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Erste Szene

Das Audienz-Zimmer im Palast des Kaisers – ein hoher, geräumiger Raum mit glatten, weißgestrichenen Wänden. Fußboden aus weißen Fliesen. Im Hintergrund, links von Mitte, Bogendurchgang in eine Säulenvorhalle mit weißen Pfeilern. Hinter dem Säulengang – der Palast steht auf einer Anhöhe – sieht man nur die Kammlinie entfernter Hügel mit den Kronenbüscheln der Palmbäume. In der Mitte der rechten Wand kleinerer Bogendurchgang nach den Wohnräumen des Palastes. Das Audienzzimmer ist ganz leer bis auf einen mächtigen Armlehnstuhl aus unpoliertem Holz, der in der Mitte dem Zuschauer zugewendet steht. Es ist des Kaisers Thron, bemalt in grellstem Scharlachrot. Ein leuchtend orangefarbiges Kissen auf dem Sitz, und davor auf dem Boden ein kleineres Kissen als Fußschemel. Mattenläufer, auch scharlachrot gefärbt, vom Thron zu den beiden Eingängen.

Es ist nach drei Uhr nachmittags, aber der Säulengang noch vom scharfen gelben Sonnenlicht durchflutet, und erdrückende Hitze lastet in der Luft.

Bei Öffnung des Vorhanges schleicht eine eingeborene Negerfrau vorsichtig durch den rechten Eingang. Sie ist sehr alt, in billigen Kaliko gekleidet, barfuß, unter dem roten enggewundenen Kopftuch schlüpfen ein paar weiße Haarsträhnen vor. Sie trägt ein Bündel in farbigem Kattun an einem Stock über der Schulter. Sie zaudert neben dem Eingang, späht zurück, sehr ängstlich, nicht entdeckt zu werden. Gleitet dann geräuschlos, Schritt vorsichtig vor Schritt, zum Ausgang im Hintergrund. In diesem Augenblick taucht Smithers im Säulengang auf.

Smithers ist ein langer ausgemergelter Mann von etwa vierzig, mit hängenden Schultern. Sein eiförmiger Kopf ist kahl, sitzt auf langem, dünnem Hals mit enormem Adamsapfel.Sein blasses Gesicht ist von den Tropen kränklich gelb gegerbt, und Jamaika-Rum hat seine spitze Nase rotglühend gemacht. Seine kleinen, wasserblauen, rotgeränderten Augen huschen rastlos herum wie die eines Frettchens. Sein Gesichtsausdruck verrät unbedenklichste Gemeinheit, feig und gefährlich zugleich. Sein Verhalten nachher Jones gegenüber spricht von gehässiger Mißgunst gegen die Überlegenheit, aber er wagt sich nicht ganz damit heraus. Gekleidet in einen sehr abgetragenen Reitanzug aus schmutzigem weißen Drill, weißen Korkhelm, Schaftschnürstiefel, Sporen, Patronengürtel und Browning um die Hüften, Reitgerte in der Hand. Sieht die Negerfrau, hält, beobachtet sie mißtrauisch. Faßt einen Entschluß, eilt leise auf Fußspitzen in das Audienz-Zimmer. Die Negerfrau, beständig ängstlich zurückblickend, hat ihn nicht bemerkt. Als sie den Kopf ihm zuwendet, springt er zu und packt sie fest an der Schulter. Sie versucht sich loszureißen, ringt heftig aber lautlos.

Smithers (noch fester zupackend, roh): Langsam – nichts da, mein Galgenvögelchen. Kannst nicht mehr auskommen, sitzt fest an der Angel.

Die Negerfrau (nach der vergeblichen Anstrengung in äußersten Schrecken versetzt, fällt vor ihm nieder, seine Knie flehend umarmend): Nicht ihm sagen, nicht ihm sagen, Herr!

Smithers (sehr neugierig): Ihm? Wem? (Zornig) Ach, du meinst seine großartige Majestät. Was ist überhaupt los? Warum stiehlst du dich fort? Bißchen geklaut, wahrscheinlich? (Schlägt mit der Reitgerte auf ihr Bündel.)

Negerfrau (heftig kopfschüttelnd): Nein, ich nicht stehlen.

Smithers: 'dammte Lügnerin. Also was ist los? Irgendwas geht vor, ich hab's gerochen, sobald ich heute früh nur auf die Beine kam. Ihr Schwarzen seid auf eine Teufelei aus. Dieser verfluchte Palast ist still wie ein Grab. Wo sind die Dienstleute alle.? (Negerfrau schweigt störrisch. Er hebt drohend den Reitstock.) Wie, willst nicht, willst nicht heraus damit? Ich werde dir gleich zeigen –

Negerfrau (weggeduckt): Ich sagen, Herr. Sie nicht schlagen. Sie weg – alle weg, fortgehen. (Macht eine fegende Armgeste nach den fernen Hügeln.)

Smithers: Durchgebrannt? Nach den Hügeln?

Negerfrau: Ja, Herr. Er, der Kaiser, der große Vater (schlägt in mechanischer Devotion die Stirn auf den Boden) schlafen nach Essen. Dann sie alle gehen, alle weg. Ich alte Frau, nur mich lassen. Jetzt ich auch gehen.

Smithers (sein Erstaunen wechselt in grenzenlose gemeine Schadenfreude): Nu wird's Tag! Ich weiß verdammt gut, was vorgeht – wenn sie nach den Hügeln fort sind. Geschieht ihm recht, mit seinen Allüren, dem stinkenden Nigger! Seine Majestät! Gottverdammich! Hoffentlich bin ich dabei, wenn sie ihn hier rausholen und kaltmachen. (Mit plötzlichem Entschluß) Er ist doch noch drin, nicht wahr?

Negerfrau: Ja, er schlafen.

Smithers: Wird bald einiges entdecken, wenn er erst aufwacht. Er ist hell genug, es zu merken, wenn die Reihe an ihn gekommen ist. (Geht zum rechten Ausgang, steckt zwei Finger in den Mund und pfeift schrill. Die Negerfrau springt auf und entwischt rennend durch den Säulengang, Smithers zuerst hinterher, Hand an der Pistole): Halt da oder ich schieße! (Hält wieder, gleichgültig) Na man zu, Schwarze Kuh (Blickt ihr in der Bogentür nach).

Jones kommt durch den rechten Eingang. Er ist ein großer, mächtig gebauter Vollblutneger in mittleren Jahren. Sein Gesicht zeigt typische Negerzüge, und ist doch bemerkenswert durch ausgeprägte Willenskraft und kühnes Selbstvertrauen, das auch anderen Respekt einflößt. Sein Blick verrät scharfen und listigen Verstand. Sein Gehaben ist das eines schlauen, vorsichtigen, ausweichenden Mannes. Bekleidet mit hellblauem Waffenrock voll goldgelber Messingknöpfe, riesige, befranste goldene Achselstücke, breite Goldstreifen auf Kragen und Armelaufschlag. Scharlachrote Hosen mit hellblauen Seitenstreifen. Lackschnürstiefel mit Messingsporen, am Ledergurt langläufige Revolvertasche, aus der der Schaft mit Barockperlen verziert herausschaut. Aber diese grandiose Aufmachung wirkt doch nicht ganz lächerlich. Er versteht sie zu tragen.

Jones (noch ganz blind vom Schlaf, verwirrt und blinzelnd, donnert verärgert): Wer wagt in mein Palast so pfeifen? Wer wagt Kaiser wecken? Euch Niggern lasse ich Haut abschälen, bestimmt!

Smithers (tritt ihm unsicher entgegen, halb eingeschüchtert, halb herausfordernd): Ich hab' Ihnen gepfiffen. (Jones runzelt die Stirn.) Hab' wichtige Nachrichten für Sie.

Jones (liebenswürdig sanft, ohne ganz seine Verachtung für den Weißen verbergen zu können): Ach, Herr Smithers hier. (Sitzt würdig auf den Thron nieder.) Was bringen Neues?

Smithers (näher, um sich besser an Jones' erwarteter Beunruhigung zu weiden): Nichts Sonderbares bemerkt, heute?

Jones (kühl): Sonderbares? Nein, nichts solches.

Smithers: Nicht so hell wie ich dachte, Meister Fuchs. Wo ist Ihr ganzer Hof, (ironisch) die Generale und die Herren Minister und alle?

Jones (stoisch): Wo gewöhnlich hinlaufen, wenn ich nur Augen schließen, Rum saufen unten im Ort und Reden schwingen. (Ebenso ironisch) Sollten Sie wissen. Saufen mit fast jedes Tag.

Smithers (aufgebracht, aber Gleichgültigkeit spielend): Gehört zum Tagespensum. Muß ich doch – wegen der Geschäfte –

Jones (wegwerfend): Ihre Geschäfte!

Smithers (schwer gereizt): Gottverflucht! Haben sich sehr gern bei mir anstellen lassen, damals, als Sie neu herkamen. Haben damals noch nicht so großartige Allüren gehabt!

Jones (blitzschnell, nach dem Revolver fassend): Höflich, weißer Mann, immer höflich, verstanden! Heute ich hier Herr, nicht vergessen. (Smithers will widersprechen, aber duckt sich vor Jones' Blick.)

Smithers (feig versöhnlich): Nicht übelnehmen, alter Knabe.

Jones (einlenkend): Entschuldigt. (Läßt den Revolver los.) Aber nicht Vergangenheit aufwärmen. Damals so. Heute anders. Haben mich nicht aus Güte bei Ihr Schwindelgeschäften mitgenommen. Haben mir Dreckarbeit gelassen, – und auch Kopfarbeit, wenn darauf ankam, war Ihnen viel Geld wert, das ist alles.

Smithers: Immerhin habe ich Ihnen eine erste Gelegenheit gegeben, als niemand mit Ihnen zu schaffen haben wollte. Bin nicht zurückgeschreckt, Ihresgleichen in Dienst zu nehmen, wie die anderen – wegen der Geschichte mit dem Ausbruch aus dem eisernen Käfig, – wissen Sie noch, in Amerika?

