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König Silberhaar. Jolinde, seine Tochter. Majordomus. Drosselbart. Turdus, Spielmann. Waltrudis, eine Fee. Zwei Hoffräulein der Prinzessin Jolinde. Casperl Larifari. Ein Bär. Jäger. Gefolge. |
Saal im Schlosse des Königs Silberhaar.
Der König. Majordomus.
König. Durch die Nachricht, die Ihr mir gebracht habt, mein lieber Majordomus, bin ich hoch erfreut. Also der edle König Drosselbart will um meine Tochter werben?
Majordamus. In der That, mein König und Herr! Er wird heute noch selbst sich hier einfinden, um sich Euch und der Prinzessin vorzustellen?
König. Der König selbst? Das ist ja etwas Außerordentliches. In der Regel geschehen derlei Verhandlungen durch Abgesandte. Ich z. B. habe meine allerhöchstselige Gemahlin vor meiner Vermählung gar nicht zu Gesicht bekommen. Wir haben gegenseitig nur unsere durchlauchtigsten Porträts erhalten und es ist doch Alles gut von Statten gegangen.
Majordomus. König Drosselbart macht eben Alles nach seinem Gutdünken und ist ein eigenthümlicher, aber trefflicher Herr, der gerade für Prinzessin Jolinde zum Gemahl ganz geeignet wäre.
König. Wohl möglich. Ihr kennt doch meine Tochter. Sie will von keinem Manne Etwas wissen. Aber jedenfalls muß ich sie auf diese Angelegenheit vorbereiten, damit sie nicht allzusehr überrascht werde. Geht hinüber zu ihr; sie möge zu mir kommen, weil ich sie in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen habe.
Majordomus. Augenblicklich, wie Eure Majestät befehlen. (Ab.)
König (allein). Ich muß Alles aufbieten, um Jolinden, die so stolz und eigensinnig ist, zu dieser Heirath zu bewegen. Drosselbart soll ein ungeheuer reicher großer Herr sein. Es wäre mir sehr angenehm, ja nothwendig, durch meine Tochter Etwas zu erwerben, denn meine Finanzen sind zerrüttet. Mein Schwiegersohn würde doch wohl keinen Anstand nehmen, mir ein kleines Anlehen von etwa fünf Millionen zu geben. Ich habe zu viel Geld verthan, habe zu viel Hofgesinde, zu viele Pferde, die Manie für Vollblutpferde kostet mich zu viel und meine Jagdpassion, besonders für gebratene Marcassins, die hat mich so weit herunter gebracht. Kurz und gut, die Partie muß mich retten! Als König kann ich nicht auf die Gant kommen; das wäre ein Skandal ebenso für meine hohen Collegen, wie für mich selbst. Ah, da kommt sie. (Geht ihr entgegen mit offenen Armen.) Liebe Tochter!
Joline (tritt ein mit zwei Hofdamen). Theurer Vater! Lasse Dich umarmen. – Du hast mich rufen lassen?
König. Ja, ich habe Dich bitten lassen, zu mir zu kommen.
Jolinde. Dein Wunsch ist mir immer Befehl.
König. O könnte es immer so sein! Wäre es möglich, so sähest Du den glücklichsten Vater auf dieser Erde vor Dir.
Jolinde. Und warum solltest Du es nicht sein?
König. Weil Du meine Tochter bist. Höre! Heute noch wird ein Werber um Deine schöne Hand kommen.
(Jolinde fällt mit einem Schrei in Ohnmacht, dem Hoffräulein in die Arme.)
Da haben wir schon die Geschichte! Wenn sie nur von einem Mann hört, da fällt sie schon in Ohnmacht.
Erstes Hoffräulein. Aber Eure Majestät sollten die Hoheit doch kennen.
Zweites Hoffräulein. Ihre Nerven sind allzu zart.
König. Ihr habt freilich ganz andere Nerven; besonders wenn von Männern die Rede ist. Erhole Dich, meine Tochter! Fasse Dich!
Jolinde (kommt wieder zu sich). Es geht mir schon wieder besser, lieber Vater! Verzeih' mir.
König. Also, wie gesagt, der Freier –
Jolinde macht wieder zuckende Bewegungen.
König (fährt fort). Der Freier ist König Drosselbart, der gerade nicht schön zu nennen, außerdem aber die herrlichsten Eigenschaften in seiner Person vereinigt, welche ein Menschenkind und besonders ein König in sich zu vereinigen im Stande ist – so höre ich wenigstens von allen Seiten.
Jolinde. O ich habe schon von ihm gehört. Besonders soll er sich durch sein ungeheures Kinn auszeichnen, weßwegen man ihn schon als kleinen Knaben »Drosselbart« nannte. Und Du willst, Vater, daß ich bei meiner Abneigung gegen das männliche Geschlecht überdieß mich einer so lächerlichen Figur als Gemahlin hingeben sollte?
König. Solche Kleinigkeiten übersieht man und vergißt derlei bald im Hinblick auf die übrigen Vorzüglichkeiten, die Alles überwiegen.
Jolinde. Und das wollte man obendrein von mir verlangen, daß ich einen so häßlichen Mann nähme?
Die beiden Hofdamen lachen laut auf.
König. Was lachen die Fräuleins?
Erstes Hoffräulein. Den Drosselbart?
Zweites Hoffräulein. Mit dem großen Unterkiefer!
König. Es wäre geeigneter, wenn die Fräuleins sich aller Bemerkungen enthalten wollten. Mein königlich väterlicher Wunsch wird wohl von meiner Tochter berücksichtigt werden.
Jolinde. Wirklich? wäre es möglich! Lieber will ich einsam zu Grunde gehen, als an der Seite eines solchen Mannes leben.
Trompetenstoß.
