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(Spielt um Acht Tage später, in einer großen Staat, eine Tagreise von der vorigen entfernt.)
(Einfach möbliertes Zimmer in Maxner's Wohnung, eine Seitenthüre rechts, eine lincks; in der Mitte der allgemeine Eingang. Im Prospecte rechts ein Fenster mit Jalousien.)
(Frau Katharin, Rosaura.)
Rosaura (zur Mitte eintretend, mit affectierter Ängstlichkeit). Liebe Frau Maxner –
Katharin. Was verschafft mir die Ehre?
Rosaura. Sie sind eine verschwiegene Frau, eine kluge Frau –
Katharin. Mein Gott – so viele Jahr' beym Theater –
Rosaura. Herr Damisch wohnt bey Ihnen –
Katharin (nach rechts zeigend). Das Zimmer verlassen wir an ihn.
Rosaura. Er ist mit meinem Onkel spazieren gegangen, diese Gelegenheit benütze ich eben, um einige Erkundigung – er spricht von großem Vermögen, scheint aber bedeutend in der Klemme zu seyn.
Katharin. Bey uns hat er 's Quartier noch nit bezahlt, die Kost' bleibt er schuldig, und gestern hat er sich bey mein'n Mann Dreyßig Kreutzer ausg'liehn.
Rosaura (bey Seite). Dafür hat er mir wohl das Bouquet gekauft, (laut.) Auch trägt er Kleider aus unserer Theater-Garderobe, was jedoch Alles durch Familien- Differenzen erklärbar. – Schreibt er Briefe?
Katharin. An Ihnen, wie er Ihnen Zwey Stund nit sieht.
Rosaura. Erhält er Briefe?
Katharin. Ihr Stubenmädl hat gestern ein'n bracht.
Rosaura. Das gehört nicht hieher. Aufgesucht hat ihn noch Niemand?
Katharin. G'rad is Einer da, der um ihn g'fragt hat; er is mit mein'n Mann in sein'n Zimmer (nach Rechts deutend) drinn. Wenn die Fräule warten woll'n –
Rosaura. Nein ich komm in einer Stunde um Auskunft. Leben Sie wohl; ach, ein Mädchen kann nicht vorsichtig genug seyn! (eilt sehr schüchtern, wie sie gekommen zur Mitte ab.)
(Lisi, Mali; die Vorige ohne Rosaura)
Lisi (mit Mali aus der Seitenthüre lincks kommend). Is sie einmahl fort, die G'spreitzte?
Mali. Im schönsten Horchen hat sie uns g'stört mit ihre Wichtigkeiten, die Öde.
Katharin. Raisonnierts nit immer über sie, ich wollt', es hätt' Eine von euch ihr Talent.
Lisi. Für das, daß wir nur Theatertischler'stöchter sind leisten wir Unglaubliches.
Mali. Man könnte sagen, Niedagewesenes. Übrigens is nicht zu zweifeln, daß der Vater bald Theater-Director wird –
Lisi. Dann sind wird per se erhaben über alle engagierten Mitglieder.
Mali. Sollt' sich Eine untersteh'n, und ein Talent haben, gegen uns! Jetzt will ich aber wieder – (nähert sich, horchen wollend, der Thüre rechts.)
Katharin. Gehst weiter –!? mir scheint, sie kommen g'rad heraus.
(Conrad, Maxner; die Vorigen.)
Maxner (mit Conrad aus Seitenthüre rechts kommend). So is es, wie ich Ihnen g'sagt hab'.
Conrad. Und ich kann auf Ihre Mitwirckung – (die Anwesenden erblickend.) Ah, da sind Ihre Töchter –?
Maxner (auf jede einzelne zeigend). Die Lisi, und die Mali.
Conrad. Und Ihre Erstgebor'ne (auf Katharin zeigend) übergehen Sie mit Stillschweigen?
Maxner. Was!? (lachend.) Hahahaha! Das is ja mein Weib, die Kathrin.
Conrad (außerordentliches Staunen affectierend). Nein, nein, das gäbe einen unabsehbaren Krieg zwischen der Möglichkeit und Unmöglichkeit – so eine Gränz'-Überschreitung –!