Jones: Stimmt. Brauchen deshalb nicht auf mir heruntersehen, Herr Direktohr. Haben selbst gebrummt, mehr als einmal.

Smithers (wütend): Gelogen! (Sucht drüber wegzugleiten.) Wer hat Ihnen den Bären aufgebunden?

Jones: Das braucht niemand mich erzählen. Kann ich sehen in solcher Leute Augen. (Pause. Dann sinnend) Stimmt. Haben mir erste Gelegenheit gegeben. Dann nicht viel Zeit gebraucht, bis ich dumme Buschniggers herumhatte, wie? (Stolz) Von Stromer zu Kaiser, in zwo Jahren – allerhand!

Smithers (neugierig): Und wetten, ein hübsches Sümmchen auch schon beiseite gebracht, irgendwo nach Numero Sicher?

Jones (mit Genugtuung): Na ob! In gute fremde Bank, wo niemand ran kann außer mich, wann immer. Glauben Sie, ich mache Kaiser-Arbeit wegen Ehre? Kuchen! Getue und Gala für verdrehten Hohlköpfe von Buschniggers hier'rum. Wollen großen Zirkus für ihr Geld. Gemacht, und Kasse an mich. (Grinst.) Die grünen Dollarscheine, meine Liebe allezeit. (Pause, dann verweisend) Aber Sie mir nichts vorzuwerfen, Smithers. Habe alle Wohltaten bar abgezahlt mit Zinsen. Habe Hand über Ihnen gehalten und durch Finger gesehen bei Ihr Schwindelgeschäften an hellichten Tag. Jawoll – und habe selbst solchen Geschäften gesetzlich verbieten. (Feixt.)

Smithers (grinst): Nichts für ungut, aber haben selber rechts und links gemaust, nicht? Nur die Steuern alleine schon, Donnerwetter, Sie haben sie restlos ausgepreßt!

Jones (kichernd): Noch nicht alle ganz restlos. Bin doch noch immer da, bin ich?

Smithers (vor sich hinlächelnd): Doch schon restlos, wird sich bald zeigen. (Schnell überspringend) Und von wegen Gesetzesübertretung, Majestät hat selber alle Gesetze so schnell gebrochen wie gemacht.

Jones: Ich nicht Kaiser? Er nicht unter Gesetz – über Gesetz. Gut zuhören, Smithers. Einer stiehlt klein, Sie – anderer stiehlt groß, ich. Für klein stehlen ins Loch, früher oder später. Für groß stehlen Kaiserthron und nachher Denkmal. Zehn Jahre in Pullman-Wagen weiße Klugheiten gehört und das gelernt: nur kleine Diebe hängt man. Gut begriffen, und sobald anwenden konnte, Kaiser geworden in zwo Jahre.

Smithers (der nicht die Bewunderung des kleinen für den großen Betrüger unterdrücken kann): Wahrhaftig gut geschoben! Habe noch nie einen Holzkopf mit soviel Glück gesehen.

Jones (streng): Glück? Wieso Glück?

Smithers: Na, am Ende ist die Schnurre mit der Silberkugel nicht bloß glücklich ausgegangen? Und das hat die schwarzen Narren damals doch zuerst auf Ihre Seite gebracht, als sie Revolution machten, oder am Ende nicht?

Jones (lacht): Ach, Silberkugel! Natürlich Glück, auch Glück. Aber ich zwingen Glück, verstanden? Ich schüttle Würfel. Jawoll! Wenn der Niggermörder, den alter Lem gegen mich gedungen, auf zehn Schritt zielt und fehlt und ich ihn über Haufen schießen, was haben ich gesagt damals?

Smithers: Daß Sie einen Zauber haben gegen jede Bleikugel. Daß Sie so stark sind, daß Sie nur eine Silberkugel töten kann, das haben Sie ihnen aufgebunden. Daß es gewirkt hat, war das nicht kolossales Schwein?

Jones (stolz): Hirn, ich gebrauchen mein Gehirn. Nicht Glück.

Smithers: Ja, ganz klug, weil die Kerle doch keine Silberkugeln haben. Aber daß er Sie fehlte, das war doch einfach Schwein.

Jones (lacht): Aber alle dummen Buschnigger nieder auf Knie und Stirn auf Erde wie vor heiliges Wunder. Oh Gott, seitdem aus meine Hand fressen. Ich knallen die Peitsche und alle drüberspringen.

Smithers: Na ja, die Yankee-Schnauze.

Jones: Wie groß ein Mann reden versteht, so groß der Mann ist – solange ihm Menschen glauben. Wenn nichts hinter mir, destomehr aufschneiden – aber nie ohne Überlegung – Ich weiß, wo ich täuschen kann – das weiß ich – und das helfen mein Spiel. Und mußte Nigger-Kauderwelsch lernen und ihnen amerikanisch lehren um hier groß reden können, ist nichts? Herr Direktohr sind zehn Jahre hier, und nicht ein Wort gelernt, obschon gut wissen, daß Vorteil. Aber sind Schlappschwanz, scheuen Mühe.

Smithers (errötend): Von mir ist hier nicht die Rede. Aber wie ist das, was man so hört, Sie haben sich wirklich eine Silberkugel gießen lassen?

Jones: Schwindel muß man durchhalten. Habe Silberkugel gießen lassen und Niggern gesagt, wenn mein Zeit vorbei, werde mich selber töten. Habe gesagt, ich einziger Mann groß genug, mich zu kriegen. Für Niggers aber vergeblich. Und sie niederfallen und Stirn auf Erde. (Lacht) So gesagt, damit ruhig spazieren kann, ohne neidische Nigger hinter Baum auf mich zielen.

Smithers (erstaunt): Sie haben sich wirklich eine machen lassen – Ehrenwort?

Jones: Bestimmt. Hier da. (Zieht den Revolver, bricht die Kammer auf, zieht eine Silberkugel heraus.) fünf Blei, und Silberkind zuletzt. Glänzt schön, nicht? (Hält sie in den Fingerspitzen vor sich hin, starrt bewundernd darauf, fasziniert.)

Smithers: Lassen Sie mal sehen – (Langt danach.)

Jones (barsch): Hände weg, weißer Mann! (Steckt die Kugel zurück in die Kammer, schließt den Revolver und versorgt ihn an der Hüfte.)

Smithers (kläffend): Gottverdammich! Man könnte glauben, ich bin ein Dieb.

Jones: Nein. Nicht deshalb. Weiß, Sie zu ängstlich, mich bestehlen. Aber niemand erlaubt, Silberkind anfassen. Mein Talisman.

Smithers (höhnt): Starker Zauber, wie? (Tückisch giftig) Nun, Sie werden bald allen lausigen Zauber nötig haben, verlassen Sie sich drauf.

Jones (sachlich): Oh, ich noch sicher für sechs Monat, bis Nigger mich überdrüssig. Dann, wenn unangenehm wird, ich auf und davon.

Smithers: Oha! Schon alles wohlausgedacht, nicht wahr?

Jones: Ich kein Tölpel – Ich weiß, Kaiserzeit nur kurz. Deshalb Schäfchen ins Trockene beizeiten. Ich hier nicht Lebensstellung suchen. Nein, Direktohr! Geld zu gut für dies Dreckland. Ich gern ausgeben, aber was dafür verlangen. Und wann ich sehe, Niggers endlich daraufkommen mich zu stürzen, ich weiß, wo mein Geld sein und ich schnell abdanken und türmen.

Smithers: Wohin?

Jones: Geht Ihnen nichts an.

Smithers: Nicht zurück nach dem lausigen Amerika, möchte ich beschwören.

Jones (vorsichtig): Warum nicht? (Lacht leicht) Meinen, wegen Geschichte von Gefängnisausbruch? Gerede.

Smithers: Na, na!

Jones (scharf): Wollen nicht sagen, ich Lügner, wie?

Smithers (hastig): Gott bewahre mich, nein. Ich dachte nur an die saftigen Lügen, die Sie den Schwarzen aufgetischt haben – wieviel Weiße Sie in den Staaten kalt gemacht haben.

Jones (zornig): Wieso Lügen?

Smithers: Weil Sie dann dafür sitzen würden, nicht wahr? (Giftig) Soviel ich weiß, ist es für einen Schwarzen in den Staaten nicht rätlich, einen Weißen zu morden. Man brät sie dafür in Öl, tut man das nicht?

Jones (mit gefährlicher Kälte): Glauben, ich Angst vor Richter Lynch? Aufmerken, Smithers, kann sein, ich einen weißen Mann dort drüben getötet. Kann sein, weiß nicht. Kann sein, ich zweiten töten, hier bald, wenn er nicht vorsichtig.

Smithers (lacht gezwungen): Hab' nur gehänselt. Verstehen Sie keinen Spaß? Und Sie haben eben erst gesagt, Sie waren nie eingelocht.

Jones (im gleichen Ton wie zuvor, nur ein wenig prahlerisch): Kann auch sein, ich in Gefängnis gewesen, nach Streit mit Rasiermessern wegen Partie Würfel. Kann sein, Richter mir 20 Jahre aufbrummen, weil der Nigger sterben. Vielleicht ich neuen Streit haben mit Aufseher von Gefängnis, der hinter uns stehen beim Erdeschaufeln an Straße. Vielleicht er mich mit Peitsche schlagen und ich sein Schädel spalten mit Spaten und getürmt, und Kette feilen von Bein und entrinnen. Kann sein ich alles so tun und kann sein, ich nichts tun. Ich nur Geschichte erzählen und Sie wissen, was Mann ich bin. Und wenn einziges Wort weiter sagen, Sie verflixt bald letztemal stehlen auf Erde hier.

Smithers (äußerst verängstigt): Was denken Sie! Ich Sie verpfeifen? So sehe ich aus! Wir sind doch Freunde –

Jones (spannt ab): Stimmt – und besser so für Sie.

Smithers (seine Haltung zurückgewinnend und damit auch seine Bosheit): Sie sollen sehen, was für ein Freund ich bin – jetzt kommen die wichtigen Nachrichten.

