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Berliner Biedermeierhumor

Biedermeierwitze

Der wirklich ursprüngliche Urberliner wurzelt im Biedermeiertum. Die Menschen der Biedermeierzeit waren durchaus nicht einseitig. Romantische Empfindsamkeit galt ebensoviel wie die bescheidene bürgerliche Idylle. Behäbigkeit fehlte der Biedermeierzeit auch nicht. Und an Scherz und Satire scheint sie erst recht keinen Mangel gelitten zu haben. In dem Berlin der Biedermeiertage ist jedenfalls der eigentliche berlinische Witz zum erstenmal vollendet in die Erscheinung getreten. Die verschiedenen fremden Elemente, aus denen ja Berlins Bevölkerung schon seit Jahrhunderten besteht, hatten sich damals, wenigstens in den führenden Kulturkreisen, ganz bodenständig eingewurzelt. Die künstlerisch Regsamen gruppierten sich um den alten Schadow, um Rauch, Krüger – alles echte Berliner. Die politisch Regsamen verkehrten wohl bei Varnhagen und Rahel. Wissenschaftlich Interessierte traten mit den beiden Humboldts, mit Schelling und all den anderen Größen in Verbindung, die in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts die Berliner Universität schmückten. Alle diese Kreise lebten nun wiederum nicht für sich ein abgeschlossenes Leben, sondern berührten fortwährend einander und nahmen am Wohl und Wehe des andern nachbarlich Anteil.

Berlin war noch klein. Wer in der Leipziger Straße wohnte, wie Mendelssohn, der wohnte schon weit draußen. Das geistige Berlin lebte zwischen dem Schloß und der Mauerstraße. So konnten alle in kurzer Zeit zusammenkommen und in persönlichem Verkehr sich anregen, Ansichten und Absichten austauschen.

Das Leben der ganzen Stadt hatte etwas Einheitliches, was ihm heute fehlt: es war bürgerlich. Das Bürgertum hatte durch seine fleißige Arbeit die Aristokratie ziemlich überwunden. Viele vornehme Familien hatten auch in den Napoleonischen Kriegen ihre Besitzungen verloren. Und so war denn überall ein bürgerlicher Zuschnitt des Lebens vorhanden. Selbst am Hofe war er beliebt. Der einfache Friedrich Wilhelm III. war durchaus nicht für große Staatsaktionen eingenommen und haßte das steife Hofzeremoniell. Der Kronprinz aber lebte ganz wie die Künstler und Wissenschaftler, die er verehrte, verkehrte in Teegesellschaften, ging zu Liebhaberaufführungen und kannte auch in seiner Häuslichkeit keine höfischen Abendtafeln. Abends wurde nur Tee gereicht, kein Tischtuch gedeckt, sondern nur Rohrteller unter die Porzellanteller gelegt und nur nebenher während der Unterhaltung gespeist.

Die Unterhaltung, das geistige Miteinanderleben war das Ziel des Lebens. Aber es war nicht mehr die aristokratische Form der Unterhaltung. Das Bürgertum war herangewachsen und hatte alle Lebensformen durchdrungen. Auch die Bauformen waren diesem einheitlichen Zuge unterworfen. Und so hat wohl Berlin kaum wieder einen solchen geschlossenen künstlerischen Eindruck gemacht wie in den Biedermeierjahren – das äußere Berlin wie auch das geistige – . Solche Zustände waren geeignet, auch einen bestimmten Charakter der Bevölkerung klar und dokumentarisch zum Vorschein kommen zu lassen. In Wirklichkeit hat sich denn auch das Berlinertum nie so lebhaft und unverfälscht geäußert wie in der Biedermeierzeit. Zwar befanden sich auch damals genügend Fremde, nicht in der Stadt geborene, in Berlin. Das war immer so – seit Berlin sich rührte. König berichtete ja noch vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts, daß er nur wenig »echte« Berliner gefunden habe, wohl aber viele Zugezogene. Aber die Stadt und ihr Leben wandelten damals rasch die neuen Elemente um. Alle befleißigten sich, das Berlinertum anzunehmen.

Die Haupteigenschaften des Berlinertums aber waren damals seine Lustigkeit, sein Witz und seine Satire. Schon in Chodowiecki waren sie manchmal in die Erscheinung getreten. Er hatte sich über die kranke Frau lustig gemacht, die sofort gesund wird, wenn das neue Kleid kommt; er hatte über disputierende, nicht zankende »Schöne« gescherzt; er hatte die Berliner Kleinbürger gekennzeichnet, wie sie, mit Proviant aller Art beladen, nach Französisch-Buchholz, einem Nachbardorf, ziehen, als hätten sie eine wochenlange Wallfahrt vor sich.

Das Kleinbürgertum gab nun auch der folgenden Künstlergeneration eine willkommene Gelegenheit, ihre berlinische Vergnügtheit zu zeigen. Gottfried Schadow, dessen Skulpturen und Porträtbüsten jetzt wieder gewürdigt werden, gab hier den Ton an. Als guter Patriot machte er sich besonders gern über die Franzosen lustig. Sein Blatt, auf dem eine französische Schildwache mit dem Bajonett auf eine Waschfrau losgeht und sie ihm zuruft: »Jott, hab sie sich nich so, la Vache!« ist ja ziemlich bekannt. Weniger bekannt aber wird das Blatt sein, auf dem er eine Tanzgesellschaft parodiert. Die übermütige Darstellung findet sich auf einer Einladung zu einem Fest Berliner Künstler. Unter der Zeichnung stehen die geflügelten, aus Angelys »Fest der Handwerker« stammenden Worte: »Na dadrum keene Feindschaft nich«. Wahrscheinlich bezog sich Schadows Darstelllung des Tanzvergnügens auf bestimmte Vorkommnisse im Künstlerverein.

Schadows Blätter leiteten ganze Serien von satirischen Schilderungen aus dem Berliner Leben ein. An ihnen beteiligten sich alle bekannteren Künstler. Auch Franz Krüger, der elegante Maler der Paraden und Reitausflüge, tat sein Scherflein dazu. Von einer Serie »Berliner Fuhrwerke«, zu der wohl B. Dörbeck die meisten lieferte, wird ein Blatt ganz bestimmt Franz Krüger zugeschrieben. Es schildert die Kremser, die vor dem Brandenburger Tor hielten und die Berliner zu Ausflügen nach dem idyllischen Charlottenburg einluden, einem Dorf, das damals noch weit hinter dem Tiergarten lag. Die Kutscher hatten das richtige Berliner Mundwerk. Laut und aufdringlich forderten sie die Vorübergehenden zum Mitfahren auf. Es kam ihnen auch nicht darauf an, zur Unterhaltung ihrer Fahrgäste, die wegen des langen Wartens ungeduldig wurden, mit den Vorbeigehenden ihre Späße zu treiben. Ein beliebter Ausruf dieser Kremserkutscher war:

»Herr Baron, fahren Sie mit, es fehlt bloß noch eene lumpigte Person!«

Ein anderes Blatt zeigt einen gefallenen Droschkengaul, der trotz aller Hilfe nicht wieder aufstehen will.

»Det Luder is tüksch«, sagt der Kutscher von dem elenden Tier. Die Berliner Droschkenpferde waren eben selbst in den behäbigen Biedermeiertagen nicht wegen allzu großer Schnelligkeit berühmt.

Nein, die Berliner Kutscher befleißigten sich von jeher keiner allzu großen Liebenswürdigkeit. Ihr derbes, ungalantes Wesen entsprang allerdings weniger einer boshaften Absicht, als vielmehr einer gewissen Ungelenkigkeit und Beschränktheit. Holt da ein Kutscher eine junge Dame von der Oper ab. Es regnet, und große Pfützen bedecken das recht fragwürdige vormärzliche Berliner Pflaster.

»Kommen Sie man, Fräuleinken«, sagte der Kutscher zu der zierlich beschuhten Dame, »ick habe Stiebeln an!«

Diese biedere Art wurde oft verspottet, die gutmütige Satire darauf ins Unendliche variiert. Forderte irgendein derber Handwerksmeister auf einem Tanzfest eine hübsch und sorgsam aufgeputzte Schöne zum Tanz auf. Sie blickt erschreckt auf seine derben Hände und fragt:

»Doch nicht ohne Handschuh?«

Er tröstete sie: »Ick wasche mir nachher wieder!«

Freilich, es ist auch möglich, daß die Zimperlichkeit mancher Damen getroffen und die Unerschrockenheit und Unverfrorenheit des echten Berliners anerkannt werden sollte, der die kränkende Äußerung mit einer Zurechtweisung ihrer noblen Ansprüche erwidert.

Solche Charakteräußerung des Berlinertums wurden in einer ganzen Reihe von Blättern, »Berliner Volksleben« und »Berliner Redensarten«, geschildert. Mit besonders großer Liebe wurde die Geistesgegenwart und das Sichnichtverblüffenlassen der Berliner behandelt. Bruno Dörbeck illustrierte eine ganze Anzahl solcher spitzfindigen Redensarten: Der gar zu neugierige Student, der gern mit dem hübschen Dienstmädchen oder der niedlichen Kleinbürgertochter bekannt werden möchte, wird abgefertigt, als er fragt:

»Was gibt es da, mein schönes Kind?«

»Gespickte Maikäfer, Musjeh!«

Und der gar zu aufdringlich Arm, Schirm und Geleit Antragende – eine Szene, die sich in vielfachen Variationen findet – wird abgewiesen mit den deutlichen und offenherzigen Worten:

»Ekel, wenn Er nu nich jeht, werd ick Ihm jleich zeigen, wat ne Harke is!«

Die lieblichen jungen Mädchen hatten ihren Mund auf dem Fleck und wußten ihn auch gut zu gebrauchen. Zur Not machten sie auch aus den Fingern eine Harke und fuhren dem gar zu Aufdringlichen damit ins Gesicht. Bei dem verwegenen Menschenschlag, der nach Goethes Wort in Berlin lebte, war das vielleicht selbst in der Biedermeierzeit nötig.

Und auch die hübschen jungen Frauen, die zum Einkauf auf die Märkte gingen, durften nicht nur liebliche Geschöpfe sein. Die Berliner Höker- und Marktweiber waren allezeit gefürchtet ob ihrer furchtlosen Rede. Dörbeck hat eine von ihnen gezeichnet, wie sie zwischen ihrem Kram sitzt, die Arme verschränkt, und herausfordernd fragt:

»Wat, Sie will mir!«

In diesen Worten liegt die ganze kriegerische Stimmung des Berliner Marktweibes.

Aber nicht nur die Frauen waren so drastisch. Die Männer gaben sich auch keine Mühe, liebenswürdig zu ihren Käuferinnen zu sein. Das schöne Wort von Ochsen, die auf Bratwürsten laufen, stammt von einem Berliner Marktfleischer.

Die großwerdende Stadt hatte natürlich auch in den untern Schichten eine gewisse Halbbildung erzeugt. Diese Halbbildung war denn auch oft ein Ziel des Spottes. Auf einem hübschen Hosemann-Blatt fragt eine Bäuerin eine Hökerin, was für eine Puppe auf dem Brandenburger Tor fahre.

»Ja, nu, wat wird det sind! Alte römische Geschichte, Kurfürsten von Brandenburg, Siebenjähriger Krieg, det is et«, antwortete die Hökerin.

Aber nicht nur die Kulturzustände des niedrigen Volkes wurden verspottet. Die Berliner waren immer große Musikenthusiasten. Als Liszt spielte, fielen die Damen vor Enthusiasmus in Ohnmacht; der Sängerin Jenny Lind warfen sie ihre kostbaren Armbänder zu. Die Begeisterung für die Musik drang in jede Familie ein; überall wurde musiziert. Webers »Freischütz« erregte einen unbeschreiblichen Taumel; jedes junge Mädchen sang: »Kommt ein schlanker Bursch gegangen«, jeder Jüngling schmachtete: »Einsam bin ich nicht alleine«, jeder Malergeselle übte auf seiner Leiter: »Durch die Wälder, durch die Auen«, und jeder Bäckerjunge pfiff den Jägerchor oder »Wir winden dir den Jungfernkranz«.

In einer solchen musiktollen Stadt gab es denn auch genug zu persiflieren. Und ein Blatt »Wie die Berliner zwei Taler mit Gewalt loswerden« ging kräftig mit den Musiknarren ins Gericht. Die sentimental-dilettantische Hausmusik aber wurde von dem anonymen Blatt »Pianoforte« getroffen.

Auch an den Sittenzuständen gingen die Karikaturzeichner nicht still vorüber. Hosemann, der feine Zeichner des alten Berlinertums, hat manch solch Blatt geschaffen, wie das »Alle Teufel – meine Frau!« betitelte, auf dem ein abenteuerlustiger Ehemann entdeckt, daß ihn die bisher unbeachteten Schönheiten und Reize seiner eigenen Frau verlockt hatten, als er sie auf dem Maskenball umwarb und um ihre Gunst anflehte.

In den Zeiten der administrativen Verwaltung, als noch keine Preßfreiheit den Ausdruck jeder beliebigen politischen Meinung erlaubte, als selbst die Werke der Bettina von Arnim noch allerlei schikanösen Verfolgungen der Polizeiorgane ausgesetzt waren, mußte die Karikatur auch gewissen politischen Anspielungen dienen. Aus einer Lithographie aus dem Vormärz verteidigt sich eine Reinigungsfrau gegen einen strammen Polizisten:

»Ick sage ja keen Wort, Herr Kumzarius!«

»Halt Sie's Maul!« fährt er sie an. »Sie räsoniert inwendig!«

Aber solche Blätter sind selten. Niemand mochte sich mit der allmächtigen Polizei einlassen. Höchstens wurden die allgemein öffentlichen Zustände gegeißelt. Das Berlin der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts war nämlich ebensowenig eine saubere, mit allen erdenkbaren Zivilisationserrungenschaften ausgestattete Stadt wie alle andern Städte von Anno dazumal. Die Mangelhaftigkeit des Berliner Straßenpflasters war geradezu sprichwörtlich, und der Dichter Ludwig Robert, ein Bruder der Rahel Varnhagen, machte sich das Vergnügen, in den ergötzlichen »Promenaden eines Berliners in seiner Vaterstadt« zugleich Straßenpflasterung und Straßenbeleuchtung des vormärzlichen Berlin zu schildern:

Berliner Straßenbeleuchtung im Sommer.

Warum noch gestern, so frägst du,
Spärlich zwar, aber erleuchtet doch
Straßen und Plätze waren,
Und heute mit einemmal
Alles so rabenschwarz?
Weißt du denn nicht, du geborener Berliner,
Welch mystisch-symbolisches Fest
Die Stiefschwester der Themis
Die Zofe der Nemesis
Alljährlich an diesem Tage
Stolz und freudig begeht?!
Ihrer Mutter und Schutzgöttin,
Der geheimnisreichen Nacht zu Ehren
Löschet die Polizei
Heute in des Wonnemonds erster Nacht
Jedes matt aufdämmernde Flämmchen
In den Laternen der Stadt.
Vier Monde dauern die dunklen Mysterien;
Und während vier Monden darf
Kein leuchtendes Lämpchen
In dem prachtvollen Berlin,
In der Hauptstadt der Brennen, brennen. –
Nur nicht ängstlich mein Freund!
Nur ruhig! Ich führe dich ja
Und kenne genau
Empirisch, a posteriori,
Die Topographie der Vaterstraßen.
Jetzt geht es bergauf,
Jetzt bergab,
Gleich kommt ein Brückchen mit schwankendem Brett,
Ein Rinnstein jetzt.
Nun schreite! aber ich bitte,
Nur ja recht weit aus;
Denn hüben und drüben
Pranget in Häuflein der Schlamm der gereinigten Rinne.
Hier ist ein Loch im Pflaster,
Wir müssen hinein
Und jenseits heraus.
Fluche nur nicht; das ist gottlos!
Es könnte der Teufel sein Spiel –
... Da hast du's! Da liegen wir beide
Am Boden! –
Wie ist dir? Du lachst?
Nun danke dem Himmel!
So kommen wir ja
Noch so mit dem blauen Auge davon.
Ja, spotte nur, lache mich aus,
Ob meiner künstlich-strategischen Führung
Und topographischen Kenntnis.
Recht hab' ich doch,
Wenngleich wir gefallen;
Denn das verdammte Gebälk hier,
Auf das wir im Dunklen hinstürzten,
Bei meiner Ehr'! es lag noch
Vor wenigen Stunden nicht hier.
Spät abends ward es vermutlich
Noch erst angefahren,
Um morgen früh vorsorglich
Das wankende Haus zu stützen;
Weil gestern erst warnungsvoll,
Ein ungestütztes einfiel. –
Was dort leuchtet, fragst du,
Ob es ein Irrwisch sei,
Der uns verlocken will,
Oder das Wachtfeuer
Scottischer Räuber?
Keines von beiden, mein Freund!
Es ist das Cafe Royal,
Das nach beschwerlicher Reis'
Auf ungebahnten dunklen Wegen
Den Berlin durchwandelnden Fremden,
Wenn auch gastfreundlich nicht,
Doch gasthäuslich ladet,
Sich zu erquicken mit Speis' und Trank. –
Da laß uns hingehen;
Und während des Mahles
Soll man die Wagen bestellen,
Wir fahren nach Hause;
Denn nicht verlaß ich mich mehr
Auf meine Topographie.