Katharin (sehr geschmeichelt und hochdeutsch sprechend). O, es ist doch so –
Maxner (zu Conrad). Na, na, keine Kinderey'n, wir haben aufs Jahr schon die Silberne.
Conrad. Was für eine »silberne«? Doch nicht Hochzeit –?
Maxner. Was denn sonst?
Conrad. Man verblüfft mich mit Naturspielen. (Zur Katharin.) Vor 24 Jahr'n können Sie ja noch gar nicht gewesen seyn; wenn sie so fortfahren, so feyern Sie die goldene Hochzeit mit etliche Dreißig Jahr'n.
Katharin (wie oben). O, ich bitt –
Maxner (zu Conrad). Wann S' mit'n Alteweiberfoppen fertig sind, so sagen S' mir's.
Katharin. Ungalanter Mann –!
Conrad. Nein, er hat recht.
Katharin (beleidigt). Was –!?
Conrad. Daß er eifersüchtig ist; wenn ich – (zu Katharin) wie heißen Sie?
Katharin. Katharin.
Conrad. Wenn ich Käthchens Gatte wäre, ich wär' es auch, eifersüchtig nehmlich.
Maxner (zu Conrad). Na, na, hören S' auf von Friedgeb'n! Sie haben also in mir einen Verbündeten wollen, den haben Sie.
Conrad. Aber auch die Ihrigen müssen meine Alliierten seyn; mein Plan ist vorzugsweise auf Damenbeyhilfe basiert.
Maxner. Meine Famili muß thu'n, was ich schaff. Wir wollen als Fünf Verbundene handeln, denn Ihr Intresse is auch das meinige. Der Schofel is schon Acht Tag' mit der G'sellschaft da, und hofft vor der Linie a Theater-Permission und Locale z' krieg'n; aber die Zwölf Meilen Reis', von der verhängnißvollen Arena bey Ihnen bis daher, und die Acht Tag Zuwarten haben seine Fond's aufgezehrt. Die Mitglieder warten keine 24 Stund mehr, dann werd' ich sagen, »ich zahl' die Gagen«, – »Hoch Maxner! Fort Schofel!« werden s' Alle mit ihren Kraftorganen schrey'n, so bin ich dann der Erwählte von die Millionstimmen, und mein g'hört die Direction.
Conrad. Es könnte aber fehlschlagen, wenn Damisch als gefangener Goldfisch in Schofel's Netzen bleibt.
Maxner. Drum muß er ihm entrissen werd'n, dann hab' ich in meinen Netzen den Schofel als Stockfisch g'fangt.
Lisi. Ich weiß aber nicht, ob der Damisch so leicht abz'bringen seyn wird.
Mali. Er is zu starck in die Directrische brennt.
Conrad (galant). Unzerstörbare Leidenschaft ist undenckbar bey einem Menschen, der mit Drey so liebenswürdigen Damen unter einem Dache wohnt.
Lisi. O, der hat gar keine Augen für uns Zwey.
Conrad. Wirklich? für Keine von allen Dreyen?
Katharin (mit affectierter Bescheidenheit). Oh, geh'n Sie, wenn man einmahl große Töchter hat, wie ich –
Conrad. In das kann ich mich nicht finden! ich sag' immer, Sie sind auch eine Tochter.
Maxner. Werd'n S' mir d' Alte geh'n lassen!? Mit der is nit z' g'spaßeln; wenn S' ihr's noch a Paar Mal sagen, so glaubt sie 's.
Mali (welche zum Fenster gesehen). Er kommt –!
Conrad. Der Damisch –?!
Maxner. Wißts was, Madln; redts mit ihm, damit Sie (zu Conrad) sich überzeugen von sein'n Liebeswahnsinn.
Conrad. Gut, Lisi und Mali bleiben hir, und Vater, ich und Käthchen (auf Katharin zeigend) werden lauschen.
Katharin. O, ich bitt' –
(Conrad geht mit Maxner und Katharin in die Seitenthüre lincks ab.)