Jones: Los. Raus damit. Sicher schlechte Nachrichten, weil so fröhlich aussehen.

Smithers (warnend): Vielleicht ist es Zeit abzudanken, Majestät, (höhnisch grinsend) mit der herrlichen Silberkugel – oder wie?

Jones (überrascht): Was meinen? Gerade reden.

Smithers: Nicht gemerkt, daß keiner von den Wachen und Dienern im Hause ist?

Jones (arglos): Alle sicher draußen im Garten, schlafen im Baumschatten. Wenn ich schlafen, alle davonschleichen faulenzen, und ich tun, als ob nichts merken. Und ich brauchen jetzt nur Glocke schellen, und alle kommen reinstürmen, als ob ganze Zeit wachen.

Smithers (spöttisch): Also bitte, schellen Sie, und Sie werden verdammt schnell sehen, was ich meine.

Jones (aufgestört zu schärfster Aufmerksamkeit, sehr mobil, aber affektiert sorglos im Ton): Gewiß ich schellen. (Greift unter den Thron, zieht eine große, grell scharlachrot bemalte Tischglocke hervor und schellt kräftig. Horcht dann reglos. Geht nach beiden Ausgängen, schellt abermals, späht hinaus. Lange Stille.)

Smithers (der ihm voll Bosheit zugesehen, höhnisch tief): Das lausige Schiff sinkt und die dreckigen Ratten sitzen drin fest.

Jones (von plötzlicher Wut überwältigt, wirft die klappernde Glocke in eine Zimmerecke zu Boden): Gemeine Schweinebande, Buschnigger! (sieht sich von Smithers beobachtet, gewinnt sogleich seine Haltung wieder, bricht in ein stilles kicherndes Lachen aus.) Scheint, daß Bogen diesmal zuviel straff spannen. Kein Mann kann immer pokern und Pott immer mit Bluff gewinnen. Sagen ich, ich noch sechs Monate auf Thron bleiben wollen? Hab' mich anders überlegen, machen Kasse und abdanken gleich diese Minute.

Smithers (ihn diesmal aufrichtig bewundernd): Donnerwetter, haben Sie eine Bierruhe, das muß man sagen!

Jones: Wozu Aufregung? Wenn ich sehen, Spiel aus (Handkuß in die Luft) Adieu und nicht lang warten. Sind alle nach Hügeln fortrennen, nicht wahr?

Smithers: Ja, jede lausige Männerjacke.

Jones: Also Revolution beginnen – und Kaiser besser schütteln Staub von Füßen gleich. (Geht zum Säulengang.)

Smithers: Sie suchen Ihren Gaul? Sie werden keinen finden. Zuallererst haben sie die Gäule beseitigt. Als ich nach meinem heute morgen sehen wollte, war der auch weg. Das hat mich auch zuerst stutzig gemacht, daß was los sein muß.

Jones (einen Augenblick beunruhigt, kratzt seinen Kopf, dann philosophisch): Also dann auf Schusters Rappen. Füße, durchhalten! (Zieht aus der inneren Brusttasche eine goldene Uhr.) Halb vier. Sonnenuntergang halb sieben ungefähr. (Steckt die Uhr zurück, mit kühler Sicherheit) Menge Zeit, kann langsam machen.

Smithers: Sind Sie nicht so verdammt sicher. Die werden mit Volldampf hinter Ihnen hersein. Der alte Lem steckt dahinter, er führt, und er haßt Sie wie die Sünde. Der verzichtet sogar auf sein Mittagessen, um Sie zu kriegen.

Jones (wütend): Dieser dumme Nigger, eine Niemand! Glauben, ich den fürchten? Mehr als einmal den Holzkopf in Staub treten, und wieder tun, wenn in mein Weg – (mit grimmiger Entschlossenheit) und diesmal als toten Nigger liegen lassen, Sie sicher sein!

Smithers: Sie müssen durch den großen Wald. Die Schwarzen hier riechen und laufen die Pfade wie Hunde. Sie werden die Füße in die Hand nehmen müssen, um es in zwölf Stunden zu schaffen, selbst wenn Sie die Wege so gut wie ein Eingeborener kennen.

Jones (entrüstet): Schauen her, weißer Mann, glauben, ich dumm geboren? Werden zugeben, daß ich etwas Verstand haben, Donnerwetter. Meinen, ich nichts vorgesehen und gesichert? So oft in Wald gehen, als ob auf Jagd, daß Wald durch und durch kennen wie Gebetbuch. Ich Pfaden finden mit geschlossen Augen. (Voll Verachtung) Diese Hohlköpfe von Buschniggers, die nicht eigenen Namen wissen, wollen Brutus Jones fangen? Glauben mir, wird vorbeigelingen. Können Gift drauf nehmen! Aber, Mensch, die Weißen waren hinter mich mit Bluthunde dort drüben, und ich sie zuletzt auslachen. Geradezu Schande, diese schwarzen Lumpen hier überlisten, sein zu leicht. Sie zusehen, Mensch. Werden lange Gesichter machen. Ich durch Felder zum Waldrand, ehe dämmern. Und wenn erst in dunklen Wald, Niggers verdammt schlechte Aussicht, diese schöne Säugling fangen. Morgen früh ich drüben draußen aus Wald, an Küste, wo franzeesisch Kanonenboot liegt. Nimmt mir auf, bringen mich Martinique, sobald dorthin fahren, und dann ich sicher wie im Paradies mit mächtig viel Geld in mein Hosentaschen. Das so leicht wie Kinderkriegen.

Smithers (tückisch): Aber angenommen, etwas geht schief und sie kriegen Sie.

Jones (endgültig): Niemals. Das ist alles.

Smithers: Aber angenommen, nur um davon zu sprechen, nur angenommen – was tun Sie dann?

Jones (runzelt die Stirn): Fünf Bleikugeln in dieses Revolver, gut genug für Buschnigger. Und danach eine Silberkugel – wird sie betrügen, wenn sie mir greifen wollen.

Smithers (spottend): Herrje, die Silberkugel hatte ich schon ganz vergessen. Werden sich selbst in Schönheit um die Ecke bringen, wie es die Kaiserwürde verlangt? Prost Mahlzeit!

Jones (düster): Können Ihr ganzes Geld auf eine sichere Sache wetten, weißer Mann. Dieser Liebling hier spielt bis zu Ende und wenn dann durch letzte Tür hinaus müssen, er sie kräftig zuschlagen, wie gebührt. Ein Silberkugel für ihn nur gerade gut genug, Ehrenwort! (Schüttelt sich, überwindet seine Nervosität, mit zutraulichem Auflachen) Dumme Reden, wozu? Noch nicht soweit und nie soweit kommen, nicht durch diese Niggerlumpen. (Prahlerisch) Silberkugel mein Glückstalisman. Ich besser laufen, schießen, verstecken und listiger als die ganze Bande hier, bei Tag und Nacht, in Sonne und Schatten. Werden sehen, Herr Direktohr!

Von den fernen Hügeln kommt plötzlich, durch die Entfernung gedämpft, der gleichmäßige, vibrierende, dumpfe Schlag des Tom Tom, der Negertrommel. Das Trommelschlagen beginnt genau mit der Schnelligkeit eines normalen Herz- und Pulsschlages – 72 in der Minute – und nimmt dann in den folgenden Szenen an Schnelligkeit allmählich zu. Der Trommelschlag hört von hier an nicht mehr auf, geht durch alle Szenen und durch alle Pausen bis zur letzten Sekunde des Spiels.

Jones fährt beim ersten dumpfen Schlag zusammen. Er steht lange gebannt und horcht, während eine seltsame Beängstigung sein Gesicht furcht. Dann versucht er in seinem gleichgültigsten Ton zu fragen:

Jones: Warum die Trommeln schlagen?

Smithers (mit abscheulichem Grinsen): Das gilt Ihnen. Die Feierlichkeit hat begonnen. Hab's schon früher gehört, und weiß, was es bedeutet.

Jones: Feierlichkeit? Was für Feierlichkeit?

Smithers: So eine Art von lausigem Kriegsrat mit Kriegstanz, erhitzen sich, machen sich Mut, bevor sie die Jagd auf die Majestät beginnen, die schwarzen Bengel.

Jones: Sollen sie. Werden Mut sehr nötig brauchen!

Smithers: Und dann halten sie ihren heidnischen Gottesdienst – da ist kein Ende vor Teufelssprüchen und Zaubern und geweihten Talismanen gegen Ihre Silberkugel (lacht brüllend vor Freude). Herzige, frische Jungen, wie aus der Hölle.

Jones (wider Willen ein klein wenig beängstigt und beunruhigt): Huhu! Gehören mehr dazu, dieses Hühnchen erschrecken.

Smithers (wittert seine Unruhe, boshaft): Heut' nacht, wenn es rabenschwarz im Wald ist, werden sie ihre Lieblingsteufel und Gespenster auf Sie loshetzen. Es wird Ihnen noch manches lausige Haar zu Berg stehen vor morgen früh+ … (Ernst) Es ist ein verhexter Ort, der dreckige Wald, selbst am hellichten Tage. Man weiß nie, was dadrin passieren kann, es ist so verflucht still. Mir läuft's immer kalt den Rücken hinunter, wenn ich nur eine Minute drin bin.

Jones (mit einem verächtlichen Nasenschnauben): Ich kein Hasenherz wie Sie. Bäume und ich, wir Freunde, und heut' nacht Vollmond, macht mir hell. Sollen dumme Niggers Zaubersprüche machen, soviel wollen, ich nicht töricht genug zu glauben an Geister und Gespenster und all das Weibertratsch. Och, gehen weg, weißer Mann, erzählen keine Märchen (feixt). Nicht wissen, daß ich eifriges Mitglied von Baptisten-Kirche? War ich allezeit, solange Pullman-Schaffner, und vor meine kleine Affäre. Sollen ihre Heidenspäße an mich erleben. Die Kirche mich schützen und sie alle in Hölle senden. (Nach einer Pause mit aufrichtiger Ruhe) Und vor allem, kleine Silberkugel nicht vergessen.

