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III. Die ewige Wiederkunft.

 

1053.

Meine Philosophie bringt den siegreichen Gedanken, an welchem zuletzt jede andere Denkweise zu Grunde geht. Es ist der große züchtende Gedanke: die Rassen, welche ihn nicht ertragen, sind verurtheilt; die, welche ihn als größte Wohlthat empfinden, sind zur Herrschaft ausersehen.

 

1054.

Der größte Kampf: dazu braucht es einer neuen Waffe.

Der Hammer: eine furchtbare Entscheidung heraufbeschwören, Europa vor die Consequenz stellen, ob sein Wille zum Untergang »will«.

Verhütung der Vermittelmäßigung. Lieber noch Untergang!

 

1055.

Eine pessimistische Denkweise und Lehre, ein ekstatischer Nihilismus kann unter Umständen gerade dem Philosophen unentbehrlich sein: als ein mächtiger Druck und Hammer, mit dem er entartende und absterbende Rassen zerbricht und aus dem Wege schafft, um für eine neue Ordnung des Lebens Bahn zu machen oder um Dem, was entartet und absterben will, das Verlangen zum Ende einzugeben.

 

1056.

Ich will den Gedanken lehren, welcher Vielen das Recht giebt, sich durchzustreichen, – den großen züchtenden Gedanken.

 

1057.

Die ewige Wiederkunft. Eine Prophezeiung.

  1. Darstellung der Lehre und ihrer theoretischen Voraussetzungen und Folgen.
  2. Beweis der Lehre.
  3. Muthmaaßliche Folgen davon, daß sie geglaubt wird (sie bringt Alles zum Aufbrechen).
              a) Mittel, sie zu ertragen;
              b) Mittel, sie zu beseitigen.

4. Ihr Platz in der Geschichte, als eine Mitte. Zeit der höchsten Gefahr.

Gründung einer Oligarchie über den Völkern und ihren Interessen: Erziehung zu einer allmenschlichen Politik.

Gegenstück des Jesuitismus.

 

1058.

Die beiden größten (von Deutschen gefundenen) philosophischen Gesichtspunkte:

a) der des Werdens, der Entwicklung;

b) der nach dem Werthe des Daseins (aber die erbärmliche Form des deutschen Pessimismus erst zu überwinden!) – beide von mir in entscheidender Weise zusammengebracht.

Alles wird und lehrt ewig wieder, – entschlüpfen ist nicht möglich! – Gesetzt, wir könnten den Werth beurtheilen, was folgt daraus? Der Gedanke der Wiederkunft als auswählendes Princip, im Dienste der Kraft (und Barbarei!!).

Reife der Menschheit für diesen Gedanken.

 

1059.

1. Der Gedanke der ewigen Wiederkunft: seine Voraussetzungen, welche wahr sein müßten, wenn er wahr ist. Was aus ihm folgt.

2. Als der schwerste Gedanke: seine muthmaaßliche Wirkung, falls nicht vorgebeugt wird, d. h. falls nicht alle Werthe umgewerthet werden.

3. Mittel, ihn zu ertragen: die Umwerthung aller Werthe. Nicht mehr die Lust an der Gewißheit, sondern an der Ungewißheit; nicht mehr »Ursache und Wirkung«, sondern das beständig Schöpferische; nicht mehr Wille der Erhaltung, sondern der Macht; nicht mehr die demüthige Wendung »es ist Alles nur subjektiv«, sondern »es ist auch unser Werk! – seien wir stolz darauf!«

 

1060.

Um den Gedanken der Wiederkunft zu ertragen, ist nöthig: Freiheit von der Moral; – neue Mittel gegen die Thatsache des Schmerzes (Schmerz begreifen als Werkzeug, als Vater der Lust; es giebt kein summirendes Bewußtsein der Unlust); – der Genuß an aller Art Ungewißheit, Versuchhaftigkeit, als Gegengewicht gegen jenen extremen Fatalismus; – Beseitigung des Nothwendigkeitsbegriffs; – Beseitigung des »Willens«; – Beseitigung der »Erkenntniß an sich«.

