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1.

Tyll Eulenspiegels Geburt und Taufe.

 

Eulenspiegels Geburt und dreimalige Taufe.

Es war einst in einer niedersächsischen waldigen Gegend ein Dorf, welches Knetlingen genannt ward, daselbst wurde das seltsame Kind Eulenspiegel geboren. Sein Vater hiess Claus Eulenspiegel, und die Mutter Anna Weibekin. Als das Kind geboren war, schickten sie es nach Amtleben zur heiligen Taufe. (Bei Amtleben war sonst ein altes Schloss, welches auch so genannt wurde, das aber von den Magdeburgern und anderen Nachbarn als ein Raubnest im Kriege zerstört worden ist.) Bei dieser Taufe erhielt das Kind den Namen Tyll Eulenspiegel. Als nun die Taufhandlung verrichtet war, begab sich die Wehmutter mit den Taufzeugen in das Bierhaus, um nach damaligem Gebrauche, erst auf des Vaters, der Mutter und des Kindes Gesundheit und Wohlsein sich gütlich zu thun, damit sie es bei der gerade Statt findenden Hitze auf ihrem Wege nach Hause aushalten könnten. Hier hatte aber die Wehmutter, als auch die Gevattern etwas zu tief in das Glas geguckt, wie man zu sagen pflegt. Nun mussten diese ziemlich berauschten Leute auf einem schmalen Stege über einen etwas tiefen Bach gehen: Siehe, da war der Wehemutter der Kopf schwerer als der ganze Leib, und sie fiel mit dem jungen Weltbürger in's Wasser und besudelte sich mit Schlamm. Doch weil Unkraut nicht leicht verdirbt, so geschah auch diesem Kinde kein Leid. Hiervon sagten die Leute damals, dass Eulenspiegel als Kind dreimal getauft sei, erstens in der Kirche, zweitens im Wirthshause, und drittens im Bache. Dies war eine Vorbedeutung zu Tyll Eulenspiegels schalkhaften Lebensbegebenheiten.

 

2.

Eulenspiegel macht als Knabe schon solche ärgerliche Possen, dass viele Leute sich über ihn beklagen.

 

Eulensp. Schalkheit als kleiner Knabe.

Als nun Eulenspiegel emporwuchs, zeigte er mit seinen zunehmenden Jahren, was für ein Häkchen aus ihm werden wollte. Er tummelte sich mit andern Kindern häufig auf dem Grase herum, und je toller es dabei zuging, desto lieber war es dem losen Knaben. Es verging beinahe kein Tag, wo er nicht Schelmereien ausübte, und sein Vater wurde täglich mit Klagen über seinen bösen Knaben überhäuft. Der Vater strafte ihn auch deswegen mit Worten hart, allein diese liess er zu einem Ohre hinein und zum andern wieder heraus. Schon als er vier Jahre alt war, zeigte er, dass in ihm ein Sinn für Schelmstreiche wohnte. Sein Vater ritt einmal aus, und nahm ihn hinter sich aufs Pferd, gebot ihm aber, ja ruhig zu sitzen, damit keine Klage über ihn entstehe, sonst würde er ihm mit dem Stocke bestrafen. Eulenspiegel kehrte sich indessen wenig an die Drohung seines Vaters, sondern hob ganz behende, ohne dass sein Vater etwas davon merkte, das Hemd vom Hintern auf und liess die Leute in einen neuen Spiegel gucken. – Pfui! riefen die Leute, die das sahen, pfui du kleiner boshafter Schalk! was wird aus dir kleinem Buben noch für ein grosser Bösewicht werden! – Aber der Vater wusste nicht, was er zu dem Schelten der Leute sagen sollte, da sie sein Söhnchen einen schalkhaften Buben nannten. – Höre, lieber Vater, sprach der kleine Schalk, wie die Leute auf mich schelten, du siehst doch, dass ich stillschweigend hier hinter dir sitze, und Niemanden etwas Arges thue, und doch sprechen die Leute, ich sei ein böser Schalk. Der Vater besann sich nicht lange, sondern nahm seinen Sohn vor sich auf das Pferd; nun konnte Tyll, vor seinem Vater weiter nichts vornehmen, als er sperrte den Mund mit ausgestreckter Zunge Allen, die ihnen vorbeigingen, entgegen. Da sagten die Leute: Sehet doch welch ein junger Schalk das ist! – Der einfältige Vater konnte aber keine Schuld an ihm finden, sagte vielmehr: Du bist in einer unglücklichen Stunde geboren! und hatte ihn doch recht lieb. Claus Eulenspiegel zog endlich in das Magdeburgische in ein Dorf an der Saale, wo sein Weib gebürtig war, und starb bald nachher, und hinterliess sein Weib, und Kind in Armuth. Der junge Eulenspiegel, der damals 16 Jahr alt war, hatte noch kein Handwerk zu lernen angefangen, hingegen war er in Gaukeleien aller Art desto mehr geübt, weil es seine boshafte Seele am häufigsten und liebsten beschäftigte und ergötzte.

 

3.

Wie Eulenspiegel auf einem Seile gehen lernt und in die Saale stürzt.

 

Eulensp. lernt auf einem Seile gehen, und stürzt in die Saale.

Als Claus Eulenspiegel todt war, glaubte seine hinterlassene Wittwe Anna, nun ihren Sohn ein Handwerk lernen lassen zu müssen. Aber hier ging es, wie man zu sagen pflegt, wenn die Katze nicht zu Hause ist, so tanzen die Mäuse auf den Bänken. Tyll Eulenspiegel war froh, dass sein Vater todt war; denn nach seiner Mutter, als einem alten schwachen Weibe, hörte er nicht viel. Ein ordentliches Handwerk zu lernen, dazu hatte er keine Lust; wohl aber dachte er mit allem Fleiss darauf, wie er Meister in allen nur möglichen Possen, Thorheiten und Neckereien werden möge. Seine Mutter wohnte jetzt in einem Hause, dessen Hof nach der Saale hinging; hier, dachte sie, habe sie ihren Buben vor Augen, weil er hinten durchs Haus nicht entwischen konnte; denn sie war allen seinen Schelmereien äusserst feind und sehr bekümmert wegen ihres verdorbenen Kindes. Obgleich Eulenspiegel dieses wohl wusste, so dachte er dennoch darauf, wie er alle Tage etwas Neues von Schelmereien ausbrüten konnte. Eines Tages, als es die Mutter am wenigsten es dachte, ging er auf den Hausboden, nahm ein dickes und langes Seil, machte das ein Ende auf dem Boden fest, warf den andern Theil des Seiles hinunter, machte sich in einem kleinen Kahne über die Saale mit dem Seile nach einem dort stehenden Hause, und machte das Seil auch auf dessen Boden fest; dann spazierte er auf dem Seile über die Saale hin und her. Dieses noch nie gesehene Kunststück erfuhren bald alle Bewohner im Dorfe, und Alt und Jung eilte herbei, um dies neue wunderbare Schauspiel mit anzusehen. Indessen war seine Mutter nicht so wohl damit zufrieden, sondern nahm einen langen dicken Stock, ging auf den Boden an das Fenster, und begrüsste den Seiltänzer unerwartet und so lange, als sie ihn erreichen konnte. Als Tyll aber wieder mitten auf dem Seile war, schnitt seine Mutter das Seil auf ihrem Boden ab, und der Künstler fiel in die Saale. So wäre aus dem Spass beinahe ein Unglück geworden. Doch raffte sich Eulenspiegel im Wasser schnell auf, und kam unter grossem Gelächter der Zuschauer wieder aus seinem gefährlichen Bade heraus. Dass er aber von den Zuschauern tüchtig ausgelacht wurde, verdross ihn sehr, (denn jeder gönnte ihm den Lohn seiner Vorwitzigkeit;) er dachte aber darüber fleissig nach, wie er diesen den Spott wieder vergelte, da sein erstes Meisterstück so übel belohnt wurde.

 

4

Eulenspiegel schwatzt von 100 jungen Leuten die Schuhe ab, und macht, dass sie sich in den Haaren zausen.

Eulensp. schwatzt den Knaben die Schuhe ab, und macht dass sie sich zausen.

Kurz nach voriger Begebenheit wollte Eulenspiegel seine Verspottung wieder vergelten, als seine Mutter gerade über Land gegangen war; er nahm das Seil, zog es von einem andern Hause über die Saale, und machte bekannt, wie er jetzt besser auf dem Seile tanzen wolle. Die Menschen welche an Narrenspossen oft mehr Gefallen finden, als sich um etwas Nützliches zu bekümmern, fanden sich auch bald in grosser Menge ein. Jeder war nun begierig zu sehen, was er dieses Mal für Kunststücke machen würde. Nachdem Eulenspiegel mehrere Possen auf dem Seile gezeigt hatte, bat er sich von beinahe 100 Knaben die Schuhe aus, um, wie er sagte, ein besonderes Kunststück damit auszuführen. Die Knaben glaubten dem Windbeutel, zogen ihre Schuhe aus und gaben sie ihm; diese zog er alle auf eine Schnur und stieg wieder damit aufs Seil. Nun waren alle in grosser Erwartung, was er mit den Schuhen angeben würde. Als er eine Weile sein Spielwerk auf dem Seile damit gemacht hatte, schrien die Jungen nach ihren Schuhen, und er rief ihnen zu: Ein Jeder gebe Achtung auf seine Schuhe! Indem schnitt er die Schnur entzwei, und schleuderte die Schuhe auf dem Platze umher. Darüber kamen die Knaben in Streit, griffen sich bei den Haaren, und zauseten sich so lange, bis die Eltern dazu kamen und sie mit Schlägen von einander schieden. Diese Balgerei gefiel aber Eulenspiegel so wohl, dass er auf dem Seile sitzen blieb und so sehr lachte, dass ihm der Bauch schüttelte. So recht, rief er, suchet nun eure Schuhe auseinander. Habt ihr mich neulich wegen meines Bades ausgelacht, so lache ich euch nun wieder aus. Darüber wurden viele Zuschauer aufgebracht und wollten ihn ergreifen; aber er sprang schnell vom Seile, lief zu Haus und verbarg sich. Die Mutter aber erfuhr nichts von den Possen, die ihr Tyll täglich ausübte, sie freute sich vielmehr zu sehen, dass er zu arbeiten anfing; denn weil er sich vor den Jungen nicht auf der Strasse durfte sehen lassen, so half er seiner Mutter helmstädtische Pelzschuhe machen. Während dieses Hausarrests stellte er sich gegen seine Mutter recht folgsam, so dass sie gute Hoffnung fasste und dachte: Aus dem Taugenichts kann doch noch ein ordentlicher Mensch werden.