König. Hörst Du? Ein Zeichen!
Majordomus (tritt ein). Königliche Majestät! König Drosselbart nähert sich der Hofburg.
Jolinde. Weh' mir!
König. Nun fasse Dich. Sei nicht eine ungehorsame Tochter. Dein königlicher Werber zieht ein.
Drosselbart (tritt ein, mit Gefolge. Alle mit Vogelköpfen. Er hat eine ungeheuer große Kinnlade; läßt sich auf einem Knie vor der Prinzessin nieder). Erhabene Prinzessin! Schönste Jolinde! Verzeiht mir, daß ich vor Euch erscheine. Ich selbst trete vor Euch, ich selbst bitte um Eure Hand. Kein Mittelmann, kein Vertreter soll für mich werben. Sprechen Eure Hoheit das Wort der Entscheidung, ob Ihr meine Werbung annehmt. Alles biete ich, was ich bin und habe – ja mein Leben, wenn Ihr es verlangt!
Jolinde schweigt, senkt das Haupt und wendet sich ab.
(Längere Pause.)
Drosselbart. Was soll dieses Schweigen, erhabene Prinzessin?
(Wieder eine Pause.)
König. Edler König Drosselbart! Meine Tochter schweigt wohl, weil sie sich in Verlegenheit befindet. Was sollte eine Jungfrau thun, wenn ein solcher Bewerber zu ihren Füßen liegt, als bescheiden schweigen!
Drosselbart steht auf und tritt etwas zurück.
Drosselbart. Was soll aber ich denken?
Jolinde (stolz sich erhebend). Ich will es Euch sagen, König Drosselbart: Ihr sollt denken, daß ich niemals Euer Weib werde. Dieß ist mein fester, unabänderlicher Entschluß.
Drosselbart. Dieß also Eure Antwort! – Ihr seid grausam! So ist denn so viel Schönheit nur die wunderbare Hülle einer tiefen, dunklen Nacht!
Jolinde. So meidet die Nacht und suchet Euch anderswo den Sonnenschein des Lebens.
Drosselbart. Weh' mir' weh' Euch! Mein Herz wollte Euch das Herrlichste bieten. So muß ich scheiden und laß' Euch in Eurer Nacht! Lebt wohl! (Tritt ab.) Donner und es dunkelt einen Augenblick. Allgemeine Bewegung und Entsetzen.
König. Er geht! Du hast Dein Glück zerstört, stolze Jolinde, und Deinen alten Vater unglücklich gemacht! Ein edler Mann hat um Dich geworben.
Jolinde. Wenn auch! Frei will ich sein und bleiben wie die Vögel des Waldes.
König. So gehe in den Wald! Ich gebe Dich frei; ich erkenne Dich nicht mehr als meine Tochter an. Gehe! Verlasse mich! Ich kann und will nur mehr meinem Schmerze leben, dem ich bald zu erliegen hoffe, denn meine Tochter hat kein Herz für mich. Dein Stolz, Dein Hochmuth seien Dir Gefährten und Begleiter!
Man hört Turdus' Gesang unten (mit Lautenbegleitung).
Im Wald, im Wald
Da hallt's und singt's
Da schallt's und klingt's
So wunderschön
Rings aus den Höhn.
Lerchen, Amseln, Nachtigallen
Aus den Büschen ringsum schallen
Im Wald, im Wald!
Jolinde. Höre Vater! Da unten singt der Waldsänger. Wie schön! Wie herrlich!
König. Nun, dieser wäre vielleicht ein Mann für Dich. Ich gebe Dich ihm zum Weibe. (Ruft hinaus) Holla, holla! Willst Du ein Weib haben? Heda! Nimm meine Jolinde! Sie gehört Dein, Dein – wenn Du sie magst! Aber sie ist stolz und hochmüthig. Halte sie streng, damit sie Demuth lerne!
Gesang der Stimme (unten).
Im Wald, im Wald
Da ist's so still,
Wer Frieden will,
Der komm' herein
Beim Dämmerschein.
Lerchen, Amseln, Nachtigallen
Sollen Dir entgegenschallen
Im Wald, im Wald.
Die Stimme entfernt sich und verhallt.
König (am Fenster). So komm', komm'! Hole Deine Braut!
Jolinde (träumerisch).
Vater, laß' mich, laß' mich zieh'n,
Ich muß dahin, ich muß dahin.
Der Sänger ruft so wunderbar,
Es winkt der Vöglein liebe Schaar.
Ich muß, ich muß – –
Eine Schaar Vögel fliegt zwitschernd und lärmend herein und umschwärmt Jolinde, welche wie träumend an die Thüre geht. Der König sinkt zusammen. Das Orchester fällt mit melancholischen Akkorden ein.
Tiefer Wald. Nacht. Vollmond.
Casperl (stolpert herein und stößt sich bisweilen an einen Baumstamm). Nun, heut' hat mich mein mir sonst günstiges Schicksal sitzen lassen. Nachdem ich mich dem Schooße meiner Familie entwunden habe, um so gegen Abend mit einem Spaziergang die bescheidene Löschung meines alltäglichen Durstes zu verbinden, hat sich dieser mein angeborner Durst wieder mit dem Schicksal verbunden, in dessen Fügung es gelegen, daß sich der Abend wieder mit der Nacht alliirt, um mich aus dem Wirthshause in diesen Wald zu bringen – pumps! (stößt wieder an einen Baum) wo ich mit Gegenständen der Natur in unwillkürliche Berührung kommen und vielleicht gar statt auf meinem üblichen Federbette auf weicher, aber etwas feuchter Moosdecke eine Nacht über ruhen soll, um am späten Morgen mit einem Catarrhfieber aufzuwachen. Es wird immer dunkler und der Mond scheint immer heller. Was bleibt mir übrig, als mich niederzulegen, denn meine Stelzen fangen bedeutend zu wackeln an, weil mein Capitolium sich in schwankenden Umständen befindet. Also legen wir uns hin! Ich hoff', daß dieser Wald keine schwurgerichtlichen Subjecte beherbergt. Nun, es sei!
