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Josabeth. Salomith. Der Chor.
Josabeth. Genug, laßt die Gesänge ruhn, ihr Mädchen.
Denn Zeit ist's, Theil zu nehmen am Gebet
Des Volks. Auf, rüstet euch! die Stunde drängt:
Laßt festlich uns den großen Tag begehn
Und vor des Höchsten Angesicht erscheinen!
Zacharias. Josabeth. Salomith. Der Chor.
Josabeth. Was seh' ich! Du, mein Sohn? Was führt dich her?
Warum so schreckensbleich und athemlos?
Zacharias. O Mutter!
Josabeth. Gott, was giebt's?
Zacharias. Entweihet ist
Der Tempel.
Josabeth. Wie?
Zacharias. Des Herrn Altar verödet. 256
Josabeth. Ich zittre. Eile, gieb mir's schleunig kund!
Zacharias. Mein Vater hatte dem Gesetz gemäß
Dem Gott, der allen Menschen Nahrung giebt,
Der neuen Ernte erstes Brod geopfert
Und brachte ihm mit blutbespritzten Händen
Der Friedensopfer rauchend Eingeweide.
Eliazim, welcher ihm zur Seite stand
Im langen, linnenen Gewand, versah
Mit mir den Dienst, dieweil Altar und Volk
Die Priester mit der Opferthiere Blut
Bespritzten: da mit einem Mal ertönt
Verworrner Lärm und Aller Augen wenden
Sich nach dem Ort, woher er kommt. Ein Weib –
Kann man sie ohne Lästrung nennen? –
Ein Weib, Athalia war es selbst.
Josabeth. O Gott!
Zacharias. Im Vorhof, der nur Männern offen steht,
Erscheint die Freche mit erhobner Stirn;
Sie will der Halle Schwelle schon betreten,
Die der Levit allein betreten darf.
Nach allen Seiten flieht erschreckt das Volk,
Mein Vater – wie erglüht sein Blick vor Zorn!
Dem Pharao schien Moses kaum so furchtbar, –
Sprach: Königin, entferne dich von hier,
Von diesem ernsterhabnen Ort, von dem
Dich dein Geschlecht und dein gottloser Sinn
Verbannt! Bist du hierher gekommen, um
Der Hoheit des lebend'gen Gott's zu trotzen?
Da blickt mit wildem Aug' die Königin
Ihn an und öffnet, wohl zum Lästern, schon
Den Mund. – Ich weiß nicht, ob des Höchsten Engel
Sich ihr enthüllte und sein Flammenschwert
257
Ihr zeigte, aber plötzlich war die Zung'
Im Mund erstarrt und ihre Kühnheit war
Nun ganz dahin; ihr Auge, wie gebannt,
Sah starr auf Eliazim hin, der mehr
Als alles Andre sie in Staunen setzte.
Josabeth. Eliazim? Er ist ihrem Aug' erschienen?
Zacharias. Wir Beide sahn die graus'ge Fürstin an,
Und gleicher Schreck erfüllte unser Herz,
Doch bald umringte uns die Priesterschaar
Und sandt' uns fort. Was drauf geschehen ist,
Ich weiß es nicht. Ich eilt' hierher, um dir
Das traurige Verwirrniß zu erzählen.
Josabeth. Weh'! Sonder Zweifel will sie unsrem Arm
Das Kind entreißen, sucht in ihrer Wuth
Es selber am Altar, – vielleicht ist er,
Der Gegenstand so vieler Thränen, schon . . . .
O Gott, der meine Qualen sieht, gedenke
Des David!
Salomith. Wer denn ist's, um den du weinst?
Zacharias. Eliazims Leben, wär's durch sie bedroht?
Salomith. Hätt' er der Kön'gin Zorn auf sich gelenkt?
Zacharias. Was fürchtet man von einem Kinde denn,
Das ohne Schutz und ohne Vater ist?
Josabeth. Sie kommt. Ach, laß uns ihren Anblick fliehn! 258
Athalia. Agar. Abner. Athaliens Gefolge.