 

5

Die Mutter macht ihrem Sohne Tyll den Vorschlag, ein Handwerk zu lernen. Aus Noth betrügt er einen Bäcker um einen Sack mit Brod.

 

Eulensp. betrügt einen Bäcker um einen Sack Brod.

Als nun die Mutter über ihren Sohn eine innerliche Freude hatte, dass er so ordentlich würde, dachte sie, jetzt sei es Zeit, ihn nach mütterlicher Weise zu ermahnen, dass er nun ein Handwerk lernen müsse, damit er ihr einige Unterstützung in ihrem Alter verschaffen könne. Eulenspiegel gab darauf keine Antwort. Die Mutter liess aber nicht nach, ihn zur Erlernung eines Handwerks anzuhalten. Endlich sagte er: Liebe Mutter! wie man's treibt, so gehts; wozu sich einer begiebt, davon hat er sein Lebtage Brod. – Da sagte die Mutter: Das dünkt mich selber; ich habe nun wegen deiner Faulheit seit 4 Wochen kein Brod im Hause gehabt, und leide um deinetwillen in meinem Alter Mangel. Eulenspiegel sprach: Ein armer Mann, der nichts zu essen hat, fastet mit Clausen, denn wenn dieser etwas hat, isset er sich satt, wie am Martinsabend; also essen auch wir. – Nun, sagte die Mutter, so iss dich doch einmal satt! – Eulenspiegel sprach: Ja, jetzt habe ich nichts.

Da Eulenspiegel nun Hunger hatte und nichts zu essen, ging er traurig hinaus, und sprach zu sich selber: Ach, lieber Himmel! hilf, dass ich meinen und meiner Mutter Hunger stillen kann; wo werde ich aber Brod bekommen, dass wir nicht vor Hunger sterben? Von diesem Gedanken durchdrungen, nahm er einen Sack und ging aus dem Dorfe nach einem Städtchen, welches sich Strassfort nennt. Als er durch die Strassen ging, sah er einen Bäckerladen, wo schönes Brod stand. Er ging hinein, und fragte den Bäcker, ob er seinem Herrn nicht für 10 Groschen Brod schicken wolle, und nannte ihm die Herberge, wo er wäre; aber er, der Bäcker, solle einen Knaben mitschicken, der das Geld in Empfang nehme. Der Bäcker willigte ein. Eulenspiegel liess sich das Brod in seinen Sack zählen, worin er aber ein verborgenes Loch hatte. Nun schickte der Bäcker seinen Jungen mit, das Geld dafür in Empfang zu nehmen. Als nun Eulenspiegel um die Strassenecke war, liess er ein Brod aus dem verborgenen Loche in den Koth fallen; ach, sagte er zu den Bäckerjungen, das Brod darf ich meinem Herrn nicht bringen, gehe hin und hole mir ein anderes, ich will so lange hier warten, und setzte den Sack an die Erde. Unterdessen der Junge zurück ging, nahm Eulenspiegel seinen Brodsack, lief damit aus dem Thore, und ging in ein Wirthshaus vor der Stadt, wo ein Fuhrmann aus seinem Dorfe war, dem warf er den Sack auf den Karren und fuhr davon. Als der Bäckerjunge mit einem reinen Brode wiederkam, war Eulenspiegel fort. Da lief er nach Hause und sagte solches seinem Meister; dieser ging in das Wirthshaus, wovon ihm Eulenspiegel gesagt hatte, fand aber Niemand und sah also ein, dass er betrogen war. Eulenspiegel kam indessen vergnügt nach Hause, brachte seiner Mutter das Brod und sprach: Nimm hin und iss, weil du was hast, und faste, wenn du nichts hast.

 

6.

Eulenspiegel muss das Weck- und Semmelbrod, jetzt Wurstsuppe genannt, mit andern Kindern übermässig essen.

 

In dem Dorfe, wo Eulenspiegel wohnte, war die sonderbare Gewohnheit, dass, wenn ein Hauswirth schlachtete, derselbe alle Nachbarkinder zu einer Wurstsuppe bitten musste. Nun schlachtete gerade ein Maurer, der ein geiziger Mann war, und doch das Semmelbrod nicht versagen durfte; deshalb dachte er darauf, wie er den Kindern diese Schmauserei müde machen wollte. Er machte also des Essens weit mehr, als die gebetenen Gäste verzehren konnten. Als nun Eulenspiegel mit andern Knaben und Mädchen in dem Hause waren, schloss der geizige Wirth die Thüre zu und ging mit seinen Gästen zu Tische. Nun sollten die Kinder so viel essen, als sie nicht im Stande waren, und bald hörte das eine, bald das andere Kind mit essen auf. Da nahm der Maurer eine Ruthe, und sobald ein Kind satt war und aufhören wollte, so schlug er es so lange, bis es gern wieder anfing zu essen; aber bei jedem Hiebe, den ein anderes Kind empfing, bekam Eulenspiegel auch einen, so dass er es nicht mehr aushalten konnte. Dies that der Mann dem jungen Eulenspiegel für seine vielen Schelmenstücke. So wurden die Kinder und Eulenspiegel gezwungen, mehr zu essen, als sie vertragen konnten. Dies bekam ihnen allen sehr übel. Hierdurch schaffte dieser geizige Mann die Wurstsuppe in seinem Hause ab; denn es wollte kein Kind wieder hingehen. Aber Eulenspiegel schrieb sich die Schläge hinter das Ohr.

 

7.

Eulenspiegel hängt dem geizigen Maurer die Hühner mit Faden zusammen.

 

Am andern Tage, als der Mann, der den Kindern das übermässige Traktement gegeben hatte, ausging, begegnete ihm Eulenspiegel, zu dem sprach er: Wann willst du wieder bei mir das Weckbrod essen? – Wenn sich die Hühner um die Wette zausen, und zwar alle um einen Bissen Brod. – Das war dem Maurer ein Räthsel, und er sprach zu Eulenspiegel: Du wirst also sobald nicht wieder kommen! – Nach einiger Zeit, als der Maurer nicht mehr daran dachte, sah Eulenspiegel dessen Hühner auf der Strasse umherlaufen und dachte, jetzt wäre es Zeit. Er nahm ungefähr 20 starke Faden, band sie in der Mitte zusammen und an den Enden jeglichen Fadens eine kleine Angel, auf welche er einen Bissen Brod gesteckt, und warf solches den Hühnern vor. Diese schluckten das Brod begierig ein, konnten es aber nicht hinunter und auch nicht wieder heraus bringen, und so standen beinahe zwanzig Hühner in einem Haufen zusammen, zauseten und würgeten sich, und konnten nicht von einander kommen. Dieses sah endlich der Maurer, ärgerte sich darüber entsetzlich und suchte seine Hühner von den Fäden wieder loszumachen.

 

8.

Eulenspiegel kriecht in einen grossen Bienenkorb, schläft darin ein und wird von Dieben weggetragen.

 

Eulensp. u. andere Kinder bekommen Schläge beim Wurstsuppe essen.

Es begab sich einmal, dass Eulenspiegel mit seiner alten Mutter auf ein Dorf zum Kirmesfeste geladen wurde. Dies war für Eulenspiegel etwas Erwünschtes; er liess sich's wohlschmecken und konnte als junger Mensch die Kehle tüchtig spülen. Als er nun gänzlich berauscht war, ging er taumelnd in den Hof, um sich in ein Eckchen zu setzen und auszuschlafen. Hier kam er zu einem Haufen grosser Bienenkörbe, welche leer waren, und in einen derselben kroch Eulenspiegel hinein. (Es ist zu bemerken, dass man in jener Zeit noch nicht die jetzige Einrichtung mit den Bienenkörben hatte, sondern sie waren ungemein gross.) Als er nun hier eingeschlafen war, kamen in der stockfinstern Nacht zwei Diebe, um einen Bienenkorb zu stehlen. Die Diebe beredeten sich unter einander, welcher wohl der beste sein möchte, und einer sprach zum andern: Der am schwersten ist, der ist am besten, und so erwischten sie den, worin Eulenspiegel schlief. Diesen nahmen sie, setzten ihn auf ihre Trage und gingen schnell damit weg. Indem sie nun fortgingen, erwachte Eulenspiegel. Er fühlte, dass er getragen wurde, hob den obern Theil des Korbes etwas auf, der einem aufgelegten Deckel glich, bemerkte, dass es stockfinster war, und hörte seine Träger leise mit einander reden. Jetzt, dachte er, ist es Zeit einen Spass zu machen, und streckte seine Hand aus dem Korbe, um zu fühlen, ob er einen seiner Träger greifen könnte, und er kam dem vordersten an den Kopf, und riss ihn recht derb an den Haaren. Dieser sah sich um, glaubte, sein Kamerad hätte ihn so an den Haaren gezogen, und wurde sehr zornig auf diesen. Der hintere Träger sagte: Träumt dir und gehst du im Schlafe? Wie kann ich dich bei den Haaren fassen, da ich kaum den Bienenstock mit den Händen halten kann. Eulenspiegel lachte heimlich und dachte: der Spass wird gut werden.

Eulensp. rächt sich und hängt die Hühner mit Faden zusammen.

