Novalis
Hymnen an die Nacht
Novalis

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[4.]

4. Sehnsucht nach dem Tode. Er saugt an mir. 5. Xstus. Er hebt den Stein v[om] Grabe.

 

Nun weiß ich wenn der lezte Morgen seyn wird – wenn das Licht nicht mehr die Nacht und die Liebe scheucht, wenn der Schlummer ewig, und nur Ein unerschöpflicher Traum seyn wird. Himmlische Müdigkeit verläßt mich nun nicht wieder. Weit und mühsam war der Weg zum heilgen Grabe und das Kreutz war schwer. Wessen Mund einmal die krystallene Woge nezte, die gemeinen Sinnen unsichtbar, quillt in des Hügels dunkeln Schoos, an dessen Fuß die irrdische Flut bricht, wer oben stand auf diesem Grenzgebürge der Welt und hinüber sah, in das neue Land, in der Nacht Wohnsitz, warlich der kehrt nicht in das Treiben der Welt zurück, in das Land, wo das Licht regiert und ewige Unruh haußt. Oben baut er sich Hütten Hütten des Friedens, sehnt sich und liebt, schaut hinüber, bis die willkommenste aller Stunden hinunter ihn in den Brunnen der Quelle zieht. Alles Irrdische schwimmt oben auf und wird von der Höhe hinabgespült, aber was Heilig ward durch der Liebe Berührung rinnt aufgelöst in verborgenen Gängen auf das jenseitige Gebiet, wo es, wie Wolken sich Mit entschlummerten Lieben mischt.

 

        Noch weckst du,
Muntres Licht,
Den Müden zur Arbeit –
Flößest fröliches Leben mir ein.
Aber du lockst mich
Von der Errinnerung
Moosigen Denkmal nicht.
Gern will ich
Die fleißigen Hände rühren
Überall umschauen
Wo du mich brauchst,
Rühmen deines Glanzes
Volle Pracht
Unverdroßen verfolgen
Den schönen Zusammenhang
Deines künstlichen Wercks
Gern betrachten
Den sinnvollen Gang
Deiner gewaltigen
Leuchtenden Uhr,
Ergründen der Kräfte
Ebenmaaß
Und die Regeln
Des Wunderspiels
Unzähliger Räume
Und ihrer Zeiten.
Aber getreu der Nacht
Bleibt mein geheimes Herz
Und ihrer Tochter
Der schaffenden Liebe.
Kannst du mir zeigen
Ein ewigtreues Herz?
Hat deine Sonne
Freundliche Augen
Die mich erkennen?
Fassen deine Sterne
Meine verlangende Hand?
Geben mir wieder
Den zärtlichen Druck?
Hast du mit Farben
Und leichten Umriß
Sie geschmückt
Oder war Sie es
Die deinem Schmuck
Höhere, liebere Bedeutung gab?
Welche Wollust,
Welchen Genuß,
Bietet dein Leben
Die aufwögen
Des Todes Entzückungen.
Trägt nicht alles
Was uns begeistert
Die Farbe der Nacht –
Sie trägt dich mütterlich
Und ihr verdankst du
All deine Herrlichkeit.
Du verflögst
In dir selbst
In endlosen Raum
Zergingst du,
Wenn sie dich nicht hielte –
Dich nicht bände
Daß du warm würdest
Und flammend
Die Welt zeugtest.
Warlich ich war eh du warst,
Mit meinem Geschlecht
Schickte die Mutter mich
Zu bewohnen deine Welt
Und zu heiligen sie
Mit Liebe.
Zu geben
Menschlichen Sinn
Deinen Schöpfungen.
Noch reiften sie nicht
Diese göttlichen Gedanken.
Noch sind der Spuren
Unsrer Gegenwart
Wenig.
Einst zeigt deine Uhr
Das Ende der Zeit
Wenn du wirst,
Wie unser Einer
Und voll Sehnsucht
Auslöschest u[nd] stirbst.
In mir fühl ich
Der Geschäftigkeit Ende
Himmlische Freyheit,
Selige Rückkehr.
In wilden Schmerzen
Erkenn ich deine Entfernung
Von unsrer Heymath
Deinen Widerstand
Gegen den alten,
Herrlichen Himmel.
Umsonst ist deine Wuth
Dein Toben.
Unverbrennlich
Steht das Kreutz,
Eine Siegesfahne
Unsres Geschlechts.

Hinüber wall ich
Und jede Pein
Wird einst ein Stachel
Der Wollust seyn.
Noch wenig Zeiten
So bin ich los
Und liege trunken
Der Lieb' im Schoos.
Unendliches Leben
Kommt über mich
Ich sehe von oben
Herunter auf Dich.
An jenem Hügel
Verlischt dein Glanz
Ein Schatten bringet
Den kühlen Kranz
O! sauge Geliebter
Gewaltig mich an
Daß ich bald ewig
Entschlummern kann.
Ich fühle des Todes
Verjüngende Flut
Und harr in den Stürmen
Des Lebens voll Muth.


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