Agar. Gebieterin, warum verweilst du hier,
Wo Alles dich erbittert und verletzt?
Den Tempel laß den Priestern, die drin wohnen,
Entflieh' dem Lärm und suche im Palast
Die Ruhe für die aufgeregten Sinne.
Athalia. Ich kann's nicht. Nein, du siehst es ja, wie schwach
Und wie verwirrt ich bin. Geh', rufe eilig
Den Mathan mir herbei. Wie wär' ich glücklich,
Fänd' ich den Frieden, den ich such' und der
Mich immer flieht, mit seiner Hülse wieder!
(Sie setzt sich.)
Athalia. Abner. Athaliens Gefolge.
Abner. Verzeih', wenn ich ihn zu vertheid'gen wage,
Des Joad Eifer darf dich nicht verwundern.
Der Gott, den wir verehren, gab uns selbst
Dies unumstößliche Gesetz. Er hat
Den Tempel und Altar für uns bezeichnet,
Die Opfer übertrug er ganz allein
Den Kindern Aarons, den Leviten wies
Wie ihren Platz auch ihre Pflicht er an.
Vor Allem streng verbot er ihren Kindern
Gemeinschaft mit jedwedem andern Gott.
Du, Gattin, Mutter unsrer Könige,
Bist du bei uns so fremd darin? Sind dir,
O Fürstin, die Gesetze unbekannt?
Muß heut . . . . doch Mathan kommt, ich lasse dich.
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Athalia. Nein, deiner Gegenwart bedarf es hier.
Was schiert mich Joads trotz'ger Uebermuth
Und all der eitle Prunk des Aberglaubens,
Der andren Völkern euren Tempel schließt?
Viel wicht'ger ist, was mir den Geist beschäftigt.
Ich weiß, daß Abner seit der Kindheit Tagen
Im Feld und unter Waffen groß geworden,
Daß bieder sein Gemüth, und er die Pflichten
Für Gott und König treu erfüllt: drum bleibe.
Mathan. Athalia. Abner. Athaliens Gefolge.
Mathan. Ist dies, o große Königin, dein Platz?
Was quält dein Herz und was erschreckt dich so,
Was suchst du hier inmitten deiner Feinde?
Wagst du's zu nahn hier dem unheil'gen Tempel,
Hast du schon abgelegt den glüh'nden Haß?
Athalia. Leiht Beide mir ein aufmerksames Ohr!
Ich will hier des Vergangnen nicht gedenken,
Noch Rechenschaft euch geben ob des Bluts,
Das ich vergoß. Was ich gethan, das glaubte
Ich, Abner, thun zu müssen. Nimmermehr
Nehm' ich dies übermüth'ge Volk zum Richter,
Wie's sein Geschrei auch gegen mich erhebt;
Vom Himmel selber hab' ich dies mein Recht,
Und meine Macht, auf glänzende Erfolge
Gestützt, dehnt über zweier Meere Strand
Sich aus. Durch mich genießt Jerusalem
Des tiefsten Friedens; nicht mehr sieht der Jordan
Den schweifenden Araber und den stolzen
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Philister wie zu eurer Kön'ge Zeit
Sein Ufer ewig plündern und verheeren;
Der Syrer nennt mich Schwester, Königin,
Und selbst der stolze Jehu, der Verräther,
Der Unterdrücker meines Stammes, der
In seiner Wildheit mich sogar bekämpfte,
Er zittert vor mir in Samaria;
Durch mächt'ge Nachbarn, die ich gegen ihn
Zu hetzen wußte, überall bedrängt,
Läßt er mich hier im Land als Herrin walten.
Bis jetzt genoß ich ungestört die Frucht
Von meiner Klugheit; doch seit ein'ger Zeit
Belastet ein geheimes Bangen mir
Das Herz und stört die Ruhe meiner Tage.
Ein Traum, um den ich mich nicht kümmern sollte,
Hält meine Sorge immer nagend wach.