Eine Lichtstadt wie heute war Berlin also damals nicht. Mit ihrem Blendwerk lockte sie niemanden. Von den Wohltaten der Kanalisation wußte kein Mensch das geringste. Aber die Düfte, die bei der nächtlichen Reinigung der Gruben den Eimern entströmten, veranlaßten die Berliner doch, von »tragbarem Gas« zu sprechen. Sie waren überhaupt nicht allzu zart und schüchtern, die Berliner jener Tage. Selbst in den höchsten Kreisen zirkulierten eine Anzahl von kolorierten Blättern, auf denen saftige Witze, derbe Redensarten und unfreiwillige Entgleisungen illustriert waren. Doch bezweckten solche Blätter eigentlich nur die Darstellung des Kulturzustandes gewisser Schichten. Und mit Vorliebe wurde die Derbheit, Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit der Frau aus dem Volke illustriert, wie auch ihre komische Redeweise, die oft die harmlos gemeinten Ausdrücke in ungewollter Zweideutigkeit umprägte. Wie auf dem Blatt, wo eine Frau vor einem Ochsen in einen Bijouterieladen flüchtet und mit den verfänglichen Worten eintritt:

»Ach, verzeihen Sie, hier kommt ein Ochse!«

Wer das Tier nicht sah, konnte wohl glauben, sie meine sich selbst.

Redensarten solcher derben und doch harmlosen Natur zirkulierten damals zahllos. Die Dienstmädchen gaben besonders viel Anlässe zu solchen Aussprüchen. Auf einem Blatt ist einer festgehalten. Ein Dienstmädchen, das eine Torte trägt, ist von einer blinden Harfenspielerin angerannt worden. Sie ruft der Blinden zu:

»Kann Sie nicht sehen, Sie blinde Kammermusikussen?«

Es gab aber unter den Dienstmädchen genug, die deutlich und mit aller berlinischen Pfiffigkeit antworten konnten. Ja, sie wußten sich damals schon im Leben zurechtzufinden. Und selbst die Ärmsten, die Bettelweiber, verstanden ihren Vorteil zu suchen. Weindauer, von dem wir leider nur wenige Berliner Blätter besitzen, hat eine Bettlergruppe von ausgezeichneter kräftiger Echtheit gezeichnet. Dies verschlagene Weib, das sich einen Blinden als Aushängeschild für seine Bettelei nimmt, könnte auch von einem heutigen dargestellt sein, könnte auch heute noch sein unverfroren-herzloses Wesen treiben.

Doch blieben auch die höheren Kulturgebilde nicht von der Ironie verschont. Im biedermeierischen Berlin hatte jede bessere Familie allwöchentlich ihren Teeabend, an dem die Freunde des Hauses teilnehmen mußten. An diesen Teeabenden wurden nicht nur schöngeistige Gespräche geführt, mit besonderer Vorliebe wurde auch Musik gemacht. Und die fiel dann nicht immer so köstlich aus wie im Salon der Rahel, wo die Milder und alle anderen Größen der Oper und des Konzertsaales die anspruchsvollen Ohren der Gäste erfreuten. In den bürgerlichen Familien traten besonders die Dilettanten in Aktion. E. T. A. Hoffmann schildert in seinen Schriften des Kapellmeisters Kreisler einmal spöttisch, wie die Töchter des Hauses sich von den Gästen quälen lassen, wie sie sich zieren und drehen, nur um zum Gesang genötigt zu werden. »Das Talent des Fräulein Röderlein ist wirklich nicht das geringste. Ich bin nun fünf Jahre hier und viereinhalb Jahre im Röderleinschen Hause Lehrer. Für diese kurze Zeit hat es Fräulein Nanette dahin gebracht, daß sie eine Melodie, die sie nur zehnmal im Theater gehört und am Klavier dann höchstens noch zehnmal durchprobiert hat, so wegsingt, daß man gleich weiß, was es sein soll ...«

Hoffmann blieb nicht allein mit seiner Kritik der übertriebenen Höflichkeit und gesellschaftlichen Unaufrichtigkeit, durch die junge und alte Dilettanten zur Preisgabe ihrer Unzulänglichkeit und die Gäste zu unechter Begeisterung verurteilt wurden. Ludwig Robert hat 1838 diese Manie gegeißelt:

Eine Berliner Gesellschaft.

Blumen und Kerzen
Spiegel und Lichter,
Geschnürte Herzen
Bewachte Gesichter.
Dort Federn und Spitzen
Und türkische Schale –
Sind Damen, die sitzen
Im Kreise im Saale,
Und ferne stehen
Die Söhne, die Gatten,
Schwarz wie die Krähen
Mit weißen Krawatten.
Grüßendes Neigen,
Tonloses Summen,
Verlegenes Schweigen,
Sprödes Verstummen.
Ein laulig Gebräue
Mit Zucker und Sahne,
Und immer aufs neue
Die schwache Tisane,
Und Kuchen und Backwerk
Und Backwerk und Torte;
Man öffnet zum Hackwerk
Das Pianoforte,
Nun trillern und stümpern
Die Virtuosen,
Und Tassen klimpern
Und Diener tosen,
Es flüstern und zischen
Die Frau'n unersättlich
Und rufen dazwischen:
»Ah, bravo, wie göttlich!«
Es werden die Zimmer
Stets heißer und enger
Und immer und immer
Die Weile länger,
Bis endlich die Wagen
Gemeldet werden,
Um Dank zu sagen
Für alle Beschwerden.
Zuletzt und am Ende,
Recht um uns zu necken,
Die Diener die Hände
Entgegen uns strecken,
Die kriegen das Beste
Und lachen im stillen
Des Wirts und der Gäste ...

*

Biedermeierwitze und Anekdoten.

Die ganze Skala der kulturellen Erscheinungen reizte das Berlinertum der Biedermeiertage, seinen Witz leuchten zu lassen. Allerdings waren es nicht nur die Zeichner, die alles mit ihrem Witz glossierten, nein, dieser scharfe und doch belustigende Witz war eine allgemeine Erscheinung. Die Zeichner gaben häufig nur das Beobachtete wieder. Die Lebensbedingungen des Berliners waren jedenfalls nicht so leicht, daß er seine Schlagfertigkeit, seine Bissigkeit ganz hätte missen können. Die Lust zum Spotten und Lachen regte sich viel zu stark in ihm. Sie fehlten ihm auch nicht in der Biedermeierzeit. Ihr haben wir die künstlerische Illustration des Berlinertums zu danken. Als alles, selbst Gratulationskarten, Einladungen und Patenbriefe einer gewissen künstlerischen Konvention unterworfen war, kam auch der Witz zu seinem künstlerischen Recht. Aus ihm können wir uns ein vollkommenes Gemälde der Stadt und ihrer Kultur herstellen. Vor allem aber erkennen wir, daß in Berlin der Biedermeierzeit nicht nur romantische Empfindungen oder idyllische Bescheidenheit die Hauptziele des Lebens waren. Wo der Witz so hoch im Kurse steht, da ist Rührigkeit und Regsamkeit, da gehen die Ideale des Lebens nicht in genügsamer Behäbigkeit unter. Und einen solchen Witz besaß Berlin in den Biedermeiertagen. Die besten Persönlichkeiten schufen ihn und erfreuten sich an ihm. Das war die Glanzzeit des Urberliners. Von seiner Art, von seinem Witz und seinem Humor soll dieser Abschnitt einiges in unsere Zeit hineinretten. Auch aus späteren Jahrzehnten sind einige Proben beigegeben. Glaßbrenners Anekdoten durften nicht fehlen. Sie sind das beste Berlinertum aus dem Vormärz. Ist der Berliner Witz inzwischen auch kürzer und knapper und drastischer geworden – er ist doch ganz der Witz des Urberliners anno dazumal: Er scheut vor nichts zurück, will aber zum Lachen bringen. Und das dürfte ihm auch fast immer gelingen.

*

Schadow.

Schadow: »Haste det alleene jemacht?«

Schüler: »Jawohl, Herr Direktor.«

Schadow: »Janz alleene?«

Schüler ( fast beleidigt): »Jawohl, Herr Direktor.«

Schadow: »Na, denn kannste Tepper werden.«

*

Ooch 'ne scheene Jejend!

Zwei Schneiderfrauen, die sich seit langen Jahren nicht gesehen hatten, trafen sich im Januar 1816 zufällig auf der Straße. »I Herrjees, Frau Jevattern!«, sagte die eine, »leben Se ooch noch? Na wie jeht's Ihnen denn?«

»I, ick danke, et jeht mir so so. Det mein Ältester jeblieben is, wissen Se schon, nich wahr?«

»Nee, wat ick höre! Is et möglich? Der Jottlieb is dot? I, i, wo is er denn jeblieben?«

»Jetzt erscht bei Bellfalljanks! Aber – irr ick mir nich, so is ja Ihr Lude ooch mitjejangen? Is denn der wiederjekommen?«

»I bewahre, Frau Jevattern. Den hat eene Kugel von hinten jeradezu dotjeschossen. Ach je, mir kommen de Tränen in de Oogen, wenn ick dadran denke.«

»Na, sind se ruhig«, tröstete die andere. »Sie müssen immer denken: Jott hat es so jewollt. Is er denn ooch bei Bellfalljanks?«

»Ach nee, nich bei Bellfalljanks, nee, bei Leipzig is er jeblieben.«

»Also man bei Leipzig? So? Na, heeren Se, Frau Jevattern, trösten Se sich, Leipzig – det is ooch 'ne scheene Jejend.«

*

Die neue Geschichte.

Unterhaltung zweier Männer aus dem Volke.

A.: Sag mal, hast du denn schon davon gehört?

B.: Wo von denn?

A.: Nu, von der Jeschichte mit den – na, da draußen, da neben die – jees! wie heeßen denn die Leute?

B.: Meenst du vielleicht die neue Bierkneipe?

A.: I, nee doch! Ick meene die Jeschichte da mit den – na, der Name schwebt mir uf de Lippe. Die da draußen vorgegangen is, da bei – da draußen bei – Jott, du mußt ja den Ort kennen!

B.: Ach Jees, det is die Jeschichte mit den – ja, die kenn ick – mit den – Jees wie heißt er doch. Die meenste?

A.: Richtig, die meen ick. Also du kennst se schon?

B.: Ja, die kenn ick, die hat mir ja der – der – na wie heest er denn – erzählt. Der – da draußen – du weeßt ja.

A.: Ja, ick wees schon, det is die Jeschichte! von dem hab ick se ooch.

*

Die Kurrende.

Mehrere Knaben mit schwarzen dreieckigen Hüten und Mänteln gehen von Haus, gruppieren sich um ihren Führer und singen. Inzwischen springt einer von ihnen zu den Leuten, die sich nolens volens ansingen lassen müssen, und bittet um eine kleine Gabe. Die Tenors sind ganz kleine Jungens, die Baritonisten etwas größere; den Baß besorgt der alte versoffene und krummbeinige Führer allein und läßt sich nur dann in seinem zarten Gebrüll unterbrechen, wenn der Sängerchor unartig wird, oder ein Glied desselben den Verdienst, der oft in Materialien besteht, gemütlich verzehrt.

Führer ( den Ton angebend): Üb i...

Chor und Führer:

Ȇb immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen –

Führer ( wackelt auf einen Jungen los, reißt ihm einen Salzkuchen aus der Hand und gibt ihm einen Katzenkopf): verdammter Bengel, ick schmeiß dir gleich – ( singt wieder im tiefsten Basse):

Finger breit
Von Gottes Wegen ab,
Von Gottes Wegen ab.« –

Loof darin, Bengel, bei dem Schlächter, un seh zu, wat de kriegst. –

»Dann wirst du wie auf grüner Au
Durchs Erdenleben gehn;
Dann –

Ein Tenor: Na, det laßt de sind, dummer Schafskopp.

Ein Bariton: Wenn de stoßt, stech ick dir ne Bremse (er holt mit der Hand aus).

Führer ( auf sie losfahrend): Na, wat is denn hier los! Ruhig, verfluchte Bengels –

kannst du ohne Furcht und Grau'n
Dem Tod ins Auge seh'n,
Dem Tod –«

( Zu dem Sammler): Infamige Kröte, wirst du die Leberwurst nich anknabbern! Jleich jiebste her, Jierschlunk!

»Dem Bösewicht wird alles schwer,
Er tue was –

Wat stechst du da in, Reeseler? Mach mal de Hände uf!

Ein Tenorist: Det sind sechs Dreier, die mir dadrin een Mann for mir alleene jeschenkt hat.

Führer: Wat, for dir alleene? Wülste jleich rausrücken, du Halunke, du! Wovor jloobsten, det ick mir hier mit Euch de Ohren vollsinge ( steckt das Geld ein), Schafskopp!

was er tu,
Das Laster treibt ihn hin und her,
Und läßt ihm keine Ruh,
Und läßt ihm keine Ruh.«

Sie nehmen sämtlich die Hüte ab und stellen sich vor dem nächsten Hause auf. Unterwegs spricht der Führer mit zornglühendem Gesichte zum Chor: »Infamige Jungens, nu sag ick euch zum letztenmal (er nimmt die Schnapsflasche aus der Tasche und trinkt), wenn ihr nu nich allens an euren Herrn abliefert und euch ordentlich betragt, so schlag ick euch eure dumme Köppe in, dumme Jungens! ( Einstimmend) Laßt ...

»Laßt uns, Ihr Brüder, Weisheit erhöhn,
Singet ihr Lieder, feurig und schön.«

*

Sittlichkeitsverordnung.

Müller: Nee, die armen Mädchens vom Corps de ballett!

Schulze: Warum denn?

Müller: Müssen sie die Kleider jetzt noch länger tragen!

Schulze: Na, wat schad't denn das?

Müller: Uns nischt, aber die armen Mädchens! Nu müssen sie ja die Beene noch höher schmeißen!

*

Der Deibel.

In einem Schnapsladen führten zwei Sackträger folgendes Gespräch:

Bandemann: »Weeßt du, wat der Deibel is?«

Grunewald: »Nee.«

Bandemann: »Willst du et wissen?«

Grunewald: »Ja.«

Bandemann: »Wat kriege ick dafür?«

Grunewald: »Ick lasse dich een Schnaps einschenken.«

Bandemann: »Is jut! Nu jreif mal in de Tasche. Wat is da drin?«

Grunewald: »Nischt.«

Bandemann: »Na, siehst du, det is eben der Deibel!«

*

Der Enthaltsame.

Zwei Eckensteher führen folgende Unterhaltung:

Gottlieb: »komm, Lude, mich is heute so flau, wir wollen bei Kommerzienrats eenen uff de Lippe nehmen.«

Lude: »Nee, juter Jottlieb, ick drinke heute keenen Schnaps nich.«

Gottlieb: »Und warum dieses?«

Lude: »Aus drei Jründen nich. Erstens drinke ick überhaupt keenen Schnaps, zweetens is heite meine Mutter ihr Sterbetag, da drinke ick nie keenen Schnaps, und drittens habe ick alleweil eben erst eenen jedrunken.«

*

Was nun?

Ein junges Mädchen, wie viele in Berlin, von unersättlicher Lesesucht befallen, hatte die üble Gewohnheit, des Abends im Bette noch zu lesen, aber – dabei immer einzuschlafen und sich so der Gefahr des Verbrennens auszusetzen. Die Mutter, sich in den Willen der gebildeten Tochter fügend, hatte der neuen Köchin den Befehl gegeben, an jedem Abend bei der Mamsell nachzusehen und das Licht zu löschen.

Einst, um Mitternacht, als Madam im tiefen Schlafe liegt, wird sie von der schreienden Köchin geweckt:

»Madam, Madam! – wat soll ick nu machen?«

»Mein Gott! was ist denn?«

»De Mamsell ...«

»Nun, um Gotteswillen! Sie ist doch nicht zu Schaden gekommen?«

»I nee, des nich, aber se hat det Licht heite alleene ausgemacht!«

*

Spekulation.

In einer Destillation hatte der Wirt aus wohlberechneter Industrie eingeführt, daß jeder, der drei Gläser Schnaps trank, das vierte umsonst bekam; und so tranken denn viele, statt ihrer gewöhnlichen zwei Gläser, oftmals vier. – Eines Tages trat ein Arbeiter in den Laden und sagte zum Wirt: »Schenken Se mir mal eenen in; aber jleich den vierten!«

*

Ewig schade!