Smithers: Na, seit Sie hier sind, haben Sie nicht viel an die Baptisten gedacht. Hab' selber gesehen, wie Sie den Mantel nach dem Winde hängen und vertraut taten mit den plärrenden Medizinmännern oder wie man die Schweine hier nennt.

Jones (heftig): Verstellung, nur Verstellung, bestimmt. Gehören zu mein Spiel von Anfang. Wenn ich entdecken, diese Nigger halten schwarz für weiß, ich das behaupten lauter als lauteste Schreier. Bin nicht bezahlt hier als Missionar für Baptisten. Ich mußten Geld verdienen und Bibel inzwischen auf Bücherbord liegen lassen. (Unterbricht sich plötzlich, schaut hastig nach der Uhr.) Aber jetzt kein Zeit mehr schwatzen mit Sie. Jetzt Leine ziehen, augenblicklich. (Greift unter den Thron, zieht einen teuren Panamahut mit vielfarbig grellem Seidenband hervor, setzt ihn verwegen auf.) Na alsdann, weißer Mann. (Grinst) Auf Wiedersehen vielleicht in Zuchthaus einmal.

Smithers: Mich werden Sie dort nicht treffen. Möchte für kein Geld der Welt jetzt in Ihrer Dreckhaut stecken, Jones, aber herzlichen Glückwunsch trotz allem auf den Weg.

Jones (verächtlich): Sie größter Angstmeier, ich je gesehen. Sage Sie, bin so sicher wie mitten in New York. Gebe die Buschnigger jetzt Zeit bis Abend, sich Mut machen. Bis dahin Vorsprung, den niemals einholen.

Smithers (tückisch): Grüßen Sie mir höflichst alle Gespenster, denen Sie begegnen.

Jones (grinst): Wenn Gespenst Geld haben und behalten wollen, ich raten werden, nie bei Sie zu spuken.

Smithers (lacht geschmeichelt, dann neugierig): Nehmen Sie gar nichts mit auf den Weg?

Jones: Reise mit leichtes Gepäck, wenn schnell reisen will. Und habe Konservenbüchsen am Waldrand vergraben. (Prahlerisch) Sagen selbst, ob ich nicht weit denken? (Mit breiter freigebiger Geste) Ich vermachen alles in dies Palast an Sie – und Sie nehmen besser gleich soviel möglich, bevor Niggers kommen.

Smithers (dankbar): Gemacht – und schönsten Dank dafür. (Da Jones über den großen Säulengang hinaus will, warnend) Sie werden doch nicht dahinaus davon wollen, wo man Sie von weitem sieht?

Jones: Glauben, ich bei Hintertür hinausschleichen wie gemeiner Nigger? Noch ich Kaiser, nicht wahr? Und Kaiser Jones gehen wo kommen, und schwarze Lumpen nicht wagen, ihn aufhalten – noch nicht wenigstens. (Hält nochmals, horcht nach dem fernen, ununterbrochenen Trommelschlag.) Hören den Appell? Muß mächtig große Trommel sein, die bis hier schallen. (Lacht) Aber wenn mir nicht ganze Kapelle Abschied spielen, sie mich umsonst austrommeln. (Rückt den Hut zurecht.) Tata, weißer Mann. (Steckt die Hände in die Taschen und schlendert pfeifend in ostentativer Sorglosigkeit durch den Bogengang links ab.)

Smithers (blickt ihm verwirrt und bewundernd nach.) Hat der Kerl Nerven, das muß wahr sein! (Ärgerlich) Ach was, der stinkende Nigger mit seinen noblen Allüren! Hoffentlich fassen sie ihn und geben ihm nichts zu lachen! (Dann geht ihm Geschäft vor Schadenfreude, und er sieht sich gierig um.) Ein Blinder muß hier eine Menge finden können, was sich gut versilbern läßt. Mach' dich ran, alter Junge. (Eilt nach rechts ins Haus.)

Vorhang. Trommel weiter.

 

Zweite Szene.

Tiefes Abenddämmern am Rande des großen Waldes. Vorn, wo die freie Ebene am Wald endet, sandiger flacher Boden mit ein paar Steinen und einigen verkümmerten Büschen, tief an die Erde geschmiegt schutzsuchend vor den Stößen des Passatwindes. Dahinter ist der Wald wie eine schwarze Mauer quer durch die Welt. Erst wenn sich das Auge an das Dunkel gewöhnt hat, erkennt es die Konturen einzelner Stämme und der vordersten Äste, Rieseneckpfeiler einer noch schwärzeren Dunkelheit. Das traurige eintönige Seufzen des Windes in den raschelnden Blättern. Auch dieser Laut vertieft nur den Eindruck von der unbeweglichen Starrheit des Waldes und ist keine Erlösung von seinem brütenden, unverbrüchlichen Schweigen.

Jones kommt von links, schnell marschierend. Als er dem Waldrand nahe ist, hält er, blickt hastig hierhin und dorthin, späht angestrengt ins Dunkel auf der Suche nach einem vertrauten Merkzeichen. Erkennt, daß er die richtige Stelle erreicht hat, und wirft sich befriedigt zu Boden, hundsmüde.

Jones: Na da sein wir. Und zur rechte Zeit auch. Nur wenig zu spät und hier wäre schwarz wie in Tintenfaß. (Zieht ein farbiges Kattuntaschentuch und wischt sich das schwitzende Gesicht.) So! Bißchen Luft. Bin genug zerknautscht, bestimmt. Das Kaiserlich Nichtstun kein gute Vorbereitung für lange Marsch über Ebene in kochende Sonne. (Kichert) Immer mutig Nigger, schlimmste erst kommen. (Hebt den Kopf und starrt in den Wald. Das Kichern erstirbt in ein Winseln.) Großer Gott, schau das Wald nur. Der Smithers sagen, die Wald sei schwarz und weiß Gott er recht. (Schaut schnell weg und wendet seine ganze Aufmerksamkeit etwas ganz anderem zu, seinen Füßen, die er besorgt betrachtet.) Füße, gut durchhalten bis jetzt, und sehr hoffen, noch keine Blasen. Mußt jetzt Ruhe haben. (Schnürt schnaufend die Stiefel auf und zieht sie ab, während seine Augen beharrlich den Wald vermeiden. Befühlt zimperlich die Fußsohlen.) Noch ganz schön – nur kleines wenig heiß. Jetzt abkühlen, Füße. Nicht vergessen, daß lange Weg vor euch. (Sitzt in erschöpfter Haltung, horcht nach dem Pulsschlag der fernen Trommel. Murrt laut, um seine wachsende Unruhe zu betäuben.) Buschnigger! Daß nicht müde werden, immer das Trommel schlagen. Scheint schon lauter, scheint es. Sein vielleicht schon hinter mich her? (Richtet sich schwerfällig auf, kommt endlich auf die Füße, stiert zurück in die dunkle Ebene.) Können sie jetzt doch nicht sehen, auch nicht, wenn nur fünfzig Schritt weit. (Schüttelt sich wie ein nasser Hund, um die schwarzen Gedanken los zu werden.) Lachhaft, was reden, sein noch Meilen und Meilen weit, bestimmt. Wozu mich machen unruhig? (Sitzt trotzdem schnell nieder und beginnt hastig seine Schuhe zuzuschnüren, während er dabei, sich selbst beruhigend, vor sich hinmurmelt.) Wissen was? Magen sein leer, das alles Unruhe. Zeit zum Essen! Nur mit Wind in Bauch natürlich fühlen hohl. Wir jetzt gleich hier futtern, wenn erst Deubelschuh zugeschnürt. (Knotet das zweite Schuhband.) So! Und jetzt weitersehen. (Sucht auf allen vieren angestrengt den Boden ab.) Weißer Stein, wo sein weißer Stein? (Sieht einen weißen Stein und kriecht schnell hin, befriedigt.) Hier er sein. Ich wußten, daß sein hier richtig. Brotbüchse komm zu mich. (Kippt den Stein um und tastet darunter – enttäuscht.) Nix da! Herrje, ist hier richtig oder nicht richtig? Ach da – noch weißer Stein. Das wahrscheinlich richtig. (Kriecht hinüber, kippt den Stein um.) Auch nichts da! Essen, wo sein du? Nix hier. Deubel, müssen hungrig durch Wald – ganze Wald? (Kriecht dabei hastig von Stein zu Stein, kippt sie um, in immer besessenerer Hast. Springt endlich aufgeregt hoch.) Sein ich falsch gehen? Muß ich sein. Aber sein doch Pfad gegangen durch Ebene bei heller Tag? (Jämmerlich) Und so hungrig. Müssen Essen haben. Woher sonst Kraft haben, wenn nicht essen? Warum auch so schnell dunkel werden? Gar nix sehen. (Entzündet ein Streichholz an seiner Hose und späht umher. Im selben Augenblick wird der Schlag der fernen Trommel merklich schneller. Er murmelt bestürzt.) Woher soviel weiße Steine jetzt, erinnern nur einen? (Schnauft plötzlich erschrocken, wirft das Streichholz zu Boden und tritt es aus.) Nigger, Nigger, wahnsinnig sein? Streichholzen anzünden und zeigen, wo sein? Kopf klar behalten, Himmelswillen. Deubel, müssen sein vorsichtig. (Starrt furchtsam in die Ebene hinaus, die Hand am Revolver.) Aber woher alle weißen Steinen? Und wo Brotbüchse in Wachsleinwand hier vergraben?

Während er dem Wald den Rücken kehrt, kommen aus dessen schwarzer Tiefe die kleinen gestaltlosen Ängste hervorgekrochen. Sie sind selber schwarz, formlos im Schwarzen verfließend, und nur ihre grünglitzernden kleinen Augen sind, etwa in Kinderhöhe, zu sehen. Sie bewegen sich lautlos, aber mit wiederholter Anstrengung, sich höher zu heben, und fallen dann wieder zu Boden. Jones hat sich umgedreht und starrt hinauf in die Baumwipfel, um nach deren Konturen sich zurechtzufinden, aber vergeblich.