Ich suche überall ihr zu entfliehn,
Sie aber folgt stets meinen Tritten nach. –
Es war im Dunkel einer tiefen Nacht,
Da tauchte meiner Mutter Bild vor mir
Empor, gehüllt wie einst am Todestage
In prächt'gen Schmuck. Ihr Unglück hatte nicht
Den edlen Stolz gebeugt, sie trug sogar
Noch den entlehnten Glanz, womit sie sich
Das Angesicht zu schmücken pflegte, um
Des hohen Alters Spuren zu verwischen.
»Erzittre«, sprach sie, »meiner würd'ge Tochter!
Der Juden strenger Gott bezwingt auch dich.
Ach! wie beklag' ich dich, geliebtes Kind,
Daß du in seine Hände fällst.« Kaum war
Das grause Wort gesprochen, da schien plötzlich
Das Schattenbild sich über meinen Pfühl
Zu neigen; ich, sie zu umfassen, streckte
Die Arme aus, doch fand ich dort, o Gott!
Nichts als ein scheußliches Gemisch von Knochen
Und Fleisch, zerhackt und durch den Koth
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Geschleift, von blut'gen Fetzen und Gebeinen,
Um die der Hunde Meute gierig kämpfte.
Abner. O großer Gott!
Athalia. Bei diesem Schreckniß zeigte
Ein Knab' in strahlendem Gewand sich mir,
Wie man's bei der Hebräer Priestern sieht;
Sein Anblick weckte den erstarrten Geist,
Doch hatt' ich kaum mich von dem Schreck erholt
Und das bescheidne, holde Kind bewundert,
Da fühl' ich einen mörderischen Stahl,
Den in die Brust mir der Verräther tauchte.
Dir mag dies unbegreifliche Gemisch
So vieler Ding' ein Werk des Zufalls scheinen,
Ich habe selber, meiner Furcht mich schämend,
Es für ein Wahngebilde angesehn;
Doch zweimal kam im Traume die Erscheinung
Zurück, und zweimal sah ich jenes Kind,
Wie's Miene macht', das Herz mir zu durchbohren.
Von all dem Schrecken ganz erschöpft, lenkt' ich,
Indem ich Ruhe suchte am Altar,
Mein Flehn zum Baal, er möge mich bewahren,
Denn Angst vermag ja viel ob unsrem Geist. –
Ein dunkler Drang trieb mich in diesen Tempel,
Den Gott der Juden dacht' ich zu versöhnen;
Ich glaubt', es würde dieser Gott, wer er
Auch sei, durch Gaben sich besänft'gen lassen –
Du, Priester Baals, verzeih' mir diese Schwäche! –
Ich tret' hinein, das Volk entflieht, man stellt
Die Opfer ein, und wüthend tritt zu mir
Der Hohepriester. Als der zu mir spricht,
O staunenswerthes Wunder, seh' ich wieder
Denselben Knaben mich bedrohn, wie er
Im Traume dort sich meinem Geist gezeigt:
Dieselbe Miene war's, dasselbe Kleid,
262
Der Blick, der Gang, die Züge ganz dieselben.
Er war's, und neben ihm der Hohepriester;
Doch meinem Blick entzog man ihn sogleich.
Das ist es, was mit Sorge mich erfüllt'
Und hierher trieb, warum ich euch befrage.
Was, meint ihr, kündet dies unglaubliche
Ereigniß? Mathan, sprich dich drüber aus.
Mathan. Der Traum und die Erzählung, Alles scheint
Mir unheilvoll.
Athalia. Sahst du nicht auch, o Abner,
Dies Unglückskind? Wer ist's, aus welchem Blut
Und Stamm?
Abner. Zwei Knaben dienten am Altare,
Der ein' ist Joads Sohn und Josabeths,
Der andere mir unbekannt.
Mathan. Weshalb
Noch, Fürstin, lange überlegen? Beider
Muß man sich vergewissern. Dir ist ja
Bekannt, wie ich auf Joad Rücksicht nehme,
Und die Beleid'gung nicht zu rächen suche,
Wie Billigkeit mein Thun allein bestimmt.