(Legt sich unter einem Baum schnarchend nieder. Man hört Turdus' Gesang hinter der Szene.)
Casperl. Wie? Was? – Ein Schlummerlied? Wenn's von Richard Wagner ist, nachher schlaf' ich gewiß bald ein. Die Stimme nähert sich. Der Tenor ist gar nicht übel. Den könnt' man für's Münchener Theater brauchen, wenn der Vogl nicht singen mag und der Nachbauer den Schnupfen im Hals hat.
Turdus tritt auf (Laute im Arm); er bemerkt Casperl erst später.
Turdus. Folgt sie wirklich meinen Schritten? Der Vater, bekümmerten Herzens, hat sie verstoßen, die Stolze, um ihren Hochmuth zu bestrafen, weil sie den König mit seiner Werbung abgewiesen. Armer Drosselbart! Aber des Waldsängers Lied, wie es scheint, ging ihr zu Herzen. Nun so wäre sie nicht herz los. Vielleicht wird sie am Hofe nicht verstanden und ihr Stolz ist nur Schein? (Erblickt den Casperl.) Holla! Wer ist da?
Turdus. Wie kommst du daher?
Casperl. Sind Sie der hohe Tenor?
Turdus. Antworte Du mir, sonderbares Wesen.
Casperl. Ich bin kein sonderbarer Besen, sondern ein Mensch, vielleicht nicht so sonderbar, wie Sie sind. Sie seh'n ja aus, wie ein Wilder. Aber, wenn Sie hier bekannt sind, wissen Sie kein Wirthshaus? Ich übernachte nit gern im Freien.
Turdus (für sich). Ein sonderbarer Bursche. Du kannst die Nacht dort in der Hütte zubringen.
Casperl. In einer Hütte, in welcher keine Anzapfung stattfindet?
Turdus. Ich verstehe Dich nicht; doch ein Lager findest Du dort ganz nahe. Schau hin, der Mondesstrahl fällt auf das Strohdach.
Casperl. Meinetwegen! Wenn der Mondstrahl auf's Dach fallt, kann ich leicht in's Haus hineinfallen. Aber ich bitt' um den Hausschlüssel.
Turdus. Geh' immer zu. Die Thüre steht offen. Ein Waldweib lebt drinnen.
Casperl. Da hab' ich Respect. Die Gegend muß sicher sein. Bei uns in der cultivirten Stadt, da dürft' man nit trauen. Also, ich bin so frei.
Turdus. Geh' nur immer zu.
Casperl unter Reverenzen ab.
Turdus (greift die Laute und spielt Akkorde). Dort hinter den Tannen flattert ihr weißes Gewand. Sie folgt meinen Tönen. Es ist, als ob sie im Traum wandle.
Singt zur Laute.
In dem tiefen, dunklen Raume
Winkt die Nacht zu holdem Traume,
Mitten in der Vöglein Schaar
Bei des Quells melod'schem Rauschen
Und dem süßen Sang zu lauschen.
Auf und nieder
Tauchen Lieder
Aus den Gründen,
Unter Linden,
Wo die Minne wonnig wohnt,
Und der süße Friede thront.
Jolinde (tritt wie träumend ein).
Folgen muß ich diesen Klängen,
Die mich zu dem Sänger zieh'n!
Zu des Waldes grünen Gängen
Muß ich willenlos entflieh'n,
Wandelnd hier im Mondenstrahl,
Der da leuchtet durch das Thal!
Ja, ich folge Deinen Schritten
In der Vöglein Sangesmitten,
Da der holden Stimme Klang
Mir in's tiefe Inn're drang – –
Turdus.
Nun, so geh' im Mondenscheine
Holde Jungfrau, zarte, reine,
Mit dem Sänger! Süßes Träumen
Soll im Nachtgruß nimmer säumen,
Dir das Schönste darzubringen
Und in Dein Gemüth zu dringen.
Schreiter fort, Jolinde folgt ihm. Vögel schweben auf. Zarte Musik erschallt, während der Vorhang langsam fällt.
Morgenbeleuchtung. Felsenthal im Walde. Einsame Hütte mit Strohdach, von Bäumen beschattet, von üppigen blühenden Büschen umgeben.
Casperl tritt aus der kleinen Thüre. Tisch und hölzerner Sitz vor derselben.
Casperl. Schlipperment! Casperl hast du deinen Verstand verloren oder gibt's Mirakel und Zaubereien hier zu Land? Da soll Einer nicht a bißl narrisch werden. Hören S' nur: Gestern Abend trott'l ich also nach Anweisung des schönen Tenors ohne Umweg und Irrweg an diese Hütte. Wie ich anklopf', kommt eine Frau heraus, winkt mir hinein; sie red't kein Wort, ich red' kein Wort, wir beide reden kein Wort, Niemand red't ein Wort, denn es war kein Mensch da, außer uns zwei. Nach diesem lebhaften Discurs zeigt die geheimnißvolle Frau mit langen schwarzen blonden Haaren und einen Blumenkranz auf dem Kopf mir eine Art Canapée, das in dem ersten Kammerl steht; ich verstehe den Wink, und kaum habe ich mich darauf niederg'setzt, packt mich der Schlaf an, mir fallen die Augendeckel zu und erst vor fünf Minuten bin ich wieder aufgewacht. Auf meine Sackuhr, welche im Versatzhaus ausruht, konnt' ich nicht sehen; allein, da es hell ist und die Sonne scheint, so zweifle ich nicht, daß es bereits Tag geworden ist. Auch meldet sich bereits die Stimme des Frühstücks und es säuselt mir durch den Magen der Gedanke: »Wo ist mein Caffee?«
Seitwärts aus der Coulisse kömmt ein Bär, welcher auf einer Tatze Frühstücksservice mit Bretzeln etc. bringt und angenehm brummt.