Auch an Bäumen nix erkennen. Herrgott, nix hier aussehen wie früher. Ich sicher falsch gehen! (In düsterer Vorahnung) Sein sonderbar, aber sehr sonderbar. (Plötzlich mit erzwungenem Trotz – zornig drohend) Wald wollen mich ein Streich spielen?

Leises spöttisches Lachen der gestaltlosen Ängste, das wie Wind – und Blätterrascheln klingt. Sie schwärmen vor ihm auf in verschnörkelten Figuren. Jones blickt hinunter, springt mit einem gellenden Angstschrei zurück und reißt seinen Revolver heraus – mit angstschnatternder Stimme.

Was sein das? Wer da? Wer Sie? Weg von mich oder ich schießen! Noch nicht weg –?

Feuert. Der Schuß blitzt auf, lauter Knall, dann ungeheure Stille, durch die nur schwach fernher der Trommelschlag kommt. Die gestaltlosen Ängste sind im Wald verschwunden. Jones steht erstarrt in der Stellung, in der er feuerte, angestrengt lauschend. Der Knall des Schusses, das Gewicht des guten Revolvers in seiner Hand haben seine zerrütteten Nerven beruhigt. Er spricht sich selbst wieder Vertrauen zu.

Weg sein. Das Schuß ihnen zeigen! Sein nur kleine Tiere. Kleine Wildschweinen, wahrscheinlich. Haben vielleicht Stullenpaket ausgraben und auffressen. Bestimmt sein so, dummer Nigger. Was sonst denken, daß sein – Gespenster? (Plötzlich wieder ganz aufgeregt.) Himmelswillen, jetzt Spiel verloren durch das Schuß. Niggers dummes Schießen hören können! Höchste Zeit jetzt im Wald verschwinden, nix mehr warten. (Stürzt auf den Wald zu, bleibt vor den ersten Bäumen schaudernd stehen, zwingt sich dann mit männlichem Entschluß.) Rein, Nigger! Was erschrecken! Nix da als Bäumen! Rein, Nigger! (Springt in den Wald. – Verwandlung, Trommelschlag weiter.)

 

Dritte Szene

Neun Uhr nachts. Im Wald. Der Mond beginnt gerade aufzugehen. Sein Licht dringt schimmernd durch den Baldachin der Blätter, erleuchtet das Dunkel darunter kaum merklich zu ganz verschwommenen Konturen. Im Vordergrund der Bühne ist eine kleine dreieckige Lichtung, von einer dichten Wand von Unterholz und Schlingpflanzen umschlossen. Dahinter steigt die massive Schwärze des Waldes wie ein Wall auf. Von links sieht man, ganz undeutlich in dem schwachen Mondlicht, einen schmalen Fußpfad aus dem Holz in die Lichtung hinein- und rechts wieder hinausführen. Wenn die Szene nach der Verwandlung wieder offen steht, kann man zunächst in dem Dunkel überhaupt nichts klar unterscheiden. Die Stille des Waldes ist unterbrochen von dem anhaltenden fernen Trommelschlag, – der etwas schneller und stärker geworden ist, als in der vorigen Szene, – und dann auch noch in regelmäßigen, kurzen Zeitabständen durch ein kurzes seltsames, klapperndes Geräusch. Dann, wenn sich das Auge gewöhnt hat, erkennt man die Erscheinung des Negers Jeff, der hinten in der Lichtung auf seinen Fußfersen hockt. Er ist mager, kaffeebraun, trägt die Uniform und Mütze eines Pullman-Schaffners. Er wirft drei Würfel vor sich auf den Boden, sammelt sie auf, schüttelt sie in der Hand, wirft sie wieder aus u. s. f. und tut dies ununterbrochen mit den gleichmäßigen, leblosen, mechanischen Bewegungen eines Automaten. Auf dem Pfade von links hört man schwere, mühsame Schritte näherkommen, und dann die Stimme Jones, etwas höher und kurzatmiger als vorher, geschraubt von dem Versuch, die eigene Beängstigung aufzumuntern.

Jones (noch hinter der Bühne): Mond aufgehen, sehen, Nigger? Jetzt mehr Licht von jetzt an. Nix mehr dummes Kopf gegen Baumstämme rennen, nix mehr Haut von Beinen schinden in Dornbüschen. Jetzt sehen wo gehen. Kopf hoch! Von jetzt an sein alles in Butter. (Er tritt auf die Bühne von links in die Lichtung hinaus. Wischt sein schweißnasses Gesicht am Rockärmel ab. Den Panamahut hat er verloren. Sein Gesicht ist vom Unterholz zerkratzt, seine schöne Uniform zeigt große Risse.) Wieviel Uhr sein, gern wissen. Aber müssen kein Streichholz anreiben. Puh! Warm sein, sehr warm, das sicher. (Erschöpft) Wie lang ich schon laufen in Wald? Müssen sein Stunden und Stunden. Scheinen Ewigkeit, aber kann nicht sein, wenn Mond erst aufgehen. Noch lange Nacht vor Euer Majestät. (Lacht leise traurig.) Jetzt dieses Kind nicht sehr majestätisch. (Versucht sich aufzuheitern.) Macht nix. Gehören alles mit zu Spiel. Auch diese Nacht einmal zu Ende sein wie alles. Und wenn dann sicher drüben und Geld in Hand, du über alles lachen. (Beginnt sich eins zu pfeifen, unterbricht sich aber ebenso schnell.) Wozu du pfeifen, Esel? Sollen ganze Welt hören wo du sein? (Horcht.) Immer das alte dumme Trommel! Klingen bestimmt schon näher. Niggers müssen es mitschleppen. Muß weitermachen. (Macht einen Schritt vorwärts in die Lichtung, hält wieder, kümmerlich) Was das merkwürdig Klappern man immerzu hören? Da, ganz nahe. Sein wie – Himmelswillen, sein wie Nigger würfeln! (Tief erschrocken) Lieber schnell weitermachen, wenn auf solche Einfälle kommen. (Will schnell die Lichtung durchschreiten, bleibt aber angedonnert stehen, sobald er Jeff gewahr wird – mit vor Entsetzen erstickter Stimme) Wer da?+ … Wer sein das? Sein das+ … Jeff? (Einen Schritt näher, vergißt, wo er ist, glaubt einen lebenden Mann zu sehen – einigermaßen erleichtert } Jeff?! Ich sehr froh dich wiedersehen. Sie mir sagen du gestorben an Halsschnitt von mein Rasiermesser. (Besinnt sich, aufs äußerste bestürzt) Aber wie du herkommen, Nigger? (Starrt gebannt den andern an, der unaufhörlich automatisch die Würfel schüttelt und ausrollt. Jones Augen kriechen aus dem Kopf und rollen wild. Er stottert) Hören du – hersehen – können du nicht mit mich sprechen – sein du du – sein du – (schreiend) Gespenst?! (Reißt in wildem Entsetzen den Revolver heraus. Schreiend) Nigger ich dir einmal töten. Sollen dir nochmals kalt machen?! Da hast du! (Feuert. Wenn der Rauch zerflattert ist, ist Jeff verschwunden. Das Klappern hat aufgehört. Jones steht an allen Gliedern zitternd, aber etwas beruhigter.) Weg Sein, jedenfalls. Gespenst oder nicht, Schuß ihm erledigen. (Der Trommelschlag, deutlich lauter und schneller, dringt in Jones' Bewußtsein. Fährt auf, starrt über die Schulter zurück.) Sie nahe kommen! Sie schnell kommen! Und ich schießen egalweg um mir zu verraten. Jetzt müssen aber rennen. In blinder Überstürzung vergißt er den Pfad, wirft sich gerade vorwärts in das Unterholz des Hintergrundes und verschwindet im Schatten. – Verwandlung, Trommel weiter.

 

Vierte Szene

Elf Uhr nachts. Im Wald. Eine breite staubige Chaussee führt von vorn rechts nach hinten links diagonal über die Bühne, von beiden Seiten dicht von hohem Wald eingeschlossen. Der Mond steht hoch. In seinem Licht schimmert die Straße blaß und unwirklich, als ob der Wald nur für einen Augenblick beiseite gewichen wäre, um die Straße durchzulassen, aber jeden Augenblick sich wieder schließen und die Straße auslöschen könnte.

Jones kommt stolpernd aus dem Wald von rechts. Seine Uniform hängt zerrissen in Lumpen um ihn herum. Wie er die Straße gewahr wird, blickt er mit starrem Staunen umher und zwinkert mit den Augen im hellen Mondlicht. Fällt dann wie ein Sack erschöpft zu Boden und keucht schwer. Dann in plötzlichem Zorn:

Ich zerschmelzen vor Hitze! Rennen un' rennen un' rennen. Verflucht der Rock! Wie Zwangsjacke! (Reißt den Rock vom Körper, wirft ihn weit von sich, zeigt sich nackt bis zum Gürtel.) So das besser! Jetzt ich können atmen! (Sieht hinab zu seinen Füßen, an denen die Sporen seine Aufmerksamkeit erregen.) Un' in Hölle dies noble Sporen. Das mich überall festhalten und mein Hals brechen. (Schnallt sie ab und wirft sie angewidert weg.) So! Wenn ich los sein kaiserlich Flitter, ich leichter fortkommen. – Herrgott, sein müde! (Pause. Er horcht nach dem fernen, ununterbrochenen Trommelschlag.) Müssen doch schon ganze Strecke zwischen sie und mir bringen, so schnell rennen und rennen, und verdammtes Trommel immer gleich stark – sogar näher vielleicht. Nein, vielleicht mein Vorsprung doch bleiben gleich, jedenfalls. Sie mich nie einholen. (Seufzt.) Wenn nur dummes Beine aushalten. Jetzt mir ganze Sache leid tun. Mit Kaisertum nix leicht fertig werden. (Sieht sich mißtrauisch um.) Wo nur dieses Straße herkommen? Gutes Chaussee sogar. Kann nicht erinnern, daß früher gesehen. (Schüttelt verängstigt den Kopf.) Dies Wald nachts voll von sehr sonderbares Dinge, bestimmt. (In neuer Panik) Herrgott, nur mich nicht noch Gespenster zeigen! Sie mir Herz auffressen! (Versucht sich wieder Mut zuzusprechen.) Gespenster! Dummer Nigger, gibts nix solche Sachen! Haben nicht Baptistenpfarrer hundertmal dich sagen? Sein du zivilisiert, oder wie ungebildetes schwarzes Nigger hier? Waren alles nur eingebildet, bestimmt, nix sein wirklich dagewesen. Kein Jeff! Un' sehen solche Sachen, weil Bauch leer, und quaken Frosch in leeres Bauch, dich wild vor Hunger machen. Hunger täuschen Augen und Gehirn. Jedes Kind das wissen. (In inbrünstige Bitten ausbrechend) Aber lieber, lieber Gott, nix mir nich mehr davon begegnen lassen, was sie auch sein! (Spannt ab, vorsichtig) Ausruhen, nix reden! Ausruhen sehr nötig. Un' dann wieder auf Weg machen. (Sieht zum Mond empor.) Nacht fast halb vorbei. Früh an Küste. Un alles vorbei un' ganz sicher.