(Lisi, Mali, Damisch)
Damisch (zur Mitte eintretend, ohne Lisi und Mali zu bemercken). Seit Erfindung der Verhältnisse war noch kein solcher Übelstand da. Der Onkel Schofel geht der Rosaura nicht von der Seiten, und wenn er ihr von der Seiten geht, so muß i mitgehn. Weg'n ein'n Onkel solche Tantalus-Qualen aussteh'n, das is wircklich –
Lisi. Aber Herr Damisch, schon wieder niederg'schlagen?
Damisch. O, nein! i hab nur an Ein'n denckt, den i gern niederschlag'n möcht'.
Mali. Wir hätten Ihnen schon lang' gern g'sagt –
Damisch. Ob sie mir was sagen oder nit, das verschaffet mir keine Linderung. Sie haben Keine die Sprach' die zum Herzen dringt.
Lisi. Diese Behauptung können wir durch Thatsachen dementieren.
Mali. Wir haben schon zu curiose Herzen gesprochen.
Damisch. Aber Sie haben eine locale Mundart, und Localität zerstört jede Poesie, (pikant) Amor war kein Stockerauer.
Mali (die Pikanterie erwiedernd). Potsdamer is er aber auch keiner g'west.
Damisch. Das soll eine Anspielung auf die Göttersprache –
Lisi. Der affectierten Rosaura seyn.
Damisch (mit Begeisterung). Die spricht keinen irdischen Dialect; sie redt himmlisch, überirdisch, Rosaurisch! Wann mir eine sagt: (in Local-Dialect.) »I lieb di, du bist mein All's auf der Welt« – was hab' ich da davon? Wenn aber Eine sagt: (übertrieben hochdeutsch.) »Du bist das Ideal meiner Träume, alle Regungen meines Herzens verweben und verschlingen sich mit dir« – ! das is a anders Numero.
Mali. Na, wann's Ihnen g'fallt in der Sprach' anplauscht z' werd'n –.
Lisi. 's is gar keine Spur von Natur drinn.
Mali. Und man sagt doch allgemein: »Süße heilige Natur, laß mich geh'n auf deiner Spur«.
Damisch. O, nein nur nix Natürliches! wann ich das wollt', das hätt' ich z'Haus haben können. Schaun S', wann ich Ihnen Zwey so anschau', so denck' ich mir oft –
Lisi (ihm ins Wort fallend). So ein Mädl müßt' auch nit übel seyn.
Mali. Ich wüßt' nicht, was Sie sich sonst dencken könnten.
Damisch. Da denck' ich mir oft: wann sie jetzt allein da wär' –!
Lisi und Mali. Die welche?
Damisch (mit Begeisterung auf Rosaura). Sie allein, statt Ihnen Zweyen, wie seelig wär' ich dann!
Lisi (pikiert). Sehr galant –
Damisch. Da fühl' ich erst recht, was das für ein Unterschied is, Sö, und sie.
Mali. Na so redet ich s' halt in Gott'snahm an um a heimliche Zusammenkunft.
Damisch. O, das thut sie nicht.
Lisi. I weiß nit, ob sie allweil so viel' Umständ g'macht hat.
Damisch. Wie ich nur von einer specifischen Annäherung was dergleichen thu', so is's, als wann s' nicht deutsch verstund'.
Lisi (boshaft). Englisch, scheint mir, versteht s' besser.
Damisch. Englisch? Das kann s' gar nicht.
Mali. Ah ja! wenn's gebrochen g'sprochen wird, versteht sie's ganz.
Lisi. Fürchten S' Ihnen nicht, so ein Engländer weiß sich schon andere Schönheiten z' finden.
Mali, 's is nit der Erste der s' sitzen laßt.
Damisch. Über die Rosaura giebt's nix! sie is als Mädl untadlhaft schön, und is auch als Mädl ed'l und untadlhaft brav; Sie möchten s' nur verläumden bey mir.
Lisi. Verläumden! hahahaha!
Mali. Da braucht man erst a Verläumdung!