Ein schlanker Gardeleutnant bemühte sich eines Abends, einer jungen Dame, die von ihrem Dienstmädchen nach Hause begleitet wurde, unter den Hut zu sehen.

»Soll ick vielleicht leichten?« fragte höhnisch das Mädchen, indem sie ihm die Blendlaterne unter die Augen hielt.

»Nein!« antwortete der Leutnant, »auf Ehre, ich bin mir selbst Licht genug!«

»Ach, det is schade«, versetzte das Dienstmädchen, »det is ewig schade, det Sie nich bei uns uff'n Flur hängen!«

*

Stichelei.

Auf dem Spittelmarkt ging neulich eine Allesmachende umher und schien etwas mit den Augen auf der Erde zu suchen. »Wat suchste denn hier?« fragte sie ihre Freundin, »du hast wohl deine Schmuhgroschen verloren?«

»Ach nee!« antwortete die erste weiter suchend, »sag' mal, weeste nich vielleicht, wo hier de Spittelkirche is?«

*

Revanche.

Eine aufgeputzte Dame, deren Stand leicht zu erraten war, stieß auf der Straße eine vorübergehende Köchin etwas unsanft an.

»Na,« revanchierte sich diese, »mach' Se sich man nich so breet, Sie jemeenet Mensch! Wat Sie is, bin ick schonst lange jewesen.«

*

Glücklicherweise kein Malheur.

Eine für alles, die von ihrer Herrschaft bei einer Lustfahrt über Land mitgenommen worden und das Unglück erlebt hatte, daß der Wagen umwarf, erzählte diesen Vorfall ihrer Hauskollegin und äußerte schließlich:

»Je, et is noch ein wahres Jlück, det bei det Unglück jlücklicherweise keen Maleer passiert is.«

*

Der gute Rat.

Ein Handwerksbursche fragte in der Breiten Straße einen Droschkenkutscher, wie er wohl zunächst nach der Stadtvogtei käme?

»Jehn Se man hier in den Laden da drüben, un stehlen Se en Pack seidene Dücher!« war die Antwort.

*

Kleiner Streit zwischen einer Hausfrau und ihrer Köchin.

Frau: Aber Friederike, du hast schon wieder den Braten anbrennen lassen!

Köchin: Nee, Madam, der is janz alleene anjebrennt!!

Frau: Was, du willst mich noch zum besten haben?

Köchin: Zum besten? I, davor behüte mir der Himmel! Nee, ick spaße ja man.

Frau ( außer sich): verdammtes Mensch, mach' mir nich böse!

Köchin ( ganz gleichgültig): Wozu denn det noch. Sie scheinen mir schon etwas böse zu sind.

Frau: Du weeßt doch, daß de zum Ersten ziehst!

Köchin ( die Hände faltend): Ach, wenn man schon der Zweete wäre!

Frau: Halt' Sie's Maul sag' ich!

Köchin: Wozu denn? det is mir ja anjewachsen!

Frau ( wütend): Bist du nu ruhig Knochen! oder ich rufe meinen Mann!

Köchin ( achselzuckend): Ja, denn jeht et mir schlecht; jejen zehne kann ick mir nich verteidijen.

Frau ( verschluckt die Galle und wird etwas milder): Sag' mal, Friederike, hat dich denn der Satan verführt, daß du immer das letzte Wort haben mußt?

Köchin: Ja, ick hab' et von Ihnen jelernt!

Frau ( indem sie fortgeht): Geh' zum Deibel!

Köchin ( ihr höhnisch nachrufend): Also soll ick wieder bleiben, Madam?

*

Vergnügen.

Ein Berliner, der durch das Dorf Steglitz ging, sah den Wirt eines dortigen Kruges gerade damit beschäftigt, einen Knaben ganz erschrecklich durchzuprügeln. Nachdem dies geschehen und der Kleine noch mit einem heftigen Stoß in den Hausflur geworfen worden, fragte der Herr aus der Residenz den Gastwirt, wer der junge Mann sei, und woher er wäre.

»Der is aus de Stadt«, erwiderte der Gefragte sehr ruhig. »Es ist mein' Bruder sein Sohn, un hält sich hier bloß zum Verjnüjen een paar Dage uf!«

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Entschuldigung.

Ein Leutnant bemerkte, daß sein Kaffee seit mehreren Tagen so dick sei; er rief deshalb seinen Burschen ins Zimmer und fragte ihn nach der Ursache dieses Übels.

»Ja seh'n Se, Herr Leutnant,« sagte dieser, »der alte Trichter is entzwee jejangen, un nu hab' ick einen Strumpf jenommen, un da is et möglich –«

»I, zum Donnerwetter!« rief der Offizier. »Kerl, auf Ehre, ich glaube, du bist wahnsinnig!«

»I Jott bewahre!« antwortete der Bursche voll Seelenruhe. »Globen Sie mir doch man, det ick weeß, wat ick dhue! Ick weeß ja, det Sie sich einrichten müssen, un werde nich so rinrasen. Ick habe ja man en alten Strumpf jenommen!«

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Edler Zorn.

Ein Dienstmädchen, das mit den Kindern ihrer Herrschaft auf die Straße gegangen war, unterhielt sich mit einer Freundin und beobachtete die Kleinen nicht, die mitten auf dem Damm spielten. Plötzlich bog ein Wagen in vollem Trabe um die Ecke und hätte beinahe eines der Kinder übergefahren. Alles schrie laut auf, auch die in der Nähe befindlichen Steinsetzer, das Dienstmädchen aber sprang hinzu, ergriff in voller Wut das Kind, und versetzte ihm mehrere derbe Schläge ihres Vergehens wegen.

»Wat?« rief im höchsten Grade darüber aufgebracht einer der Steinsetzer, »erscht überjefahren beinah jelassen, un denn noch davor jekeilt! Na, wenn ick Eltern von des Kind wäre! Hurrje!«

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Trost.

Ein Kanarienvogel hatte sich aus seinem Gefängnisse befreit und flog auf der Straße von Haus zu Haus. Der Besitzer und mehrere Müßiggänger folgten dem kleinen gelben Insurgenten mit Blick und Tritt, ließen sich vielfach vexieren, und mußten endlich doch mit langer Nase abziehen, da er einen kühnen Flug über die Häuser nahm und wahrscheinlich sein milderes Vaterland zu erreichen hoffte.

Nach einer Stunde klopfte man an die Tür des ehemaligen Kanarienvogelbesitzers. Er öffnete, trat heraus und sah mit freudigem Erstaunen einen schlichten Mann vor sich, der ein lose zusammengefaltetes Schnupftuch in der Hand hielt, in dem sich etwas bewegte.

»Sagen Se mal, um Verjebung, sind Sie der Mann von vorher mit den Kanaljenvogel? War det Ihrer, der wechjeflogen is?«

»Jawohl, lieber Mann, jawohl! Haben Sie vielleicht –«

»Sagen Se mir mal, war et 'ne Sie, oder war et 'en Hahn?«

»Ein Hahn«, antwortete der ehemalige Kanarienvogelbesitzer.

»So, also en Hahn? Na, denn paßt sich det charmant! Sehen Se mal, werter Herr, ick habe hier nämlich eine Sie. Nu wollt' ick Ihnen mal fragen, ob Sie vielleicht eine Hecke etablieren wollten, denn könnten Sie mir die Sie abkoofen. Ick lasse se Ihnen billig.«

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Bonmot.

Fast in jedem Vierteljahr haben die Berliner ein neues Bonmot, das größtenteils von der Bühne herab bekannt wird. Neulich unterhielt sich darüber ein Hausknecht mit dem Dienstmädchen.

»Ja,« sagte sie, »die Veränderlichkeit bei den Männern is merkwürdig! Erst hört allens uf Beckmanns: ›Na nu hört allens uf!‹ Un nu? nu hört allens uf: ›Na nu hört allens uf!‹ zu sagen.«

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Beides stört sehr!

In einem Kaffeehause führten zwei ältliche Herren ein politisches Gespräch, dem mehrere der Anwesenden mit gespanntem Interesse zuhörten. Ein junger Laffe aber spazierte mit einer noblen Frechheit mehrere Male zwischen beiden Herren hindurch, die so weit auseinander saßen, daß dieses eben möglich war, ohne einen zu berühren. Die Zuhörer bemerkten murrend diese Ungezogenheit, nur die Sprechenden schienen nicht darauf zu achten. »Ja, ja! wie ich Ihnen sage, Herr Doktor«, sprach der eine mitten im Fluß der Unterhaltung, »da, wo Sie sitzen, liegt Belgrad, wo ich sitze, liegt Semlin und mitten durch läuft die Sau.« – Ein allgemeines Gelächter erscholl, und der Stutzer fand es für geraten, seine Promenade nicht zu wiederholen.

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Der schlechte Taxator.

»Wie alt schätzen Sie mich?« fragte neulich in einer Gesellschaft eine Dame, nachdem sie sich sehr unartig und unzart betragen hatte, einen neben ihr sitzenden Herrn.

»Entschuldigen Sie,« antwortete dieser, »ich habe gar kein Talent zum Taxieren. Ich sehe wohl, daß Sie nicht alt sind, aber ich kann Sie trotzdem nicht schätzen.«

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Wozu?

Ein Sonderling war sehr krank und sagte zu seinem Bedienten, der sich nach ihm gebildet hatte: »Geh zum Arzt und hole mir Medizin!« –

»Ja hör'n Se mal,« antwortete der Diener, »der Arzt is am Ende nich zu Hause?« –

»Er wird schon zu Hause sein, geh nur!«

– »Na aber, wenn er nu ooch zu Hause, un er jibt mir keene Medizin?«

»Nimm meine Karte mit, er wird sie dir nicht verweigern.«

– »Na, un wenn er mir ooch Medizin jibt, so wird sie vielleicht nischt helfen?«

»Verdammter Kerl, nun gehst du!«

– »Nee, wozu? Ick will sojar zujeben: Die Medizin hilft, aber was nützt das? Sterben müssen Se zuletzt doch mal, un des können Se jetzt akkurat ebenso jut, wie en ander Mal.« –

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Verstärktes Lob.

»Bin ich nicht schön gebaut?« fragte neulich ein sehr bornierter Stutzer eine junge Dame, indem er sich mit beiden Händen in die Taille griff.

»Jawohl!« antwortete diese. »Bei Ihnen ist für's erste kein Einfall zu vermuten.«

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Ärztliches Verbot.

»Denk dir mal, Lude,« sagte neulich ein Holzhauer beim Frühstück zu seinem Kollegen, indem er den Korken seiner Schnapsflasche abzog, »der Doktor hat mir wejen meine Unterleibsbeschwerden alle hitzigen Getränke verboten – nu muß ick immer so den kalten Kümmel runterwürjen.«

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Der erste.

Ein Nachtwächter saß gewöhnlich auf der Treppe eines Hauses, in dem viele junge Leute wohnten, die ihm des Nachts oft Beschäftigung und selten Biergelder gaben.

»Na!« fragte eines Nachts sein Kollege, der ihn halb träumend dort fand, »haben dir heite schonst viele von deine Schafsköppe jestört?«

»Nee!« antwortete er, »du bist der erste.«

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Der Politikus.

Als Don Pedro und Miguel Krieg gegeneinander führten, äußerte ein politischer Schuster eines Morgens beim Lesen der Zeitung: »Nee, det is doch höchst unrecht von den Don Pedro, wie er sich jejen Miguellen benimmt! Erst hat er mit ihm jebrochen, – un nu will er sich nicht mal überjeben.«

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Versehen.

Knorpel: Na, det weeßte doch schon, Schmolinger, det sich Schmidt jetzt mit 'ne Frau versehen hat?

Schmolinger: Ja, det weeß ick, det er sich mit 'ne Frau versehen hat. – Ick kenn se.

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Die Geschichte.

Ein äußerst pomadiger Maurergeselle saß im Kreise mehrerer Kollegen und erzählte mit der größten Ruhe eine Geschichte, die durchaus nicht enden wollte und sogar die Phlegmatischsten ungeduldig machte. Endlich aber nahm einer aus seiner hölzernen Dose eine Priese und sagte: »hör' mal, Wuppdich, nu sei so jut un beeile dir en bisken mit deine Jeschichte; ick verreise det andre Monat.«

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Das Stehlen.

Mehrere Hökerinnen saßen auf einem Platze und unterhielten sich, während des Gesprächs zog die eine aus Scherz der andern das Schnupftuch aus der Seitentasche. Diese bemerkte es erst, als die andern lachten, und sagte, indem sie das Tuch wiedernahm:

»Det muß ick sagen, det Stehlen verstehste meisterhaft.«

»Na hör' mal!« antwortete die andere und sah sie ein wenig von der Seite an: »Dein Lob könnte mir wirklich stolz machen!«

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Die Stinte.

Eine Hökerin, die Stinte zum Kauf umher trug, ließ auf dem Hofe eines Hauses ihre Stentorstimme erschallen.

Der Wirt dieses Hauses steckte seinen Kopf aus dem Fenster und rief: »Na, dummes Weib, geh' Sie doch auf die Straße, un schrei Sie hier nicht ihre Stinte aus!«

»I,« antwortete die Hökerin, »seh' Er doch mal! Worum soll ick denn nich schreien? Wenn meine Stinte so'n großet Maul hätten, wie Er, denn könnten se sich freilich alleene ausrufen!«

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Die Sterbende.

Eine Budenbesitzerin Berlins lag auf dem Totenbette und schied sehr ungern von dieser Welt, deren Früchte sie so lange der begehrenden Menschheit dargebracht hatte. – Ihr Ehegespons stand etwas in Nebel gehüllt vor ihr und tröstete sie mit den Worten: »Jräme dir nich darüber, det de sterben mußt; det find't sich allens, un et wird schon jehn! Seh mal, eenmal müssen wir alle in unserm Leben sterben!« –

»Schafskopp!« lispelte die kraftlose und richtete sich mit Mühe ein wenig empor, »det is et je eben! I, wenn man zehn oder zwölfmal sterben müßte, denn würd' ick mir aus det eenemal nischt machen!«

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Der gute Rat.

Eine Obsthändlerin, die wie alle sehr sparsam war, ging in einen Bäckerladen und forderte sich ein Viergroschenbrot. Es wurde ihr ein solches gereicht. Erstaunt über den geringen Umfang, wog sie es prüfend in den Händen; als sie sich aber auch hier in ihren Erwartungen getäuscht sah, fragte sie: »Is denn det wirklich een Viergroschenbrot?«

»Na ja, wenn es Ihnen nicht recht ist, lassen Sie's liegen!« sagte ärgerlich der Bäcker.

»I, Er verknet'ter Deechaffe!« schrie die Beleidigte, »bejieß er doch seine Knirpsbrode alle Morjen mit de Jießkanne, damit die wachsen, un laß er seinen Schafskopp mit rinbacken, damit se Gewicht kriejen!«

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Präsumtion.

Piepern: Dumm, meenste, wär' de Zirlinken?

Wölze: Ob se dumm is! Da kann man noch so wat Kluges sagen, sie versteht keene Silbe davon!

Piepern: Na höre, Wölze, du hast se doch woll noch nich uf de Probe jestellt?

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Erklärung.

( Zwei Hökerinnen sitzen auf dem Markte; ein buckliger Edelmann geht vorüber.)

Schirz: Seh' mal, Millichen, den pucklichen, der da hinlooft. Is det nicht der adlije Herr?

Millich: Ja, det is en Ast von seinem Stammboom.

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Verschiedene Ansichten.

Hempel: Lorenzen, wat meenste, worum woll det Freilein da drüben so'n kurzet Kleed an hat?

Lorenz: Nu, weil et bei die hinreichend Zeit zum Wachsen hat, eh'r se sich en neiet anschaffen kann.

Hempel: Ne, da irrste dir, Lorenzen. Sie hat bloß Angst vor't Stolpern; weil se früher in det lange Kleed so oft zu Falle jekommen is.

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Gar keine Zeit.

Ein Herr fragte neulich zur Mittagszeit eine Hökerin, was die Glocke wäre. »Nischt!« war die Antwort.

»Wie so?«

»Nu, et is noch nich mal Eens!«

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Illusion.

Auf einem Puppentheater der Vorstadt sahen die Zuschauer einen weißen Hintergrund als Kulisse, auf dem mit großen Buchstaben »Wald« geschrieben stand. Die erste Puppe, die hervorgeschleift wurde, sagte: »Ich habe mir hier verirrt.«

Als nach Beendigung des Schauspiels ein Schneidergeselle ein ihn verschmähendes Dienstmädchen foppen wollte, sagte diese: »Sie dünner Hosenfabrikante, wenn Sie ooch mal Figur spielen wollen, denn schreiben Se doch da unten an Ihre Beene: Waade!«

»Un wenn Sie mal Figur spielen wollen,« revanchierte sich der Schneider, »denn jeb' ick ooch höchstens zwee Silberjroschen Entree!«

»Kinder zahlen die Hälfte!« bemerkte ein Kanonier.