Casperl (fährt zusammen und fällt rückwärts hin). Oho! – Was ist denn das? Wird man von den wilden Thieren g'fressen? – Da bedank' ich mich.
Bär brummt angenehm und stellt mit einer Reverenz das Frühstück auf den Tisch.
Ah! Ah! Ah! – Herr von Bär, Sie sind ja ein' außerordentliche Erscheinung von einem Domestiken! Gehorsamer Diener! Danke schönstens. Ist's Caffee oder Schokolade?
Bär entfernt sich und macht brummend ein Kompliment.
Schlipperment! Das ist ja ungeheuer! Ein solches Wirthshaus! Eine solche Bedienung! – Also, keine Komplimenten! Ich beginne mein Tagwerk! (Setzt sich, beschaut das Frühstücksservice von allen Seiten und schnüffelt daran.) Der Geruch ist caffeeartig. Die Bretzeln scheinen frisch gebacken! Kurz, da laßt sich nichts aussetzen, wenn's den ganzen Tag so fort geht, werde ich einige Wochen Sommeraufenthalt hier nehmen. Vielleicht ist ein Gesundheitsbad auch in der Näh'. Das könnt' ich gegen meine Rheumatismen gebrauchen. Wenn ich nur dem Bären trauen könnt'! Da kommt er schon wieder. Ich glaub' gar, er bringt eine Bouteille frisch' Wasser zum Caffee. (Bär stellt unter Reverenzen eine Wasserflasche und ein Glas auf den Tisch zum Frühstück) Verehrtester Herr von Bär! Sie irren. Wasser bin ich ganz und gar nicht g'wohnt.
Bär brummt und schüttelt den Kopf.
Wollen Sie sich nicht ein wenig an meine Seite setzen; denn Sie scheinen mir ein nicht nur zahmes, sondern auch ein gutmüthiges, liebes Individuum zu sein.
Bär streichelt und liebkost den Casperl und brummt sehr angenehm.
Ja, mein Theurer! Sie haben vielleicht die beste Absicht, aber ich versteh' kein Wort von Ihrer Brummerei, und ich möcht' halt doch allerhand von Ihnen erfahren. Schauen S', da haben S' eine Bretzen; sagen S' mir doch gefälligst: Wo bin ich denn eigentlich? – Sie scheinen mir hier schon einige Zeit im Dienst zu steh'n.
Bär, indem er in die Bretze beißt, hält die Tatze unter bedeutsamer Bewegung, wie warnend, an die Schnauze, andeutend, daß er nicht reden dürfe.
Wie? also können und nicht dürfen?! Fürchterlich! – Aber, wenn ich Dich beschwöre!
Bär. (Drohende Bewegung.)
Ha! – wie? wo? warum? Sollte hier Verrath im Spiel sein?! – Wir sind allein. Ich schwöre Dir ewiges Stillschweigen. Sprich': wo bin ich? – –
Bär fährt auf, drückt auf die Thüre der Hütte, reißt Casperl vom Sitze auf.
Schlipperdibix? – Kommt Jemand?
Beide stürzen hinaus. Waltrudis, Jolinde (treten aus der Hütte).
Waltrudis.
So bist Du meinem Sohn jetzt angetraut –
Du stolzes Königskind dem armen Sänger! –
Was hat zu solchem Schritte Dich getrieben.
Daß Du nicht Deinem Stande treu geblieben?
Nun bist Du Magd, nicht Herrin mehr.
Und Noth und Sorge lasten aus Dir schwer.
Wo ist der Hallen Glanz, der Diener Schaar?
In schlechter Hütte hungerst Du nun gar.
Jolinde.
Ich weiß es, ja! daß ich des Königs Kind,
Auf Gold gebettet war, wie's Wen'ge sind;
Doch Ketten waren's doch, die ich getragen
Seit meiner Kindheit ersten Tagen.
Und mag ich mit wem immer auch verkehren –
Als eines Königs Tochter soll man stets mich ehren.
Waltrudis.
Doch mußt Du büßen nun den Eigensinn,
Daß Du Dich gabst dem Stolze hin,
Zu tragen nicht, was die Geburt beschieden,
Und nicht zu würd'gen eig'nes Glück hienieden.
Jolinde.
Ist nicht die Freiheit nur das höchste Glück,
Das sich Gehören? Und schau ich zurück,
Blick' ich nur aus Gebundensein
Und nicht das mir mein Eigen mein.
Waltrudis.
Und jetzt? Geschehe Dir's nach eigner Wahl,
Des Sängers Weib in dieses Waldes Thal.
Fort! Geh' hinein! Die Küche und die Kammer
Hast Du zu scheuern. Spüre nur den Jammer.
Und dann: am Quell' hol' Wasser! Säume nicht!
Gehorchen, Dienen – ist nun Deine Pflicht.
Jolinde
Und dennoch, wenn ich selber es gewollt,
Da ich des Herzens Freiheit ja gezollt.
Im grünen Walde hallt der Vöglein Sang!
Im grünen Walde tönt der Saiten Klang!
Turdus (kömmt aus dem Walde von der Seite herein. Zu Jolinde). Was stehst Du hier müssig am hellen Morgen und schaffst nichts? Hab' ich Dich dafür zu meinem Weibe genommen? Wenn Dir der Sang gefiel, so sorg' auch für den Sänger! – Wo ist mein Morgenbrod? Du möchtest wohl Eine Deiner Dienerinen rufen?