Als sie wieder einige Schritte weiter gegangen waren, streckte er behutsam die Hand auch nach dem hintersten Träger aus und gab ihm schnell eine Ohrfeige. Dieser ward noch zorniger und sprach: Ich trage, dass mir der Hals knackt, und dennoch schlägst du mich! – Du Schalk! wie kann ich dich schlagen, da ich den Weg kaum sehen, noch weniger dich von hinten erreichen kann. – Als sich der Zank gelegt hatte, riss Eulenspiegel den vorderen Träger wieder an den Haaren, doch diesmal so derb, dass er mit dem Kopfe an den Bienenkorb stiess. Da ward dieser Träger so zornig, dass er die Trage mitsammt dem Korbe fallen liess, und auf den hintern Träger zusprang, um ihm mit Schlägen dafür zu lohnen. Also fielen beide übereinander her, zauseten sich recht derb, bis endlich einer den andern im Finstern verlor, und keiner mehr wusste, wo der andere in der dunkeln Nacht geblieben war. Der Bienenkorb blieb nun liegen, denn beide Diebe liefen aus Furcht einer von den andern nach Hause. Als Eulenspiegel merkte, dass sie weg waren, hob er den Deckel auf und wollte sehen, ob es im Osten noch nicht Tag würde; da er aber bemerkte, dass es noch Nacht war, setzte er sich wieder hin und schlief ein. Am andern Morgen, als er erwachte, kroch er aus dem Bienenkorbe heraus, wusste aber nicht, wo er war. Er ging also einen vor ihm hinlaufenden Wege nach, bis er zu einer alten Burg kam. Hier wohnte damals einer von den Rittern, welche sich durch Krieg und Plünderungen berüchtigt gemacht hatten; bei diesem verdingte er sich als Bedienter.

Eulensp. wird von Dieben in einem Bienenkorb weggetragen.

 

9.

Eulenspiegel wird Bedienter bei einem Adeligen.

 

Als Eulenspiegel auf der Burg angekommen war, verdingte er sich bei dem gnädigen Junker für einen Hofjungen oder Bedienten. Nun musste er oftmals mit seinem Herrn Junker ausreiten. Einstmals kamen sie bei einen Acker mit Hanf. Da sprach der Junker zu Eulenspiegel: Kennst du dies Kraut? das heisst Hanf. Eulenspiegel sprach: dass weiss ich wohl. – Wenn du nun zu einem solchen Acker kommst, so sch... hinein, denn mit dem Baste dieses Krautes hängt und bindet man die, welche sich ohne Herren-Dienst aus dem Sattel nähren. – Eulenspiegel sagte: Gut, gnädiger Junker, ich werde Ihren Befehl mir merken. – Als sie nun zurückgekommen waren, begab es sich, dass der Junker ein Gastmahl mit noch mehreren Adeligen hielt. Da rief der Koch Eulenspiegel zu, und sagte: Bringe mir den Senf her, er ist indem Topfe im Keller. Eulenspiegel sagte: Ja, und ging. Er hatte aber in seinem Leben noch keinen gemahlenen Senf gesehen, und da er den Topf mit dem Senfe fand, dachte er, was mag der Koch wohl mit dem Hanf thun wollen? Der Junker hat mir ja befohlen, wo ich ein solches Kraut fände, sollte ich drein sch... Er setzte sich also über den Topf, und hofirte hinein, und so brachte er ihn dem Koche. Der Koch dachte an nichts weniger, und schickte eine Schüssel mit Senf zur Tafel. Der Junker und seine Gäste fingen an, mit dem fetten Fleische recht tief hinein zu tunken. Pfui! sprach der Junker, wie schmeckt der Senf! Der Koch musste geschwind herbei kommen; zu dem sprach der Junker: Was hast du denn für Senf zur Tafel geschickt? Der Koch wusste aber von nichts, desswegen schmeckte er den Senf selbst, speiete ihn aber sogleich wieder aus und sprach: Pfui! der schmeckt wie lauter Sch ...dreck! Und als Eulenspiegel darüber lächelte, sprach der Koch: Daran ist gewiss der Hofjunge Schuld. Der Junker fragte also Eulenspiegel: Was hast du mit den Senf gemacht? komm her und koste ihn. Eulenspiegel sprach: Ich mag keinen; und zudem wisset ihr ja, was ihr mir geheissen habt, als wir neulich auf der Reise waren, dass ich, wo ich ein solches Kraut sähe, hinein sch ... sollte, weil man überall die Leute, welche sich ohne Herrendienst aus dem Sattel nähren, damit binde und aufhänge. Da sprach der Junker: Du böser Schalk! das Kraut, das ich dir zeigte, heisst Hänf oder Hanf, und was dich der Koch bringen hiess, heisst Senf. Aber warte, ich will dich das Kraut besser kennen lernen, und griff nach der Peitsche. Eulenspiegel lief aber schnell fort, und liess sich daselbst nicht wieder sehen.

Eulensp. wird Bediente bei einem Dorfjunker.

 

10.

Eulenspiegel vermiethet sich als Knecht bei einem Pfaffen und isst ein gebratenes Huhn vom Spiesse.

 

Nachdem Eulenspiegel dem Dorfjunker entwischt war, kam er in ein Dorf im Stifte Magdeburg, welches Buttenstätt genannt wurde; daselbst vermiethete er sich bei dem Pfaffen als Knecht. Dieser versprach ihm, dass er bei ihm gute Tage haben solle; Essen und Trinken, was ihm nur schmecke, so gut als es seine Haushälterin hätte, und die Arbeit, welche er zu verrichten habe, könne er mit halber Mühe thun. Das gefiehl Eulenspiegel wohl, er that deshalb auch alle Arbeit nur halb. Einstmals steckte die Haushälterin zwei Hühner an einen Bratspiess und hiess Eulenspiegel den Bratspiess fleissig drehen. Dies that er gern, als aber die Hühner kaum halb gahr waren, dachte er an des Priesters Erlaubniss, dass er essen sollte, was ihm wohl schmecke, und was die Haushälterin ässe. Eulenspiegel dachte, so wolle er jetzt gleich ein Huhn verzehren, weil der Braten noch frisch wäre, da der Priester die beiden Hühner gewiss nicht allein essen würde, und so ass er schnell ein Huhn vom Spiesse ab. Als nun die Haushälterin, die nur ein Auge hatte, zum Feuer kam und die Hühner begiessen wollte, da war nur noch ein Huhn am Spiesse. Sie fragte deshalb Eulenspiegel, wo das zweite Huhn hingekommen wäre. Er sprach zu ihr: sehet ihr denn das nicht? Sie sprach: Nein; nun, sprach er, so thut euer zweites Auge auf, so werdet ihr das zweite Huhn auch sehen. Dieser Spott verdross die Haushälterin und sie ging zu ihrem Herrn und sagte ihm, wie der Knecht sie mit ihrem blinden Auge verspotte, und ein Huhn vom Spiesse weg gegessen hätte. Der Priester ging in die Küche und sagte zu Eulenspiegel: Wie kannst du dich unterstehen, meine Magd zu verspotten? sehe ich doch selbst dass nur ein Huhn am Spiesse ist, und sind doch zwei darauf gewesen. Eulenspiegel sprach: Sehet ihr die beiden Hühner nicht, die noch daran stecken? wie ich zur Magd sagte, so sage ich auch zu euch: Thut nur eure beiden Augen auf, so werdet ihr sie sehen. Der Priester lachte über die verkehrte Antwort und sagte: Du wirst mich doch nicht für einäugig erklären wollen? Die Magd kann mit zwei Augen nicht sehen, denn sie hat nur eins; aber ich sehe doch noch mit zwei gesunden Augen. Gut, sagte Eulenspiegel, wenn ihr nur ein Huhn sehen könnt, so kann ich auch nur ein Huhn sehen, ich will's euch auch sagen: das zweite Huhn ist durch meine Zähne gekrochen. Ich habe euch gefolgt, denn ihr habt mir gesagt, dass ich so gut essen und trinken sollte wie ihr. Nun dachte ich, man würde mich doch bei dem Hühnerbraten vergessen, deshalb habe ich mich selbst dazu eingeladen. Der Priester lachte und sprach: nun mag es darum sein, aber begehe dergleichen Possen nicht wieder. Ja, sprach Eulenspiegel, ich will euch folgen und alles so machen, wie ihr mir gesagt habt, z. B. dass ihr gesagt habt, ich könnte Alles mit halber Mühe thun. Ganz recht, sagte der Priester.

Eulensp. frisst bei einem Pfaffen ein gebratenes Huhn.

Hernach that Eulenspiegel auch Alles, was ihm die Haushälterin sagte, nur halb; denn wenn er einen vollen Eimer Wasser holen sollte, brachte er einen halben; wenn er zwei Stücke Holz an's Feuer legen sollte, legte er nur eins daran, kurz, er machte Alles so, dass die Haushälterin sich darüber ärgern musste, welches sie denn ihrem Herrn endlich einmal klagte. Der Priester sprach zu Eulenspiegel: Was höre ich von dir, meine Magd klagt ja wieder über dich! Eulenspiegel antwortete: Herr, ich habe nichts gethan, als was sie mir geheissen hat. Ihr sagtet, ich könnte alle eure Arbeit nur halb thun, aber ich thue sie ganz. Wenn eure Magd mit zwei Augen sähe, so würde sie die Arbeit auch ganz sehen; so sie aber Alles mit einem Auge sieht, sieht sie alles auch nur halb. Dem Priester war dies lächerlich, aber die Magd wurde sehr zornig darüber, und sprach zum Priester: Wenn ihr den neckerischen Kerl noch länger behaltet, so gehe ich davon. Also musste der Pfaffe dem Eulenspiegel den Abschied geben, weil er seine Magd lieber behielt.

 

11.

Eulenspiegel giebt sich in Magdeburg für einen Luftspringer aus.

 

Als Eulenspiegel den Dienst beim Pfaffen verlassen hatte, ging er nach Magdeburg, und gab daselbst so viel närrisches Zeug an, dass in allen Häusern von Eulenspiegel gesprochen wurde, und wo er sich sehen liess, wurde er fast von Jedermann angelegen, dass er doch auch grosse Kunststücke machen möchte. Endlich machte er in der Stadt durch Ausrufen bekannt, dass er von der Laube des Rathhauses herunterfliegen wollte. Nun versammelten sich vor dem Rathhause viele tausend Menschen, alte und junge, und warteten, was Eulenspiegel angeben würde. Da trat er oben auf die Laube und bewegte die Arme, als ob er fliegen wollte; die Zuschauer aber sperrten Augen und Mund auf, und erwarteten mit Ungeduld, wann er herunterfliegen würde. Eulenspiegel sprach aber dann zu dem grossen Haufen Menschen, den er vor sich sah: Ich glaubte, es wären weiter keine Narren in der Welt als ich, nun sehe ich aber, dass diese Stadt auch voll davon ist, denn wie könnt ihr euch vorstellen, dass ich fliegen kann, da ich weder Federn noch Flügel habe, weder Gans noch Rabe bin; weil ihr aber alle Narren seid, so wollte ich euch als solche anführen. Nun lief er durch eine heimliche Hinterthür fort und liess sich nicht erblicken.