Größte Erhöhung des Kraft-Bewußtseins des Menschen, als Dessen, der den Übermenschen schafft.

 

1061.

Die beiden extremsten Denkweisen – die mechanistische und die platonische – kommen überein in der ewigen Wiederkunft: beide als Ideale.

 

1062.

Hätte die Welt ein Ziel, so müßte es erreicht sein. Gäbe es für sie einen unbeabsichtigten Endzustand, so müßte er ebenfalls erreicht sein. Wäre sie überhaupt eines Verharrens und Starrwerdens, eines »Seins« fähig, hätte sie in allem ihrem Werden nur Einen Augenblick diese Fähigkeit des »Seins«, so wäre es wiederum mit allem Werden längst zu Ende, also auch mit allem Denken, mit allem »Geiste«. Die Thatsache des »Geistes« als eines Werdens beweist, daß die Welt kein Ziel, keinen Endzustand hat und des Seins unfähig ist. – Die alte Gewohnheit aber, bei allem Geschehen an Ziele und bei der Welt an einen lenkenden schöpferischen Gott zu denken, ist so mächtig, daß der Denker Mühe hat, sich selber die Ziellosigkeit der Welt nicht wieder als Absicht zu denken. Auf diesen Einfall – daß also die Welt absichtlich einem Ziele ausweiche und sogar das Hineingerathen in einen Kreislauf künstlich zu verhüten wisse – müssen alle Die verfallen, welche der Welt das Vermögen zur ewigen Neuheit aufdecretiren möchten, d. h. einer endlichen, bestimmten, unveränderlich gleich-großen Kraft, wie es »die Welt« ist, die Wunder-Fähigkeit zur unendlichen Neugestaltung ihrer Formen und Lagen. Die Welt, wenn auch kein Gott mehr, soll doch der göttlichen Schöpferkraft, der unendlichen Verwandlungs-Kraft fähig sein; sie soll es sich willkürlich verwehren, in eine ihrer alten Formen zurückzugerathen; sie soll nicht nur die Absicht, sondern auch die Mittel haben, sich selber vor jeder Wiederholung zu bewahren; sie soll somit in jedem Augenblick jede ihrer Bewegungen auf die Vermeidung von Zielen, Endzuständen, Wiederholungen hin controliren – und was Alles die Folgen einer solchen unverzeihlich-verrückten Denk- und Wunschweise sein mögen. Das ist immer noch die alte religiöse Denk- und Wunschweise, eine Art Sehnsucht, zu glauben, daß irgendworin doch die Welt dem alten geliebten, unendlichen, unbegrenzt-schöpferischen Gotte gleich sei – daß irgendworin doch »der alte Gott noch lebe« –, jene Sehnsucht Spinoza's, die sich in dem Worte » deus sive natura« (er empfand sogar » natura sive deus« –) ausdrückt. Welches ist denn aber der Satz und Glaube, mit welchem sich die entscheidende Wendung, das jetzt erreichte Übergewicht des wissenschaftlichen Geistes über den religiösen, götter-erdichtenden Geist, am bestimmtesten formulirt? Heißt er nicht: die Welt, als Kraft, darf nicht unbegrenzt gedacht werden, denn sie kann nicht so gedacht werden, – wir verbieten uns den Begriff einer unendlichen Kraft als mit dem Begriff »Kraft« unverträglich. Also – fehlt der Welt auch das Vermögen zur ewigen Neuheit.

 

1063.

Der Satz vom Bestehen der Energie fordert die ewige Wiederkehr.

 

1064.

Daß eine Gleichgewichts-Lage nie erreicht ist, beweist, daß sie nicht möglich ist. Aber in einem unbestimmten Raum müßte sie erreicht sein. Ebenfalls in einem kugelförmigen Raum. Die Gestalt des Raumes muß die Ursache der ewigen Bewegung sein, und zuletzt aller »Unvollkommenheit«.