Jolinde. Verzeih'! Gleich will ich Sorge tragen, daß Du es bekömmst.
Turdus. Fort! Geh' hinein!
Jolinde. Ich gehe gleich. Zürne nicht. Du sollst bedient sein. (Ab, in die Hütte.)
Turdus (allein). Sie geht! Die Arme! Aber es muß sein. Wer hieß sie den König Drosselbart verschmäh'n? Warum betrübte und kränkte sie ihren guten Vater, daß er sie von sich wies und verstieß?
Jolinde geht aus der Thüre seitwärts vorüber, einen Wasserkrug tragend.
Turdus (greift ohne Jolinde zu bemerken in die Laute). Lied.
Ihr Vöglein allzuhauf
Flieget und schwebet auf!
Schwebet im Morgenschein
Auf durch den grünen Hain!
Hebt über Wald und Au
Euch in des Himmels Blau.
Lieb' Vöglein allzuhaus
Flieget und schwebet auf!
Geht in die Hütte.
Jolinde (kömmt zurück).
Ja! flieget auf, ihr Vöglein, liebe Schaar,
Aus euern Nestern, Paar und Paar!
Hoch auf in's klare Himmelsblau
Fliegt über Waldesgrün und helle Au!
Habt ihr gebadet euch im Morgenthau,
Dann senket wieder euer bunt Gefieder
Hier zu Jolindens Seite singend nieder.
Casperl und Bär kommen Arm in Arm.
Casperl. Das war eine recht angenehme Morgen-Waldpromenade; aber doch eigentlich etwas langweilig. Du scheinst mir ein sehr cultivirtes Individuum zu sein, sag' mir (aber Du kannst ja Nichts sagen?) warum du gar Nichts red'st und du hätt'st mir ohne Zweifel sehr Viel mitzutheilen. Und habe nicht ich Dir mein ganzes Vertrauen geschenkt? oh!
Bär brummt.
Ich beschwöre Dich zum letzten Male: Brich Dein unerklärliches Schweigen! Erkläre Dich! Löse das Räthsel Deiner Natur! Bist Du vielleicht ein Graf Oerindur?
Bär (fällt auf die Kniee nieder. In höchster Extase brüllend). Es sei!!
Casperl fällt aus Schrecken um.
Bär (feierlich). Schwöre bei allen germanischen Gottheiten, welche der gelehrte selige Jakob Grimm wieder in die Mode gebracht hat, tiefes ewiges Schweigen über Alles, was Du nun von mir hören wirst! Wo nicht – so fresse ich Dich noch vor meiner diplomatischen Mittheilung mit Haut und Haaren auf!
Packt den Casperl bei der Gurgel und rüttelt ihn.
Casperl (zitternd und bebend). Ich schwäre!
Bär. Nun denn: so höre! Ich bin eigentlich kein Bär, sondern nur in dessen Hülle oder Pelz. Ich bin der verzauberte Zauberer und Taschenspieler Strizlmajer, gebürtig aus Deggendorf.
Casperl. O, wie freue ich mich, Dich Mensch zu wissen! Sei mein Bruder, mein Freund!
Umarmung.
Bär. Auf meinen Reisen als Escamoteur machte ich am türkischen Hofe die Bekanntschaft der Fee Waltrudis, welche dort Gastrollen als Trud gab und namentlich dem Sultan selbst sehr zusetzte. Ich gefiel ihr – so zwar, daß sie mich heirathen wollte; allein ich blieb standhaft in der Treue, weil ich in Passau bereits verlobt war mit der Anna Maria Hintermajerin, Obstlerstochter.
Casperl. Der Name Hintermajer ist mir nicht fremd; denn ich habe eine Cousine bei Vilshofen, die so heißt.
Bär. Höre weiter! und dieß ist das Gräßliche und Geheimnißvolle. Waltrudis ließ nicht ab von mir und verfolgte mich unablässig mit ihren Anträgen. Da ging mir die Geduld aus. Ich verrieth in Constantinopel, daß sie eine Hexe und Trude sei. Darauf hin ließ sie der Sultan fallen. Sie aber gerieth in eine solche Wuth, daß sie mich in ein Bärenfell zauberte und in diesen Wald her brachte, wo ich ihr nun seit anderthalb Jahren, aus Schmerz und Gram stumm und dumm geworden, die niedrigsten Dienste zu leisten habe!
Casperl. Aber, Freund und Bruder! Warum hast Du Dich denn verzaubern lassen? Du bist ja selbst ein Zauberer und hätt'st ja Zauber gegenmittel genug g'habt?
Bär. O Schmach! Es war meine eigene Schuld, daß ich erlegen. Waltrudis hat den Augenblick benützt, da ich vom Opiumgenuß betäubt war, so zu sagen wehrlos. Ich war nicht selten dem Trunk ergeben.
Casperl. O Freund! Dieser Fehler kömmt manchmal vor. Und es ist ein Glück, daß Zaubereien bei uns jetzt nicht mehr vorkommen. So Mancher könnte mir nichts dir nichts in einen Bären oder in einen Esel verwandelt werden. Doch schweigen wir über diesen zarten Gegenstand. – Aber sage, warum lebt Waltrudis in diesem einsamen Wald?
Bär Vernimm es: Ihr erster Mann war König im Reiche der Vögel, ein Kobold, und aus dieser Ehe kam ein Sohn, »Drosselbart« mit Namen. Diesem ihrem Sohn zu lieb zog sie in den Wald, denn sein eigentliches Element ist der Gesang, wie es bei den Vögeln der Fall ist.