Doch glaubst du, daß er selbst, und wär's sein Sohn,
Die Schuldigen nur einen Augenblick
Am Leben ließe?
Abner. Doch was kann ein Kind
Verbrochen haben?
Mathan. Hat der Himmel nicht
Ihn uns gezeigt, mit einem Dolch bewehrt?
Der Himmel, so gerecht wie weise, thut
Nichts ohne Zweck, was willst du denn noch mehr?
263
Abner. Wie, soll man denn auf einen bloßen Traum hin
Mit eines Kindes Blut die Hand beflecken?
Weißt du doch nicht einmal, von welchem Vater
Er stammt.
Mathan. Man fürchtet ihn, und das genügt.
Erlauchten Eltern dankt er sein Entstehn,
Und so muß seiner Abkunft Glanz bei ihm
Den Untergang beschleunigen; doch wenn
Er in der Niedrigkeit geboren wäre,
Was läge dran, wenn sein gemeines Blut
Vergossen würde? Darf die Königsmacht
Auf Richtersprüche warten? Oft beruht
Bei ihr die Sicherheit auf schneller Strafe;
Durch kein Bedenken dürfen wir sie hemmen,
Denn wer verdächtig, ist nicht schuldlos mehr.
Abner. Wie, Mathan, ist das eines Priesters Sprache –
Ich, groß geworden unter'm Schlachtengreu'l,
Ein strenger Diener königlicher Rache,
Ich bin's, der hier sein Wort der Unschuld leiht, –
Und du, des Friedens Priester in der Zeit
Des Zorns, der väterlich sich des Bedrängten
Erbarmen sollte, du hüllst in den Schein
Des frommen Eifers deine Rachbegier,
Dir fließt der Unschuld Blut nicht schnell genug!
Du, Fürstin, wünschest, daß ich offen rede:
Worauf beruht denn deine Angst und Furcht?
Ein Traum, ein schwaches Kind, das du vielleicht
Befangnen Auges zu erkennen meinst!
Athalia. Nun wohl, es sei, ich habe mich geirrt.
Vielleicht war's nur ein nicht'ger Traum, der mir
Den Sinn befing, so will ich denn noch Einmal
Den Knaben sehn und mir sein Angesicht
264
Beschaun in beßrer Muße, Beide sollen
Vor mir erscheinen.
Abner. Doch ich fürchte . . . .
Athalia. Wie,
Sollt's etwa gar an Eifer für mich fehlen?
Wo wär' ein Grund, mir solches zu verweigern?
Das könnte mir Verdacht erregen. Gleich
Soll Joad oder Josabeth sie her
Mir führen. Wenn ich wollte, könnt' ich leicht
Als Kön'gin reden. Eure Priester, Abner,
Daß ich es dir gestehe, haben Grund,
Ob meiner Langmuth sich zu freun, denn sieh,
Ich weiß es nur zu gut, mit welcher Frechheit
Sie sich in Reden über mich ergehn
Und selbst sich gegen meine Macht empören!
Sie leben noch, noch steht ihr Tempel da,
Doch meine Langmuth ist zu Ende bald.
Drum mäß'ge Joad seine Leidenschaft,
Und wage nicht zum zweiten Male durch
Beleidigungen mich zu reizen. Geh'!
Athalia. Mathan. Athaliens Gefolge.
Mathan. Nun kann ich endlich offen reden, kann
Die ganze, volle Wahrheit dir enthüllen!
O Königin, in diesem Tempel taucht
Ein Ungeheuer drohend dir empor;
Drum harr' nicht, bis die Wolke sich entlade.
Denn Abner war schon vor Beginn des Tages
Beim Hohenpriester. Seine große Liebe
Für seiner Kön'ge Blut ist dir bekannt:
265
Wer weiß, ob Joad nicht an ihre Stelle
Das Kind zu setzen denkt, mit dem der Himmel
Dir droht, sei's nun sein eignes oder sei
Es eines Andern Kind.