Damisch. Schaun Sie lieber auf sich selber, mir scheint, Sie wandeln alle Zwey dann und wann einen Wand'l, der just nit alleweil gar so extra ganz fleckenlos is.
Mali (auffahrend). Impertinenz ohne Gleichen –!
Lisi. Ruhig, Schwester, vergiß nicht unsere Erziehung –
Mali, (sich mäßigend). Ja, ja, und die Stellung welche uns in der Welt vorgezeichnet ist.
Lisi (zu Damisch). Ich verzeihe Ihnen, denn Sie scheinen das dem Schiller vorgeschwobene Ideal zu seyn, wie er seinen »Ferdinand« lamentieren laßt um die Unze Gehirn, die dem Pavian zum Menschen verholffen hätte –
Mali (Lisis Rede ergänzend). Während sie in einem gewissen Hirnkasten (mit Bezug auf Damisch) verschwendet, dem sechsten Schöpfungstage nicht zur Auszeichnung gereicht. So fein red't eine Gebildete, wenn sie grob seyn will. Komm Schwester! (beyde gehen in die Seitenthüre lincks ab.)
(Damisch, allein.)
Damisch. Jetzt muß ich gleich in »Schiller's Wercke« nachschlagen, was sie meint, was ich für Einer bin; nacher schlag' ich den Shaquespear auf; i glaub, da, wo der Hamlet gegen die Ophelia ausart't, da werd' ich a Paar Sottisen finden, die paßen auf die. Ah, Antwort bleib i keine schuldig!
(Einleitung zum Lied. Lied, nach dem Liede in die Seitenthüre rechts ab.)
(Mali, Lisi)
(kommen aus der Seitenthüre links.)
Lisi. Wie g'schwind die Mutter Alles beysamm g'habt hat!
Mali (ungeduldig). Wenn s' nur bald fertig werd'n –!
Lisi. Kannst es denn gar nit erwarten?
Mali. Es is mir zu a große Freud', wann der Directrischen Einer abspenstig g'macht wird! I bin g'wiß nicht neidig, nur wenn ich seh', daß eine so ein unverdientes Glück hat –
Lisi. Du find'st halt a jed's Glück unverdient, was Du nicht selber hast.
Mali (in die offengebliebene Seitenthüre hineinzeigend). Dem Vater seine Kammerthür geht auf – Du, da schau' her –!
(Conrad, Maxner, Katharin; die Vorigen.)
(Conrad, Maxner und Katharin treten aus der Thüre links auf.)
Conrad (gerade so gekleidet, wie Rosaura in der 1sten Scene dieses Actes, hüpft, aus der Seitenthüre links, auf Lisi und Mali zu, und umschlingt mit jedem Arm Eine von Beyden; mit weiblicher Stimme). Ach theure Freundinnen, möge dieser Kuß euch sagen, wie sehr – (will Beyde, indem er sie an sich drückt, küssen.)
Lisi (ausweichend). Gefehlt! weit gefehlt!
Mali (ausweichend). So macht sie's nicht, diejenige, die sie copieren woll'n.
Conrad (mit männlicher Stimme). Schade! Gerade diesen Charakterzug hätt' ich mit Vorliebe imitiert, (zu Katharin) Sagen Sie ihm also, daß ich ihm die ersehnte Zusammenkunft gewähre, daß ich aber aus übergroßer Schüchternheit keine Tageslichte vertrage, und daß ich es meiner Tugend schuldig bin, ihn für dießseits und jenseits zu flieh'n, wenn er mir nur auf Drey Schritt' in die Näh' kommt.
Katharin. Wird ihm Alles eingeschärft, verlassen Sie sich d'rauf. (geht in die Seitenthüre rechts ab.)
(die Vorigen ohne Katharin.)
Maxner. Ich mach g'schwind die Jalougatter zu (thut es.)
Conrad (mit männlicher Stimme). Ja, ja, sonst kennt er mich; so dunkel als möglich!
Mali. Auf die Finsterniß in sein'n Kopf können Sie auch große Stuck bau'n.
