, auf die Geister wirkende Kraft, muß nun seinerseits vertrieben werden. Der Weihrauch, den die Herzogin durch ein Opfer erhalten hatte, erhöhte Ihre Reize, indem er sie nicht nur, was sie schon waren, begehrenswert, sondern auch gefährlich machte. Sie gewissenhaft zu überwachen, wurde eine ermüdende Sorge.

Beau Beamish ließ Chloe zu sich kommen, und sie beeilte sich. Ihr Blick war seltsam, und Beamish studierte ihn, während man plauderte. Man hätte sagen können, sie betrachtete den sichern Flug eines Pfeiles oder die glücklichen Verwicklungen einer Intrige.

»Mein Kind.« sagte er, »ich bin kein Inquisitor.« Hierauf fing er wie ganz zufällig eine kleine Enquete über Chloes Herrin an. Gestand, daß der falsche Name der Herzogin Susanne das Hauptmotiv all der Unzukömmlichkeiten sei, die sich in bezug auf die Durchlaucht ereignet hätten. Er bedauerte sehr, ihr den Namen gegeben zu haben.

»Sie ist nicht enturiert wie eine Zitadelle, über der die Fahne weht, sondern wie eine Herberge, wo man Sitz und Mahl verlangt. Das sind so unsere Sitten. Aber ich muß zugeben, daß ihr Name hinreicht, die Neugierigen zu intrigieren. Mein allzu ausschließliches Verlangen, den Herzog aus dem Spiel zu lassen, findet sich von den Beunruhigungen aufgewogen, welche die die Herzogin umgebenden Gefahren hervorrufen. Sie ist nicht, was ich glaubte. Ich nehme an, sie ist brav und honett, aber sie präsentiert zu viel Lockungen, und wir können auf Fallbrücken, Gräben und andere gebräuchliche Verteidigungsmittel nicht verzichten.«

Zur Antwort auf Fragen des Beau gab Chloe mit Eifer der Unschuld und dem guten Naturell der Herzogin Zeugnis. Es beruhigte ihn.

»Und Sie, Chloe?« sagte er.

Sie lächelte und sagte nichts.

Dieses Lächeln war nicht ihr übliches Lächeln. Es war dessen leidenschaftliche Übertreibung. Während er es betrachtete, bewegten sich seine Lippen wie fragend. Ein solches Lächeln bittet uns, zu erraten, und wir erraten durch es, es macht uns aufmerksam, daß man brenne, und dank seiner brennen wir. Einem Engel gleich, der uns auf eine Gipfelhöhe führt, wo man die himmlische Freude genießt, also hebt uns solches Lächeln aus uns selbst heraus und läßt uns im All Farben sehen, die der Mund nicht aussprechen kann außer durch ein erloschenes Wort. Es ist des Herzens wahrhafte Sprache.

Beau Beamish blieb wartend: er wagte es nicht, seinen Gedanken auszusprechen.

Aber Chloe machte ein zustimmendes Zeichen.

»Sie haben ihn gesehen. Chloe?«

Ihr Lächeln zerging, ihr Züge wurden starr, drückten Ergriffenheit nahe dem Schmerz aus. »Er ist gekommen, ist hier. Er ist treu, hat mich nicht vergessen. Ich wußte es. Ich behielt recht.«

»Also Caseldy ist hier?«

»Er ist hier. Fragen Sie mich nichts weiter. Er ist hier, Herr Beamish! Hier!«

»Endlich.«

»Sie sind grausam.«

»Gut, Caseldy ist zurückgekommen, liebe Freundin. Sie müssen wissen, daß dieser Mensch ...«

Sie legte die Hände an die Ohren, und Beamish bemerkte eine dicke Strähne Seidenfäden, die an einer ihrer Hände hing. Deren eines Ende war zu einem Zopf geflochten, das andere hatte einen Knoten. Als hätte sie eine Geißel zu flechten angefangen, so sah es aus, und begann nun mit dem Ding zu spielen, legte es sich auf die Hände, um Ihre Arbeit zu prüfen. Es gab keinen Anlaß ab zu einem Kompliment: er ließ das kleine Seil ohne ein Wort.

Man hätte auf den beiden Gesichtern lesen können, daß sie nichts gegen Caseldy hören wollte und daß er zustimmte, nichts zu sagen. Das Glück Chloes war zu ungeheuer. Es sah aus, als ob sie sich ausbreiten wollte, es an ihre Brust pressen wie eine erschöpfte junge Mutter, die ihr Neugebornes aus den Armen der Amme empfängt.


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