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Pfandleihe.

Ein Mädchen für alles hatte sich mit ihrem Grenadier erzürnt, weil er in der Hasenheide mit einer andern charmiert hatte. Der Kriegsmann, der wahrscheinlich seine Offiziere zum Muster nahm, leugnete den Bruch der Treue und sagte: »Ick verpfände dir meine Ehre, daß es nich wahr is!«

»Du verpfänd'st mir deine Ehre?« erwiderte höhnisch Karoline, »na, für Mottenfraß stehe ich nicht.«

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Seltener Gewinn.

Zu einem vornehmen Manne kam neulich ein fremder Barbier, packte seine sieben Sachen aus und schickte sich zum Rasieren an. »Was wollen Sie hier?« wurde er barsch angeredet.

»Ihnen balbieren!«

»Ich brauche Sie nicht; ich habe schon einen Barbier!«

»Nee,« antwortete der Bartvertilger, »ick bin jetzt Ihr Balbier. Sie müssen sich jetzt von mir balbieren lassen. Nämlich ick un Ihr eijentlicher Balbier, wir spielten jestern abend beede in ne Tabajie Schafskopp, un er verlor all sein Jeld an mir, un wie er keen Jeld mehr hatte, da spielten wir um unsere Kunden Schafskopp, un da hab' ick Ihnen jewonnen.«

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Malice.

Ein ehrsamer Schneider besuchte eines Abends seinen Freund, einen wohlhabenden Kupferschmied, der aber sehr geizig war. Sie stritten sich über einen Artikel in der Zeitung und nahmen sie endlich zur Hand, um sich zu überzeugen, wessen Meinung die richtige sei. Es brannte aber nur ein sehr dünnes Talglicht auf dem Tische, und der Modist hatte schwache Augen. Er nahm deshalb die Schere, wollte das Licht putzen, schnitt aber zu tief und löschte es aus.

»Na, wo haben Sie denn det Lichtputzen jelernt?« fragte der Kupferschmied, indem er nach dem Feuerzeug umhertappte.

»Da, wo zwee brennen!« antwortete der Schneider.

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Nicht zu befürchten.

B.: Weeßte schon, heute haben se den Blitzableiter von't Königsstädter Theater runterjenommen?

A.: Wie so denn?

B.: Na, da schlägt doch nischt mehr in!

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Ein lustiger Kerl

( zu einem andern, im Gehen): »Nee, wat det Berlin for'n Lausenest is, det jeht ins Weite! Nee, solch Lausenest is mir noch nich vorjekommen! Denke dir: Neulich will ick mir zwee Dukaten wechseln – hab ick keene!«

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Alte Geschichte

( aus der Zeit, als jeder einziehende Fremde am Tor seinen Namen angeben mußte): »Wie heeßen Sie?«

Fremder: »General Globig.«

Torschreiber: »Ach wat, jloob ich! Sowat muß man doch wissen.«

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Löschen!

Die Spritzenleute sitzen beim Budiker. Der Schlauchmeister tritt ein: »Nennt Ihr det spritzen?« fragt er entrüstet.

»Nee, Herr Schlauchmeister, löschen, löschen!«

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Unbegreiflich.

Zelter, der Singakademiedirektor und Freund Goethes, läßt einen jungen Wann, der Opernsänger werden will, einige Läufe singen und urteilt: »Sie haben ja gar keine Stimme.«

»Ich habe aber«, redet der andere ein, »einen unbezwinglichen Drang nach den Brettern.«

»Na, dann werden Sie doch Tischler!«

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Drei Klassen.

Als ein vornehmer Stümper auf der Geige Zelter um sein Urteil über sein Spiel bat, sagte dieser: »Die Geiger werden in drei Klassen eingeteilt: zur ersten gehören die Geiger, die gut spielen, zur zweiten die Geiger, die schlecht spielen, und zur dritten die Geiger, die gar nicht spielen. Exzellenz haben sich bereits zur zweiten Klasse emporgeschwungen.«

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Das Schnupftuch.

Ein Provinzler, zum ersten Male in der Residenz Berlin, besah sich die Straßen und verweilte vor einem Bierladen Unter den Linden. Kaum fünf Minuten in Betrachtung vertieft, wurde er gewahr, daß eben eine Hand aus seiner Rocktasche fuhr. Er packte den Eigentümer, und zu seinem Erstaunen war es ein junger Mensch von etwa 17 Jahren; er stellt ihn moralisch zur Rede und sagte: »Schämen Sie sich nicht, in Ihren jungen Jahren sich schon aufs Stehlen zu legen?«

Da antwortete der freche Jüngling: »Ick, ick mir scheemen? Scheemen Sie sich een bisken, kommen nach de Residenz un besitzen nich eenmal een seidenes Schnupftuch!«

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Krillsack und Nudenwitz.

Krillsack: Na, alter Schwede, wie jeht es dich denn mit deinem Weibstück?

Nudenwitz: Recht jut, sie ist entbunden worden.

Krillsack: Nu, wat hat se denn jeschmissen?

Nudenwitz: Dat kannste mal raten.

Krillsack: Eenen Jungen?

Nudenwitz: Nee.

Krillsack: Herrjemine, also woll een Mädchen?

Nudenwitz: Dunnerwetter, det hat dir eener jesagt, du Spitzbube, denn du alleene hättest es sonst jewiß nicht rausjekriegt.

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Sonne und Mond.

B.: Sage mal, Spieß, wat is entbehrlicher, die Sonne oder der Mond?

Sp.: Na, Schafskopp, doch jewiß die Sonne, denn am Dage is et schonst von selbst helle.

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Gute Hoffnung.

Hausfrau: Herr Jesus! Rieke, du bist am Ende wohl gar guter Hoffnung?

Magd: Na, Sie sind et ja ooch!

Hausfrau: Ich bin es aber doch durch meinen lieben Mann!

Magd: Nu, nu, wenn et weiter nischt is, durch denjenigen bin ick es ooch!

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Der Bursche.

»Seh' Er mal im Vorzimmer nach, ob das Barometer gefallen ist«, befahl ein Leutnant seinem noch nicht lange im Dienst stehenden Burschen.

Der kam schnell mit der Antwort zurück: »Nee, Herr Leutnant, der hängt noch am Nagel!«

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Des Lehrjungen Traum.

»Meester, Herrje, Meester, mir hat de verjangen Nacht wat jedröhmt«, rief der Lehrjunge Lude seinem Meister Bolle eines Morgens entgegen, da dieser viel auf Träume zu geben pflegte.

»Na, wat hat'n dir denn jedröhmt? Du nichtsnutziger Bengel?«

»Meester, wir beede, ick un Sie, haben jeder in eene Tonne jestanden. Sie standen in eene Tonne voll Honig un ick stand in 'ne Tonne voll schwarzer Seefe.«

»Na, det is dein Glück, det es nich umgekehrt is. Sonst hättest du deine richtige Keile besehen.«

»Ja, warten Sie man, Meester, – nachher sind wir beede aus de Tonne rausjestiegen und denn –«

»Na, was denn?«

»Un denn hat eener den andern abgeleckt.«

»I, du infamiger Bengel!«

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Der neue Minister.

Ein Eckensteher fragte seinen Kameraden: »weeßt du schon, daß wir einen neuen Minister gekriegt haben?«

»Nee«, war die Antwort, »ick dachte, die Witwe würde et fortsetzen.«

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Orthographie schwach.

Ein Obrist von Adel führte einen Offizier in der Konduitenliste als fähig auf, schrieb aber nach seiner Orthographie: feig.

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Bericht.

»Ich hoffe, unsere abgeschmackte Rebellion vom 3. August und folgenden Tagen soll dich nicht mehr affiziert haben als uns. Das schönste Resultat ist folgende Poesie der Straßenjungen:

Heil dir im Siegerkranz
Heut bleibt keene Scheibe janz.

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Es soll jemand dem Könige das Pariser Mittel, Aufläufe durch Spritzen zu zerstreuen, vorgeschlagen und er gesagt haben: »Werden gewiß nicht in gutem Zustande sein.«

Lea Mendelssohn.

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Wie Exzellenz!

Der Kunstgärtner Bouché in der Blumenstraße pflegte, wenn die Hyazinthen blühten, seinen großen Garten zur allgemeinen Besichtigung zu öffnen und den Besuchern durch seine Gärtner Kaffee anbieten zu lassen. Einst kam auch der Finanzminister v. Klewitz (gest. 1824), besichtigte die Blumen und bat dann um Kaffee. Der bedienende Gärtnergehilfe, dem die Gewandtheit eines Kellners abgehen mochte, ließ den Minister über Gebühr warten. Dieser beschwerte sich deshalb bei dem Besitzer, daß er schon eine Viertelstunde wie ein Narr dasitze, worauf Bouché den Gehilfen mit den Worten anfuhr:

»Exzellenz sitzen schon eine Viertelstunde wie ein Narr da!«

Seitdem sagte man: »Er sitzt da wie Exzellenz bei Bouché!«

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Mein Lied.

Der alte Zelter scheint ein Original zu sein und erzählt die schönsten Anekdoten sauber oder nicht, mag dabei sein, wer will. Eine fand ich sehr charakteristisch. Er ging einst bei Nacht Unter den Linden und hörte einen Jungen das Liedchen singen:

»Blühe, liebes Veilchen«. Er, Selter, setzte das Lied fort, worauf der Junge erschrecklich zu schimpfen anfing und rief:

»Er Hansdampf, Er Dreckkerl, wenn Er ein Lied singen will, fange er sich's selbst an!«

Börne.

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Eisen.

Julie Saaling sah im königlichen Palaste Büsten von Luther und Melanchthon. Sie fragte den Kastellan: »Nicht wahr, das ist Melanchthon?«

»Nein, es ist Eisen.«

Börne.

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Erst bei Lichte besehen.

Die Damen hier werden abends auf der Straße oft von jungen Herren angeredet und zudringlich behandelt. Zu einer alten Frau kam neulich ein Herr auf der Straße und fragte: »Kann ich das Vergnügen haben, Sie nach Hause zu begleiten?«

»Warten Sie nur, bis wir an eine Laterne kommen«, erwidert die Alte.

Börne.

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Das Würm.

Den Besuchern der Weihnachtsausstellung bei Fuchs, Unter den Linden, wurde nur Lustiges geboten: Berliner Witze in Bildern, die damals natürlich (d. h. in den 40er Jahren) zum größten Teil eine politische oder satirische Färbung besaßen. »Am lebhaftesten erinnere ich mich der sentimentalen gnädigen Frau, die dem Diener befiehlt, die Fliege auf dem Teebrett zu fangen und sie an die frische Luft zu setzen, und des gehorsamen Johannes. Dieser erwischt das Tier, trägt es zum Fenster, schaut ins Freie und befördert die Fliege dann mit den Worten: ›Gnädige Frau, es regnet draußen Platz, das Würm könnte sich verkälten!‹ auf das Teebrett zurück.«

Georg Ebers.

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Der Frauen wegen.

Auf die große Anzahl der Zuhörer, die sich allsonntäglich, um Schleiermacher zu hören, in der Dreifaltigkeitskirche einfanden, sei er, so erzählt man, gar nicht stolz gewesen, sondern habe einst gesagt:

»In meine Kirche kommen hauptsächlich Studenten, Frauen und Offiziere. Die Studenten wollen meine Predigt hören, die Frauen wollen die Studenten sehen, und die Offiziere kommen der Frauen wegen. –«

Felix Eberty.

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Wozu Schiller gut ist.

Von dem wildwechselnden Sprachgebrauch ist der bekannte Ausdruck der berufenen Wiesel, der Freundin des Prinzen Ferdinand, ein hübsches Beispiel, als sie eines Nachmittags, auf dem Sofa liegend, zu ihrer Gesellschafterin sagte: »Jeben Sie mich einmal Herrn von Schillern, ich will sehn, ob ich bei ihm druseln kann!«

F. Eberty.

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Ein Engros-Geschäft.

Eckensteher Nante wurde einmal von einem Bekannten gefragt: »Na, wie jeht's dir denn, Nante?«

»O, mir jeht's jut!« war die Erwiderung. »Ick habe jetzt'n Enjros-Geschäft, ick handele mit Spree!«

Er verkaufte nämlich das Wasser der Spree zum Waschen.

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Die Retirade.

Unsere alte Köchin, Frau Marx, die sich selbst die Marxen nannte, war halb erblindet und wünschte in ein Stift zu treten, wozu es der Bewilligung der Majestät bedurfte. Sie hatte vor vielen Jahren bei einer früheren gräflichen Herrschaft den König als jungen Prinzen, wie sie versicherte, buttern gelehrt, und daraufhin wurde ihr von den Meinen ein Bittschreiben aufgesetzt. Dies reichte sie dem König im Schloßhof in den Wagen und auf seine Frage, wer sie sei, versetzte sie:

»Ick bin ja de olle Marxen – Eure Majestät sind meine letzte Retirade ...«

Dies Diktum wurde der Mutter von dem Adjutanten, der dann kam, um sich nach der Bittstellerin zu erkundigen, mitgeteilt, und er versicherte, Seine Majestät habe sich sehr über die wunderliche Wendung der Alten amüsiert und sie seiner Umgebung mehrfach mitgeteilt. Ihr Wunsch wurde ungesäumt erfüllt.

Ebers.

*

Das Fest der Handwerker.

Von Louis Angely.

Neunte Szene. Vorige, Puff und Hähnchen, geputzt. Dann Lenchen.

Kluck: Aha! Da kommt Verstärkung, Puff der Schlosser und der fixe Berliner Tischler.

Puff: Ja, wir sind's! – Wie ich weggehe, begegnet mir der Berliner – so sag' ich ihm, du gehörst zum Bau – der Bau gibt heute eine Fete, willst du dabei sind. Nun hat er erst seine Toilette gemacht.

Hähnchen: Allemal derjenige, welcher! Eine Fete kost't Geld, und Geld hat der Berliner ewig! hier sitzen die Musikanten! Nie ohne dieses!

Kluck: 't is een Deuwelskerl, der Hähnchen!

Hähnchen: Wie ich höre, soll eener von uns in die Tinte sitzen – wir wollen ihn 'rausziehen – eene Kollekte machen – nur zu! Ich werde nich der letzte sein – Gilt's, een armen Deuwel unter die Arme zu greifen, is der Berliner allemal der erste! hier is Geld! Nie ohne dieses!

Puff: Alles schön und gut! Aber wie steht's mit dem Essen? Ich bring' einen höllischen Appetit mit! Die beiden Kunden sitzen da und lassen sich's schmecken, statt in der Küche nachzusehen, ob alles gut gekocht wird.

Hähnchen: Hihihe! Daß die hier nich so drocken sitzen würden, konnt' ich mir woll inbilden. Mir hättet ihr zum Maitre de plaisir machen sollen! Ich hätt' euch gezeigt, was 'ne Harke ist.

Kluck: Nu, nu, dadrum keene Feindschaft nich! Wer konnte dir das anmuten sind! Bist ja sonst immer ein stolzer Kerl!

Hähnchen: Allemal! En stolzer Junge bin ich! Nie ohne dieses! Allein derentwegen dennoch bin ich stolz, denn der Stolz – bei Lichte besehen – wenn unser einer stolz ist – ist doch eigentlich weiter nichts als ein Beweis von einem gewissen Hochmut, welcher dadrum unpassend, sowie auch überflüssig ist, weil ein Hochnäsiger –

Kluck: Na, verheddere dir man nich!

Hähnchen: Und im übrigen, ich bin der, der ich bin und du bist der, der du bist!

Kluck: Ich bin en Mauerpolier.

Hähnchen: Du bist en Maurerpolier, allemal, und ich en Dischler – aber du hast eene Frau, und ich bin en Junggesell, und derentwegen weeß ich, wer ich bin, und du weeßt nich, wer du bist. Weßt du, was des sagen will, ein Dischler, welcher Raffinemang hat?

Kluck: Ach laß mir zufrieden mit deine Raffinade!

Stehauf: Setzt euch her, alle beede, du hierher, Puff, und du zu deinem Freunde Kluck, Berliner.

Hähnchen ( setzt sich mit Puff zum Tisch): Denn so vill is gewiß, ohne Raffinemang kann eener immer gehen, immer gehen, und weeß doch nich, wo er hin kommt, übrigens habt ihr gut gepichelt! Keene Droppe drin!