Daß »Kraft« und »Ruhe«, »Sich-gleich-bleiben« sich widerstreiten. Das Maaß der Kraft (als Größe) als fest, ihr Wesen aber flüssig.

»Zeitlos« abzuweisen. In einem bestimmten Augenblick der Kraft ist die absolute Bedingtheit einer neuen Vertheilung aller ihrer Kräfte gegeben: sie kann nicht still stehn. »Veränderung« gehört in's Wesen hinein, also auch die Zeitlichkeit: womit aber nur die Nothwendigkeit der Veränderung noch einmal begrifflich gesetzt wird.

 

1065.

Jener Kaiser hielt sich beständig die Vergänglichkeit aller Dinge vor, um sie nicht zu wichtig zu nehmen und zwischen ihnen ruhig zu bleiben. Mir scheint umgekehrt Alles viel zu viel werth zu sein, als daß es so flüchtig sein dürfte: ich suche nach einer Ewigkeit für Jegliches: dürfte man die kostbarsten Salben und Weine in's Meer gießen? – Mein Trost ist, daß Alles, was war, ewig ist: – das Meer spült es wieder her.

 

1066.

Die neue Welt-Conception. – Die Welt besteht; sie ist Nichts, was wird. Nichts, was vergeht. Oder vielmehr: sie wird, sie vergeht, aber sie hat nie angefangen zu werden und nie aufgehört zu vergehn, – sie erhält sich in Beidem ...Sie lebt von sich selber: ihre Excremente sind ihre Nahrung.

Die Hypothese einer geschaffenen Welt soll uns nicht einen Augenblick bekümmern. Der Begriff »schaffen« ist heute vollkommen undefinirbar, unvollziehbar; bloß ein Wort noch, rudimentär aus Zeiten des Aberglaubens; mit einem Wort erklärt man Nichts. Der letzte Versuch, eine Welt, die anfängt, zu concipiren, ist neuerdings mehrfach mit Hülfe einer logischen Procedur gemacht worden – zumeist, wie zu errathen ist, aus einer theologischen Hinterabsicht.

Man hat neuerdings mehrfach in dem Begriff »Zeit« Unendlichkeit der Welt nach hinten« ( regressus in infinitum) einen Widerspruch finden wollen: man hat ihn selbst gefunden, um den Preis freilich, dabei den Kopf mit dem Schwanz zu verwechseln. Nichts kann mich hindern, von diesem Augenblick an rückwärts rechnend zu sagen »ich werde nie dabei an ein Ende kommen«: wie ich vom gleichen Augenblick vorwärts rechnen kann, in's Unendliche hinaus. Erst wenn ich den Fehler machen wollte – ich werde mich hüten, es zu thun –, diesen correcten Begriff eines regressus in infinitum gleichzusetzen mit einem gar nicht vollziehbaren Begriff eines endlichen progressus bis jetzt, erst wenn ich die Richtung (vorwärts oder rückwärts) als logisch indifferent setzte, würde ich den Kopf – diesen Augenblick – als Schwanz zu fassen bekommen: das bleibe Ihnen überlassen, mein Herr Dühring! ...

Ich bin auf diesen Gedanken bei früheren Denkern gestoßen: jedesmal war er durch andre Hintergedanken bestimmt (– meistens theologische, zu Gunsten des creator spiritus). Wenn die Welt überhaupt erstarren, vertrocknen, absterben, Nichts werden könnte, oder wenn sie einen Gleichgewichtszustand erreichen könnte, oder wenn sie überhaupt irgend ein Ziel hätte, das die Dauer, die Unveränderlichkeit, das Ein-für-alle-Mal in sich schlösse (kurz, metaphysisch geredet: wenn das Werden in das Sein oder in's Nichts münden könnte), so müßte dieser Zustand erreicht sein. Aber er ist nicht erreicht: woraus folgt ... Das ist unsre einzige Gewißheit, die wir in den Händen halten, um als Correktiv gegen eine große Menge an sich möglicher Welt-Hypothesen zu dienen. Kann z. B. der Mechanismus der Consequenz eines Finalzustandes nicht entgehen, welche William Thomson ihm gezogen hat, so ist damit der Mechanismus widerlegt.