Casperl. Oh! jetzt geht mir ein Licht auf! Den hab' ich schon singen hören. Er hat eine wunderschöne Tenorstimm'.
Bär. Nun weißt Du vorläufig genug. Das Weitere wird sich im Verlaufe des Stückes ergeben. Aber schweige, schweige! sonst sind wir beide verloren. Alles wird sich noch lösen und erklären, wenn die rechte Zeit kömmt. Jetzt laß' uns gehen.
Casperl. Ja, wo ist denn ein Wirthshaus in der Nähe?
Bär. Ich darf mich an solchen Orten noch nicht blicken lassen. Aber komm nur! (Beide ab.)
Gemach im Schlosse des Königs Silberhaar.
König. Majordomus.
König. Hast Du noch nichts in Erfahrung gebracht?
Majordomus. Nichts, mein Königlicher Herr, trotz aller Nachforschungen!
König. Weh' mir! so muß ich verzweifeln. Was hab' ich gethan?! Warum hab' ich in der Anwandlung von Unmuth meine Tochter verstoßen!
Majordomus Tröstet, beruhigt Euch. Majestät! War nicht sie selbst Schuld daran? Jolindens Starrsinn und Hochmuth mußten Euch auf das Aeußerste bringen.
König. O hätte ich noch Geduld gehabt! Ich habe zu rasch gehandelt. Unüberlegt war es jedenfalls, Jolinden auf solche Art von mir zu weisen. Ich armer Thor! (Weint ungeheuer.)
Majordomus. Es ist nicht möglich, Prinzessin Jolinde habe sich so weit entfernt, daß es unseren Nachforschungen nicht noch gelänge, sie zu finden.
König. Nein! Nein! – sie ist verloren; denn Niemand weiß eigentlich den Aufenthalt dieses räthselhaften Waldsängers, der sich nur von Zeit zu Zeit hier blicken läßt und mit seinem Gesange meine Tochter bethört hat.
Majordomus. Allerdings ist es so. Man sagt, sein Aufenthaltsort sei ein nicht fern gelegener tiefer Wald; allein Niemand hat ihn noch entdecken können. – Doch ich gebe meine Hoffnung nicht auf. Mein König, vertraut meiner Sorgfalt.
König. Ich zweifle nicht daran und werde mich zu beruhigen suchen. – Wie steht es mit den Finanzen? Ist genug Geld in meiner Cabinetscassa?
Majordomus. Genug Geld? – Dieß ist freilich sehr die Frage. Einschränkungen werden immer dringender. Es wird gut sein, wenn Allerhöchstselben dem Hofmarschall befehlen, weniger Gänsleberpasteten und dergleichen aufzutischen.
König Und gerade diese eß' ich so gerne!
Majordomus. Der Hofbanquier will keine Vorschüsse mehr leisten.
König Man wird doch diesen Juden zu Paaren treiben können! Einsperren! – (Weint wieder.) O meine Tochter! Meine Jolinde!
Majordomus. Haben Euere Majestät noch Etwas zu befehlen?
König. Nichts, nichts habe ich zu befehlen! Ich bin ein unglücklicher alter Mann! Alles, alles biete ich auf, daß Jolinde gefunden werde! (Ab, weinend.)
Majordomus (allein). Der alte Mann dauert mich. Seine Tochter, die ihm Alles war, ist nun vielleicht für ihn verloren! Vielleicht hat sie sich in einen Zauberkreis verirrt. Es gibt so Vieles in diesem Leben und auf dieser Erde, was sich Niemand erklären kann. Man lacht über Magie, verspottet, was man nicht zu deuten vermag und weiß sich selbst über das oft zunächst Liegende keinen Aufschluß zu geben. Dieser gute König ist voll Schmerz wegen seiner Tochter, möchte aber auch den Genuß seiner Gansleberpasteten nicht vermissen. Welche Widersprüche im menschlichen Sein und Thun!!
(Der Vorhang fällt. Ende des II. Aufzugs.)
Schlechte Stube in Turdus' Hütte.
Casperl mit einem Kehrbesen scheuernd.
Casperl (wischt sich den Schweiß von der Stirne). Das heißt man eingehen! – Jetzt bin ich hier seit vier Wochen wie ein Zuchthäusler eing'sperrt und weiß nicht warum und wie und was und wieso und woher und wohin – einem gewissen Schicksal verfallen, so zu sagen verzaubert! Das ist doch zu arg auf der Welt! Seit mein Freund, der Bär in einer verhängnißvollen Nacht während einem Gewitter in der blitzlichten Finsternis; durch- und abgeblitzt ist, bin ich in dieser saubern Wirthschaft Vizehausknecht worden! Oh Stricksal! warum? warum? – (Tragisch.) Diese Frage werf ich dir in deinen die Menschheit verschlingenden Rachen! ha! – warum? rum, rum, rum, rum, dum, dum, dum, dum, dumdadera! – – – Antworte mir Stricksal!
Donnerschlag. Casperl fällt und steht langsam wieder auf.
Das ist immer die nehmliche G'schicht: wann ich an das Schicksal eine Frag thu, nachher thut's einen rechten Pumpser und ich fall auf meine Gesäßmuskeln. Ich glaub', es ist aber nur eine boshafte Theatermaschinerie, damit's Publicus mich wieder auslachen kann. Das kann und darf nicht so fortgeh'n, sonst beschwer' ich einmal mich bei den Kammern. – O, Himmel, jetzt kommt die junge Frau: Sie ist schön und jung, aber sie scheint mir nicht glücklich. (Zieht sich in den Hintergrund zurück.)
Jolinde tritt erschöpft und ermattet ohne Casperl zu bemerken ein.