Eulensp. giebt sich in Magdeburg für einen Luftspringer aus.

 

12.

Eulenspiegel wird Arzt bei des Bischofs kranken Hofdoctor.

 

Zu Magdeburg war einst ein junger Bischof mit Namen Bruno, ein Graf von Querfurt, der hörte von den vielen Possen des Eulenspiegels, daher forderte er ihn zu sich nach Grevenstein. Dem Bischof, welcher selbst die Narrheit liebte, gefielen die Schwänke Eulenspiegels, und er beschenkte ihn deshalb mit schönen Kleidern und Geld. Nun hatte der Bischof einen ernsthaften und gelehrten Leibarzt, der sich nicht gut mit dem Possen liebenden Bischof vertragen konnte, und oft zu ihm sagte, er möchte doch lieber verständige Leute als Narren am Hofe halten. Den Rittern und dem Hofgesinde war dies aber keine gefällige Aeusserung des Doctors, und sie sagten, wer die Thorheiten nicht sehen wolle, der könne es lassen; es würde ja Niemand dazu gezwungen. Der Doctor sagte aber immer zu ihnen: Narren gehören zu Narren, und Weise zu Weisen, und äusserte dergleichen Reden noch mehr. Hierüber wurden die Ritter sammt dem Hofgesinde verdriesslich, und sie dachten darauf, wie sie dem Doctor wieder einen Stein in den Weg legen wollten. Da sie nun aber so viel Witz nicht besassen, so baten sie Eulenspiegel, er möchte doch etwas erdenken, womit sie ihren Hofdoctor in seiner Weisheit anführen könnten. Eulenspiegel war dazu bereit und sprach: Ja, wenn ihr mir Gelegenheit dazu verschaffen wollt, so soll der Doctor bald bezahlt werden. Dieses gingen sie gern ein. Eulenspiegel sann aber darauf, wie er nur eine passende Gelegenheit finde, um dem Herrn Hofdoctor einen tüchtigen Possen zu spielen, und eine solche Gelegenheit fand sich denn bald. Es wurde nämlich der Hofdoctor unerwartet sehr krank, und hatte selbst einen Arzt nöthig. Da sagten nun die Hofbedienten zu ihm, dass ein fremder, gelehrter Arzt hier angekommen wäre; wenn er es wünsche, dass der fremde Arzt kommen solle, so wolle man es demselben zu wissen thun. Der Hofarzt nahm den Vorschlag an, und liess ihn zu sich kommen. Dies war Eulenspiegel; da er sich aber durch seinen Anzug unkenntlich gemacht hatte, so glaubte der Hofdoctor den fremden Arzt vor sich zu sehen, und fing gegen ihn von seiner Krankheit an zu reden und bat, dass er ihn doch wieder aufhelfen möchte. Eulenspiegel antwortete. »Ja, nur muss ich selbst eine Nacht bei euch bleiben, damit ich die Krankheit beobachten kann, und alsdann will ich euch schon aus dem Bette helfen, dass ihr wieder aufstehen könnt; zuvor müsst ihr aber eine Arznei einnehmen, die ich selbst zubereiten will.« – Gut, sagte der Hofarzt, ich will euch gern folgen. Eulenspiegel ging aber hin, machte eine derbe Purganz zurecht, und gab sie dem Doctor des Abends ein. Nun blieb Eulenspiegel bei demselben und legte sich zu ihm, aber oben aufs Bette. Eulenspiegel hatte indess die üble Gewohnheit, dass er nie seine hintere Thüre zuhalten konnte, und dadurch dem Doctor mit unangenehmen Gerüchen die heftigen Leibschmerzen, welche die Medicin verursachte, vergrösserte. Nach Mitternacht ging nun die Purganz auf einmal los. Der Hofarzt wäre gern aufgestanden, allein Eulenspiegel hatte sich vorn aufs Bett gelegt, und sagte zu ihm, dass bei solchen Umständen das Aufstehen nicht dienlich sei. Endlich konnte es aber der Hofarzt vor üblen Geruch und Unreinlichkeit nicht länger im Bette aushalten, sondern er stand auf und schwankte vor grosser Mattigkeit nach einem Stuhle. Eulenspiegel verliess aber das Zimmer und eilte, dass er fortkam. Am andern Morgen kamen die Hofbedienten zum Doctor, um zusehen, wie derselbe sich befände, allein er konnte ihnen kaum vor Mattigkeit antworten, so dass sie alle glaubten, er würde sterben, sie holten deshalb den Bishof herbei. Dieser liess gleich alles Mögliche zu seiner Besserung anschaffen und fragte ihn, wie es ihm mit seinem Arzte ergangen sei. Der Hofarzt antwortete: Ich glaubte, ich hätte einen erfahrenen Mann in der Arzneikunde, aber ich habe leider einen grossen Narren bei mir gehabt. Da sagte aber der Bischof: Euch ist nach euren Worten geschehen. Ihr sagtet ja, man sollte sich nicht um Narren bekümmern, denn wer sich mit Narren behänge, bekäme Narrenlohn, und der Weise würde thöricht beim Thoren. Nun habt ihr euch mit einem Narren behängt und habt Narrenlohn erhalten, und seid als weiser Mann bethört worden vom Thoren. Ihr habt Eulenspiegel nicht kennen lernen wollen, da er früher Narrenspossen machte, aber nun habt ihr ihn kennen gelernt, ihm sogar geglaubt, und seid nun betrogen. Wir kannten den Narren wohl, wollten euch aber nicht warnen, weil ihr selbst so klug seid. Wer weise sein will, der muss auch die Narren kennen. Der Hofarzt sah sich genöthigt, zu schweigen; er hatte also Eulenspiegel kennen gelernt, aber diese Bekanntschaft war ihm übel bekommen.

Eulensp. will den kranken Hofdoctor in Magdeburg heilen.

 

13.

Eulenspiegel wird wieder Arzt bei einem Kinde in Peine.

 

Es ist ein grosses Vorurtheil, welches leider viele Menschen und besonders die Landbewohner hegen, dass sie lieber von einen Quacksalber untaugliche Mittel für vieles Geld kaufen, als einen erfahrenen Arzt fragen und dessen Rath befolgen, und dadurch den Kranken oft an den Rand des Grabes bringen; so ging es auch zu Eulenspiegels Zeiten. – Kurz nach voriger Geschichte kam Eulenspiegel nach Peine, im Stifte Hildesheim; hier ging er in ein Wirthshaus, worin er schon bekannt war, und die Wirthsleute hatten gerade ein krankes Kind. Eulenspiegel fragte, was dem Kinde fehle. Die Wirthin antwortete ihm ganz kurz: Es kann nicht zu Stuhle gehen. O, sagte er, dem ist leicht zu helfen. Gut, sagte die Frau, so helft ihm, ich will euch dafür geben, was ihr haben wollt. Eulenspiegel sprach: Das ist eine kleine Mühe, dafür nehme ich nichts, wartet nur noch ein wenig, es soll dem Kinde bald geholfen werden. Nun hatte die Frau einen Weg auszugehen, um etwas zu holen, und liess das kranke Kind allein bei ihm in der Stube. Während dem hofirte Eulenspiegel einen derben Haufen in die Stube, stellte den Kinderstuhl darüber und setzte das Kind geschwind darauf. Bald kam die Frau wieder zu Hause und fragte Eulenspiegel, wer das Kind auf den Stuhl gesetzt hätte. – Er antwortete: Das habe ich gethan; ihr sagtet, das Kind könne nicht zu Stuhle gehen, nun habe ich es darauf gesetzt. Da sah die Frau, was unter dem Stühlchen lag und sagte: Sehet hier, das hat dem Kinde gefehlt. Habet Dank, dass ihr ihm geholfen habt. – O, sagte Eulenspiegel, dergleichen kann ich viel machen mit geringer Mühe. Die Frau bat ihn, er möchte ihr die Kunst doch auch lehren, sie wolle ihn gern dafür bezahlen. Eulenspiegel sagte: Jetzt bin ich reisefertig; wenn ich einmal wiederkomme, doch ich will euch noch etwas hier lassen. Er ging auf den Hof, machte Koth in ein Töpfchen, wickelte es zu, gab es ihr, und reisete weg. Er war für seine Wunderkur der Wirthin die Zeche schuldig geblieben. Bald nachher wollte sie von der Medicin Gebrauch machen; siehe, da war es Koth, und die leichtgläubige Frau betrogen.

Eulensp. wird wieder Arzt bei einem Kinde zu Peine.

 

14.

Eulenspiegel macht die Kranken im Hospitale zu Nürnberg ohne Arznei gesund.