Conrad (mit männlicher Stimme). Allerdings hat diese Finsterniß ihre Ägyptische Nebenbuhlerin nicht zu scheuen, aber Vorsicht kann nicht schaden.
Maxner. Er kommt – kommts Madln in's Zimmer herein. (geht mit Lisi und Mali in die Thüre links ab.)
(Conrad dazu Katharin und Damisch.)
Damisch (mit Katharin aus der Thüre rechts kommend). Es is nicht möglich –! (Conrad erblickend, mit Entzücken.) Ha – Rosaura –!
Katharin (zu Damisch). Was hab ich g'sagt!? Also da is sie, jetzt können S' selber reden mit ihr. (geht in die Thüre links ab.)
(Damisch, Conrad (als Rosaura).)
Damisch (für sich). Er is da der entscheidende Moment – jetzt alle Freyschaaren, Aufgebothe, und Redif's der Liebenswürdigkeit in's Feld geschickt –! Mein Herz kennt sie – ich muß sie mit was Neuem überraschen, ich werd' meinen Geist spielen lassen.
Conrad (als Rosaura, einen Schritt näher tretend). Aus dem ungeheueren Schritt, den ich eben thue, werden Sie ersehen, daß ich Sie liebe.
Damisch (mit schlauer Zärtlichkeit). Ich hab' Ihnen die ganze Wochen schon in dem Verdacht.
Conrad (als Rosaura). Ich habe gerungen mit meinen Grundsätzen, wie noch keine Sterbliche rang.
Damisch (galant). Sie sind auch keine Sterbliche; als personificierte tragische Muse, haben Sie schon Ihren abonnierten Sitz im Wolkenparterre der Unsterblichkeit, (für sich) Die erste poetische Phrase ist nicht ungelungen.
Conrad (als Rosaura). Ich habe manchen Grundsatz zu Boden geschleudert – sonst stünd' ich ja nicht hier, zugleich als Siegerin, und als Besiegte.
Damisch (für sich). Ha – ein aufmunternder Calembour – (zärtlich nähertretend) Rosaura –!
Conrad (als Rosaura, geziert zurückweichend). Zurück –!! Die Drey Schritte ja nicht überschritten, sonst – dieser Grundsatz steht noch aufrecht, wie Deutschlands Zollschrancken.
Damisch (für sich). Sie will mich schlagen mit einem politischen Witz – (laut.) Am Ende vermittelt sich ja jede Differenz, (für sich.) Bumsdi! gleich d'rauf ein diplomatisches bon mot!
Conrad (als Rosaura). Sie kennen mich noch nicht –
Damisch (mit naiver Schlauheit). Is das meine Schuld? wenn es auf mich ankäm' –
Conrad (als Rosaura). Ich ahne in Ihnen eine, nur für das Höhere, mir gleichgestimmte Seele. – Alles kommt darauf an, ob Sie meine Erwartungen rechtfertigen werden.
Damisch. Reden Sie, ich wart' ja nur auf das, was Sie erwarten. (selbstgefällig bey Seite.) Wortspiel minderer Bedeutung, aber dennoch –
Conrad (als Rosaura). Ich habe noch nie geliebt, um so fürchterlicher werd' ich jetzt lieben.
Damisch (neckisch). Wenn ich mich aber doch nicht fürcht –? – »Bange machen jielt nicht« heißt es in Ihrem Vaterlande.
Conrad (als Rosaura). Keinen Scherz, mein Herr – Es schlummert ein dämonisch-finst'rer Geist in meines Herzens Tiefen; wecken Sie ihn nicht, denn wenn er erwacht – (unheimlich drohend) dann ist mir nichts mehr heilig, nicht mein Leben, nicht das Deine!
Damisch (etwas verblüfft). Wenn ich Ihnen aber gar keine Veranlassung geb' –?
Conrad (als Rosaura). Die wird sich finden, ich greiffe sie aus der Luft; eine erhabene Seele greifft Alles aus der Luft, (bey Seite, mit natürlicher Stimme.) Jetzt wird er doch bald genug haben an mir.