Jolinde. Weh mir! wie elend bin ich, wie unglücklich! – Ich, die Königstochter, bin nun eine armselige Magd! – Indem ich erreicht, was ich verlangt, bin ich zu Grunde gerichtet! Die Freiheit hab' ich gewollt und in meinem Hochmuth, dem Stolze zu genügen, wurde ich in das Gegentheil versetzt durch bittere Täuschung. Daß ich mich den Verhältnissen fügen sollte, dies wollte ich nicht ertragen, vergessend, daß das Gold der Fürstenkronen auch eine Last ist. Daß man mir als Königstochter huldigte, dies war mir ganz genehm, daß aber mit dieser Stellung auch Pflichten verbunden sind, die ich zu erfüllen gehabt hätte, dieß war mir unlieb und unerträglich. Wie verblendet war ich doch! Und mein armer Vater, der nur das Beste für mich wollte, mein armer Vater! Wie undankbar habe ich mich gegen ihn benommen! O könnte ich zu ihm, um ihn auf den Knieen um Verzeihung zu bitten! (Sinkt weinend nieder). Allmälig nähert Casperl und stellt sich, sie betrachtend, vor sie hin.)
Casperl (Mitleidsvoll). O Sie schöne gnädige Frau! Gute Gebieterin! Was dauern Sie mich!
Jolinde (überrascht). Wie? du bist da, Casperl?
Casperl. Ja, ich bin da. Wenn ich Ihnen nur helfen könnt'! Sie scheinen mir nicht glücklich zu sein! Aber es ist ja nicht anders möglich. So schön, so sein – und Zimmer putzen, Wasser tragen. Körb' flechten – das paßt ja doch nicht für ein so feines Frauenzimmer!!
Jolinde. Ich sollte mich freilich nicht beklagen, denn es ist meine eigene Schuld, daß ich in diesen Zustand gerathen bin.
Casperl. Mir geht's zwar auch so – aber ohne mein Verlangen. Glauben Sie denn, daß so was angenehm ist, aus einem allgemein geachteten Staatsbürger plötzlich in eine Art Hausknecht verwandelt zu sein. (Fängt zu weinen an.) Weiß der Teixel, wer mir das angethan hat? –
Jolinde. Ach! vielleicht die unsichtbare Macht, die Zaubergewalt, welche auch mich befangen hält.
Casperl (erhaben). Ha! und sollte keine Möglichkeit sein, sich dieser Malice zu entroißen! – Ha! Es gibt doch allerhand Sympathiemittel gegen's Zahnweh und dergleichen! Daran ist wohl nicht zu zweifeln, daß die Waldtrud eine Hex' sein muß und deren Sohn mit Respect zu melden Ihr Herr Gemahl eine Art Wildling; denn außer seiner schönen Tenorstimm' ist ja gar Nichts an ihm. Gerad' so, wie's bisweilen bei den Theatersängern der Fall ist.
Jolinde. O schweige. Mag es wie immer sein! Eben diese Stimme hat ja das Bezaubernde.
Casperl. Nun aber da soll er sich auch wie ein gebildeter Mensch Haar und Bart abschneiden und nicht wie ein Waldteufel herumlaufen, daß er zum fürchten ausschaut. Man könnt 'n ja in jeder Menagerie seh'n lassen. Ich hab ja z. B. noch kein g'scheit's Wörtl von ihm g'hört. Die Frau Schwiegermaman die red't doch bisweilen Was; aber freilich nichts Angenehm's. Mich brummt's 'n ganzen Tag aus.
Man hört in der Ferne den Klang von Jagdhörnern.
Jolinde. Himmel! Was hör' ich? Diese Klänge sind mir bekannt! Das sind meines Vaters Jagdhörner!
Casperl. Wie wär' das möglich? In dem Wald ist's immer stumm und todt. Nur die Vögel zwitschern oder kräh'n.
Jolinde. Mein Gott! – Vielleicht meines Vaters Gefolge! O Casperl, ich weiß, daß du mir ergeben bist; könnte ich mit dir hinaus und den lieben Klängen nacheilen! – –
Casperl. Ja, da hat's den Hacken, daß die unsichtbare Zaubergewalt uns bannt. Aber ich probir's doch. (Geht ab.)
Hinter der Scene: Turdus' Gesang zur Laute. Jolinde, welche dem Casperl folgen wollte, bleibt dem Gesange lauschend an der Thüre stehen.
Turdus' Gesang hinter der Scene.
Es ruft der Hörner Schall,
Du hörst den tiefen Hall;
Jolinde willst Du flieh'n
Und von dem Sänger zieh'n?
O geh' nicht fort, o geh' nicht fort,
Und bleibe in der Vöglein Hort,
Im Grün der Linde,
Jolinde, Jolinde!
Die hintere Gardine öffnet sich. Turdus sitzt in grün schimmernd erleuchtetem Waldgrunde. Jolinde schreitet auf ihn zu und sinkt vor ihm zu Boden. Die Rückwand schließt sich wieder. Waltrudis tritt ein.
Waltrudis.
In wunderbaren Kreisen spinnt das Leben
Die Fäden des Geschickes und des Zaubers.
Geheime Macht webt sie zum mag'schen Netze,
In dem des Menschen Wille liegt gefangen.
Was Tag um Tag sich fügt, ist Folge nur
Und Frucht des ersten unsichtbaren Keimes;
Der Knoten, der als Räthsel sich geschlungen,
Wird einmal seiner Wirren Lösung finden;
Wenn Stolz und Eigenwille sich gewandelt
In Demuth, und des Herzens Gluth sich regt.