Von rechts vorn kommt eine kleine Gruppe Neger die Straße entlang. Sie tragen gestreifte Sträflingskleidung, ihre Köpfe sind rasiert, ein Bein, an eine schwere Kette und Kugel gekettet, ziehen sie hinkend nach – man darf keine Kette klirren hören, alles ist geräuschloses Bild –. Einige tragen Spitzhacken, die andern Spaten. Hinter ihnen geht ein Weißer in der Uniform eines Gefangenenaufsehers, eine Winchesterbüchse über die Schulter gehängt, und eine schwere Nilpferdpeitsche in der Hand. Auf ein Zeichen des Aufsehers bleiben die Neger arbeitsbereit an der Jones entgegengesetzten Straßenseite stehen. Jones, der auf dem Boden sitzend hinauf in die Sterne gestarrt hat und so ihr lautloses Kommen nicht merkte, senkt endlich den Kopf und sieht sie. Mit weit hervorgewälzten Augen versucht er aufzuspringen, sinkt aber zurück, erstarrt vor Entsetzen. Er würgt wie gedrosselt nur den Bittschrei heraus:

Herr Jesus!

Der Aufseher knallt – nur Geste, lautlos – mit der Peitsche, worauf die Neger sogleich die Straßenbauarbeit beginnen. Sie schwingen die Spitzhacken, die Schaufeln, aber ihre Arbeit verursacht nicht den geringsten Laut. Auch ihre Bewegungen sind, wie die Jeffs in der vorigen Szene, die eines Automaten, starr, langsam, mechanisch. Der Aufseher weist streng mit der Peitsche nach Jones und fordert durch die Geste, daß er seinen Platz unter den Schaufelnden einnehmen soll. Jones rappelt sich auf, in hypnotischem Schrecken, murmelt unterwürfig:

Jawoll, zur Stelle, kommen schon!

Er schleppt sich hinüber, auf einem Fuß hinkend, und flucht halblaut voll Haß und Wut:

Verdammte Hund, ich dich noch heimzahlen, einmal.

Er steht gebückt, macht alle Geberden des Schaufelns, sticht den Spaten in das Erdreich, wirft die Erde seitwärts, hat aber natürlich die Hände leer. Plötzlich kommt der Aufseher auf ihn zu, zornig und drohend. Hebt die Peitsche und läßt sie auf Jones' Schultern niedersausen. Jones winselt vor Schmerz und duckt sich weg. Der Aufseher dreht ihm den Rücken zu und geht verächtlich fort. Sogleich richtet sich Jones hoch auf. Die Arme hoch empor gereckt, als hielte er darin den Spaten wie eine Keule zum Schlag geschwungen, springt er mörderisch den ahnungslosen Aufseher von hinten an. In dem Augenblick, da er den Spaten auf den Schädel des Weißen niederschmettern will, wird er plötzlich erst inne, daß seine Hände leer sind. Er schreit in Verzweiflung auf:

Wo mein Spaten? Mein Spaten, damit ich sein verdammtes Kopf spalten! (Flehend zu den anderen Sträflingen) Geben mir Spaten, eine von euch, um Gotteswillen!

Sie stehen alle in bewegungsloser Haltung still, die Augen zu Boden geheftet. Der Aufseher ebenso, mit dem Rücken zu Jones, wie in herausfordernder Erwartung. Jones brüllt in unterdrückter panischer Wut, besessen mit fliegenden Händen an der Revolvertasche zerrend:

Ich dich töten, weißer Deubel, un' wenn mein Kopf kosten! Gespenst oder Deubel, ich dich nochmals töten!

Hat den Revolver freigebracht, feuert sofort in des Wächters Rücken. Sobald der Schuß knallt, schließt sich der Wald zusammen, tilgt die Straße aus und die Erscheinungen der Sträflinge sind in der absoluten Dunkelheit verschwunden. Man sieht gar nichts, und das einzige Geräusch, das man hört, ist das Splittern und Krachen des Unterholzes, durch das Jones in tollblinder Flucht hindurchbricht, und der klopfende Trommelschlag, noch immer sehr weit weg, aber wiederum stärker und schneller als vorher. – Verwandlung, Trommel weiter.

 

Fünfte Szene

Ein Uhr nachts. Eine große kreisförmige Waldlichtung, dicht eingeschlossen von den gigantisch hohen Stämmen der Urwaldriesen, deren Kronen nicht zu sehen sind. In der Mitte der Lichtung ein großer, glattgehauener Baumstumpf wie ein Auktionstisch. Die Lichtung ist überflutet von hellem Mondlicht.

Jones kämpft sich von links durch den Wald in die Lichtung. Späht wild über die Lichtung hin, mit gehetzten, schreckensweiten Augen. Von seiner Hose sind nur noch Fetzen übrig, durch die zertretenen Schuhe schauen die Zehen heraus. Gleitet vorsichtig zu dem Baumstumpf, kauert dort nieder, sprungbereit zu sofortiger Flucht. Spannt dann ab, hält den Kopf in beiden Händen, wiegt sich in den Hüften vor und zurück und stöhnt kläglich weinend vor sich hin:

Oh Gott, oh Gott! Oh Gott, oh Gott! (Wirft sich auf die Knie, ringt die Hände zum Himmel in emphatischem Außersichsein, fleht inbrünstig) Herr Jesus hören mein Gebet! Ich armer Sünder, armer Sünder! Haben viel Schlechtes tun, weiß, viel Schlechtes. Wenn Jeff erwischen, daß mit falsche Würfel schwindeln, ich vor Wut rot sehen un' ihn tot machen! Oh Gott, ich schlecht! Wenn Aufseher mich Peitsche schlagen, ich rot sehen, un' ihn tot machen! Oh Gott, ich schlecht! Un' hier, wenn dumme Buschnigger mich auf mächtiges Thron erheben, ich alles stehlen, was in Hand kommen. Oh Gott, ich schlecht! Ich bekennen, ich bereuen! Vergib uns unsere Sünden, oh Gott, vergib armen Sünder! (Noch eindringlicher und voll Entsetzen) Un' lassen die mich nicht mehr sehen! Un' machen aufhören Trommelschlag in mein Ohren! Klingen auch schon gespenstisch! (Erhebt sich auf die Füße, ein wenig beruhigt durch sein Gebet – mit gespielter Zuversicht) Der Herrgott wird mir jetzt bewahren vor Gespenster. (Sitzt wieder auf dem Baumstumpf nieder.) Ich nicht fürchten wirkliche Mann. Sollen nur kommen. Aber die andere – – (Schaudert – blickt dann auf seine Füße hinunter, bewegt die Zehen in den Schuhen – seufzt) Ach, arme Füße! Die Schuhe nix mehr taugen, nur drücken. Besser ganz ohne Schuhen. (Schnürt sie auf und zieht sie ab – hält die Schuhtrümmer mit ausgestrecktem Arm vor sich hin und betrachtet sie trauernd.) Einmal wirkliche Eins-A-Lackschuhen gewesen – jetzt ansehen – Kaiser, Kaiser, du sehr tief fallen!

Er seufzt niedergeschlagen und verharrt zusammengehockt, mit gebeugten Schultern, die Schuhe noch in der niederhängenden Hand, betrachtet sie, widerstrebend, sie schon wegzuwerfen. Während seine Aufmerksamkeit so abgelenkt und auf den Boden fixiert ist, betreten von allen Seiten her zahlreiche Gestalten lautlos die Lichtung. Sie sind alle, Männer und Frauen, in der biedermeier- oder altwien-artigen Tracht der sklavenhaltenden amerikanischen Südstaaten der fünfziger und sechziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts gekleidet. Einige sind Männer mittleren Alters, wohlhabend gewordene Pflanzer. Ein Individuum ist besonders fein herausgeputzt, und von sehr autoritären Manieren – der Auktionator. Dann die Menge der neugierigen Zuschauer, meist junge Modedamen vom Land und ihre Dandies, die nur zur Unterhaltung zum Sklavenmarkt gekommen ist. Alle begrüßen sich sehr höflich und gesellschaftlich untereinander und plaudern, aber alles in vollkommen lautlosem Spiel. Ihre Bewegungen sind etwas steif, starr, unwirklich, marionettenhaft. – Allmählich versammeln sie sich um den Baumstumpf. Schließlich wird ein Trupp Sklaven von einem Händler hereingeführt, drei männliche Neger verschiedenen Alters, grauhaarig, mittel und jung, und zwei Negerweiber, von denen eins ein Kind an der Brust säugt. Sie werden links von dem Baumstumpf, dicht neben Jones aufgestellt.

Die Pflanzer betrachten sie abschätzend wie Vieh und tauschen ihre Meinungen über jeden einzelnen Sklaven aus. Die Dandies zeigen mit Fingern und machen Witze, die jungen Damen kichern kokett. All dies in tiefer Stille, durch die man nur den schicksalsdrohenden Trommelschlag hört. Der Auktionator steigt auf den Stumpf und hebt die Hand hoch. Alles drängt aufmerksam dichter heran. Er berührt befehlend Jones' Schultern, er solle sich auf den Baumstumpf, den Auktionstisch, aufrecht stellen.