Lenchen ( kommt aus dem Hause und bringt noch Schnaps und Bier): Mutter meent, Sie hätten noch Schnaps und Bier bestellt?

Puff: Bestellt nich; aber weil es einmal da ist –

Hähnchen: Man her mit! Bier und Branntwein! Nie ohne dieses! Denn, einmal, der Branntwein an sich selbst, insofern wir den Branntwein als Branntwein betrachten, so hat ihn der eine jut, der andere schlecht – ich aber – wie figura zeigt – habe ihn nich gut, nich schlecht, und so –

Kluck: Na, schenkt ihm doch in!

Puff ( schenkt ihm ein): Prost! Papa Kluck! (Trinkt.)

Hähnchen ( trinkt auch): A votre santé Papa Kluck, Papa Kluck, kluck, kluck, kluck!

Kluck ( lachend): Hahaha! das war wieder ein jöttlicher Witz! – Weeßt du was, Junge, laß uns das Lied singen, das du neulich uf uns gemacht hast.

Hähnchen: Das mit Jodeln uf de Berliner und uf de Schlesier? –

Puff: Und uf de Pommern.

Hähnchen: Weeß woll. Warum dieses nich! Allemal derjenige, welcher! Allo! Wir beede fangen an, Kluck und ich, und ihr fallt in – aber nich wie die Häuser. Gut sekundiert – hört ihr woll!

Alle drei: Ja, ja!

Hähnchen: Na also! Losgelegt!

Hähnchen und Kluck: Es ist doch ein Glück, ein Berliner zu sein!

Puff und Stehauf: Ja, ja, das mag wohl sein.

Hähnchen und Kluck: Berliner sein zierlich und pfiffig und fein.

Puff und Stehauf: Ja, sie sind pfiffig und fein.

Kluck: Es geht ihn'n die Arbeit so flink wie das Maul.

Hähnchen: Auch sind sie beim Essen und Trinken nicht faul!

Alle vier:

Sie lieben die Mächens, den Danz und den Wein
Und helfen der Armut, kann's irgend nur sein.
Berlinisch Blut
Is locker und windig, doch ehrlich und jut.
dudl, dudl, dumm usw.

*

Direktor Cerf.

Von Ferdinand von Strantz.

( Aus den »Ernsten und heiteren Theatererzählungen«, Verlag Eli Spiro, Berlin.)

In Berlin war in den dreißiger Jahren die Leitung des königlichen Theaters einem Herrn Cerf anvertraut. Ihm fehlten nicht nur literarische und musikalische Kenntnisse, sondern überhaupt Erziehung und Bildung. Er hatte das Glück, daß König Friedrich Wilhelm III. dieses Theater sehr gern und oft besuchte. Cerf hatte eine gute Oper mit ganz hervorragenden Kräften und einen Komiker, unseren Fritz Beckmann, den berühmten »Eckensteher Nante«, gewonnen, der vom königsstädtischen Theater in den Verband des K. k. Hofburgtheaters mit Dekret (eine Auszeichnung, die einzig dastand) aufgenommen wurde und zu den Lieblingen dieses Kunstinstituts bis zu seinem Tode den 6. September 1866 gehörte.

Das abwechselnde Repertoire zog das Publikum mächtig ins Königstädtische Theater; Cerf machte brillante Geschäfte. Nicht nur König Friedrich Wilhelm III., sondern auch Prinz Karl fand Wohlgefallen an dem ungebildeten aber praktischen Geschäftsmann, dem sie es nachsahen, wenn er sich in ihrer Gegenwart in zwangloser Form bewegte und äußerte. Wenn die hohen Herrschaften sich zum Besuch des Theaters angesagt hatten, wartete Cerf an der Tür, um sie bei der Ankunft am Wagenschlag zu begrüßen. Eines Abends fuhr Prinz Karl vor. Cerf stand, wie immer, zum Empfange am Wagen. Ein Schusterjunge, der vorbeiging, rief »Schafskopf«. Cerf sagte sofort: »Königliche Hoheit, er hat mir gemeint.« »Das hoffe ich«, erwiderte der Prinz lachend.

Die Loge des Königs befand sich im Proszenium dicht an der Bühne. Es gehörte zu den Gewohnheiten des Monarchen, über die Brüstung seiner Loge nach der Bühne und ebenso auch nach dem Auditorium zu schauen und dabei den Kopf vorzustrecken. Eines Abends, als sich Cerf in der Loge des Königs befand, beugte sich dieser wieder einmal mit dem Kopfe über die Brüstung. Darauf sagte Cerf wörtlich: »Bitte, Majestät, nicht den Kopf so weit vorzustrecken, die Schweinigels oben spucken oft herunter.« Mit Lächeln nahm der König den gutgemeinten Rat an.

Cerf war ein tüchtiger Theaterleiter, erzielte große Einnahmen und wußte genau, was er wollte. Ein Komiker, Herr Vogel, der bei ihm auf Engagement gastierte und nicht besonders gefallen hatte, kam am anderen Morgen zu ihm. Cerf spielte den Zerstreuten, tat, als ob er ihn gar nicht kenne, fragte ihn nach seinem Namen. »Mein Name ist Vogel.« – »Vogel? Vogel? Sind sie der Vogel von jestern abend?« – »Ja, Herr Kommissionsrat.« – »Fliegen Sie ruhig weiter«, war die Antwort.

In einer Probe, der er auf der Bühne beiwohnte, fragte er den Posaunisten im Orchester, der sein Instrument in der Hand hielt, warum er nicht blase. »Ich habe eine Pause«, antwortete dieser in nicht gerade freundlicher Art. Cerf, darüber empört, schrie laut: »Bezahle ich Sie für die Pausen oder fürs Blasen?« Darob wieherndes Lachen im Orchester.

Einem Schauspieler, einem Österreicher, schickte er eine Rolle von zehn Bogen, die er in zwei Tagen spielen sollte. Als der Künstler dem Cerf bedeutete, daß es nicht möglich wäre, zehn Bogen in so kurzer Zeit zu erlernen, erwiderte dieser: »Aber mein Lieber, Sie brauchen die Rolle ja jar nicht zu lernen, sie ist ja in ihrem Dialekt jeschrieben.«

*

Fritz Beckmann.

Von Max Ring.

( Aus »Erinnerungen«, Concordia, Deutsche Verlagsanstalt.)

Er sagte, als er eines Tages bei einem Diner zwischen den beiden schönen Schwestern Auguste und Charlotte von Hagen saß: »Zwischen A. und C. Hagen kann man nur Behagen fühlen.«

*

In einer Gesellschaft, wo er sich mit dem bekannten talentvollen, aber auch sehr eitlen Hofschauspieler Moritz Rott befand, der mit einer gewissen Geringschätzung auf Beckmann herabsah, erzählte dieser folgenden Traum: »Denkt euch nur, mir träumte, daß ich gestorben wäre. Erschrocken klopfte ich an dem Himmeltor, vor dem Petrus mit seinem großen Schlüssel Wache stand. ›Was will Er?‹ schnauzte mich der Heilige mit wahrhaft himmlischer Grobheit an. ›Mit Ihrer gütigen Erlaubnis‹, versetzte ich schüchtern, ›möcht' ich in den Himmel.‹ Darauf fragte er mich barsch: ›Wer und was ist Er?‹ – ›Ein Schauspieler!‹ – ›Unverschämter Kerl‹, rief Petrus, ›weiß er denn nicht, daß kein Schauspieler in den Himmel kommt?‹ Damit schlug er die halbgeöffnete Tür, durch die ich die lieben Englein schon musizieren hörte und das himmlische Manna roch, mir vor der Nase zu. Vergebens legte ich mich aufs Bitten, der Heilige blieb ungerührt und drehte mir den Rücken, während ich noch wie ein betrübter Lohgerber dastehe, sehe ich unseren Freund Rott kommen und geraden Wegs auf den Himmel zugehen. Zu meiner größten Überraschung läßt ihn Petrus mit einer tiefen Verneigung ohne alle Umstände passieren. Empört über die Ungerechtigkeit stelle ich den Heiligen zur Rede: ›Wissen Sie denn nicht, daß Moritz Rott auch ein Schauspieler war, gerade so wie ich?‹ sagte ich ärgerlich.

›Was fällt Ihm ein!‹ entgegnete der heilige und schlägt ein lautes Gelächter an, ›der Rott ist nie ein Schauspieler gewesen, und wer ihn dafür hält, der muß ein großer Esel sein.‹

*

Ein andermal wurde Beckmann wegen Beleidigung eines Berliner Bankiers namens Frenkel gerichtlich verurteilt, dem Kläger vor Zeugen Abbitte zu leisten. Zur bestimmten Stunde erschien auch der Künstler in der Wohnung des Beleidigten, der zu dieser Gelegenheit eine große Gesellschaft geladen hatte, um der erwarteten Genugtuung einen feierlichen Anstrich zu geben. Der arme Sünder ließ sich melden, statt aber in das Zimmer einzutreten, steckte er nur seinen Kopf durch die Tür und fragte im höflichsten Tone: »können Sie mir nicht sagen, ob hier Herr Meyer wohnt?«

»Sie irren sich, Herr Beckmann«, entgegnete der Bankier, ihm entgegengehend, »der wohnt eine Treppe höher.«

»Dann bitt' ich tausendmal um Verzeihung«, versetzte der Schalk, indem er so wörtlich das Urteil des Gerichts befolgte.

*

Am meisten war der Direktor des alten Königstädtischen Theaters, Kommissionsrat Cerf, dem Witze Beckmanns ausgesetzt. Dieser originelle Bühnenleiter, der nach der Sage des Lesens und Schreibens unkundig gewesen sein soll, war für den Komiker ein Gegenstand unerschöpflicher Scherze. Da Beckmann seinem Prinzipal häufig die Dienste eines Sekretärs leistete, so mußte er ihm auch die eingegangenen Briefe vorlesen. Einmal, als es sich dabei um ein wichtiges Geheimnis handelte, stürzte Cerf nach Beckmanns Versicherung plötzlich auf den Vorleser los und hielt ihm beide Ohren zu, um ihn zu verhindern, das Geheimnis zu hören. Bei einer schriftlichen Abstimmung, an der sich auch der Herr Direktor beteiligt hatte, fand sich unter den abgegebenen Stimmzetteln ein unbeschriebener, der natürlich für ungültig erklärt wurde. »Dagegen,« sagte Beckmann, »muß ich protestieren, da ich bezeugen kann, daß das die Schrift des Herrn Cerf ist.«

Wie Beckmann gleichfalls erzählte, gab der gelehrte Direktor nach der Aufsehen erregenden Aufführung der Antigone von Sophokles seinem Regisseur den Auftrag, sich nach der Wohnung des Herrn Sophokles zu erkundigen und ihn zu ersuchen, daß er ihm auch ein solches Stück für das Königstädtische Theater schreiben solle.

Beckmanns Absagebrief an Cerf:

»Sie sind Ritter des Roten Adlerordens 3. Klasse, Besitzer eines Theaters 2. Klasse und ein Rindvieh 1. Klasse.«

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Der echte Eckensteher Nante.

Von Adolf Glaßbrenner.

( Erste Szene. Nante. Mehrere Vorübergehende.)

Nante ( sitzt auf einem Steine an einem Eckhause und trinkt aus seiner Schnapsflasche): Aach, des schmeckt, des schmeckt als wenn eener Schnaps drinkt un er schmeckt ihm. So, nu hab' ick jefrühstückt, nu wer' ich mir mal de Welt ansehen, ob noch allens in Ordnung is. ( Er sieht sich um.) Himmel is da, is oben, de Erde is hier, und de Destillationsanstalt is drüben: Welt, jetzt kannste wieder losjehen! Lebenslauf, ick erwarte dir. ( Steht auf.) Na, wat is'n det? Wat rejen sich den for Gefühle an meine Brust uf? ( Er schlägt sich auf die Schnapsflasche, die in der Seitentasche steckt.) Wülste woll ruhig sind, Karline! Mahnste mir denn ewig an dein Dasein! Na, diesmal will ich dir nochmal nachjeben, aber wenn de wiederkommst, denn ooch. ( Er trinkt und besieht dann die Flasche.) Karline, ick kann et dir nich länger verhehlen: ich liebe dir! Als ick dir sah, bejann mein Leben; meine Jurjel gehört dir auf ewig, nur der Dot kann mir von dir trennen. Sei nie leer, un du kannst uf meine Teilnahme rechnen. Jetzt verzieh dir, vermummle dir Schamberjarnie bei Jackens, un höre, wat du mir allens bist, un wie meine Natur mit deine verknüppert is. ( Er singt:)

Det beste Leben hab' ick doch,
Ick kann mir nich beklagen;
Pfeift ooch der Wind durchs Ärmelloch,
Det will ick schonst verdragen.
Det morgens, wenn mir hungern dhut,
Ess' ick 'ne Butterstulle,
Dazu schmeckt mir der Kümmel jut
Aus meine volle Pulle.

Ick sitz' mit de Kamraden hier,
Mit alle jroß und kleene;
Beleidigt ooch mal eener mir,
So stech' ich ihm jleich eene!
Un drag' ick endlich mal wat aus,
So kann ick Jroschens kneifen,
hol wieder meine Pulle raus,
und dhue eenen pfeifen.

Da mag et kommen wie et will,
Ick lasse mir nich stören,
Und stände selbst die Welt mal still,
Det soll mir wenig scheren.
Den Trost behalt ick jedenfalls,
Wenn't mir mal eklich schiene:
Ick werfe mir an deinen Hals,
Un küsse dir, Karline!

Und sagt der Dodt einst: Nante, du,
Komm' mit die jroße Strecke!
Da spring' ick bloß, un ruf' ihm zu:
Ick bin schon um die Ecke! –
Doch hört er nich uf diesen Witz,
Denn seufz' ick: Line, Kümmel!
Denn koof' ick mir den letzten Spitz,
Un nehm' dir mit in'n Himmel.

( Ein Stutzer geht vorüber.)

Nu seh' eener den breetspurijen Zweespänner an! Dunderwetter, wenn ick det wäre, wat der sich inbildt, denn koof' ick mir Deutschland, un setze mir uf't Riesenjebirje und sagte: blast mir 'n Stoob wech! (Ruft ihm nach.) Sie da, Herr Baron!

Der Stutzer ( sich umdrehend): Was will Er von mir?

Nante: Entschuld'jen Sie, kennen Sie mir?

Der Stutzer: Nein!

Nante: Haben Sie jar keene Verbindung mit mir?

Der Stutzer ( unwillig): Nein, was soll das denn?

Nante: Na, wenn Se sich jar nich for mir interessieren, denn brauchen wir ooch nich zusammen zu sprechen, denn können Se ruhig weiter jehen.

Der Stutzer: Dummer Kerl! Wenn Er sich das noch mal untersteht, dann soll Er mal sehen!

Nante: Ohoch! Ick stehe schon so, da brauch ick jar keenen Unterstand jejen Ihnen dazu! ( Der Stutzer geht.) Jugend, verzieh' dir, oder ick koofe dir eenen Pichellappen, un jebe dir nischt zu essen. Wie hat er mich jeschumpfen? Dummer Kerl hat er mir jeschmeichelt? Un öffentlich uf de Straße? Der will jewiß, det ich hier mein Jlück machen soll, wat ick aber eejentlich for 'ne jutmütige Seele bin, des jeht ins Weite. Ick lasse die Leute hier umsonst in mein Arbeetszimmer rumloofen, un wenn mir en Schafkopp dumm schimpft, denn such' ick 'ne Schmeichelei raus.

( Eine Köch'n kommt und will in ein Haus gehen.)

Sie da, Sie da! warten Sie mal einen Oojenblick!

Die Köchin: Ich habe keene Zeit!

Nante: I ja! Au contrair im Jejentheil! Sie haben schon viel Zeit gehabt, wie ick sehe. Auch is des Jahrhundert for Jedermann und vor jeder Frau; davon kann sich jeder Zeit so viel davon nehmen, wie er will. Das Jahrhundert kost' nischt, des hat man umsonst. ( Er tritt etwas näher und legt die rechte Hand an seinen Hut.) Ju'n Moorjen, mein Fräulein, ju'n Moorjen! Immer noch hübsch uf de Beene, wie ick sehe? Des freut mir, daß Sie auf die Beine jehen, ich habe mir des auch so einjerichtet. Se kennen mir doch noch, mein Fräulein? Ich habe Ihnen vor'je Ostern den Koffer hierher jekarrt, und außerdem verneije ich mir immer, wenn Sie Weißbier nebenan holen; die Neije haben Sie immer umsonst dabei.

Die Köchin: Na, wat wollen Sie denn nu aber, Nante?

Nante: Entschuld'jen Sie eine Frage: Lieben Sie mir? Kann ich mir vielleicht schmeicheln, Eindruck auf Ihnen jemacht zu haben? Ich bin ein Mann, und ein Mann macht doch zuweilen bei ein Frauenzimmer Jlick, also wie so?

