Franz von Pocci
Der artesische Brunnen oder Kasperl bei den Leuwutschen
Franz von Pocci

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Dritter Aufzug

Gegend am Meere in Patagonien, wie im zweiten Aufzuge.

Kasperl, Milipi, ein junges Krokodil an der Schnur führend, treten ein.

Milipi. Nun sind wir verheiratet, lieber Fremdling! Ach, ich hin so glücklich, deine Gattin zu sein!

Kasperl (spricht immer sehr hochdeutsch). O ja! Und ich, moine Liebe, bin so glücklich, dein Gatter zu soin!

Milipi. Nicht wahr? Ich darf dich meinen »Kolibri« nennen? Das sind die lieben kleinen bunten Vögelchen, die netten Tierchen. Und du hast ja auch so ein rotes Röckchen an.

Kasperl . Du bist moine Milipi und ich bin dein Kolipripi!

Milipi. Wie gefällt dir mein kleines Schoßtierchen, das junge Krokodilchen?

Kasperl. Gar nicht übel, aber es hat mich schon ein paarmal in den Finger gezwickt.

Milipi. Das ist nur Scherz.

Kasperl. Wenn es aber ein bißchen größer wird, könnte das Tierl einem leicht den Kopf abboißen, aus lauter Scherz.

Milipi. Das tut nichts; das geschieht bei uns manchmal, lieber Kolibri.

Kasperl. Da dank ich gehorsamst.

Milipi. Apropos, lieber Mann: denke dir, mein guter Vater will uns heute ein recht großes Vergnügen machen. Er hat mir erlaubt, mit dir eine kleine Spazierfahrt in seinem Leibhofluftballon zu machen, das wird allerliebst.

Kasperl. Schlipperdibix, da freu ich mich aber drauf! Sind denn bei euch auch die Luftbullon bekannt?

Milipi. O ja; schon seit ein paar hundert Jahren. Sie sind aus Elephantenhäuten gemacht und werden mit brennendem Branntwein gefüllt; dann steigen sie in die Luft; aber man hält sie an einer langen Schnur, damit sie nicht davonfliegen können.

Kasperl. Das muß eine scharmante Unterhaltung sein, die Luftfliegerei, wenn ei'm dabei nit übul wird.

Milipi. O nein, o nein! – Sieh, da bringen sie den Luftballon schon. Papa kommt auch mit.

(Schluwi, Halamilari, der einen schwebenden großen Luftballon an der Schnur hält.)

Schluwi. Milipi! sieh, weil ich dir's versprochen hab, kannst du jetzt mit deinem Mann da hineinsitzen und ein halb Stündl spazierenfliegen. Halamilari hält das Seil, da brauchst keine Angst zu haben.

Milipi. O lieber Papa! Und nicht wahr, mein Krokodilchen darf auch mitfahren.

Schluwi. Soviel du willst. Steigt nur ein.

(Milipi und Kasperl steigen in das Schiffchen, das Krokodil hängt an der Schnur herab.)

Schluwi. So alloh, alloh!

(Der Ballon steigt in die Höhe.)

Halamilari. Tausend, tausend! Das Halten wird mir zu schwer! –

Kasperl. Nur nit auslassen!

Halamilari. Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!

Schluwi. Laßt das Krokodil fallen!

(Krokodil fällt herab.)

Halamilari. Hülfe! Hülfe! ich kann nicht mehr!

Kasperl. Halten S'! Mir wird nicht ganz gut.

Milipi. Mir wird übel! Ich falle in Ohnmacht!

Halamilari. Ich falle! Ich kann nicht mehr!

Schluwi. Herbei! helft! haltet!

(Halamilari läßt den Strick fahren und fällt hin, der Ballon verschwindet in der Höhe, Milipi fällt unter einem Schrei herab.)

Schluwi. Weh! weh! meine Tochter! meine Milipi!

Halamilari. Auweh! Ich hab mir das Rückgrat gebrochen.

Schluwi. Hülfe! Hülfe!

(Unter allgemeinem Wehgeschrei fällt das Orchester ein.)

 
Rasche Verwandlung

Wirtshaus von außen, wie anfangs des zweiten Aufzuges. Der artesische Brunnen steht vollendet da. Eine Art Säule, an welcher aus mehreren Röhren Wasser sprudelt. Nacht und Mondschein.

Kasperl fällt aus der Luft herab und plumpst auf den Boden.