Jones blickt auf, sieht die Gestalten ringsum, sucht aufgeregt nach einer Lücke, um zu entschlüpfen, findet keine, schluchzt auf und springt besessen auf den Stumpf hinauf, steht in sich verkrochen, um so weit wie möglich von ihnen entfernt zu sein. Er steht in sich geduckt, gebannt vor Entsetzen. Der Auktionator beginnt sein stummes Spiel. Er zeigt auf Jones, fordert die Pflanzer auf, selber zu prüfen. Das ist ein guter Feldarbeiter, stark auf der Lunge und mit kräftigen Armen und Beinen, wie jeder sehen kann. Überhaupt ein ausnehmend fester Kerl, trotzdem er nicht mehr ganz jung ist. Man sehe nur diesen breiten Rücken, und diese stämmigen Schenkel, und die festen Schultern und muskelbepackten Arme. Kann noch jedes Maß von Schwerarbeit leisten. Dazu auch noch gutmütig, intelligent, gefügig. Will einer der Herren ein erstes Angebot machen? Die Pflanzer heben ein, zwei, drei Finger hoch, bieten. Sie scheinen alle scharf darauf, Jones zu bekommen. Das Bieten wird immer lebhafter, die Menge immer erregter bewegt. Jones wird endlich vom Mut der Verzweiflung gepackt. Er fängt an herab- und herumzusehen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht wechselt, zuerst namenloses Entsetzen, dann glaubt er an eine Täuschung, endlich dämmert ihm das Verständnis der Wirklichkeit auf, und er bricht stotternd aus:

Jones: Was alle tun, weiße Leute? Was los hier? Warum mich so anstarren? Was wollen mit mich überhaupt? (Zuckend vor Haß und Angst) Sein das Aukschohn? Wollen du mich verkaufen, wie vor dem großen Krieg tun? (Reißt seinen Revolver heraus, gerade, wie ihn der Auktionator einem der Pflanzer zuschlägt – stiert vom Auktionator zum Käufer.) Du mich verkaufen? Un' du mich kaufen? Ich euch zeigen, ich freier Neger, verdammte Hunde! (Er feuert so schnell auf den Auktionator und den Pflanzer, daß beide Schüsse fast gleichzeitig fallen. Wie auf dies Zeichen schließt sich der Wald sogleich zusammen. Nichts als tiefste Schwärze und durch die Stille die wahnsinnigen Angstschreie Jones' drin im Wald – und der beschleunigte, noch stärker gewordene Trommelschlag während der Verwandlung.)

 

Sechste Szene

Nachts drei Uhr. Eine gerodete Stelle im Wald, ganz niedrig, nur etwa anderthalb Meter hoch über dem Boden überdacht von den untersten Riesenästen der nächststehenden Bäume. Die aufwärts ineinander verflochtenen Schlingpflanzen von Baumstamm zu Baumstamm geben den Bühnenseiten ein hohlgewölbtes Aussehen. Die so eingeschlossene Vorderbühne ähnelt dem dunklen, stinkenden Bauch eines altmodischen Sklaven-Schiffes. Vom Mond ist gar nichts zu sehen, und nur ein ganz unsicheres, blasses Licht sickert zwischen den Blättern durch. Zu Anfang ist die Szene überhaupt ganz schwarz. Man hört aus dem Wald das Geräusch jemandes, der durch das Unterholz stolpernd und kriechend näherkommt. Dann hört man die Stimme Jones' sprechen, untermischt mit schnatterndem Stöhnen.

Jones (noch hinter der Bühne): Oh Gott, was wollen jetzt tun? Kein Kugel mehr als das silbern. Wenn noch mehr Gespenster auf mich kommen, womit sie wegjagen? Oh Gott, nur noch das silbern übrig – das ich behalten muß als Glück. Wenn das verschießen, dann bestimmt verloren! Gott, hier sein schwarz! Wo sein nur Mond? Oh Gott, diese Nacht nie zu Ende? (Erscheint auf der Bühne, seinen Weg vorsichtig vorwärtstastend.) Hier! Das scheinen freie Platz. Ich müssen niederlegen un' ausruhen. Mir egal, ob Niggers mir fangen. Müssen ausruhn.

Er ist jetzt ganz im Vordergrund der Bühne, wo seine Gestalt wenigstens undeutlich zu erkennen ist. Seine Hosen sind so zerrissen, daß sie kaum noch wie ein Lendenschurz die Oberschenkel bedecken. Er wirft sich lang zu Boden auf das Gesicht, keuchend vor Erschöpfung. Dann allmählich scheint es in der Lichtung heller zu werden und man sieht hinter Jones zwei Reihen sitzender Gestalten. Sie sitzen in verzweifelt gekrümmten Haltungen, mit den Gesichtern gegeneinander gebeugt, und mit dem Rücken so dicht an den Wall des Waldes, als ob sie an die Stämme wie an Pflöcke gefesselt wären. Alle sind Neger, ganz nackt bis auf das Lendentuch. Zuerst sind sie stumm und unbeweglich. Dann beginnen ihre Oberkörper vollkommen gleichzeitig langsam vorwärts gegeneinander und langsam wieder zurückzuschwingen, als ob sie widerstandslos der Bewegung eines rollenden Schiffes auf der See folgen würden. Zugleich steigt ein leises melancholisches Murmeln von ihnen auf, schwillt in rhythmischen Stufen genau mit dem Hämmern des fernen Trommelschlages an, bis es zur langen, fürchterlichen Wehklage wird, die eine gewisse unerträglich schrille Klanghöhe erreicht, und dann wieder in langsamen Abstufungen abschwillt bis zu vollkommener Stille, worauf das leise, ansteigende Murmeln wieder beginnt. Jones fährt auf, sieht sich um, erblickt die Gestalten, und wirft sich sogleich wieder nieder, um sich dem schrecklichen Anblick zu entziehen. Entsetzen schüttelt seinen ganzen Körper, als das grauenvolle Jammern sich zum zweitenmal über ihm erhebt. Dann, unter geisterhaftem Zwang, mischt sich seine Stimme mit den andern. Wie der Chor hochschwillt, richtet er sich sitzend auf, den Oberkörper unisono mit den andern vor- und rückwärts rollend. Seine Stimme steigt deutlich über die übrigen empor in den kläglichsten Tönen der Trauer und Verzweiflung. Das blasse Licht verlischt langsam, die anderen Stimmen schweigen, und in der vollkommenen Dunkelheit hört man Jones auf die Füße taumeln und davonlaufen, während seine Stimme noch immer in rhythmischer Klage sinkend und steigend sich in den Wald hineinverliert. Dann nur noch der Trommelschlag, stärker, schneller, in noch beharrlicherem, triumphierenden Wirbel. Verwandlung.

 

Siebente Szene

Fünf Uhr morgens, aber noch vor dem Morgengrauen. Der Wurzelfuß eines ungeheuren Baumes am Rande eines großen Flusses. Roh aufgeschichtete Felsbrocken vor dem Baum, wie ein Altar. Das etwas erhöhte Flußufer im nächsten Hintergrund. Dahinter der Wasserlauf des Flusses, glatt und schimmernd im Mondlicht, in der Ferne unter einem bläulichen Nebelschleier verschwindend.

Jones' Stimme links hinter der Bühne, steigend und fallend in der langen Wehklage des geketteten Sklaven, rhythmisch mit dem Trommelschlag. – Als seine Stimme sinkt und in Schweigen erstirbt, tritt er auf die offene Bühne heraus. – Der Ausdruck seines Gesichts ist erstarrt und versteint, seine Augen starren mit besessen stierem Blick, er bewegt sich mit der sonderbaren Bestimmtheit eines Schlafwandlers, wie im Traumzustand. Er betrachtet den Baum, den Steinaltar, das mondbeschienene Wasser des Flusses, und fährt sich in verwirrtem Staunen mit der Hand über den Kopf. Dann dem Zwang eines dunklen Triebes gehorchend, sinkt er auf die Knie, fromm vor dem Altar gebeugt. Endlich kommt er etwas zu sich, hat ein undeutliches Bewußtsein von seinem Tun, denn er richtet sich auf, stiert verschreckt um sich, murmelt in zerhackten Worten:

Was – was ich tun? Was sein diese Stelle? Scheint mir – scheint mir kennen dieses Baum – un' Steine – un' Fluß. Ist mich erinnern – schon einmal hier sein gewesen. (Zitternd) Herrje, ich mich hier fürchten – ich mich so fürchten – oh Gott, schützen armes Sünder!