Die Köchin: Ach, schämen Se sich, Nante, Sie sind ja verheiratet!

Nante: Ach, darum genieren Sie sich nicht, derowejen lieben Sie mich janz dreiste! Meine Frau is meine Frau, des is richtig, aber natürlich, des verliert sich mit der Zeit, des is ooch richtig. Denn sehen Sie, ein Mann, der hat ein Herz, le voeur, und ein Herz hat Raum, und ein Raum, der is zuweilen sehr ausjedehnt, und – und ( er besinnt sich eine Weile) – ju'n Moorjen! ( Er dreht sich um.)

Die Köchin: Sie sind ein Schafskopp. ( Sie geht ins Haus.)

Nante: Schafskopp? Der von vorher, der meent, ick wäre en dummer Kerl, un die hält mir for einen Schafskopp? Na, da bin ich neujierig, wer Recht hat.

Eine Frau ( kommt mit einem großen Korbe voll Gemüse und Fleisch): Sie da! Wollen Sie mir wohl diesen Korb nach Hause tragen?

Nante: Zweemal, wenn Sie befehlen: Wo wohnen Sie 'n?

Die Frau: In de Wilhelmstraße am Halleschen Tor.

Nante: Ach, du meine Mütze! Un da soll ick den Korb hintragen? Det dauert mir zu lange, ick möchte jern det andere Monat verreisen. Na, indessen, wenn Sie acht Jroschen jeben, denn will ick mit Jeduld drajen, was Sie mir auflegen.

Die Frau: Acht Jroschen, Sie sind wohl nicht klug! Zwei Groschen will ich Ihnen geben!

Nante: So, wollen Se det wirklich? Nee, aber worum wollen Se 'n so viel Jeld daran wenden? Wissen Se wat, jehen Se ruhig zu Hause, un lassen Se den Korb hier uf de Straße stehen, denn drägt 'n Ihn'n eener umsonst weg.

Die Frau: Er ist nicht klug! ( Geht ab.)

Nante: Wat sagt die? Ick bin nich klug? Na nu is noch hübscher! Ick muß mir wirklich 'ne Tabelle anlejen, sonst verjeß ick det allens. Erscht bin ick en dummer Kerrel, denn bin ick en Schafskopp, un nu bin ick nich klug? Nu soll eener wissen, woran er is, wenn sich die Leute so verschieden über ihn aussprechen!

( Ein Bürger geht vorüber.)

Ach, hören Se mal, ick hab 'ne Bitte an Ihn. (Er greift in die Tasche.) Können Sie mir vielleicht vor einen Daler Kleenjeld jeben? Sie würden mir wirklich 'ne jroße Jefälligkeit erzeijen; ick habe da wat zu koofen, un es fehlt mir an Kleenjeld.

Der Bürger ( verwundert lächelnd): Na, ich will mal sehen, ob ich so viel Kleingeld bei mir habe. ( Er zählt.) Aber sonderbar ist es, daß Sie einen Taler besitzen.

Nante: Ick einen Daler besitzen? Ne, damit stuckert et bei mir; von Dalersch schreibt Paulus bei mir nischt. Ick habe Ihnen ja man bloß um en' Daler Kleenjeld jebeten, weil man des doch braucht, un ick jar nischt besitze, indessen, wenn Sie mir einen harten Daler jeben, denn bin ick ooch zufrieden.

Der Bürger: Ach so? Na, für den Witz sollen Sie zwei Groschen haben. ( Er gibt ihm ein Geldstück.)

Nante ( besieht es): Na jut, denn bleiben Sie mir zweeundzwanzig Jroschen schuldig. Aber schieben Sie 't nich uf die lange Banke; bei die schlechten Zeiten muß man det Seinije zusammenhalten.

Der Bürger ( lächelnd): Er ist ein Narr! ( Geht ab.)

Nante ( mit sich selbst Komödie spielend, verwundert): Erschtens dummer Kerrel, daraus ein Schafskopp, ferner nich klug, un nanu ein Narr? Nee, det wird wir zu ville, da verhedere ick mir, da muß ick mal lieber in de Deschtlationsanstalt wanken un mir vor die zwee Jroschen erkundigen, wer von die viere recht hat. ( Ab.)

*

Der Weihnachtsmarkt.

Von A. Glaßbrenner.

( Ausschnitt aus seiner vormärzlichen Weihnachtsmarktszene.)

Spielwarenhändler Knipske ( steht sehr bunt und auffallend gekleidet in seiner Bude, lockt die Vorübergehenden an und unterhält die Anschauer seiner Waren, indem er so viel wie möglich witzig zu sein strebt):

Nun, meine schwerdgewetzten Herren und Damen, haben Sie die Güte gegen sofortige bare Bezahlung nach Belieben zuzulangen. Mein erst Gefühl sei Preuß'sch Courant, mein zweites kleene Münze. Wie wär' es, mein Fräulein, wenn Sie sich in Ermanglung eines andern Mannes diesen Nußknacker zulegten; er hat zwar ein häßliches Äußere, aber sein Inneres doogt nischt. Immer heran, meine Herrschaften: die Mannigfaltigkeit ist außerordentlich und die Auswahl ist verschieden. De Kinder erfreuen ist einer der schönsten Genüsse des elterlichen Daseins! Zähren des Dankes werden die Lichter der Perjemite erlöschen und das Jubelgeschrei eines kindischen Gemüts wird auch Ihre verehrte Augen anfeuchten. Schachteln zu drei Silbergroschen mit zwanzig Stück Diversen stehen jederzeit zu Diensten; Archen Noah's mit mehr Tieren als in der Wirklichkeit existieren, vom heißen Elefanten an bis herunter zum Karnickel, Schornsteinfejer, Windmüller, Windmühlen mit Jeklapfer, Trommeln in jeder Größe und in jeder Kleine, Schafe mit Boomwolle. Laternen majeka's, die mit einem Dreierlicht die Geisterwelt erschließen, mechanische Schlangen, Soldatenscheren, Pferde, Schweine, Tiger, Löwen, Ochsen, Esel, Adler, neue größere Tiere, Hunde, Katzen, Reinicke Fuchs und andere Tiere in der natürlichsten Bekleidung und der täuschendsten Familinähnlichkeit. Na, was ist Ihnen gefällig, beste Madame? Kaufen Sie mir für ein paar hundert Taler ab: es ist das schönste Fest der Liebe und dieses ist nur einmal im Jahre!

Friederike ( Dienstmädchen, ihrer Freundin begegnend): Herrjees, Karoline, du bist es! Na? Du siehst dir ooch immer so um; du wart'st jewiß ooch uf deinen?

Karoline: Ja, Rampelberger kann erst um halb neune aus de Kaserne, un da hat er mir bestellt, daß wir uns bei Kasemirn zusammentreffen. Meine Herrschaft is heute zum Jeburtsdag in de alte Jakobstraße, un da kommen se vor zwölfe nich zu Hause. Ick loofe nu man derweile hier uf un ab vor Kasemirn, sonst wissen de Leute nich, was se von eenen denken sollen, wenn man stille steht.

Friederike: Na, da habt ihr's jut bis zwölfe! Meine sind bloß ins Theater, un da muß ich schon um neune wieder ufpassen ( wird gestoßen). Na, na, na, na, man hier nich die Leute umrennen! ( Zur Freundin.) Flocke, mein Dischler, wollte mir hier ooch treffen.

Karoline: So? I, siehste woll, nu haste ja doch den Flocken endlich ranjekriegt! Na, hör' mal, du, Friederike, der war höllisch feste, der hat dir lange zappeln laaßen; ich weeß noch von'n Sommer her, von Moabit, wie du als blinde Kuh dir immer en bisken ufmachtest, deß de sehen kannst, um den Dischler immer ranzukriejen. Na, verdenken kann ick's dir nich, besser als Splitter, dein verjangener Schneider, is er. Flocke is en hübscher Mensch un hat en lebhaftes Temprament un läßt sich de Butter nich von's Brot nehmen, na un en Dischler is immer anständig. Ick muß dir ufrichtig jestehen, Friederike, wenn ick 'n Bessern kriejen könnte, wie Rampelberjern denn, wird er anjeschnallt, denn, es is wahr, Rampelberjer is en proprer Soldat, un manche könnten sich freuen, wenn se man so eenen hätte, aber seh' mal, dumm is er; nee da jetzt nischt drüber, dumm wie 'ne Latte. Und denn, des Dumme ließ ick mir noch jefallen, desto besser parieren se, aber deß er dabei so unverschämt intressant is, des jetzt denn doch nachjrade ins Weite. Na ich bin wahrhaftig nich so, wenn ich en Liebsten habe; ich jebe allens her, was ich unter de Seele habe, denn natürlich von sein Traktement un von's Kommißbrot kann er nich fett werden. Aber ich sage dir, Rampelberjer is nanu un in alle Ewigkeit nich zufrieden. Was meenste denn, deß er mir schon zujemut't hat, ich soll ihn zwee Daler von meinem Weihnachten abjeben, un drei krieg' ick villeicht im janzen?

Friederike: Ach, is nich möglich; man bloß drei Daler bei die jroße Wirtschaft un bei zwee jroße Jungens?

Karoline: Na ja, un en lumpijet Jinghankleed, wo ick noch 's Macherlohn bezahlen muß, un Äppel, Nüsse un Pfefferkuchen, des versteht sich von selbst.

Friederike: Na, da lob' ich mir denn doch meine Herrschaft: unter fünf Daler, een Kleed, sonst noch was, un Äppel, Nüsse un Pfefferkuchen dut die 't nich.

Karoline: Ja, des jloob' ich, des is ooch en Unterschied mit uns beede. Du hast ooch een'n Herrn, der dir in de Backen kneift, wenn er 't Morjens ins Bierau jeht: mir kneift de Frau.

Geschrei: Walddeibelverkoof! Halloh verkoof! Fahneverkoof! Halloh verkoof!

Tischler Flocke ( hat sich heimlich Friederiken genähert, greift ihr in die Taille und versucht mit ihr zu walzen, indem er singt):

Die Liebe is en Feuerzeug,
Des Herz, des is der Zunder,
Un fällt een kleenes Fünksken rein,
So brennt der janze Plunder!

Friederike: Aber Flocke, sind Sie denn nich recht bei Troste! Wie können Se denn hier uf'n Weihnachtsmarcht mit mir danzen wollen?

Flocke: Worum dieses nich, anjenehmer Jegenstand? Vor Jott jenir' ick mir nich, un de Welt veracht' ick, sagt Pietsch. ( Ihr die Hand reichend.) Ju'n Abend, Jejenstand! ( Zu Karolinen.) J'un Abend, Mamsell Karline, wenn ich mir nich irre; dieselbe Karline, die diesen Sommer uf de jrüne Wiese in Moabit so komisch stolperte un so interessant hinpurzelte, ha, ha, ha! Ja, wenn sich de Karline verlooft, des stört! Na, Kinderkens, Flocke is nich so, er läßt was vorfahren; er wird euch was zu knabbern koofen. ( Tritt an die Bude.) Ju'n Abend, Wagener un Kasemir, Klosterstraße Nummer 104, jeben Se mal jefälligst mir ein viertel Pfund von die Sorte hier! – Nich wahr, des in en schönes Jedicht? Wenn des Spontini als Oper komponiert, denn rejent es Lorbeerkränze.

Rampelberger ( schlägt Karolinen auf die Schulter): Ju'n Abend!

Karoline ( erschreckt): Na, welcher Och ... ach Sie sind es, Rampelberjer? Na, aber des war mal ooch wieder en Spaß, der recht nach de Kaserne schmeckt!

Flocke: I, sehn Se mal, Rampelberjer! Den alten Rampelberjern sein Sohn, der nich schuld dran is, deß des Pulver erfunden is! I, biste ooch da, oller Junge? Herrjees, Karlineken mit den Moabiter Stolper, des is Ihrer? Rampelberjer is Ihr Jejenstand? Na, des is recht, den heiraten Se, der Kerl jibt eine reizende Ehe ab! Den können Sie vorreden: Die lahme Lotte hinkt, wenn se nach Schnaps jeht, der jloobt et!

Rampelberjer ( lächelnd): Hihihi, immer un ewig macht er seine Witze uf meine Dummheit! 'n putziger Kerl, der Flocke!

Flocke: I, wie kannste denn so was jlooben, Rampelberjern. Nee, harmloser Drajoner, dir erzürn' ick mir nich. So wie ick mir als Dischler etabliere, is mein Jlück jemacht, denn operier' ick dir. Wenn ich dir die Bretter alle vor'n Kopp wechnehme, da bin ick in drei Jahren en jemachter Mann. Na, nu kommt Kinderkens, nu wollen wir uns de Buden ansehen; was de nich verstehst, Rampelberjer, des wer' ick dir erklären. ( Sie gehen Arm in Arm langsam weiter.) Siehste, Rampelberjer, des is hier eine Handschuhmacherbude. Der Mann macht lange Finger un dreibt en ehrliches und ledernes Handwerk. Du, jeh' aber nich so nah' ran, hörste! Denn wenn du deine Patsche bloß von weitem zeigst, denn platzt een Jlacéhandschuh nach'n andern. – Diese Bude is ein Klempner; der Mann muß alle Dage blechen un will davor bezahlt werden. Er verfertigt ooch Spirituslampen; wenn du dir davon eene uf'n Kopp setzt, denn brennt se nich. – ( Die beiden Mädchen lachen.)

Rampelberger: Worum 'n nich?

Flocke: Hahaha, nu versteht des Rhinozeros nich mal dieser leichte Pojenkte. Nee, Rumpelberjer, du bist wirklich zu dumm; wenn du dir nich uf des Italjenzblatt abonnierst, denn jehste unter, oder ins Kloster, eens von beeden. ( Er kost ein wenig mit Friederike und trällert dann vor sich hin.)

Jedermann ist uns willkommen,
Der ein Herz in seiner Brust,
Mag von Süd' und Nord' er kommen,
Wir umarmen ihn mit Lust!
Nur was kriecht und ist kein Tier,
Das Geschöpf verachten wir;
Denn wer sich nicht selber ehrt,
Ist auch keiner Ehre wert.
Darum Brüder, stimmet ein:
Welches Glück, Berliner sein!

Rampelberjer, dieses is eine Jinghan-Bude, wenn du hier bezahlst, so schneidet dir de Frau so viel ab, wie du haben willst. ( Zu Friederike.) Hör' mal, Jegenstand, du legst dir zu sehr an meinen moskaulösen Körper an, und läßt dir von mir schleppen. Diese neue Anlagen sind mir etwas wenijer angenehm, als die bei Diergartens. So, lege ab. Nanu weiter in heiterer Betrachtung und Erklärung des Weihnachtsmarchtes. Dieses is eine Buchbinderbude. Wenn du dir bei den Mann unjebunden benimmst, Rampelberjer, so kleistert er dir's Maul zu, un nachher schneidt er dir uf. Hier is 'ne Spielzeugbude; der Besitzer is Holz- un Horndrechsler, weshalb du dir in acht nehmen mußt. Am besten is es, du stellst dir als Rumknecht (Rupprecht) uf, damit sich de Kinder ooch wirklich fürchten, oder als Nußknacker, obgleich du nischt ufknacken kannst, was dir eener zu beißen jibt. Die Haare uf de Zähne hindern dir freilich nich dran, aber du bist zu dämlich.

Rampelberger: Hohohoho, des haste mir schon ofte jesagt.

Flocke: Mir wundert, deß du's verstanden hast. – Diese Bude hier is ein Strumpfwirker. Der Mann bewirkt, deß man sich uf de Strümpfe machen kann un absocken; er verfertigt aber nich bloß des, was man janz unten drägt, sondern ooch des, was man janz oben drägt, nämlich: Schlafmützen, wenn ick mir so'n Ding uffsetze, denn tret' ick vor dir hin und sage: Ju'n Abend, Rampelberjer! Ick habe jetzt desjenige uf, was du bist, indem dir das fehlt, worauf ick das, was ick aufhabe, jezogen habe.

Rampelberger: Wat soll det heeßen? Det versteh' ick nich.

Flocke: Du bist 'ne Schlafmütze. Nanu weiter, es is noch lange nich alle. Du wirst dir zwar wundern, deß mir so viel über dir Einfältigen infällt, aber deß is ja eben der Spaß, deß man über nischt so viele Ideen haben kann. Komm' mal hier an die Wachsbude ran. Siehste, hier steht dein Ebenbild: ein Wachsstock, wenigstens wird dir deine künft'je Frau davor halten, denn den Wachsstock jebraucht man ooch bloß, wenn man zu Bette jeht, und des hier is'n Engel von Wachs, bei dem hast du nich Modell jesessen, sonst wär' et en Schafskopp jeworden.