 

Zu einer andern Zeit kam Eulenspiegel nach Nürnberg, und gab sich für einen Wundarzt aus, weil er auf diese Weise am leichtesten betrügen konnte. Hier schlug er an den Strassenecken grosse Zettel an, mit der Nachricht, dass ein gelehrter Wundarzt daselbst angekommen sei, wer krank sei, solle zu ihm kommen, er könne alle kuriren. Nun war das Hospital daselbst voll von Kranken und der Spitalmeister wäre dieselben gern los gewesen, um sie als gesund entlassen zu können. Er ging deshalb sogleich zu dem Wunderdoctor und bat ihn, dass er doch in das Hospital kommen und seinen vielen Kranken helfen möchte. Eulenspiegel sprach: Ja ich will ihnen helfen, aber ihr müsst mir 20 Gulden geben, dann sollet ihr sehen, dass sie alle ganz munter herauslaufen. Der Spitalmeister zahlte ihm diese Summe auch gleich aus. Eulenspiegel versprach, ihm das Geld wieder zu geben, wenn die Kranken nicht alle herausliefen. Und nun ging Eulenspiegel in das Hospital, und fragte jeglichen Kranken, was ihm fehle. Wenn er nun von einem Kranken wegging, musste ihm derselbe erst angeloben, keinem andern zu entdecken, was er ihm heimlich in's Ohr sagte, und jeder Kranke gelobte ihm an, sein Geheimniss zu verschweigen. Eulenspiegel aber hatte bei seinem Untersuchen jedem Kranken in's Ohr gesagt. »Ich soll euch Kranke alle gesund machen und auf die Beine helfen; dazu giebt es nun kein anderes Mittel, als dass ich erst einen von euch zu Pulver brenne und allen übrigen Kranken davon eingebe: dies ist das einzige Mittel, euch allen zu helfen. Welcher nun am kränkesten von euch ist, den werde ich zu Pulver brennen. Um dieses mit Gewissheit zu erfahren, werde ich mit dem Spitalmeister draussen vor der Thür treten und laut rufen: Welcher von Euch nicht krank ist, der eile, dass er aus dem Spitale komme! Derjenige nun, welcher alsdann zurückbleibt, wird verbrannt. Versäume du es also ja nicht, wenn ich rufe, denn der Letzte muss die Zeche bezahlen.« So sprach Eulenspiegel zu jedem Kranken. Am andern Tage trat er mit dem Spitalmeister vor die Hospitalthür und rief mit lauter Stimme: Wer gesund ist, komme heraus! Da krochen alle Kranke von ihren Lagern auf und kamen heraus, der eine an Krücken, der andere am Stocke; ja sie drängten sich heraus, denn keiner wollte der Letzte und Kränkeste sein. Siehe! sprach Eulenspiegel zum Spitalmeister, da hast du deine Kranken, sie sind alle gesund, keiner ist mehr krank. Der Spitalmeister dankte ihm herzlich für die Hülfe, und hätte ihm noch mehr Geld gegeben, wenn er es verlangt hätte. Eulenspiegel setzte sich aber auf sein Pferd und eilte, dass er aus Nürnberg kam. Bald darauf kam ein Kranker nach dem andern wieder und klagte aufs neue seine Krankheit. Da sprach der Spitalmeister: Was ist das? Ich habe den grossen Wunderdoctor bei euch gebraucht und ihr sagtet alle, ihr wäret gesund, und nun seid ihr wieder krank? das kann nicht möglich sein. Da erzählten die Kranken, der Wunderdoctor hätte gesagt, welcher am kränksten wäre, den wolle er verbrennen, und die andern mit dem verbrannten Menschen kuriren. Nun hätte keiner am kränksten sein wollen, sondern Jeder hätte alle seine Kraft angestrengt, um die Thür zu erreichen. Da merkte der Spitalmeister, dass er betrogen war, denn der Wunderdoctor war weg; die Kranken mussten wieder in das Hospital, und das Geld war unnütz ausgegeben.

Eulensp. curirt die Kranken im Hospital zu Nürnberg.

 

15.

Eulenspiegel kauft Brod, um zu sehen, ob das Sprichwort sich bestätigt: Wer Brod hat, dem giebt man Brod.

 

Da Eulenspiegel den Spitalmeister in Nürnberg so betrogen und nun Geld in der Tasche hatte, ritt er auf seinem Rappen fort und kam nach Halberstadt. Hier ging er auf den Markt, um etwas zu kaufen, das ihn vor Hunger und Frost schützte; denn es war gerade sehr kalt und der Wind wehte stark. Da fiel ihm das Sprichwort ein: Wer Brod hat, dem giebt man Brod. Gut, dachte er, das will ich probiren. Er ging also hin und kaufte sich für 2 Groschen Brod, borgte einen Tisch, setzte sich damit vor die St. Stephanskirche und machte da Possen. Indem kam ein grosser Hund, nahm ihm ein Brod weg und lief damit fort. Als Eulenspiegel dem Hunde nachlief, kam eine Sau mit einigen jungen Ferkeln, stiess den Tisch um, und frass mit den Ferkeln das andere Brod auf. Da Eulenspiegel dies sah, lachte er und sprach: Nun sehe ich, dass das Sprichwort falsch ist; denn es will mir hier Niemand etwas geben. Und als er einige Leute in den Fenstern liegen sah, rief er ihnen entgegen: Ihr Halberstädter, bei euch will mir die Kost nicht schmecken; eure Geldbeutel sind zwar von Schafleder, aber doch fest zu, es kann nichts herausfallen. Ihr gafft nur aus euren Fenstern wie die Affen.

Eulensp. probirt das Sprichwort – Wer Brod hat, dem giebt man Brod.

 

16.

Eulenspiegel kömmt wieder nach Braunschweig und wird Bäckerknecht.

 

Da der alberne Eulenspiegel in Halberstadt mit seinen Possen kein Glück hatte, so begab er sich nach Braunschweig und kehrte in der Bäckerherberge ein. Hier fragte ihn der Herbergsvater, was er wäre. Er sprach: ein Bäckerknecht. Indem kam ein Bäckermeister, der sprach zu Eulenspiegel: Willst du mir dienen, so komm mit mir, und Eulenspiegel folgte ihm nach. Als er nun zwei Tage bei demselben gewesen war, hiess ihn der Meister des Nachts backen, mit dem Andeuten, dass er ihm aber nicht eher helfen könne, als gegen Morgen. Gut, sprach Eulenspiegel, was soll ich aber backen? Der Bäcker ward über diese Frage zornig und antwortete spöttisch: Eulen und Meerkatzen! Bist du ein Bäckerknecht, und frägst, was du backen sollst? damit ging er fort, um zu schlafen. Da ging Eulenspiegel in die Backstube, machte Teig und aus demselben lauter Eulen und Meerkatzen und backte sie. Des Morgens, als der Meister aufstand und nachsah, ob sein neuer Knecht das Backen gut besorgt habe, fand er weder Semmel noch Zwieback, noch Kuchen, sondern lauter Figuren wie Eulen und Meerkatzen. Darüber ward er sehr zornig und sprach: Knecht, was hast du gemacht? – Eulenspiegel antwortete: Was ihr mich geheissen habt. Der Meister sprach: Was soll ich mit dir Narren machen? Dergleichen Backwerk kann ich zu nichts gebrauchen; packte Eulenspiegel bei der Brust und sprach: Bezahle mir den Teig! Eulenspiegel sprach: Wenn ich den Teig bezahlen soll, so will ich auch die Waare haben. Der Meister sprach: Was frage ich nach der verdorbenen Waare! Also nahm Eulenspiegel die gebackenen Eulen und Meerkatzen in einen Korb und trug sie in die Herberge, die da hiess der wilde Mann, und da es eben Nicolaus-Abend war, verkaufte er sein Backwerk schnell und theuer und lös'te mehr Geld daraus, als der Meister gefordert hatte. Das verdross dem Bäcker und er dachte noch mehr von Eulenspiegel zu erhaschen, als er ihm abgefordert hatte und ging hin, Eulenspiegel beim Gerichte zu verklagen; als aber die Gerichtsdiener kamen, war Eulenspiegel mit dem Gelde schon davon gegangen, und der habsüchtige Bäcker bekam nun gar nichts.

Eulensp. wird in Braunschweig ein Bäckerknecht.

 

17.

Eulenspiegel beutelt beim Mondenschein Mehl in den Hof.

 

Als Eulenspiegel sich von Braunschweig heimlich fortgemacht hatte, ritt er im Lande umher, und kam nach Uelzen, wo er sich abermals für einen Bäckerknecht ausgab; hier bekam er wieder bei einem Bäcker Arbeit. Einstmals richtete der Meister des Abends zum Backen an, unterdessen sollte Eulenspiegel Mehl auf dem Boden beuteln. Da sprach er zu seinem Meister! So gebt mir Licht, dass ich bei der Arbeit sehen kann. Der Meister erwiederte: Ich gebe dir kein Licht, andere Knechte haben dergleichen Arbeit beim Monde gethan (er meinte beim Mondschein), wenn der Mond so hell schien, als diesen Abend, und das kannst du auch thun. – Da fragte Eulenspiegel: Wo haben jene Knechte denn das Mehl hingebeutelt? – Der Meister ward unwillig und sprach: In den Hof! setzte aber hinzu: so viel Verstand wirst du doch haben, dass du weisst, wohin das Mehl gebeutelt werden muss. Eulenspiegel ging nun auf den Boden, nahm einen Beutel nach dem andern, hielt ihn zu dem Fenster hinaus, wo der Mond herein schien und beutelte die Nacht hindurch das schöne Mehl in den vom Monde erhellten Hof. Als der Meister am andern Morgen früh aufstand, um zu backen, beutelte Eulenspiegel noch, und der Meister sah, dass derselbe den ganzen Hof voll Mehl gebeutelt hatte. Da sprach er zu Eulenspiegel: Was machst du schändlicher Mensch da? Kostet denn das Mehl kein Geld, dass du es in den Dreck beutelst? – Eulenspiegel antwortete: Habt ihr mich doch geheissen, in den Hof zu beuteln; ich habe gethan, was ihr mich geheissen habt. Der Bäcker sprach: Ich hiess dich zwar das Mehl im Mondscheine, aber nicht in den Hof beuteln. Du bist ein Schurke! – Eulenspiegel antwortete: Gebt euch nur zufrieden, es ist nun einmal geschehen, und geschehene Dinge sind nicht immer wieder gut zu machen, was bringt eine Hand voll Mehl; das Uebrige ist bald wieder zusammengefegt und schadet dem Mehle nichts. Der Bäcker sprach: So willst du die Zeit vertändeln, unterdessen wird auch kein Teig gemacht und zum Backen wird es dann für heute zu spät. Eulenspiegel antwortete: Mein lieber Meister, ich weiss einen guten Rath, dass wir früher als unser Nachbar backen können; sein Teig liegt fertig in der Molle, wollet ihr den haben, so will ich ihn gleich herholen und ihm statt dessen das Mehl hinschütten. – Der Meister sprach zornig: Gehe lieber hin zum Galgen und hole die Diebe auch her. Eulenspiegel sprach: Das will ich thun. Nun lief er schnell zum Galgen und holte ein von demselben heruntergefallenes Gerippe von einem Diebe, und brachte es dem Meister und sprach: Hier habt ihr ein Stück von einem Diebe, was wollt ihr damit machen? Der Meister fragte: Bringst du sonst nichts? Eulenspiegel antwortete: Weiter war nichts davon da. Der Meister sagte: Warte, das soll dir theuer zu stehen kommen! Du hast das Herrengericht bestohlen! nun will ich dich bei dem Bürgermeister verklagen.