Athalia. Ja, ja, du öffnest
Die Augen mir, des Himmels Warnung wird
Mir klar, des Zweifels will ich ledig sein.
Ein Kind ist nicht geschickt, sich zu verstellen,
Ein einzig Wort enthüllt oft große Pläne.
Laß, theurer Mathan, mich ihn sehn und ihn
Erforschen. Geh' und ohne Aufsehn bringe
An meine Tyrier den Befehl, daß sie
Sich rüsten und bereit zum Angriff seien.
Joas. Josabeth. Athalia. Zacharias. Abner. Salomith. Zwei Leviten. Der Chor. Athaliens Gefolge.
Josabeth. Ihr Diener Gottes, habt ein sorgsam Auge
Auf diese theuren Kinder!
Abner. Fürstin, sorge
Nur nicht, ich nehme sie in meine Hut.
Athalia. O Gott! Je mehr ich ihn betracht' und forsche, –
Gewiß, er ist's. Noch sind die Sinne mir
Vom Schreck betäubt. Hör', Joads Gattin, sprich,
(auf Joas zeigend)
Ist Jener dort dein Sohn?
Josabeth. Wen meinst du, Fürstin?
Athalia. Den da! 266
Josabeth. Ich bin nicht seine Mutter; dieser,
Das ist mein Sohn!
Athalia
(zu Joas). Und du, wer ist dein Vater?
Antworte, Kind.
Josabeth. Der Himmel hat bis heute . . . .
Athalia
(sie unterbrechend).
Warum denn redest du so schnell statt seiner?
Laß ihn doch selber sagen, was er weiß.
Josabeth. Wie kann ein Knabe von so zartem Alter
Dir Auskunft geben?
Athalia. Unschuldsvoll ist noch
Dies Alter, seine Unbefangenheit
Wird nicht die Wahrheit zu entstellen suchen.
So laß ihn das, was ihn betrifft, erzählen.
Josabeth
(leise bei Seite).
Leg' deine Weisheit, großer Gott, ihm in
Den Mund!
Athalia. So sprich, mein Kind, wie nennst du dich?
Joas. Ich heiße Eliazim.
Athalia. Wer dein Vater?
Joas. Ich bin, wie man mir sagte, eine Waise,
Seit der Geburt in Gottes Arm gelegt,
Und habe meine Eltern nie gekannt.
Athalia. So bist du elternlos? 267
Joas. Ich bin verlassen.
Athalia. Erzähle: wie geschah das, und seit wann?
Joas. Seit ich geboren war.
Athalia. So weiß man doch,
Aus welchem Land du bist?
Joas. Der Tempel hier
Ist meine Heimat, anders kenn' ich keine.
Athalia. Was sagt man, wo bist du gefunden worden?
Joas. Bei Wölfen, die bereit, mich zu zerreißen.
Athalia. Wer hat in diesen Tempel dich gebracht?
Joas. Ein unbekanntes Weib, das sich nicht nannte
Und bald auf immerdar verschwand.
Athalia. Wer sorgte in der ersten Zeit für dich?
Joas. Ließ je der Herr die Seinen in der Noth?
Er giebt den jungen Vögeln ihre Speise,
Und rings die Welt erfreut sich seiner Güte.
Ich bete jeden Tag zu ihm, und er
Ernährt mich mit den Gaben des Altars.
Athalia. Was ist's, das mich so wunderbar ergreift?
Der Stimme Laut, die holde Kindlichkeit
Besänft'gen unwillkürlich meinen Haß;
Des Mitleids, glaub' ich, bin ich fast schon fähig.
Abner. Ist das der Feind, den du gefürchtet hast?
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Nun zeigt sich, Fürstin, deiner Träume Trug,
Es müßte denn das Mitleid, welches dich
Zu rühren scheint, nichts Andres als der Streich
Des Todes sein, der dich im Traum erschreckte.
Athalia Ihr geht?
Josabeth. Du hast sein Schicksal jetzt vernommen,
Durch längres Weilen könnt' er lästig werden.