Kasperl. Donnerwetter! Das hab ich g'spürt! – (Steht langsam auf.) Auweh, auweh – tut mir das Kreuz weh! No! und die Luftfahrt! Da dank ich! Aber da oben hat er auf einmal auslassen; da muß ihm der Atem ausgangen sein! Kreuztibidomine! Ich muß um die ganze Erdkugel 'rumgeflogen sein. An a paar Stern bin ich gleich so ang'stoßen, daß ich mir die Spitzeln in die Rippen g'rennt hab. Das war a Metten! Ein Komet hat mir mit seinem Schweif einen mordalischen Wischer übers G'sicht gemacht, daß mir die Funken aus die Augen g'spritzt sind! Wie ich aber am Mond vorbeig'segelt bin, hab ich nix mehr g'sehen und jetzt lieg ich da; aber wo lieg ich! wo? – – –

Bin ich vielleicht wieder in so ein Wuwutschenland verdammt, wo ich eine schwarze Prinzessin heiraten muß? Halt! ich hör was! da will ich mich gleich ein bißl verstecken, eh' ich bumerkt werde.

Der Nachtwächter Peter (mit Spieß und Laterne tritt ein, singt):

        Ihr Herrn und Frauen laßt euch sagen:
Die Stund' hat drei Uhr früh geschlagen;
Es ist bald Zeit, daß ihr aufsteht,
Aufsteht und an die Arbeit geht!

Ihr Herrn und Frauen laßt euch sagen:
Die Stund' hat drei Uhr früh geschlagen;
Jetzt legt der Mond sich in sein Bett,
Ums Leben ist's a miserabl's G'frett!

Ihr Herrn und Frauen laßt euch sagen:
Die Stund' hat drei Uhr früh geschlagen;
Die Sonne wirft ihre Ducket weg
Und kommt gleich 'rauf dort übers Eck!
(Marschiert ab.)

(Mond verschwindet, allmählich tritt Morgendämmerung ein. Kasperl tritt aus seinem Versteck.)

Kasperl. Potztausendelement! Das war ja der Peter, unser Nachtwachter! Ja! wie kommt denn der daher? oder wie komm ich daher? (Sieht sich rings um.) Herrschaft! Wunder! Mirakel, Spektakel! das ist ja 's Rößlwirtshaus! Juhe! jetzt bin ich wieder daheim! – doch ruhig! keine Übereilung! Fassung! Besonnenheit! Überlegung! Manneswürde! Empfindung! Selbstgefühl! Sittlicher Ernst! – – Wie mach ich's jetzt am g'scheitisten, daß meine unerwartete Rückkehr ein Weltereignis wird? – – Jetzt fallt mir was ein: zuvor werd ich als mein Geist erscheinen, nachher erst als leibhaftiger Kasperl. Ich will doch hören, was die Leut' von mir sagen. (Er steigt auf die Brunnensäule, so daß er sich oben wie eine Statue ausnimmt.)

So! jetzt still und aufgepaßt! Am allerfrühsten Morgen werd'n die Leut' schon kommen und Wasser holen.

(Man hört die Morgengebetglocke im Dorfe läuten. Nun kommen allmählich Knechte, Dirnen an den Brunnen, Wasser zu holen, die aber Kasperl nicht bemerken. Hiesl aus dem Wirtshause. Später Nanni.)

Hiesl (wäscht sich am Brunnen). Das ist halt was wert, so a guat's, frisch Wasser! Das wascht ei'm den Schlaf noch recht aus die Augen. Aber kost't hat er 'n Wirt was – der Brunnen. Rentiert sich aber. Jetzt hab'n wir überflüssig fürs Vieh, für die Roß, und die groß Stadlwiesen können wir auch noch wässern, und den ganzen Garten und 's Krautgartenwiesl; dürfen nur die Rinnen einlegen. Herrschaft! Das ist freilich eppes Guat's und grad nur die halbi Arbeit. (Nanni mit einem Krug tritt aus dem Hause.) Gut'n Morgen, Wirtin!

Nanni. Gut'n Morgen, Hiesl! Tust's Vieh bald tränken. Gelt, der Brunnen ist halt a Wohltat? Hast'n Schöpfer gleich im Stall!

Hiesl. No – das sag i! Der kaltesische Brunnen ist was wert. Aber kost't hat er a was!

Nanni. Ja freilich, 2000 Gulden langen net. Und das kann ich halt gar nicht vergessen, daß dabei ein Menschenleben auch z'grund gangen ist.

Hiesl. A mein, der Kasperl; Gott tröst'n; aber a Lump war er doch!

(Kasperl räuspert sich.)

Nanni. Ja, a gute Haut; aber a fauler Kerl; und 's Bier war ihm eigentlich sein Arbeit. (Kasperl hustet.) Hast'n Katarrh, Hiesl, weil's d' alleweil husten mußt?

Hiesl. Beileib nit; aber ich hör auch alleweil so räuspern,

Nanni. Ja, Hiesl, mir wär's doch recht, wenn der Kasperl noch bei uns wär! Er war gar so a lustiger Bursch mit seine Dummheiten.