Eulensp. beutelt bei Mondenschein Mehl in den Hof.

Wirklich lief der Bäckermeister im Zorn sofort nach dem Bürgermeister und Eulenspiegel lief hinter ihm her. Der Bäcker eilte aber so sehr, dass er sich gar nicht umsah, wusste also nicht, dass Eulenspiegel hinter ihm war. Der Bürgermeister stand gerade vor seiner Hausthür, als der Bäcker zu ihm kam, wo er sogleich seine Klage anbrachte. Eulenspiegel, der auch gleich ankam, stellte sich dicht neben seinen Meister hin und sperrte Mund und Augen auf. Als der Bäcker den Eulenspiegel neben sich stehen sah, fuhr er ihn zornig an, und sprach: Was willst du? und vergass in seinem Aerger, was er dem Bürgermeister klagen wollte, Eulenspiegel antwortete: Ich will weiter nichts, als was ihr sagtet: Ich sollte sehen, wie ihr mich verklagen würdet vor dem Herrn Bürgermeister, und da ich das sehen soll, so musste ich hinter euch herlaufen, und sperre deshalb meine Augen weit auf. Der Bäcker sprach: Geh mir aus den Augen, du bist ein böser Schalk! Eulenspiegel antwortete: Sässe ich euch in den Augen, so müssten die Beine aus den Nasenlöchern hängen, und wenn ihr nun die Augen zuthatet, wo sollte ich dann bleiben? Da nun der Bürgermeister merkte, dass er mit einem Narren zu thun hatte, liess er beide stehen und ging in's Haus. Als das Eulenspiegel sah, liess er seinen Meister auch stehen, lief zurück, packte ein, was er kriegen konnte, und reiste wieder fort.

 

18.

Warum Eulenspiegel ein graues Pferd reitet. Er dient beim Grafen von Anhalt.

 

Eulenspiegel ritt immer gern ein graues Pferd, damit man ihn, wo er durchkäme, gleich kennen möchte; andere Farben meidete er, z. B. einen Fuchs, weil er selbst rothe Haare hatte; auch machte er überall Aufsehen durch seinen sonderbaren Anzug. Seine Handlungsweise war folgende: 1) Er war allezeit gern in Gesellschaften, aber nicht, wo Kinder waren, weil die Eltern eher auf ihre Kinder achteten, als auf seine Possen; auch sah er sich nach solchen Leuten stets um, welche die Narrheit liebten; denn er sagte oft: Gleich und gleich gesellt sich gern, und dieses Sprichwort befolgte er genau. 2) Herbergte er nicht gern bei einem verständigen Wirth, weil er diesen nicht mit seinen Possen anführen konnte, und 3) hütete er sich vor drei Dingen, nämlich: Vor gesunder Speise, grossem Glücke und starkem Getränke. Unter gesunder Speise meinte er die Arznei aus der Apotheke, die, obgleich sie gesund mache, doch nur für Kranke angewandt würde. Ein grosses Glück nannte er, wenn ein Stein vom Dache fiele und niemand beschädige, von dem man dann sagte: Es war ein grosses Glück, dass der Stein mir nicht auf den Kopf gefallen. Mit dem starken Getränke meinte er das Wasser; denn er sagte: Es ist so stark, dass es Mühlenräder treibt; auch kann man sich darin zu Tode trinken.

Eulensp. Dienst beim Grafen von Anhalt.

Eulenspiegel kam, nachdem er wieder eine Zeitlang umhergestrichen war, und sein Pferd hatte verkaufen müssen, zu dem Grafen von Anhalt, und vermiethete sich bei ihm als Thurmwächter, welcher beständig darauf achten musste, wenn etwa Feinde gegen die gräfliche Burg anrückten. Nun hatte der Graf wegen seiner Sicherheit zu der Zeit viele Reiterei und Fussvolk im Schlosse versammelt, welches täglich gespeiset wurde. Einstmals hatten die Aufwärter an einem Mittage dem Eulenspiegel das Essen zu bringen vergessen. Hierüber unzufrieden, dachte er darauf, dafür einen Possen zu spielen. Kurz nachher, als Alle im Schlosse zu Mittag in guter Ruhe und Fröhlichkeit schmauseten, kamen des Grafen Feinde und nahmen den Bewohnern, die um das Schloss wohnten, alles Vieh weg, und trieben es fort. Eulenspiegel sah aus dem Thurmfenster das Alles ruhig mit an, und blies nicht mit dem Lärmhorn, welches er doch bei solchen Vorfällen thun musste. Das Klagegeschrei der beraubten Unterthanen kam aber sogleich vor den Grafen, welcher augenblicklich mit seiner Reiterei den Feinden nacheilte. Bei diesem Tumulte sahen einige Reiter, dass Eulenspiegel im Fenster des Thurmes lag und lachte. Als dies der Graf auch bemerkte, rief er ihm zu: Was liegst du Faulenzer da, und machst keinen Lärm, wenn die Feinde kommen? Eulenspiegel antwortete: Mit hohlem Magen kann ich das Lärmhorn nicht blasen; wenn ich aber tüchtig zu essen bekommen habe, dann will ich blasen. – Der Graf rief ihm wieder zu: Willst du die Feinde zusammenblasen? – Eulenspiegel antwortete: Ich blase die Feinde nicht zusammen, sonst wird das ganze Feld voll, nehmen euch Alles weg und schlagen euch todt. Und so hielt er seinem Herrn noch länger das Widerspiel. Während dieses Disputs hatten des Grafen Reiter den Feind eingeholt, ihn besiegt, das gestohlene Vieh ihm wieder abgenommen, auch ihre anderen Sachen, die sie noch bei sich hatten, und brachten Alles nach dem Schlosse. Jetzt hatte der Graf eine lange Zeit Ruhe vor dergleichen Räubereien, und lebte mit seinen Hofleuten in Jubel und Frieden. Einst bei einer Schwelgerei wurde Eulenspiegel auf dem Thurme wieder vergessen, und er dachte deshalb sogleich auf Vergeltung. Indem nun Alle im gräflichen Schlosse noch in vollem Vergnügen bei Tische schmauseten und Gesottenes und Gebratenes in Menge vor sich hatten, da nahm Eulenspiegel das Lärmhorn, fing an zu blasen, und rief aus vollem Halse: Feinde! Feinde! Der Graf mit seinen Gästen sprangen schnell von der Tafel auf, legten ihre Harnische an, und eilten, mit den Waffen in den Händen, zur Burg hinaus in das Feld, und sahen sich nach dem Feinde um. Während sie alle den Feind suchten, eilte Eulenspiegel schnell vom Thurme herunter, lief zu des Grafen Tafel, und nahm davon die Speisen, welche ihm beliebten, ging damit auf den Thurm, und liess es sich wohl schmecken. Da nun der Graf und seine Leute den Feind vergeblich suchten, merkten sie Verdacht, und sprachen unter einander: Das hat der Hausmann (Thurmwächter) aus Schalkheit gethan; denn Neckereien hatte er schon oftmals gemacht. Bei der Zurückkunft rief der Graf den Eulenspiegel zu: Warte, deine Dummheit soll dir bezahlt werden! Du machst Lärm, wenn keine Feinde vorhanden sind! Warum hast du geblasen? – Eulenspiegel antwortete: Weil keine Feinde da waren, musste ich welche herbei blasen, die jenes Amt verrichteten. Der Graf verstand diese Worte sogleich nicht, und ging mit seinen Gästen wieder zur Tafel, um nun erst fertig zu schmausen; und siehe, das beste von den zurückgelassenen Speisen war weg. Nun merkte der Graf wohl, was Eulenspiegel mit den Worten: »Er habe müssen Feinde herbei blasen, welche deren Amt verrichteten,« habe andeuten wollen. Unzufrieden über das leichtsinnige Betragen Eulenspiegels, setzte ihn der Graf von seinem Thurmwächter-Dienste ab, und machte ihn zu einem Laufer, damit, wenn der Graf ausfuhr oder ausritt, Eulenspiegel vor ihm herlaufen sollte. Das verdross ihn aber, weil er nun nicht mehr, wie sonst, auf der faulen Seite liegen konnte; er wäre deshalb gern weggegangen, nur wusste er nicht mit Ehren vom Grafen zu kommen. Er dachte nun darüber nach, wie er allerlei Widerspiel machen wollte; z.B. wenn der Graf ausfuhr oder ritt, so lief er immer hinter her, statt vor ihm; fuhr oder ritt er aber nach Hause, so war Eulenspiegel stets zuerst beim Schlossthore. Hierüber stellte ihn der Graf zur Rede. Eulenspiegel antwortete: Da ich auf dem Thurme Wächter war, musste ich oft, wenn ihr mit euren Hofleuten schmausetet, Hungerpfoten saugen, davon bin ich nun so matt geworden, dass ich nicht schnell laufen kann; geht es aber nach Hause, so laufe ich gern, damit ich am ersten bei den Tisch komme, und am letzten wieder davon gehen kann, meine verlorenen Kräfte wieder zu bekommen. Der Graf sprach: Es scheint, als wenn du verlangst, man solle dir zuerst aufwarten! Eulenspiegel sagte: Jeder behauptet sein Recht. Der Graf antwortet: Das sollst du auch erhalten, und gab ihm seinen Abschied. Dies war Eulenspiegels Wunsch.

 

19.

Eulenspiegel dient beim König von Dänemark.

 

Eulensp. Dienst beim Könige von Dänemark.