Athalia. Nein, bleibet noch. (Zu Joas) Was ist dein Tagewerk?
Joas. Ich bete zu dem Höchsten, und man legt
Mir sein Gesetz aus, täglich lehrt man mich
Im heil'gen Buche lesen, schon beginn' ich,
Mit eigner Hand es aufzuschreiben.
Athalia. Was
Lernst du aus dem Gesetz?
Joas. Daß Gott verlangt,
Man soll' ihn lieben, und, sei's früh, sei's spät,
Die Lästrer seines heil'gen Namens straft;
Daß er ein Hort der Waisen ist, den Hochmuth
Der Stolzen niederschlägt und Mörder züchtigt.
Athalia. Schon gut; doch sprich, womit beschäftigt sich
Das Volk im Tempel hier?
Joas. Es lobpreist Gott.
Athalia. Verlangt er, daß man jede Stunde sich
Zu ihm mit Beten und Betrachtung wende?
Joas. Unheil'ges ist verbannt aus seinem Tempel. 269
Athalia. Worin bestehn denn deine Freuden? sprich.
Joas. Manchmal reich' ich den Weihrauch und das Salz
Dem Hohenpriester am Altar, ich höre
In Psalmen Gottes ew'ge Größe feiern
Und staune ob der Feste heil'ger Pracht.
Athalia. Und das ist all dein Zeitvertreib? O wie
Beklag' ich solch ein Kind wie du!
Komm mit in meine Königsburg und sieh
Dort meine Herrlichkeit dir an!
Joas. Vielleicht
Vergäß' ich dort, an Gott zu denken.
Athalia. Nein,
Ihn zu vergessen werd' ich dich nicht zwingen.
Joas. Du aber betest nicht zu ihm.
Athalia. Du magst
Es thun.
Joas. Dort aber müßt' ich sehn, wie man
Zu andren Göttern betet.
Athalia. Ich verehre
Den meinen, du magst deinem dienen, – groß
Und mächtig sind sie alle Beide.
Joas. Kön'gin,
Den meinen nur allein darf man verehren,
Der deinige ist Nichts.
Athalia. Komm nur, du sollst
Bei mir gar mancherlei Vergnügen finden.
270
Joas. Der Bösen Lust verrinnt wie Flut der Bäche.
Athalia. Wer sind die Bösen?
Josabeth. Königin, verzeih',
Ein Kind . . . .
Athalia. Es ist mir lieb zu sehn, wie ihr
Ihn unterrichtet. Du, Eliazim, hast
Mir wohlgefallen; ganz gewiß, du bist
Ein ungewöhnlich Kind! Du siehst, ich bin
Die Königin und habe keine Erben, –
Leg' die gemeinen Kleider ab, verlaß
Den niedren Dienst, du sollst an meinem Reichthum
Theil haben! Komm, versuch' es nur mit mir.
Beim Mahl und sonst mir stets zur Seite wird
Man dich behandeln wie mein eignes Kind.
Joas. Wie deinen eignen Sohn?
Athalia. Gewiß . . . du schweigst?
Joas. Welch einen Vater müßt' ich da verlassen
Für welche . . . .
Athalia. Nun, du stockst?
Joas. Für welche Mutter!
Athalia
(zu Josabeth).
Er hat ein gut Gedächtniß; überall
Erkenn' ich deinen Geist und den des Joad.
Also benutzt ihr eure Ruh', die ich
Euch ließ, den Geist der Jugend zu vergiften?
Ihr zieht mit Haß und Groll sie groß und nennt
Nur mit Verwünschung ihnen meinen Namen.
271
Josabeth. Kann man die Kunde unsrer Leiden denn
Verschweigen, die das ganze Weltall kennt,
Und deren du dich selbst zu rühmen pflegst?
Athalia. Ja, mein gerechter Haß – mit Stolz bekenn' ich's! –
Hat an den Enkeln meiner Eltern Blut
Gerächt. Ich sollte sehn, wie man den Vater,
Den Bruder würgt' und von des Schlosses Zinne
Die Mutter stürzt' und das an Einem Tage!