Hiesl . Das schon; aber ich glaub, es hat'n doch der Teufel g'holt, weil er gar so a fauler Kerl war.

(Kasperl hustet ungeheuer.)

Nanni. Ja, was ist denn das? Wer ist denn da? (Bemerkt Kasperl oben auf dem Brunnen.) Herrgott im Himmel! Da steht er oben! Das ist sein G'spenst! Auweh! (Läßt den Krug fallen und läuft schreiend ins Haus.)

Hiesl. Richtig! der leibhaftig' Kasperl! Alle guten Geister – – (Läuft ebenfalls hinein.)

Kasperl. Brav! jetzt hab ich mein Sach! wenigstens hab ich beobachten können, daß ich im guten Andenken steh. Wie werden sie mich erst empfangen, wenn ich in Wirklichkeit erscheine? Holla! kommt schon wieder wer.

(Wirt mit Nanni aus dem Hause kommend.)

Wirt (an der Türe). Was nit gar? Das sind Dummheiten! Macht's mir nichts weis. Ich glaub an keine Geister.

Nanni. Ja g'wiß, aufm Brunnen steht er oben, wie er g'leibt und g'lebt hat. Schaut's nur hin, Vater.

Wirt. 's ist schon recht. (Schaut hin.) Meiner Seel! – das ist kein G'spaß; da steht er!

Nanni. Gelt's? ich hab recht g'habt.

Wirt (zitternd). Holt's 'n Pfarrer, der kann mit die Geister umgehn. Hiesl, Hiesl!

(Hiesl kömmt.)

Hiesl. I trau mir net!

Wirt. Zum Herr Pfarrer lauf, Hiesl! Er möcht' mit 'n Weihbrunnen kommen, aber gleich! wo ist denn der Hans? Hans!

(Hiesl läuft fort, Hans kömmt aus dem Hause.)

Hans. Was gibt's denn, Vater! –

Wirt. Da schau hin.

Hans (schaudernd). Der Kasperl!

Kasperl (mit geisterhafter Stimme). Ja, der Kasperl! der arme Kasperl! Als Geist erscheint er euch. Gelt's: der Lump, der Faulenzer! der in das Brunnenloch gefallen ist, tief in die Erden hinunter, der so elend zugrund gegangen ist? Wehe! Wehe! Wehe! (Alle fahren durcheinander, werfen sich endlich auf die Knie.) Ja! zittert und bebt nur! Wenn die Leut' g'storben sind, nachher soll man nur Gut's von ihnen reden. So steht's im Christenlehrbüchl!

Alle. O mein, o mein!

Wirt. Wenn's d' nur wieder lebendig wärst, lieber, guter Kasperl!

Nanni. Gelt, ich bitt dich, du tust uns nichts?

Wirt. Ich versprich dir's. Ich laß dir ein' schönen Grabstein setzen von Marmor und a goldene Schrift drauf; guter Kasperl!

Kasperl (springt herab). Nix Grabstein! Juhe! Ich bin ja lebendig; da schaut's her, da ist der alte Kasperl.

Alle. Ja, wie ist denn das möglich!

Wirt. Bist du also kein Geist?

Kasperl. Nix Geist! – Fleisch und Blut! Gebt's mir nur gleich was z' essen und z' trinken!

Wirt. So viel's d' nur magst! weil's d' nur wieder da bist.

Kasperl. Ja, gelt's? aber so geht man mit den Abg'storbenen um?!

Nanni. Verzeih's nur, Kasperl; es war nit so bös g'meint. Du weißt's ja.

Wirt. Wir haben dich alleweil recht gern g'habt, allesamt im Haus.

Hans. Ja freilich! und jetzt haben wir dich noch gerner.

Kasperl (hocherhaben und stolz). Ja, ich woiß es: der Kasperl wird überall gern gehabt. Wo er immer sich blücken läßt, ist er buliebt, ja angubetet. Ich verzoihe euch!

Nanni. Aber sag nur: wie ist's denn möglich, daß du nit z'grund gangen bist.

Kasperl. Zugrund gangen bin ich nicht, sondern zugrund g'fahren. Das Schicksul hat mich gurettet; denn der Kasperl kann und darf nicht zugrund gehen. Aber jetzt gehn wir in die Wirtsstuben, ich fall vor Hunger und Durst um.

Wirt. Ja, gehen wir hinein! da kannst uns erzählen, wie's dir gegangen hat.

Nanni. Ja, gelt, Kasperl, du erzählst uns, wo'st du überall warst?

Kasperl (hoch). O wecket nicht die Erinnerungen einer glücklichen Vergangenheit!

Wirt. Alloh! Auf!

Alle. Der Kasperl soll leben! Vivat hoch!

(Das Orchester fällt ein.)

Ende des Dramas


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