Damisch (mit Geduld und Hingebung). O, Kämpfe wird es schon geben in unserer Liebe, aber wie doppelt seelig, wenn wir uns dann Versöhnung zulächeln, Jedes mit ein'n Kraller in G'sicht, und a Paar zwickte blaue Fleck!
Conrad (als Rosaura). Damisch, Damisch! Du legst Infusorien-Maßstab an vorweltliche Ungeheuer. Ich verletze nicht, ich morde; mich lieben ist permanente Todesgefahr.
Damisch (erschreckend). Seyn S' so gut –! (sich fassend bey Seite.) Das kommt nicht aus ihr, das is aus einem Mordstuck, aus einem Rauber-Characterbild – da muß i schon auch was solches d'rauf sag'n. (laut.) O der Tod von deiner Hand ist süß!
Conrad (als Rosaura). Glaubst Du –? (bey Seite, mit männlicher Stimme.) Prallt denn Alles ab, an dieser Guttapercha-Leidenschaft? (mit weiblicher Stimme, laut.) Seit ich dich liebe, bin ich keinen Augenblick mehr unbewaffnet. Sieh diesen Dolch – (zieht einen kleinen, blinckenden Dolch hervor) er ist für Dich geschliffen, wenn ungestümes Feuer je dich hinreißt –
Damisch. Wenn ich aber bey Erstrebung meiner Wünsche nur dem besonnenen Fortschritt huldige?
Conrad (als Rosaura). »Besonnen« –? Ha, welch kaltes Wort! (furchtbar drohend.) Lass' es mich nie wieder hören –! Denn eine Ahnung von Kälte, und – (zieht ein kleines Fläschchen hervor) dieses Fläschchen Gift reicht für uns Beyde aus.
Damisch (sehr betreten). Gift –? wie kommen Sie zu Gift? so was solln s' gar nit hergeben in der Apotheken.
Conrad (als Rosaura). Macht es dich schaudern –? Feigling! Schwöre mir, daß du auf jedesmaliges Verlangen zu sterben bereit bist –! Wozu noch zögre ich –? jetzt! gleich! in diesem Augenblick! (zückt den Dolch.)
Damisch (zurückweichend). Rosaura, du bist schrecklich in deinem Grimm!
Conrad (als Rosaura, bey Seite, mit männlicher Stimme). Na, endlich!
Damisch (von Entzücken hingerissen). Aber lieb, lieb! gar nit zum sag'n!
Conrad (als Rosaura, bey Seite, mit männlicher Stimme). Verfluchter Kerl! (laut mit weiblicher Stimme.) Und glaubst du etwa, daß du dein Leben für ein braves Mädchen opferst?
Damisch (ganz verblüfft). Was –!?
Conrad (als Rosaura). Mich drängt der finst're Geist in mir, durch Untreue den zu zermalmen der mich liebt.
Damisch (schaudernd). O pfui Rosaura!
(Inslbull; die Vorigen.)
Inslbull (tritt zur Mitte ein). Ich sehe herrschen hier die Dunkelheit.
Conrad (als Rosaura). Sie hir –!? Mylord, ich werffe mich in Ihre Arme!
Damisch. Ah, da müßt i bitten (dazwischen tretend zu Inslbull.) Zurück,! nur über meine Leiche –!
Inslbull. Hahahahaha! Das ist der, dem ich muß immer lachen in's Gesicht.
Damisch. Wählen Sie sich eine andere Beschäftigung.
Conrad (als Rosaura). Mylord –!
Damisch (zu Conrad als Rosaura). »Nur über meine Leiche«, hab' ich g'sagt.
Inslbull. Die Lady begeben sich unter meiner Schutzung, (zu Damisch, ihn zurückweisend) folglich werden Sie –
Damisch (stolz zu Inslbull). Mir scheint, Sie wissen nicht, was das heißt »Nur über meine Leiche«.
Inslbull. Ich glauben es zu begreiffen. (zieht gelassen ein Terzerol aus der Tasche, und schlägt es auf Damisch an.)