O welch ein Schauspiel, achtzig Königssöhne
Mit Einem Mal ermordet! Und wozu?
Um einiger Propheten Tod zu rächen,
Die sie um ihre Raserei gezüchtigt!
Ich sollte, eine Kön'gin ohne Herz
Und eine Tochter ohne Liebe, blind
Von falschem Mitgefühl beherrscht, Beleid'gung
Nicht mit Beleidigung, nicht Mord mit Mord
Vergelten? Davids Enkel nicht behandeln,
Wie man verfuhr mit Ahabs Unglückskindern?
Wo wär' ich, hätt' ich meine Schwäche nicht,
Nicht meine Mutterzärtlichkeit erstickt,
Nicht Ströme meines Bluts mit eigner Hand
Vergossen, und den Plan, den ihr gesponnen,
Mit dieser kühnen That durchkreuzt? So ist
Jedwedes Bündniß unsrer beiden Häuser
Unmöglich. Tief ist David mir verhaßt,
Und seine Enkel, ob auch meinem Blut
Entsprossen, werden immer fremd mir sein.
Josabeth. Bis jetzt gelang dir Alles, aber Gott
Mag zwischen uns entscheiden.
Athalia. Dieser Gott,
Der eure einz'ge Zuflucht ist? Was ward
Aus Allem, was er euch verheißen hat? –
272
So geb' er euch den oft versprochnen König,
Den Sprößling Davids, den so lang erhofften! –
Doch nun lebt wohl, wir sehen bald uns wieder;
Ich geh' befriedigt fort, denn was ich sehn
Gewollt, ich hab' es nun gesehn.
Abner
(zu Josabeth). Ich hielt,
Was ich versprach, und deinen Händen jetzt
Geb' ich das hohe, mir vertraute Pfand zurück.
Joad. Josabeth. Joas. Zacharias. Abner. Salomith. Leviten. Der Chor.
Josabeth
(zu Joas).
Hast du das Wort der stolzen Königin
Gehört?
Joad. Ja wohl, und deine Qual bedauert,
Und schon war ich bereit, mit den Leviten
Dir beizustehn, und wenn es galt, mit euch
Zu sterben.
(Zu Joas, den er umarmt.)
Gott behüte dich, mein Kind!
Dein edler Freimuth hat für ihn gezeugt.
Dir, Abner, dank' ich für den wicht'gen Dienst;
Erinnre dich der Stunde, wo dich Joad
Erwartet. Wir, die jenes frevelhafte,
Gottlose Weib im Beten störte, wollen
Von Neuem nun das Heiligthum betreten,
Und eines Opferlammes reines Blut
Wasch' ab den Marmor, den ihr Fuß befleckte.
273
Der Chor.
Eine der Jungfrauen.
Welch heller Stern erglänzt vor unsren Blicken!
Welch Loos ist diesem Kinde zugedacht!
Ihn rührt nicht Größe, rührt nicht Pracht,
Und seine Seele zu bestricken,
Gelinget keiner Lockung Macht.
Eine zweite Stimme.
Dieweil an den Altären
Athaliens man Opfer weiht,
Wagt er sich muthig zu erklären
Für ihn, den Gott der Ewigkeit.
Einst trat auch so mit festem Sinn
Vor Jesabel Elias hin.
Eine andre Stimme.
Wie wird das Dunkel uns erschlossen,
Bist du Prophetenblut entsprossen?
Eine andre Stimme.
So wuchs empor der holde Samuel,
Umschattet von dem Tabernakel,
Des Volkes Hoffnung und Orakel.
O kämst auch du, zu trösten Israel!
Eine andre Stimme.
Wohl muß ich dreimal selig preisen
Das Kind, das so der Ew'ge liebt,
Dem er schon früh sich zu erkennen giebt,
Und das er gnädig selbst will unterweisen.
Fern von der Welt, mit allen Gaben
Des Himmels ward er reich bedacht,
Und seine Unschuld, wenn sie nahten, haben
Die Bösen nie zu Fall gebracht.