Kriecht vom Altar fort, kauert klein am Boden, das Gesicht in den Armen verborgen, die Schultern schlitternd von hysterisch-furchtsamem Weinen. Hinter dem großen Baumstamm hervor springt die Gestalt des Kongo-Zauberdoktors lautlos hervor. Er ist alt und verschrumpft, ganz nackt bis auf ein kleines Tierfell, das er so umgegürtet hat, daß der buschige Schwanz vorn wie ein Hochländer-Skilt herabhängt. Sein Körper ist über und über mit hellroter Farbe gebeizt. Auf der Stirn trägt er seitlich stehende Antilopenhörner. In der einen Hand hält er eine Knochenklapper, in der anderen einen Zauberstab, an dessen Spitze ein Büschel weißer Kakadufedern befestigt ist. Lange Glasperlketten und Knochenzierate hängen ihm um den Hals, um die Hand- und Fußgelenke und von den Ohren. Er stelzt lautlos in einem sonderbaren Stechschritt nach vorn, bis etwa zwischen Jones und den Altar, dann stampft er einmal einleitend und mahnend mit dem Fuß auf und beginnt zu tanzen und zu singen. Als ob das Fußstampfen ein Zeichen dazu gewesen wäre, schwillt der Schlag des Tomtom zu einem gewaltigen, frohlockenden Donnern, dessen Schläge die Luft mit einem schnellschwingenden Rhythmus erfüllen. Jones fährt zusammen, blickt auf, will aufspringen, erreicht nur eine halb kniende, halb zusammengeduckte Stellung und erstarrt in ihr, völlig gelähmt durch die schreckliche Bezauberung dieser neuen Erscheinung. Der Zauberdoktor schwingt sich umher, mit den Füßen stampfend, mit der Knochenklapper den Takt rasselnd. Seine Stimme steigt und fällt in einer Art geisterhaft monotonen, gesummten Neger-Wiegenliedes ohne erkennbare Worte. Allmählich verdeutlicht sich sein Tanz zur erzählenden Pantomime, die gesummte Melodie ist eine Beschwörung, eine Zauberformel, um den Zorn einer unversöhnlichen, ihr Opfer fordernden Gottheit zu beschwichtigen. Er flieht, wird von Teufeln verfolgt, verbirgt sich, flieht wieder. Wilder und wilder wird diese Flucht, immer näher wird er von dem verfolgenden Dämon bedrängt, immer mehr nimmt der Geist des Entsetzens von ihm Besitz. Die gesummte Melodie wird immer schärfer, interpunktiert von schrillem Schreien. Jones ist vollkommen hypnotisiert. Er singt die Beschwörung mit, schreit die Schreie mit, schlägt mit den Händen den Takt und wirft den Oberkörper in wildem Rhythmus hin und her. Geist und Bedeutung des Tanzes ist ganz in ihn eingedrungen, ist sein Dämon geworden. Plötzlich, in einem Geheul der Verzweiflung, hält der pantomimische Tanz starr an und beginnt dann wieder mit einem Tone der Hoffnung. Es gibt eine Rettung. Die Kräfte des Bösen fordern nur ein Opfer und müssen befriedigt werden. Der Zauberdoktor zeigt mit dem Zauberstab auf den heiligen Baum, den Altar, den Fluß, schließlich auf Jones, mit grausamem Befehl. Jones ahnt, was man von ihm will. Er soll sich selbst aufopfern. Er schlägt seine Stirn heftig auf den Boden, unter hysterischem Stöhnen.

Gnade oh Gott, Gnade! Gnade für dies arme Sünder!

Der Zauberdoktor springt ans Ufer, streckt seine Arme aus und ruft irgendeine Gottheit aus der Tiefe hervor. Kommt dann langsam zurück, die Arme noch vorgereckt. Ein riesiger Krokodilskopf schiebt sich auf das Ufer hinauf, die grünlich glitzernden Augen auf Jones geheftet. Jones starrt gebannt in diesen Blick. Der Zauberdoktor stelzt zu ihm hin, berührt ihn mit dem Stab, mit der scheußlichen Andeutung, sich dem wartenden Untier in den Rachen zu stürzen. Jones krümmt sich widerstrebend mehr und mehr zusammen, schwer stöhnend wie in den furchtbarsten Schmerzen.

Gnade Gott! Gnade!

Das Riesenkrokodil schiebt sich höher aufs Ufer hinauf, Jones windet sich ihm gegen Willen entgegen. Die Stimme des Zauberdoktors schrillt in wütendem Jubelgeheul, das Tomtom wirbelt rasend. Jones, in einem fürchterlichen Schreikrampf seiner letzten Kräfte, in tiefster Qual flehend:

Gott, Rettung! Herr Jesus retten mich! (Wie von Jesu Namen aus der Erstarrung geweckt, fällt ihm seine Waffe ein. Seine Hand fährt an die Hüfte, er schreit herausfordernd): Silberkugel! Noch ihr mich nicht haben!

Feuert auf die grünen Augen vor sich. Der Krokodilskopf versinkt im Fluß, der Zauberdoktor springt hinter den heiligen Baum und verschwindet. Jones liegt lang auf dem Boden, auf dem Gesicht, die Arme ausgereckt, wimmernd, während der Trommelschlag die Stille mit einer Vibration füllt, die wie die Stimme einer abermals erfolglosen, aber unabwendbar rachsüchtigen Macht klingt.

 

Letzte Szene

Morgendämmerung. Der gleiche Ort wie in der zweiten Szene, wo sich Wald und Ebene treffen. Die vordersten Bäume sind schon erkennbar, aber der Wald dahinter ist noch eine einzige, dunkle Schattenmasse. Das Tomtom ganz dicht bei schlägt mit stärksten, lufterschütternden Schlägen. Der Häuptling Lem kommt von links, gefolgt von einem kleinen Trupp seiner Krieger. Mit ihnen ist Smithers. Lem ist ein stark und plump gebauter völliger Wilder von rein afrikanischem Typ mit einem Affengesicht. Trägt nur ein Lendentuch, Revolvertasche und Patronengürtel um die Hüften. Auch seine dunklen Krieger bedecken ihre Blöße nur mit ein paar Fetzen. Alle tragen große Palmblätter-Hüte. Und jeder hat ein Gewehr umgehängt. Smithers wie in der ersten Szene. Einer der Krieger, ein Fährtensucher, untersucht kriechend den Boden; grunzt und zeigt mit dem Finger genau die Stelle, wo sich Jones in den Wald gestürzt hat. Lem und Smithers gehen hinzu und beugen sich hinab.

Smithers (wirft nur einen Blick hin und wendet sich wütend ab): Sehr richtig, da ist er 'rin. Mit der Wissenschaft könnt ihr euch in den Rauchfang hängen. Inzwischen ist er meilenweit und in schönster Sicherheit an der Küste, die verfluchte Haut. Hab' ich euch nicht gesagt, daß er auskommt, wenn ihr die ganze Nacht damit zubringt, die lausige Trommel zu klopfen und die albernen Zaubersprüche zu beten, fixdonnerwetter! Seid ihr eine klägliche Bande!

Lem (mit schweren Kehllauten): Wirr ihm fang'. Du sehen. (Gibt seinen Soldaten ein Zeichen, worauf sie sich im Halbkreis um ihn auf den Boden lagern, auf den Fersen sitzend.)

Smithers (außer sich): Na wollt Ihr ihn nicht im Wald jagen? Worauf zum Teufel wartet ihr schon wieder?

Lem (unerschütterlich, läßt sich auch nieder): Wirr ihm fang'.

Smithers (voll Verachtung): Einen Dreck werdet ihr! Er ist hundertmal so gescheut, wie ihr allesamt. Ich kann ihn nicht riechen, aber das muß ich ihm lassen.

Man hört plötzlich Zweige drin im Wald knacken. Die Krieger springen auf, reißen die Gewehre schnell in die Hand. Lem bleibt mit undurchdringlichem Gesicht sitzen, horcht aber angestrengt. Wieder knacken Zweige im Wald. Lem gibt ein rasches Zeichen mit der Hand. Die Krieger schwärmen völlig lautlos aus und kriechen an verschiedenen Stellen in den Wald.

Smithers (flüstert höhnisch in der tiefen Stille): Du glaubst doch hoffentlich nicht, daß er das noch sein könnte.

Lem (gleichgültig): Wirr ihn fang'.

Smithers: Verfluchte Dummköpfe! (Wird nachdenklich und sagt grübelnd) Und trotzdem, es kann mal vorkommen. Wenn er sich in dem Sauwald verirrt hat und im Kreise läuft – geschieht vielen –

Lem (gebieterisch): Schsch!

Man hört ein paar Schüsse im Wald knallen, und nach ein paar Sekunden der Stille kannibalische Jubelschreie. Im selben Augenblick bricht das Trommelrollen ganz unvermittelt ab. Die so entstehende tiefste Stille ist schwer wie Blei. Lem blickt zu dem Weißen mit einem befriedigten Grinsen auf.

Smithers (heiser): Woher weißt du, daß er es ist, und woher weißt du, daß sie ihn getroffen haben?

Lem: Mein' Soldate' die bekomm' Silberrkuggl. Derr sichere totten.

Smithers (erstaunt): Haben Silberkugeln bekommen?

Lem: Blaikuggl ihm nicht totten. Err zu stark Zaubberr. Ich ihm Silbergeld nemmen, machen Silberkuggel, machen stark Zaubbrr auch.

Smithers (erleuchtet): Also damit habt ihr die ganze Nacht zugebracht, was? Ihr wart bange vor ihm, solange ihr nicht die Silberkugeln fertig hattet, wie?

Lem (einfältig): JJa. Err stark Zaubberr. Blai nickt gutt.

Smithers (brüllt vor Lachen): Höher geht's nicht! (Dann mürrisch und zornig.) Ich wette deinen Kopf gegen meinen, daß ihr gar nicht ihn gekriegt habt, ihr Flaschenkinder!

Lem (gleichgültig): Jetz' ihn bring'.

Die Krieger kommen aus dem Wald, tragen Jones steifen Leichnam. Unter seiner linken Brust ist eine kleine purpurrote Wunde. Sie werfen die Leiche vor Lem zu Boden, Lem befühlt sie mit großer Zufriedenheit.

Smithers (beugt sich über Lems Schulter herab, sagt mit einer Art erschrockener Ehrfurcht): Diesmal haben sie dich doch gekriegt, Jonnsy, mein Junge. Tot wie ein Hering! (Wird wieder höhnisch) Und wo sind jetzt die noblen Allüren, Eure großmächtige Majestät? (Grinst verstört) Silberkugeln! Da soll das Donnerwetter dreinschlagen, – nobel gelebt und nobel gestorben. (Lacht.)

Lem (winkt den Soldaten, die Leiche fortzutragen.)

Smithers (höhnt ihn): Na und ihr bildet euch jetzt ein, eure lausige Zauberei und das Trommelschlagen haben ihn im Kreise herumgetrieben? (Lem hört ihn nicht, antwortet nicht, folgt seinen Kriegern mit dem Leichnam links ab. Smithers sieht ihm verächtlich wütend nach) Vernagelt wie Bretter, die ganze Schweinebande. Gottverdammte Nigger!

Vorhang


Druck von W. Drugulin in Leipzig

 


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