Damisch (erschrocken zur Seite weichend). Na na, jetzt keine Dummheiten! Das bitt' ich mir aus – kann ich denn wissen, ob Sie schon Alles versteh'n auf Deutsch, (hat sich während dieser Rede gegen die Seitenthüre rechts retiriert, in welche er rasch verschwindet.)
(die Vorigen ohne Damisch)
Inslbull. Ich überrasche Sie –
Conrad (als Rosaura). Mylord –
Inslbull. Sie brauchen zu sagen gar nichts, der Dunckelheit lassen sehen mich klar.
(Rosaura; die Vorigen.)
Rosaura (zur Mitte eintretend, und die Anwesenden bemerckend, für sich). Ha, was ist das!?
Inslbull (ohne die Eintretende bemerckt zu haben). Und deßhalb wird überraschen Sie, der Antrag, was ich habe zu machen Ihnen.
Rosaura (für sich, sich bemühend die Anwesenden zu erkennen). Der Lord – aber sie –
Conrad (als Rosaura, ebenfalls ohne Rosaura bemerckt zu haben, zu Inslbull). Sprechen Sie.
Inslbull. Im großen Stadttheater sollen gastieren als Sheylok heute ein Künstler, was habe ich getroffen in London. Der Actrice, was spielen der Porcia, sie sind erkranckten – großer Confusion – ich – ich habe vorgeschlagen Sie; Sie brauchen nicht Probe, ich garantiere der Erfolgen, und statt zu seyn bei einer Truppe von Wanderung, werden Sie seyn von heute in einer Sphäre der Würdigkeit von Ihrer Talent –. Nun? ich führen Sie hin sogleich –
Conrad (als Rosaura, verlegen). Ja so ein Schritt – es ist immer eine Sache –
Rosaura (welche Inslbull's Worte mit großer Spannung zuhorchte, stürzt vor und erfaßt Conrad an der Schulter). Betrügerin –!!
Conrad (als Rosaura, mit unterdrückter Stimme). Ha –!! (stürzt in die Seitenthüre lincks ab; man hört sogleich dieselbe von Innen verschließen.)
(Inslbull, Rosaura, Damisch (von Innen).)
Inslbull (verblüfft). Was ist das?! Eine Lady sie erscheinen Zwey Mahl.
Rosaura (welcher nur der Schleyer des entflohenen Conrad in der Hand geblieben, in heftiger Zornesaufregung). Verrath –!! (zu Inslbull.) Öffnen Sie die Jalousien! (während Inslbull thut, wie ihm befohlen) Licht muß ich haben! (stürzt zur Seitenthüre lincks, welche sie verschlossen findet.) Verschlossen –!? aufgemacht!!
Inslbull. Lassen Sie das –!
Rosaura. Offenbar hat Eine von Maxner's Töchtern – war er nicht hier –?
Inslbull. Wer?
Rosaura (ist zur Seitenthüre rechts geeilt, findet dieselbe verschlossen, und rüttelt daran). Herr Damisch! Herr Damisch!
Damisch (von Innen). Was is es?
Rosaura (an der Thüre). Machen Sie auf!
Damisch (von Innen). Nein, Schlange! Du willst mich an England ausliefern!
Rosaura (diese Worte sich nicht erklären könnend). Was soll das –!?
Inslbull (sie von der Thüre wegführen wollend). Kommen Sie –
Rosaura. Ergründen muß ich –
Inslbull. Lassen Sie dieses als Nebensache.
Rosaura (sich besänftigend). Allerdings, – allein mein Mädchen hat Sie hirhergewiesen?
Inslbull. Es ist so.
Rosaura. Ohne Zweifel führt Reue Sie zu meinen Füßen zurück?
Inslbull. Dieses so viel als nicht; zu explicieren es aber Ihnen, wir haben dazu zu verlieren keine Zeit.
Rosaura. Wohl habe ich den unerwarteten Antrag vernommen –
Inslbull. Haben Sie? gut! Sie werden gründen sich eine Existenz als Artiste, – mein Wagen warten unten; ich werden sie begleiten an die Local von Ihrer künftigen Triumphen.
Rosaura. Ich folge Ihnen.
(Beyde gehen zur Mittelthüre ab.)