Der ganze Chor.
O dreimal, dreimal glücklich preist
Das Kind, das Gott beschützt und unterweist!
274
Die nämliche Stimme
(allein).
So blüht, wo sanft ein Bach sich windet
Durch stiller Thäler blum'ge Flur,
Wo sie kein rauher Nordwind findet,
Die Lilie, der Liebling der Natur.
Fern von der Welt, mit allen Gaben
Des Himmels ward er reich bedacht,
Und seine Unschuld, wenn sie nahten, haben
Die Bösen nie zu Fall gebracht.
Der ganze Chor.
Dem Kinde werde Lob und Preis gebracht,
Das Gott der heil'gen Lehre folgsam macht.
Eine Stimme.
Mein Gott, wer unschuldsvoll geboren,
Wie wankt sein Tritt inmitten der Gefahr!
Wie stellen ihm, der dich zum Ziel erkoren.
Sich ringsum Hindernisse dar!
Wie suchen Feinde ihn zu schrecken!
Wohin soll fliehn der Heil'gen Schaar,
Da Sünder rings die Welt bedecken?
Eine andre Stimme.
O Wohnung Davids, o geliebte Stadt,
O heil'ger Berg, wo Gott gewandelt hat,
Auf dich lenkt Gottes Zorn sich hin!
Wie, theures Zion, muß es dich verletzen,
Siehst du die fremde Frevlerin
Auf deiner Kön'ge Thron sich setzen!
Der Chor.
Wie, theures Zion, muß es dich verletzen,
Siehst du die fremde Frevlerin
Auf deiner Kön'ge Thron sich setzen!
Dieselbe Stimme
(fährt fort).
Da, wo einst Davids Psalter klang,
Der Gott den Herrn und Vater sang
Begeistrungsvoll mit frommem Sinn,
275
Da mußt du, heil'ges Zion, jetzt ertragen,
Daß sie den Gott der Frevlerin
Zu deines Gottes Schmach zu feiern wagen!
Eine Stimme
(allein).
Wie lang, o Herr, wie lange wird es dauern,
Daß sich der Frevel gegen dich empört?
Der Hohn dringt bis in deines Tempels Mauern,
Und deine Frommen nennen sie bethört.
Wie lang, o Herr, wie lange wird es dauern,
Daß sich der Frevel gegen dich empört?
Eine andre Stimme.
Warum, so sagen sie, in Buße leben,
Wo Freud' und Lust die Welt euch schenkt?
Warum euch nicht der Lust ergeben,
Da euer Gott nicht an euch denkt?
Eine andre Stimme.
Auf, singt und lacht, so spricht der freche Chor,
Von Lust zu Lust im kurzen Leben!
Laßt uns auf Bienenflügeln schweben,
Der Jahre Flucht ist eilig wie der Wind.
Wir wollen heut uns dem Genuß ergeben,
Wer weiß, ob wir noch morgen sind!
Der ganze Chor.
Laß sie denn jammern, Gott, in Angst und Graun,
Die Unglücksel'gen werden niemals schaun
Den Glanz der ewig heil'gen Stadt.
Wir sind's, für welche sich die Klarheit
Des ew'gen Lichts entfaltet hat,
Wir singen deine Größ' und deine Wahrheit.
Eine Stimme
(allein).
All' jene Lust, die maßlos wilde,
Was ist sie als ein Traumgebilde,
Das, wenn, o Graun! der Tag beginnt,
In eitles Nichts zerrinnt!
276
Wenn deß der Arme sich im Frieden
Erfreut was deine Tafel ihm beschieden.
Wird ihre Lippe, o Entsetzen!
Die Schale voll von Graun benetzen,
Die du der schuldbeladnen Schaar
Am Tag der Rache bietest dar.
Der ganze Chor.
O Schrecken, wenn der Tag beginnt!
O Traum, der bald in Nichts zerrinnt!
O Irrthum voll Gefahr!
277