Rampelberger: Schon wieder mal! Det jeht heute jut!

Flocke: Hier is 'ne janze Bude voll Pariser Hausschuhe., sehr schöne Pariser von Schmädikens, un alle janz friedlich nebenenander, wat bei de Pariser Einwohner. nich oft vorkommt. Hör' mal, Rampelberjer, da hängen en paar furchtbar jroße, die sollst du dir vor deine Füße koofen. Was meenste, werden se dir nich zu knapp sind? Nee, ick bitte Ihnen, meine Damens, sehen Sie sich mal bloß die Füße von den Kerrel an! So was is mir noch nich vorjekommen! Wenn der Kerrel mit 'n Hacken aus seine Türe tritt, denn is de Spitze schon de Treppe runter. Nee, wenn ich's nich janz deutlich sähe, ick würd' es wahrhaftig nich jlooben, daß een Ochse zu die Stiebeln ausreicht ...

*

Die Hökerin.

( Szene auf dem Spittelmarkte.)

Von Adolf Glaßbrenner.

Hökerin ( sitzt unter verschiedenen Fruchtkörben und liest den Beobachter an der Spree).

Lehrling ( ihr zurufend): Ju'n Morjen, Frau Jeheimerätin!

Hökerin: Schafskopp!

Lehrling: Hören Se mal, haben Sie keene anderen Früchte als die schlechten Dinger, die hier liegen?

Hökerin: O ja: Ohr-Feigen!

Lehrling: Nee, ick danke, da bin ick selbst Engros-Händler, wenn Sie mal wat brauchen. Ick hätte eijentlich jerne en paar Kokusnüsse zum Frühstück jejessen, wenn Sie die hätten.

Hökerin: Dummer Junge, schaff' dir nich noch mehr Nüsse an! Bei dir hat det jleich Folgen! Jetzt machste, det de fortkommst, sonst schmeiß' ick dir 'ne Viertelmetze an'n Kopp, det dir det Wachsen verjeht! Immer ran, Herr Leutnant! Scheene Borschdorfer! Zwee Jroschen de Viertelmetze! ( Als sie sieht, daß er keine Miene zum Kaufen macht:) Un eenen zu vor den Feldwebel!

Leutnant ( geht stolz vorüber und rümpft die Nase.)

Hökerin ( höhnisch lachend zu ihrer Nachbarin): Is en schöner Mensche, so'n Leitnant, wirklich en Prachtexemplar! So schön hat'n sich der liebe Jott nich jedacht, wie er ihn machte. Schade, det ihm die Jroschens fehlen. En Dejen hat er, so lang wie'n Kuhschwanz, aber er hat noch keene Flieje mit beleidigt. Nee, kiek' mal eener den schmucken Jüngling an, wie er de Beene auswärts setzt, als ob ihm 'ne Kanone zwischendurchfahren soll; un wie er den Kopp in'n Nacken rin drägt, als ob hinten seine Haare mehr wiegen wie der Verstand vorne! Un jeschnürt is er: Jott bewahre mir! Die janze Fijur könnt' ick zum Zahnstocher jebrauchen, wenn mir nich der Helm zwischen de Zähne sitzen bliebe! So! So! Zeig' Er sich noch en bißken! laß Er sich den Finger an die Mütze, als wenn Er sich den Stoob abwischen wollte! Is en schöner Jüngling, so'n Leitnant! Zwee Jroschen de Viertelmetze, Madamken!

Eine Dame: Haben Sie auch Apfelsinen?

Hökerin: O ja, schönste Madame! hier sind de Appelsinen, Madamken, janz saftig; nich 'ne eenz'ge mit 'ne harte Schale drunter! Fassen Se mal an, Madamken!

Die Dame: Was sollen diese drei Stück kosten?

Hökerin: Die drei? Zehn Silberjroschen.

Die Dame: Du lieber Himmel, was fordern Sie auch ( bietend): vier Silberjroschen?

Hökerin ( gibt keine Antwort).

Die Dame: Nun, wollen Sie?

Hökerin: Sehn Se mal da oben ruf, Schönste! Sehn Se mal da oben uf't Dach ruf!

Die Dame: Na, was soll denn das? –

Hökerin: Sehn Se mal ruf, sag' ick Ihnen. Sehn Se mal da oben! Sehn Se woll da det kleene Jewächs? Det is en Appelsinenboom, Schönste! Nu warten Se man noch so lange, un lassen Se den Boom wachsen, Schönste; un wenn er jroß is, un de Appelsinen sind reif, denn soll'n Se drei Stück vor vier Silberjroschen haben!

Die Dame ( geht betroffen fort).

Hökerin: Da jeht se hin mit ihren Pipihut un so viel Blumen an'n Kopp, als ob se'n Mistbeet wäre! Jott verzeih mer de Sünde, wat hat die vornehme Dame vor'n jroßen Zobelpelz um. Sieht se nich jrade aus wie 'ne Motte, die drin 'rum kriecht? Ach, un wat hat se for kleene Füße! Mir wundert, det die der de- un wehmütige Majistrat noch nich als Chausseetreter anjestellt hat! Der arme Schuster dud mir leed, der die ihre Pantoffels machen muß; ick jloobe, der arme Mann muß sich en Jerüste bauen, damit er oben nach de Einfassung rufreechen kann. Na junger Herr, keene Nüsse heute? Kommen Se her, bester Herre, Nüsse wie Mandeln! Wieviel woll'n Se'n?

Der junge Mann: Sind auch keine taube drunter?

Hökerin: Ja, hör'n Se mal, junger Herr, ick wär mit Vergnügen in jede ringekrochen un hätt mal nachjesehen, aber ick derf de Schalen nich ufmachen. Wie viel woll'n Se'n?

Der junge Mann: Geben Sie mir 'ne Viertelmetze.

Hökerin ( mißt, nimmt das Geld in Empfang und schüttet die Früchte in die Rocktasche des Käufers): Leben Se wohl, junger Herr! ( Ihr Gemahl läßt sich sehen.) Na da biste ja? Kommste endlich? wo hast'n dir wieder rumjedrieben?

Der Gemahl ( ein wenig trunken): Als icke?

Hökerin: Schonst wieder bei Möwessen jewesen un jesoffen, he?

Der Gemahl: Det hat einige Vermutungen für sich.

Hökerin: Du verdammter Saufaus! Du wirscht noch mal deine janze Familie versaufen! Hab' ick Em nich jesagt, Er soll mal nach de Jertraudtenbrücke jehen und hören, wat de Borschdorfer kosten? wie? Daweile jeht er janz ruhig zu Möwessen!

Der Gemahl: Ick bin ein bißken umjejangen, det is wahr. Ick wer alleweile nach de Borschdorfer jehen.

Hökerin: Komm' mal her, du ordinärer Lüderjahn, ick wer' dir mal 'ne Bremse stechen.

Der Gemahl ( schwankt näher): Du wirst doch nich?

Hökerin: Ob ick werde! ( Sie reicht ihm eine ausdrucksvolle Ohrfeige.) So, det haste verdient!

Der Gemahl ( im Fortgehen für sich murmelnd): Immer un ewig Keile! Det wird ooch wenig helfen. Det schlägt bei mir nich mehr an. An de Jertraudtenbrücke, da is en Keller, wo Brodemacher immer sitzt un frühstückt. Da wer' ick doch jehörig rinfallen in den Keller; der Kerrel is mir noch for'n Groschen schuldig. Ick habe 'ne Wette von den Kerrel jewonnen, det unser Telejraf in de Dorotheenstraße noch benutzt wird.

Hökerin ( zu ihrer Kollegin): Jott, Kälbern, seh mal da die Dänzerin aus'n Chor mit de auswärtijen Beene hinhupsen. Det is die, die früher mit mir in een Haus zusammen wohnte. Na hör' mal, Kälbern, da hab' ick Sachen erlebt, na! Det is 'ne Flieje so'ne Dänzerin! Kommersch war in des Haus von früh bis in de sinkende Nacht. Kaum hatte se sich des Morjens ufklawirt wie 'ne Prinzessin von drei Länder in zwee Hemden, denn jing det Klingelziehen los. Der erschte war nu immer so'n langer verunjlückter Freiherr mit schneeweiße Haare und klapprije Knochen. Jott! det Männiken hät'ste uf 'ne Putellje Weißbier proppen können, der bloße Schaum hätte'n in de Höhe fliejen lassen. Und dabei spielte er noch immer den Jüngling, det eenen brüheeß uf'n janzen Leibe wurde. Der zweete war en steenreicher Bankier von mejen Abraham, der zu Hause Frau un Kind hatte, aber sonne jroße Portion von hebräische Liebe besaß, det 'm die Tänzerin uf de Nase rumdanzen konnte. Na un det da manchet blanke Stück hat herhalten müssen, det kannste dir woll denken. Det jink Jeschenke über Jeschenke, haste nich jesehn. Ick sage dir, wenn det en armer Mann gewesen wäre, die junge Chorpflanze hätte ihn reene ausjezogen. Aber so war et janz recht, wofor hätten denn die reichen Propheten, wollt' ick sagen, die reichen Banquiers Moses un die Propheten? Erscht müssen se ihr Jeld rausrücken, ehr se nach't jelobte Land kommen. – Junge Frau, schöne Beerblansch! Drei Silberjroschen de Viertelmetze! Soll ick messen, junge Frau?

Die Frau ( besieht die Birnen): Sechs Dreier?

Hökerin: Wie, ick habe wohl nich recht verstanden? Sechs Dreier, wie? Oder warn't man fünfe?

Die Frau: Na mehr sind doch die Birnen nicht wert!

Hökerin: Nich? Is nich möglich! Nee, wat Sie vor'n Überblick haben, det Sie so jenau wissen, wat de Sechsdreier-Birnen kosten! I junge Frau – sind Sie nich de olle (alte) Müllern? Wo wohnen Se'n in de Woche; ick möchte Ihnen mal det Sonntags besuchen? Und wenn Sie mal in meine Jegend wieder kommen, denn haben Se doch de Jüte un jehen Se vorbei. Oder besuchen Se mir morgen früh um Punkte elwen, denn bin ick nich zu Hause. Aber kommen Se ja nich früher, sonst riskieren Se, det ich noch zu Hause bin un Ihnen rausschmeiße. Soll ick Ihnen de Birnen vor sechs Dreier vielleicht in'n Stempelbogen inwickeln un nach Hause schicken? wie? Jeh' Se jo, jeh' Se!

Ein junger Mann geht vorüber und lacht: Das ist recht, schimpf' Sie tüchtig!

Hökerin: I is Er ooch da? Is Er ooch da, Herr von Affenschwanz! Wo hat Em denn der Deibel widder herjeführt, Er schwindsüchtiger Ellenreiter mit de steifen Jaromire an de hohlen Kalbsbacken? Wat meent Er, Er jrünschnäblijer Tietkendreher mit de jewichste Neune an't Ohr, ick soll schimpfen? Loof' Er doch ja, Er milcherner Heringsfabrikante, un halt' Er sich im Rennen de ausgespreizte Hand vor't Jesichte, damit de Leute jlooben, Er kann bis Fünfe zählen, Er Schafskopp! Stehl' Er doch seinen Herrn en Zentner Zuckerkante un stopp' Er sich des ins Maul, damit Er nich andere Leute annejiert! Stech' Er doch seinen dämlichen Kopp in de erste beste Feuertiene, damit Er nich bloß hinter de Ohren naß is! Halt' Er sich doch die Oogen zu, damit Er nich vor sich selber erschreckt, wenn Er mal en Spiejel zu nahe kommen sollte, Er Wanschenvertiljungsmittel, Er! dhu Er mir den Gefallen un ...

Ein Schneidergeselle ( stößt sie etwas unzart bei Seite): Na, brüll' Se doch nich so, un mach' Se mir'n bißken Platz!

Hökerin ( die einmal im Zuge ist): J Er durch un durch verfädelter Schneiderjeselle, wat kost' en det halbe Pfund Kalbfleesch von Em, wat Er am Leibe hat? wie? Wat hät Er da jeredt, Teekessel? Ick soll Em en bißken Platz machen? J, dhu' Er sich doch nich dicke, Er Ziegenbock-Pferderenner! Son'n Kerrel, wie Er is, den laaß ick janz durch! Bei den nehm' ick mir noch in acht un jeh' em von de Seite, damit nich en Stücksken von ihm sitzen bleibt! Seh' mal eener den Flederwisch an, der will Leute stoßen? Schneidergeselle, du jammerst mir! Loof' ja, det de wechkommst, sonst pack' ick Em zwischen zwee Milchbrote und eß Em zum zweeten Frühstück uf!

Erster Herr ( in der Nähe der Hökerin): Ich sage Ihnen, lieber Doktor, Sie müssen sich den Spaß machen. Echt Shakespeareschen Witz haben die Frauen, und eine wunderbare Phantasie, die Himmel und Erde zu einem Schimpf verbindet. Hegel erwähnt diese Frauen in seinen Werken; er beweist, daß sie abstrakt denken.

Zweiter Herr: Aber das Aufsehen, wenn sie mich mit ihrem Verbal-Injurien verfolgt!

Erster Herr: Ei was! Sein Sie nicht so norddeutsch, sich bei jedem Quark zu genieren und jedes Wort auf die Goldwage zu legen. Wenn man gescheit und gebildet wie Sie ist, kann man jedem frei ins Auge sehen, denn es gibt nicht viel solcher Menschen, und nur die Dummen mäkeln und nennen nicht nur die Gewohnheit, sondern das Gewöhnlichste ihre Amme. Die Leute, deren Gott der Anstand ist, sind die Gemeinsten auf der Erde. Das Unglück, der prüde Anstand ist, glaub' ich, erst durch das Teetrinken in die Welt gekommen. Und seit dieser Zeit sind auch die Genies immer seltener, und die Eß-Tee-Tische immer häufiger geworden.

Zweiter Herr: Mein Gott, Sie halten mir ja gleich eine ganze Vorlesung. Ich bin auch gerade keiner, der auswendig allen Leuten recht sein will, und inwendig ein Esel. Ich möchte nicht mit Gervinus die Zoten verherrlichen, wo sie nicht naiv entstehen, aber ein einziger Kernwitz der Mutter Natur oder Mutterwitz ist mir lieber als das ganze langweilige literarische Vornehmtun unserer heutigen Poesie- und geistlosen Schriftsteller. Shakespeare sieht wie ein plebejisches Ungeheuer neben dem feinen Herrn von Varnhagen aus.

Erster Herr ( drückt ihm die Hand): Sie sind mein Mann. Nun kommen Sie zur Hökerin; vielleicht glückt es uns, ihre Galle witzig zu machen. ( Sie treten näher.) Guten Morgen, liebe Frau!

Hökerin: Ju'n Moorjen.

Erster: Haben Sie Eier?

Hökerin: Eier?

Erster Herr: Ja, Eier! Die länglich runden Dinger, welche zum Beispiel die Hühner behufs Vermehrung ihrer Familie legen.

Hökerin ( mit gewitterschwerer Miene): Na ja, jlooben Sie etwa, ick weeß nich, wat Eier sind? Ick fragte man bloß, weil ick als Obsthändlerin dachte, ick hätte mir verhört, wie eener bei mir nach Eier fragt. Ick halte mir keene Eier, weil hier manchmal Menschen herkommen, die Witze machen wollen, un da werden se faul.

Zweiter Herr ( kann sich des Lachens nicht enthalten): Haha! Sehr gut, sehr gut!

Erster Herr ( zu ihm): I wie können Sie denn darüber lachen, wenn die Hökerin hier malitiös wird!

Hökerin ( steht auf und stemmt den Arm in die Seite): hören Se mal, Sie Bulldock, nu blaffen Se den Oogenblick vor 'ne andere Düre, oder ick trete Ihnen uf 'n Fuß, det Se ihn acht Dag lang wie 'ne Haarnadel dragen sollen und schreien!

Erster Herr: Nein, das ist doch merkwürdig, was diese Hökerin schimpfen kann!