Die Vöglein sagen sich's in stillen Weisen:
Grasmücken, Amseln und die bunten Meisen,
Rothkelchen, Staaren, Lerchen, Nachtigallen –
Im Chore lassen bald sie es erschallen,
Sind sie in Schaaren fröhlich aufgeflogen:
»Der Drosselbart ist in sein Schloß gezogen!«
Ja so wird es sein. Hat der Waldsänger seine Sendung erfüllt und Jolinde sich gedemüthigt, da werden des Waldes Bewohner aufjubeln, in seiner wahren Gestalt wird König Drosselbart in das Schloß einziehen mit seiner Königin und aller Zauber wird geschwunden sein. Ich kehre dann zurück in das Fee'nreich, meine Heimath. (Ab.)
Das Innere eines Waldes. Felsiger Hintergrund.
Hörnerklang. Rückwärts, von Hunden gejagt, ein vorüberfliehender weißer Hirsch. Jäger zu Pferde folgen ihm. Königg Silberhaar, vom Majordomus geführt.
König. Ich bin müde. Hier will ich rasten. Laßt die Rosse grasen.
Majordomus. Die Sonne ist auch schon hoch am Himmel. Der edle weiße'Hirsch hat uns tief in den Wald gelockt.
König. Wie oft habe ich doch in diesen Wäldern gejagt, aber dieses Revier ist mir ganz fremd. Ist Dir's nicht eben so?
Majordomus. In der That, Majestät. Ich meine, dies seien ganz andere Bäume und Strauch wie Busch von seltsamster Art.
König. Aber auch dies zerstreut mich nicht. Mein Herzensjammer schwindet nicht. Ich muß immer meiner armen Jolinde gedenken. Mein Gott! vielleicht lebt sie nicht mehr! Ich möchte vor Schmerz vergehen! (Setzt sich auf einen Felsblock und weint).
Majordomus. Mein König! Könnte ich Euch doch trösten! Wie oft habe ich schon gehört und in alten Liedern wird es gesungen, daß ein weißer Hirsch ein gutes Lebenszeichen sei und daß der, welchem sich das wunderbare Thier im Walde zeige, ein besonderes Glück zu erwarten habe.
König. Du meinst es recht gut mit mir, lieber Majordomus; allein derlei, wie die Mittheiluug vom weißen Hirsch, sind nur alte Mährchen oder Sagen der Dichter und Sänger; poetische Bilder, wie so viele andere, die nicht in der Wirklichkeit ihren Grund haben.
Majordomus. Nicht Alles, was Dichter und Sänger künden, ist zu verwerfen und wenn es auch nur zur Herzenserquickung der Menschen vorhanden wäre. Wie viele Blumen blühen, deren Nutz und Frommen nicht gekannt ist! Aber ihre Farbenpracht, ihr Duft erfreut und erquickt uns.
König. Wie gerne möchte ich freudig hoffen! Diese Nacht auch hatte ich einen Traum, in welchem ich Jolinde wieder sah. Sie erschien mir mit Blumen geschmückt, in einer herrlichen, zauberhaften Gegend und lächelte mir lieblich entgegen.
Majordomus. Möge der Traum das Vorbild der Wirklichkeit sein. Doch was kömmt daher? Die Jägerknechte bringen eine absonderliche Beute!
Casperl wird von Jägern hereingeschleppt.
Casperl. Oha! meine Herren! Ich bin kein wildes Thier. Laßt mich aus!
Ein Jäger. Herr Majordomus! Das Wild da haben wir aufgefangen.
Majordomus. Ein curioser Vogel das!
Jäger. Aber gutmüthiger Art, wie es scheint.
König. Was gibt's da? Das Thier spricht ja.
Casperl. Ja freilich. Ich spreche wie ein anderer Mensch und hab' auch Hunger und Durst.
König. Du sollst Futter bekommen; aber zuerst sprich: wo du herkömmst und wer du bist?
Casperl (mit einer Referenz). Gehorsamster Diener! Ich komm' glaub' ich daher, wohin Ihr möchtet und bin derjenige, welcher – –
König. Daher kömmst Du, wohin wir möchten?! Erkläre Dich, bunter Vogel mit menschlicher Zunge!
Casperl. Ich komm' geraden Wegs her von der schönen Prinzessin Jolinde.
König. Mein Gott und Herr!
Majordomus. Was sagst Du da, Wundervogel auf Menschenbeinen? Lügst Du?
Jäger. Willst Du gestäupt sein?
Casperl. Nein, ich danke schönstens. Im Wald da staubt's gar nicht. Wahr ist's; ich komm wie gesagt gerad von der Prinzessin Jolinde her.
König (fällt in des Majordomus Arme). Wo ist meine Tochter? meine arme Tochter?
Eine Schaar der verschiedensten Vögel schwärmt herein und wieder hinaus.
Gesang hinter der Scene von Frauenstimmen.
Jolinde (stürzt herein, sinkt vor dem König auf die Kniee). Mein Vater! mein guter Vater! Hier lieg' ich vor Euch. Verzeiht der stolzen Jolinde! Sie hat gebüßt!
König (sinkt in ihre Arme). Meine Jolinde! Meine geliebte Tochter!!
Donner. Die Felsenrückwand verwandelt sich in das Schloß des Königs Drosselbart, welcher in schöner, jugendlicher Gestalt im Königsschmucke, umgeben von Genien und Gefolge, hervortritt und spricht
Jolinde! ja, Du hast gebüßt,
Gebüßet und gesiegt, nun sei versüßt
Dein Leben nur; denn sieh' mit Dir gepaart,
Ist ja des Waldes Sänger Drosselbart.
Nun bist du Königin im Sängerhain
Mit güldener Krone an der Seite mein!
Komm' in mein Schloß und folge mir,
Du meines Lebens schönste Zier!
Unter festlicher Musik und indem die Vögel auf- und niederflattern, fällt der Vorhang.
Ende.