Eulenspiegel hatte sich durch seine Possen so sehr berüchtigt gemacht, dass man an allen königlichen und fürstlichen Höfen von ihm sprach. Da er nun vom Grafen von Anhalt seinen Abschied erhalten hatte, so ging er nach Kopenhagen, um zu sehen, ob er da nicht bei Jemanden ankommen könnte. Als der König von Dänemark erfuhr, dass Eulenspiegel da wäre, liess er ihn an seinen Hof kommen und sagte, dass er, wenn er wolle, einige Zeit am Hofe bleiben könnte, weil er seine Possen und Schwänke einmal sehen möchte. Eulenspiegel war dies recht willkommen. Der König trug ihm nun einstmals auf, als seinem Reitpferde die Hufeisen losgingen, er möge dasselbe mit dem allerbesten Hufbeschlag beschlagen lassen. Eulenspiegel antwortete: O ja, gnädiger Herr und König, vom besten, der zu haben ist; aber ihr müsst euch auch gefallen lassen, darnach zu bezahlen. Eulenspiegel nahm das Pferd, ritt zum Goldschmied und liess es mit goldenen Hufeisen und silbernen Nägeln beschlagen. Nun ritt er zum König und sagte: Hier ist das Pferd; aber nun möchte ich auch die Bezahlung für den Beschlag haben. Der König sagte: Ja! fragte aber nicht nach der Beschaffenheit des Beschlages, sondern befahl seinem Secretair, den Hufbeschlag zu bezahlen. Dieser aber wunderte sich sehr, als er die Forderung hörte, denn er glaubte, es wäre ein gewöhnlicher Beschlag. Eulenspiegel nahm also den Secretair mit zum Goldschmied, dem er für den Beschlag 200 dänische Mark bezahlen musste. Der Secretair berichtete aber dem König den Vorfall, und dieser liess Eulenspiegel vor sich rufen und sagte: Warum hast du einen so theuren Hufbeschlag machen lassen? Wenn ich alle meine Pferde mit solchen Beschlägen beschlagen lassen wollte, so müsste ich Land und Leute verkaufen, und würde ein Bettler werden. Eulenspiegel antwortete: Gnädigster Herr und König, ich habe euren Befehl befolgt, wie Ihr mir sagtet, dass ich das Pferd mit den allerbesten Hufeisen beschlagen lassen sollte. Der König lachte und sprach: Du bist mein bester Hofdiener, denn du thust, was ich dich heisse. Eulenspiegel musste aber die goldenen Hufeisen wieder abreissen und gewöhnliche aufschlagen lassen. Darnach blieb er als Hofnarr bei dem Dänen-König mehrere Jahre.

 

20.

Eulenspiegel übertrifft den Hofnarren des Königs von Polen.

 

Eulensp. übertrifft den Hofnarren des Königs von Polen.

 

21.

Eulenspiegel wird aus dem Fürstenthum Lüneburg verwiesen.

 

Nachdem Eulenspiegel Dänemark verlassen hatte, kam er wieder in das Fürstenthum Lüneburg, wo er in der Gegend von Celle solche närrische Dinge angab, dass ihm der Herzog von Lüneburg sein Land verbieten liess mit dem Andeuten, wenn er sich wieder sehen liesse, er ihn an den ersten besten Baum hängen lassen würde. Eulenspiegel wanderte nun in's Mecklenburgische. Nachdem er sich daselbst eine Zeitlang umher getrieben hatte, dachte er darüber nach, wie er durch List sich wieder im Lüneburgischen aufhalten könnte; denn er hatte in diesem Fürstenthume mit seinen Narrenspossen manchen Verdienst erworben. Er nahm sich also vor, wieder eine Reise in's Lüneburgische zu unternehmen, ob er gleich noch nicht mit sich einig war, durch welche Schelmerei er im Fall der Noth sich helfen wollte. Da er nun beständig auf seinen Reisen ritt, und eben auf der Strasse nach Lüneburg war, sah er in weiter Entfernung den Herzog mit seiner Begleitung ihm reitend entgegen kommen. Nun gerieth er in Angst; mit seinem Pferde zu fliehen, hielt er nicht für rathsam, weil er befürchtete, die Reiterei des Herzogs möchte ihn mit ihren besseren Pferden bald wieder einholen, welches dann sein Unglück gewiss herbeigeführt hätte. Er kam daher auf den Gedanken, von seinem alten Rappen schnell herunter zu springen, denselben zu tödten, ihm den Bauch aufzuritzen, die Eingeweide herauszureissen, und sich dann in den Bauch seines getödteten Pferdes zu legen, welches er auch ohne Zeitverlust that. Als nun der Herzog mit seiner Reiterei näher kam, sagte einer von derselben: Seht, gnädiger Herr, Eulenspiegel liegt in seines Pferdes Bauch. Da sprach der Herzog zu Eulenspiegel: Wie kannst du dich unterstehen, wieder in mein Land zu kommen? hast du meinen Befehl vergessen, dass, wenn du wieder in meinem Lande angetroffen würdest, du an den ersten besten Baum gehängt werden solltest? Eulenspiegel antwortete: Gnädigster Fürst und Herr! ich hoffe, Ihr werdet mir doch mein Leben nicht nehmen lassen; Ihr habt doch ein Gesetz gegeben, dass ein jeder in seinen vier Pfählen Sicherheit haben sollte; nun bin ich nicht in Eurem Lande, sondern in meinem Pferde, welches doch mein Eigenthum ist, also hoffe ich, Ihr werdet Euer gnädiges Wort halten, und mir Sicherheit gewähren. Der Herzog lachte und sagte: Es gehe dies Mal noch so hin; aber lass dich in der Folge in meinem Lande nicht mehr sehen. Eulenspiegel antwortete: Wie Eure fürstlichen Gnaden befehlen. Der Herzog ritt mit den Worten weiter: Bleibe in deinen vier Pfählen, nur lass dich nicht sehen. Wie der Herzog weggeritten war, so sprang Eulenspiegel geschwind aus seines todten Pferdes Bauch, und sprach: Habe Dank, du liebes Pferd, dass du mir den erzürnten Herzog besänftigt und dadurch mein Leben gerettet hast. Es ist besser, dass dich die Raben fressen, als dass sie mich gefressen hätten, denn an dir ist mehr Fleisch. Nun reiste er zu Fuss weiter.

Eulensp. wird im Herzogtum Lüneburg des Landes verwiesen.

Nachdem sich Eulenspiegel wieder einige Tage umhergetrieben hatte, kam er bei Celle in ein Dorf, und wollte da warten, bis der Herzog durchgeritten käme; denn er dachte ihn durch seine Possen sich wieder gewogen zu machen. Indem er nun hier wartete, fuhr ein Bauer auf seinen Acker. Eulenspiegel, der kurz zuvor einem Bauer ein Pferd und einen Sturzkarren gestohlen hatte, und gerade bei diesem Acker hielt, fragte den Bauer, wem der Acker gehöre. Der Bauer antwortete: Er ist mein, ich habe ihn geerbt. Eulenspiegel fragte, wie viel er ihm geben solle für einen Karren voll Erde von diesem Acker. Der Bauer forderte einen Schilling. Diesen gab ihm Eulenspiegel, ladete seinen Karren voll Erde, fuhr mit demselben in ein Dorf, und kroch bis in die Schultern hinein. Als er nun hier hielt, kam der Herzog geritten, bemerkte ihn und sprach: Eulenspiegel, Eulenspiegel! habe ich dir nicht mein Land verboten? Was thust du hier? Hast du meinen Befehl wieder vergessen? Eulenspiegel antwortete : Gnädigster Herr, Euren Befehl habe ich befolgt; denn ich bin nicht in Eurem, sondern in meinem Lande, das ich gekauft habe, von einem Bauer, der mir sagte, dass er es geerbt hätte; also sitze ich in meinem gekauften Erblande. – Der Herzog lachte abermals über diese dumme Ausrede, sagte aber zu ihm: Eile weg mit deinem erkauften Erblande, sonst lasse ich dich mit Pferd und Karren aufhängen. Wie Eulenspiegel das hörte, kroch er geschwind aus seinem Lande heraus, fuhr den Karren vor die Allerbrücke und ladete die Erde ab, spannte sein Pferd aus, liess den Sturzkarren stehen, setzte sich auf sein Pferd und ritt im Galopp fort, bis er über die Grenze war; denn er fürchtete, dass aus dem Spass nun Ernst werden möchte. Daher ist die Sage entstanden, dass Eulenspiegels erkauftes Erbland vor der Allerbrücke liege.

 

22.

Eulenspiegel wird Maler bei dem Landgrafen von Hessen.

 

Eulensp. wird Maler bei dem Landgrafen v. Hessen.