Hökerin ( sehr zornig): Schimpfen? I hör' Er mal, Er langbeeniger Kranich mit de Brille uf de Nase, wat red't Er denn von Schimpfen? So'n dämlichen Sünder wie Er is, den kann man ja jar nich schimpfen, der is ja schon allens doppelt jewesen, wat man Niederträchtiges jejen ihn aussprechen kann, wenn Er spillrijet Jerippe zwee Pfund Fleesch uf 'n Leibe hätte, denn könnte man Karmnade vor de Schlächterhunde aus Em hacken, aber die Teelen sind ville zu eitel, um an so 'nen Kerrel zu knabbern! So'n Schatten von Mannsperschon will Leute zum besten haben? I Er Jespenst! Em blase ick ja durch seine durchsichtige Knochen in die Höchte, det Er verhungern soll in de Luft, un wenn Er sich vor vierzehn Dage zu fressen mitnimmt! Leg' Er sich doch lieber uf'n Kälbermarcht bin, damit Er unter Seinesjleichen is, un laaß Er sich die Sonne in 'n Hals scheinen, damit Er endlich mal wat Warmes in den Leib kriegt! Schneid' Er sich doch seine drittehalb Haare von seinen hohlen Kopp runter und steck' Er se in en Wollsack, damit Er zeitlebens zu suchen hat, wenn er seine Liebste mal 'ne Locke schenken will, un verjreif' Er sich dabei, damit Sie weeß, det Er en Schafskopp is! I, kiek Er doch mal, Er ausjehungerter Federfuchser, Er will Leute chikanieren? He? Leute will Er chikanieren? J, Er abjemerjelter Menschensplitter, dhu Er mir sich den Jefallen, un reiß Er sich lieber seine Rinderzunge aus 'n Halse, damit Er sich nich mehr blamieren kann! Häng' Er sich doch lieber an 'n Jalgen, damit keen anständijer Mensch mehr en Verbrechen bejeht! Er zweebenije Distel, um sich selbst zu füttern, nehm' Er sich doch 'ne Laterne un leucht' Er sich untern Rennsteen runter, damit Er endlich seine Bestimmung erlangt! So 'n Kerl, der von oben bis unten wie 'n hohler Zahn aussieht, will reptierliche Leute cujenieren? Laß Er sich doch lieber jlühendet Blei in'n hals jießen, un reiß Er sich unten seine zwee Wurzeln aus, damit Er de Welt keene Schmerzen mehr verursacht! Ick weeß woll, wat ick mir unter seine Brille uf de Nase denke, un wat Er darunter is! Knautsch' Er sich doch lieber zusammen un jeh' Er zum Plundermatz, un verkoof Er sich vor'n viertel Pfund Lumpen, damit wenigstens noch mal en Stück Papier aus Em werdt, wat man benutzen kann! Nehm' Er sich doch de Watte aus de Waden un stopp' Er se sich in seine Eselsohren, damit Er nich seine eijene Schande hören muß! Reiß' Er sich doch seine Beene aus, nehm' Er se in seine Tatzen, und trommle Er damit so lange uf sein Kalbfell rum, bis de Amerikaner Feuer schreien! Nehm' Er sich doch Kiessand un schaure Er sich reene, damit nischt von Em übrig bleibt! Er abjeknabberte Kälberpote, laß Er sich doch zu Leim kochen und en Stiebelknecht mit sich zusammenkleben, damit Er doch zu etwas nutze is! Häng' Er sich doch an 'n Mond, damit de Lüderjahns früh zu Hause jehen! I, Er abjejriffene Polizeiklinke, nehm' Er sich ja in acht, det Er de Currendejungens nich zu nah' kommt, sonst singen die: Jott bewahre mir in Jnaden!

*

Zwei Fuhrleute.

Scherbel: Na wat is denn dat? Meck? Wo hast'n deinen Wagen?

Meck: Der is mir abhanden jekommen.

Scherbel: Wer hat'n sich denn jelangt?

Meck: De Polezei.

Scherbel: Na, die langt ooch allens! Wie ist'n det jekommen?

Meck: I, seh mal, det is mir verflucht jejangen. Wie ick immer Mallör habe, so ooch diesmals. Ick fuhr dir immer raus nach de Jungfernhaide un brach mir da en paar Ästekens ab, damit ick mir keen Holz zu koofen brauchte.

Scherbel: Na natürlich!

Meck: Na also, siehste, so fuhr ick denn schonst seit vier Jahren so raus, un holte mir, wat ick brauchte, un keen Mensch erwischte mir dabei. Un neulich hol' ick mir ooch Holz, so erwischte mir eener dabei, der Förschter. Ick konnte doch nu also nischt davor, det er mir jerade den Dach erwischte, denn ick hatte mir schon seit vier Jahren jeholt, un et hatte mir nie eener erwischt. Woran lach et aber? Seh' mal: mein Pferd hatte natürlicherweise schonst einige mürbe Knochen; denn früher drabte es immer, jetzt drabt es aber nich mehr, un wenn ick mir uf'n Kopp stelle. Der Kerl aber, der Förschter, muß mir det nich jlooben, un zeicht mir an, un se nehmen mir richtig meinen Wagen. Als wenn ick davor könnte, det mein Pferd nich mehr draben kann, un det der Förschter jrade den Dach mit seine Nase da rumschnuppert, wo ick meine Jeschäfte habe.

Scherbel: Ja, et is scheußlich! Seitdem die Polizei det eene Epulett verloren hat, is se janz besessen. Is et mir denn etwa anders jejangen? Ick habe müssen neulich über zwei Monat sitzen, bloß weil ick 'ne Tasche hatte!

Meck: Ach, et is nich möglich! Det wäre doch zu doll!

Scherbel: Wie ick dir sage, uf Ehre! Ick komme dir in 'ne Küche, verkoofe ne Molle Sand an de Köchin, un so jeht se rin zu de Herrschaft, un will mir Jeld holen. Se hatte jrade Silberzeich reene geputzt, wischte sich de Hände ab un jeht nu rin. Darauf seh' ick mir en bißken um in de Küche; sie kommt wieder; ick nehme mein Jeld un will jehen. So fällt mir ein silberner Eßlöffel aus de Tasche. Wat hat die Köchin zu dhun? Sie schreit, schließt die Dühre vor mir zu, det ick nich mal wegloofen kann, läßt mir von eenen Mann halten, der mir noch dazu janz unbekannt war, holt den Serschanten, un so muß ick brummen. Nu frag' ick dir, is des eine Behandlung? Kann ick davor, daß ich'n Loch in de Tasche hatte? Jibt mir der Staat Jeld, det ick mir kann neue Röcke machen lassen?

Meck: Nee!

Scherbel: Na also!

Meck: Drinken wir noch eenen?

Scherbel: Meinetwejen! Ick bin ärgerlich!

*

Polterabendscherz.

Von Adolf Glaßbrenner.

( Ein Berliner Hökerweib mit einem Korbe voll Blumen. Sie zankt zur Tür hinaus.)

Wat willst du denn von mir, du Jaljenstrick?
Ick will un muß partout mal hier herein!
Läßt du nich los, ick brech' dir det Jenick',
Un kloppe dir wie Zucker kurz und klein!

( Sie wirft die Tür zu und tritt vor die Gäste.)

Nee, so wat is mir noch nich vorjekommen,
Un ick verdrage doch en' juten Puff!
Hierher zu loofen hatt' ick mir mal vorjenommen,
So hält mir draußen so'n Lafkaie uf,
Un sagt zu mir ( sehr geziert sprechend): »Wo wünschen
Sie denn hin?
Sie seind zu ordenär, Sie derfen hier nich rin.«
Ick derf nich rin? frag' ick ihm janz jelassen,
Wat meent Er denn damit, Er Dämelack?
Wenn Er noch muckst, so dhu ick Em mir fassen,
Un drag' Em nach den Schinder Hackepack!
Wat sächt Er, langet Pieraas (Regenwurm), ick nich rin?
Wat jloobt denn det Jemensche, wat ick bin?
»Na«, sagt er druff un macht en dumm Jesicht,
»Sie seind von die Natur un dragen Früchte;
Hier aber is ein Polterabend heute,
Und des da drin seind lauter reiche Leute;
Mit einem Wort, ich laaße Ihr nich 'rein,
Sie is bloß Hökerin, des is uns zu jemein.«

( Sie setzt ihren Korb auf die Erde.)

Nun wünsch' ick bloß, Sie hätten mir jesehn,
Wie ick den sanften Heinrich ufjemöbelt.

( Stemmt beide Hände in die Seite.)

I, sag' ick, so? Na, det is schön!
Hat Er, Mistfinke, sich nu ausgeschnäbelt?
Jemeene bin ick erscht in den Moment,
Wo ick mit solchen Stiebelwichser spreche:

( die Faust zeigend)

Nehm' Er sich jo in acht, det Er nich jejenrennt,
Un ick Em nicher über't Knie zerbreche!
Woruffer will denn so'n Jerippe pochen?
Zwee pfünd'ken Kalbfleesch hat Er uf de Knochen!
Em pust' ick ja man bloß, da knackt er ja un kracht!
Er seht ja aus, als wär' Er bloß jedacht!

*

Berlinische Blumensprache.

Aster.

Jetzt liebst du mir sehr! Doch schade!
Sind nur erst der Liebe Stunden
Futsch, und eh'lich wir verbunden,
Dann bin ick dir jleich Pomade.

Basilicum.

Du traust dir nich ran zu mir!
Na höre, Karl, ick bitte dir!
Laß dein Herz in meinem schlüpfen,
Daß wir ein Verhältnis knüpfen.

Bolle.

Bolle, jeh' und sage ihr,
Daß ich weine für und für!
Manche Träne is geflossen,
Aus des Kummers Leid entsprossen;
Doch so viel ich mir auch härmte,
Stets verjebens ich nur schwärmte.

Brennessel.

Mit deine Kurmacherei
Sei man nich immer so dreiste!
Wenn ick dir mal eie,
Det sag' ick dir, denn schreiste!

Rose (rot).

Ich liebe dir! Ich liebe dich!
Wie's richtig is, ich weeß es nich,
Un 's is mich auch Pomade!
Wie, wenn ich lieb', es heißen muß,
Zu fragen erst den Heinsius,
Wär' um die Liebe schade!
Ich liebe dir! Ich liebe dich!
Wie's richtig is, ich weeß es nich,
Doch klopft mein Herz so schnelle!
Ich lieb' nich auf den dritten Fall,
Ich lieb' nich auf den vierten Fall,
Ich lieb' auf alle Fälle.

Calmus.

Nach der Liebe Schleife
wirst umsonst du rasen!
Mach mir eine Pfeife,
Denn werd' ick dir wat blasen.

Erbsenblüte.

Du hälst mir, Jeliebte, die Treue! denn anderenfalls
Bekömmst du von mir eine Schote des Knalls!

Feuerlilie.

Ach, mein Herz brennt lichterloh,
Wie ein jroßes Bündel Stroh!
Niemals werd' ick Ruhe finden,
Kann es dir nicht auch entzünden.

Flieder.

Nein, bei mir nich, wo ich wohne!
Kommen Se nach de jroße Kanone,
An des Zeughaus da, um neun
Werd' ich liebevoll heut' sein.

Fuchsschwanz.

Lehmann! Sein Sie nich so zudringlich!

Kleeblatt.

Mit dem Kleeblatt, Dörthe, hier
Dreierlei versprech' ick dir:
Erstens, daß ich nie erkalte,
Daß ich bis ans Jrab dir liebe,
Zweetens, daß ich treu dir bleibe,
Drittens, wenn ich beide halte.

*

Stammbuchverse aus dem Vormärz.

Aus dem Stammbuch eines Schustergesellen.

Zufrieden sein, das ist mein Spruch;
Was hilft mich Geld und Ehr'?
Das, was ich hab', ist mich genug,
Doch hätt' ich görn noch möhr!
Wenn man im Leben alles hat:
Der Mensch wird nimmermöhr nicht satt!

Dieses zur süßen Erinnerung an Deinem Freunde
August Kuhatz, Stubenmalör.

Symbolum. Wie so?

*

Halt Dir an die Natur,
Sie allein bejlückt Dir nur.
Laß das Kneipen und den Kümmel,
Denn sonst kommste nich in 'n Himmel!

Deine geliebte Schwester
Mathilde.

*

Ick habe mir den Kopp zerbrochen, um ein Versch raus zu kriechen, abersch nee. Darum wer' ick dich hier in Prosasch saagen, daß Du ein Schafskopp bist. Der ich bin

Dein Duzbruder Klempe.
Bei Lesung dieser Zeilen erinnere Dir.

Symbolum. Spatz muß sind, sagt Kloppstock.

*

Holder, sentimentaler Tschuster!

Wer nie gewußt, was nie gelebt,
Der hat vergebens auch gestrebt!
Wo Schatten blüht, da ist kein Glanz,
Wohl aber strebt der grüne Kranz,
Und duft'ger noch die Hyazinthe.
Darum sag' ich allen es geschwinde:
Kamöne war ein reiner Engel,
Die Tugend aber liebt den Stengel!

Bei diesen Zeilen, die manche schöne Lehre enthalten, welche schwer zu verstehen ist, erinnern Sie sich des kleinen Tertianers, bei dessen Eltern Sie chambergarnierten, 3 Taler das Monat, mit noch einem Pechmalion zusammen. Leisten Sie und bezwecken Sie nur Gutes, selbst wenn Sie mit Ihrem Absatz Pech hätten. Sein Sie nie wie Ihre Stiefel: nie ledern, nie vernagelt, nie gestumpft, und lassen Sie sich nie zu solchen Zwecken anziehen wie Jene: um mit Füßen getreten zu werden. Vermeiden Sie es, auf gespanntem Fuß mit Jemand zu leben, weil Sie sonst Wichse bekommen, oder einmal gehörig versohlt werden könnten. Dann werden Sie immer gute Geh-Schäfte machen, nie einen Helfer brauchen, sondern einst, zufrieden mit sich selbst, einschustern.

Alexander (Lehmann) der Kleine,
einstiger Referen-Darius.

*

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Möros, dem Dolch im Gewande!

Wenn Sie diese scheene Zeilen von Schillern sehen, erinnern Sie sich jütigst an Ihre Freindin

Caroline Matschke.

*

Freundschaft? Holder Nahme! Deine Rosenbanden!
Warens, die sich auch um Unsre herzen Wanden!
Dir, O theurer! Hat die Freundschaft mich geschenket!
Durch die 1000 Freuden mir In-s herz gesenket!

Ihre unersetzliche Freundin
Wilhelmine Hanepietsche.

Simbolle. Keine Ruh' bei tag Und Nachts!

*

Nur der Freundschaft Harmonie,
Mildert die Beschwerden,
Ohne diese Symarthie
Ist kein Glück auf Erden.

Verjess' Nünnikens nich, Jottlieb in de Ferne! Besoffen wie 'ne Bombe un doch anstendig! des is mein Wahlspruch. Ick wünsche Dir, det De Dir, wie et ooch is, un wenn et ooch is, un wie et ooch sind mach, immer oben druf. Na atje!

Dein Dreier Freund
Ernst Kruhse, Schuhmacher.

Symbolicum Carline!!!!!! –

*

Du hör' mal, mit die Inschreibereien weeß ick nich Bescheid, damit laaß mir zufrieden.

Berlin, den 17ten Februar 1838.
Wer ick bin, weeßte.

*

Ick soll mir in Dein Stammbuch schreiben;
Ach Jott! det ließ ick jerne bleiben!
Da't aber mal jeschehen muß,
Mach' ick am Anfang ooch den Schluß!
Und darum keenen Verdruß!

Auch ohne Düses jedenke mich, der ich war und jewesen bin

Dein
Fritz aus Potsdam gebürtig, evangelischer
Reljon, 27 Jahr alt.

Symbolicum. Üb' immer Treu und Röthlichkeit, bis de einstmals Meester wirscht.

*

Ewig denkt mein treies Herze
An Der liebe sieße scherze
Und des scheiden macht mich Schmerze– –n!

dieses kommt aus den vollen Busen deiner
Aurora, genannt Ricke.

Oh!

*

Lebe, wie Du, wenn Du stirbst,
wünschest wohl jespeist zu haben!

Wenn Du, juter Jottlieb, dazu en Bild haben willst, denn koof Dich eens, un klebe es Dich rin! Übrijens bleib' ick Dein Freund, un Du kannst Dir auch an mir erinnern, des haste umsonst, des kost nischt. Un zuletzt jeb' ick Dir noch 3 jute Lehren mit uf den Weech: erschtens, wenn De keen Jeld hast, denn jib nich zu ville aus! zweetens, wenn De hinfällig jeworden bist, denn werde ooch widder uffständig! un drittens, wenn De mal unter 'ne Heerde Rindvieh jehst, denn mache Dir ein Zeeschen, sonst find't man dir nich wieder raus.

Dein aufrichtiger Freund
Joseph Kammasche.

*

»Das Leben ist ein Traum! –«

Dieses wünscht Dir von Herzen Deine lebenslängliche Tante

Margarethe Hampel,
geborene Strampel.

*

Unsre Freundschaft, die soll brennen
wie ein dickes Dreierlicht,
Freunde wollen wir uns nennen,
Bis der Kater Junge kricht.

Dies wünscht dir
Dein dich liebender Freund
Max.

*

Auch die Abschnitte: Originale, vor Gericht, Poesie und Spruchweisheit enthalten noch manches, was den Urberliner der Biedermeierzeit charakterisiert.


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