(Damisch, allein.)
Damisch (aus der Seitenthüre rechts tretend). Sie geht fort mit ihm –! Entsetzlich! Sie wird mir früher untreu, eh' sie mir noch treu g'wesen is! – Es is schon so, wie sie sagt; das thut Alles der finst're Geist in ihr. O, wenn ich ihm nur heimleuchten könnt, dem finstern Geist! Sie kann eigentlich am wenigsten davor; – es wird s' auch wieder reu'n; sie wird zurückkehren – o, die kann einmahl noch sehr brav werd'n! – Aber für jetzt kann ich mir das doch nit g'fallen laßen; sie behandelt mich ja, als ob sie ein'n dummen Kerl vor sich hätt. – Ich hab' nicht Alles hören können, aber im Theater haben s' was vor, im großen Stadt-Theater – (über einen Plan brütend) wenn ich – wenn ich so –
(Conrad; der Vorige.)
Conrad (in seiner eigenen Kleidung, wie am Anfang des Actes, aus der Seitenthüre lincks kommend). Vetter Mathies –!
Damisch (erstaunt). Conrad –!? was machst denn Du da?
Conrad. Dich hab' ich aufgesucht, da ich nicht zweifelte, daß ein gescheidter Mensch, wie Du, von selbst zur Einsicht kommen wird.
Damisch. Was sagt denn der Vormund, und Deine Schwester?
Conrad. Beyde sind hier; im Gasthof »zum Engel« wohnen wir. Philippine weiß nur von der Verirrung Deines Verstandes, die Verirrung des Herzens haben wir ihr schonend verschwiegen.
Damisch. Verstandesverirrung? Kann ich davor, daß es mir mein erstes Debüt verregnet hat? Hast du mich g'sehn, als Phaon?
Conrad. Leider!
Damisch (verletzt). Hm, und ich hätt' mich für recht ein'n talentvollen Anfänger gehalten.
Conrad. Du hast auch diese Rosaura für einen Engel gehalten.
Damisch. Und derweil is sie eine Mischung von Medea, Judith, Lucrezia Borgia mit etwas Satanella unterspickt.
Conrad. Du bis geheilt, nun komm' mit mir!
Damisch. Zum Vormund, und zu der Philippin' –?
Conrad. Was sonst?
Damisch (zögernd). Weißt Du – es wäre beleidigend für Deine Schwester.
Conrad. Was wäre beleidigend?
Damisch. Wenn ich mit Dir komm' – es schaut so g'wiß gezwungen aus; – ich will allein – leih' mir Zwey Gulden –
Conrad. Sehr gern – (in der Tasche suchend) fatal – ich hab' mein Port monai vergessen –
Damisch. Das is aber dumm!
Conrad. Der Vormund giebt dir ja, was du willst.
Damisch. Ich wär' halt gern' – hing'fahren.
Conrad. Der »Engel« ist ja das dritte Haus von hier.
Damisch. Ach so – ! also geh' ich halt z' Fuß – und in einer Viertelstund, wann's a bisserl a starcke is, kommst Du nach.
Conrad. Gut, auf Wiedersehen!
Damisch. Das zarte Sehnen, und das süße Hoffen is schon fabelhaft! Pfirti Gott! (eilt zur Mitte ab.)
(Conrad, allein.)
Conrad. Gelungen! ich hab' mein Wort gelöst! ein Stein fällt mir vom Herzen!
(Einleitung zum Lied. Lied, nach dem Liede zur Mitte ab.)
Lied
1. | |
Ein Tuchhändler, der sich b'stellt aus der Fabrik |
|
2. | |
's ist ein Landwirth, dem d'r Ackerbau sein Element |
|
3. | |
's will ein'm Eisenbahn-Actionär durchaus nicht g'fall'n, |
|
4. | |
Einem Richtern aufn Land sein Amt z'wieder schon wird, |
|
5. | |
Eine Dame kokett, die das Kurmachen liebt, |
|
6. | |
Ein Livree-Kutscher muß in Reg'n umfahr'n Zwey Stund, |
(Ab.)