Wenn die Welt als bestimmte Größe von Kraft und als bestimmte Zahl von Kraftcentren gedacht werden darf – und jede andre Vorstellung bleibt unbestimmt und folglich unbrauchbar –, so folgt daraus, daß sie eine berechenbare Zahl von Combinationen, im großen Würfelspiel ihres Daseins, durchzumachen hat. In einer unendlichen Zeit würde jede mögliche Combination irgendwann einmal erreicht sein; mehr noch: sie würde unendliche Male erreicht sein. Und da zwischen jeder Combination und ihrer nächsten Wiederkehr alle überhaupt noch möglichen Combinationen abgelaufen sein müßten und jede dieser Combinationen die ganze Folge der Combinationen in derselben Reihe bedingt, so wäre damit ein Kreislauf von absolut identischen Reihen bewiesen: die Welt als Kreislauf, der sich unendlich oft bereits wiederholt hat und der sein Spiel in infinitum spielt. – Diese Conception ist nicht ohne Weiteres eine mechanistische: denn wäre sie das, so würde sie nicht eine unendliche Wiederkehr identischer Fälle bedingen, sondern einen Finalzustand. Weil die Welt ihn nicht erreicht hat, muß der Mechanismus uns als unvolllommne und nur vorläufige Hypothese gelten.

 

1067.

Und wißt ihr auch, was mir »die Welt« ist? Soll ich sie euch in meinem Spiegel zeigen? Diese Welt: ein Ungeheuer von Kraft, ohne Anfang, ohne Ende, eine feste, eherne Größe von Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verbraucht, sondern nur verwandelt, als Ganzes unveränderlich groß, ein Haushalt ohne Ausgaben und Einbußen, aber ebenso ohne Zuwachs, ohne Einnahmen, vom »Nichts« umschlossen als von seiner Grenze, nichts Verschwimmendes, Verschwendetes, nichts Unendlich-Ausgedehntes, sondern als bestimmte Kraft einem bestimmten Raum eingelegt, und nicht einem Raume, der irgendwo »leer« wäre, vielmehr als Kraft überall, als Spiel von Kräften und Kraftwellen zugleich Eins und Vieles, hier sich häufend und zugleich dort sich mindernd, ein Meer in sich selber stürmender und fluchender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr, mit einer Ebbe und Fluth seiner Gestaltungen, aus den einfachsten in die vielfältigsten hinaustreibend, aus dem Stillsten, Starrsten, Kältesten hinaus in das Glühendste, Wildeste, Sich-selber-Widersprechendste, und dann wieder aus der Fülle heimkehrend zum Einfachen, aus dem Spiel der Widersprüche zurück bis zur Lust des Einklangs, sich selber bejahend noch in dieser Gleichheit seiner Bahnen und Jahre, sich selber segnend als Das, was ewig wiederkommen muß, als ein Werden, das kein Sattwerden, keinen Überdruß, keine Müdigkeit kennt –: diese meine dionysische Welt des Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-selber-Zerstörens, diese Geheimniß-Welt der doppelten Wollüste, dies mein »Jenseits von Gut und Böse«, ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt, ohne Willen, wenn nicht ein Ring zu sich selber guten Willen hat, – wollt ihr einen Namen für diese Welt? Eine Lösung für alle ihre Räthsel? Ein Licht auch für euch, ihr Verborgensten, Stärksten, Unerschrockensten, Mitternächtlichsten? – Diese Welt ist der Wille zur Macht – und Nichts außerdem! Und auch ihr selber seid dieser Wille zur Macht – und Nichts außerdem!

 

Ende


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