Da nun Eulenspiegel das Lüneburgische gänzlich meiden musste, durchstreifte er ganz Hessen, und kam auch nach Marburg, wo damals der Landgraf von Hessen residirte. Wie er nun hier durch seine Gaukeleien und Kunststücke sehr bekannt wurde, musste er auch aufs Schloss kommen, denn der Landgraf hatte schon früher viel von ihm gehört und freuete sich, diesen Wundermann persönlich kennen zu lernen; denn dergleichen Leute waren in den damaligen Zeiten sehr beliebt. Nachdem nun Eulenspiegel manche Possen gemacht hatte, fragte ihn der Landgraf, was er sonst noch gelernt hätte. Eulenspiegel antwortete: Ich bin ein Künstler. Hierüber freuete sich der Landgraf sehr, denn er glaubte einen Alchymisten (Goldmacher) an ihm zu finden, weil er die Alchymie sehr liebte und sich oft damit beschäftigte; desshalb fragte er Eulenspiegel, ob er ein Alchymist wäre. Nein, antwortete Eulenspiegel, ich bin ein Kunstmaler, desgleichen nicht gefunden; meine Arbeit übertrifft die aller andern. Das ist schön, sagte der Landgraf, solch einen Maler hätte ich schon längst gern gehabt. Darauf zeigte Eulenspiegel dem Landgrafen verschiedene schön gemalte Bilder, die er ohne Geld von Andern mitgenommen hatte. Diese gefielen dem Fürsten sehr und er sprach zu Eulenspiegel: Was soll ich dir geben, wenn du im grossen Saale die ganze Herkommenschaft der Landgrafen von Hessen und ihre Befreundung mit andern Königen und Fürsten nach zeitgemässer Abstammung in einer Reihenfolge schön lebhaft malst? Eulenspiegel antwortete: So wie Eure fürstlichen Gnaden befehlen, möchte es wohl 400 Gulden und freies Essen kosten. Der Landgraf genehmigte diese Forderung und sagte: Mache deine Sache nur gut, so will ich dir noch mehr geben. Darauf forderte Eulenspiegel 100 Gulden Vorschuss, um, wie er sagte, Farben zu kaufen und Gesellen zu verschreiben. Dies Geld erhielt er, und verschrieb auch drei Gesellen; als er aber mit dem Malen anfangen wollte, bedingte er sich erst vorher aus, dass Niemand in den Saal kommen dürfte, so lange er male. Auch diess bewilligte ihm der Landgraf. – Eulenspiegel lebte nun mit seinen Gesellen so herrlich, wie der Vogel im Hanfsamen. Die Gesellen, denen das Müssigsitzen endlich unangenehm war, verlangten zu arbeiten; aber Eulenspiegel sagte: Seid nur ruhig, und lasst mich sorgen, damit ich beim Fürsten in gutem Rufe bleibe. Ist es denn nicht gut, dass wir 100 Gulden haben? und wenn diese alle sind, lasse ich mir aufs neue 100 Gulden geben. Dies lustige und faule Leben dauerte wohl 4 Wochen; allein nun verlangte der Fürst die Malerei zu besehen. Er liess Eulenspiegel rufen, und sprach: Maler, uns verlanget eure Arbeit zu sehen. Eulenspiegel sprach: Ja, Eure fürstlichen Gnaden; aber eins muss ich zuvor noch sagen: wer nicht von ehelicher Geburt ist, der kann mein Gemälde nicht sehen. Der Fürst wunderte sich und sprach: Du bist ja auf diese Art ein ausserordentlicher Künstler und ging mit Eulenspiegel in den Saal. Eulenspiegel hatte aber an der Wand, wo die Gemälde hin sollten, ein grosses leinenes Tuch ausgespannt. Da zog Eulenspiegel das Tuch ein wenig seitwärts, zeigte mit einem kleinen Stöckchen an die weisse getünchte Wand, und sagte zum Landgrafen: Sehet, gnädiger Fürst, dieser Herr, das ist der erste Landgraf von Hessen und ein Columneser von Rom gewesen, und hat zur Gemahlin des wilden Justiniani Tochter gehabt, welcher Herzog von Baiern war, und hernach Kaiser wurde. Sehet, von dem ward geboren Adolphus, der zeugte Wilhelm den Schwarzen, Wilhelm zeugte Ludwig den Frommen, und so fort bis auf Eure fürstlichen Gnaden. Nun hoffe ich, dass Niemand meine Arbeit tadeln wird; sie ist nicht allein schön und lebhaft, sondern die Stammlinie ist auch richtig. Der Landgraf wunderte sich über des Malers Erklärung, konnte aber weiter nichts sehen, als die weisse Wand, und dachte bei sich selbst: Sollte ich denn auch nicht ehelich geboren sein? Ich sehe ja weiter nichts, als die weisse Wand. Und er sprach zum Maler: mir gefällt deine Kunst wohl, nur habe ich nicht Kenntniss genug in diesem Fache, um sie beurtheilen zu können und ging weg. Als der Landgraf zu seiner Gemahlin kam, fragte sie ihn: Lieber Herr Gemahl, wie weit ist euer Künstler im Saale? Ihr habt die Malerei doch gesehen, und wie gefällt euch die Arbeit? ich selbst habe schwachen Glauben dazu; denn dem Maler sieht die Schalkheit aus den Augen. Der Fürst antwortete: Die Erklärung seiner Arbeit gefällt mir wohl, aber die Malerei selbst habe ich noch nicht gesehen. Nun, sagte die Fürstin, so wollen wir sämmtlich hingehen und die Arbeit besehen. Der Fürst antwortete: Ja mit des Meisters Willen könnt ihr sie sehen. Und nun kam die Fürstin mit acht Hofdamen und der Hofnärrin in den Saal und verlangten das Gemälde zu sehen. Eulenspiegel sagte zur Fürstin, wie er zum Fürsten gesagt hatte: Wer nicht von ehelicher Geburt ist, der kann meine Arbeit nicht sehen. Darauf zog Eulenspiegel das weisse Tuch etwas zurück, und erzählte der ungläubigen Fürstin die ganze Stammlinie des Landgrafen. Alle sahen nun starr an die Wand, und sahen doch kein Gemälde, schwiegen aber still und dachten bei sich selbst: Sollten wir denn alle unehelicher Geburt sein? das wäre doch wunderbar, und ist nicht glaubhaft. – Die Hofnärrin war indessen dreist genug, Eulenspiegel folgendermassen anzureden: Mein lieber Meister, ich kann nichts von eurem Gemälde sehen, und sollte ich auch zeitlebens für ein uneheliches Kind erklärt werden. – Wie Eulenspiegel das hörte, wurde er besorgt, dass seine Schelmerei zu früh entdeckt würde; er suchte desshalb die Hofdamen über diese drollige Redensart in's Lachen zu bringen und mit guter Manier aus dem Saale zu entfernen. Darauf ging die Fürstin zu ihrem Gemahl, um mit ihm davon zu reden, denn sie vermuthete schon die Betrügerei. Der Fürst fragte sie aber gleich beim Eintreten in's Zimmer, wie ihr das Gemälde gefallen hätte, und sie antwortete: Eben so wie es Euer Lieben gefallen hat; aber meine Hofdamen haben seine Worte sehr übel genommen. Ich traue dem Maler gar nicht. Der Landgraf sah ein, dass er von einem Windbeutel angeführt war, und liess Eulenspiegel sagen, er sollte eilen, damit er mit seiner Malerei fertig würde, weil morgen der ganze Hofstaat sie zu sehen wünsche, und es sich dann aufklären solle, ob Alle bei Hofe von unehelicher Geburt wären. – Jetzt, dachte Eulenspiegel, ist es Zeit, dass du dich aus dem Staube machst, ging heimlich zum Rentmeister, und liess sich nochmals 100 Gulden geben, unter dem Vorwande, dass er geschwind noch Farben kaufen müsste, damit er das Gemälde bis morgen fertig machen könnte. Als er das Geld empfangen hatte, verabschiedete er heimlich seine Gesellen und eilte selbst, dass er weg kam. Des andern Tages ging der Landgraf mit seinem ganzen Hofstaate in den Saal, und glaubten Eulenspiegel da zu finden; aber er war nicht mehr da. Einer von der Gesellschaft nahm das weisse Tuch von der Wand, um die schöne Kunst zu betrachten; allein Alle sahen auch weiter nichts, als die weisse Wand. Da wurde der Graf zornig, weil er um 200 Gulden geprellt worden war, und liess sogleich in seinem ganzen Lande den Befehl ergehen, dass, wo man Eulenspiegel anträfe, er sogleich verhaftet und unter sicherer Bedeckung nach Marburg gebracht werden sollte. Eulenspiegel hatte sich indessen schnell über die Grenze gemacht, und sich seitdem daselbst nicht wieder sehen lassen.

 

23.

Eulenspiegel wäscht zu Neugefleten in Thüringen die Pelze.

 

Da Eulenspiegel das Hessische meiden musste, so reisete er in's Thüringische und kam in das Dorf Neugefleten. Hier kehrte er in einem Wirthshause ein. Die Wirthin fragte Eulenspiegel, was er für ein Handwerksgeselle wäre. Er antwortete: Ich bin ein Wahrsager. Die Wirthin sagte: Ich beherberge gern die Leute, welche die Wahrheit sagen. Eulenspiegel sieht die Frau an und bemerkte, das sie schielte und sagte zu ihr: Schieligte Frau wo soll ich mein Bündel hinlegen? – Ach, dass dir nimmer gutes geschehe! antwortete die Wirthin; den Fehler hat mir noch Niemand vorgehalten und du thust es? – Eulenspiegel sagte: Liebe Frau, soll ich die Wahrheit sagen, so kann ich dies nicht verschweigen. Diese Antwort beruhigte die Wirthin, und sie plauderte mit Eulenspiegel, ein Langes und Breites. Unter Anderm erzählte Eulenspiegel, wie er alte Pelze waschen und dadurch so gut als neu machen könne. Das ist ja schön, sagte die Frau, und bat ihn, dass er ihre und ihrer Nachbarinnen Pelze waschen möchte, er könnte damit Reisegeld verdienen. Eulenspiegel sagte: O ja, bringet sie nur her. Und fast alle Frauen des Dorfes waren so thöricht, und glaubten Eulenspiegel. Als er mehrere Pelze bekommen hatte, sprach er: Jeder Pelz kostet 2 Groschen zu waschen, und sollen sie recht schön werden, so müsst ihr mir süsse Milch geben, dass ich sie damit waschen kann. Dies thaten die Weiber, holten so viel süsse Milch als er haben wollte, und brachten ihm auch für einen jeden Pelz 2 Groschen. Als Eulenspiegel dieses hatte, sprach er: Nun muss jede Frau in den Wald gehen und mir junges Lindenholz holen, denn dies brauche ich auch dazu. Die gutmüthigen Weiber gingen alle nach dem Walde, um das verlangte Holz zu holen, freueten sich sehr und sangen: O, schöne neue Pelze! Als die Weiber nun weg waren, nahm Eulenspiegel alle Pelze, legte sie in einen Kessel, goss die Milch, die er noch hatte, (einen grossen Theil hatte er schon selbst verzehrt) darauf und nun noch so viel Wasser dazu, dass die Pelze bedeckt waren, setzte den Kessel aufs Feuer und heizte fleissig unter, damit sie schnell in's Kochen kamen, und dann eilte er, dass er aus dem Dorfe kam, denn mit leichter Mühe hatte er sich wieder Geld erworben. – Als nun die Weiber wieder zurück kamen, glaubten sie Eulenspiegel mit ihren Pelzen beschäftigt zu finden; aber Eulenspiegel war fort. Jetzt wurden sie auch gewahr, dass ihre Pelze auf dem Feuer standen und gänzlich zerkocht waren; und dazu hatten sie ihm noch Geld und Milch gegeben. Darüber äusserst zornig, beschlossen die Frauen, dass Eulenspiegel den ganzen Schaden bezahlen und obendrein eine tüchtige Tracht Prügel haben sollte. Aber Eulenspiegel hatte den Braten gerochen, denn er ist nie wieder dahin gegangen.

Eulensp. wäscht zu Nugefleten den Weibern die Pelze.

 

24.

Eulenspiegels Bosheit an den Schaarwächtern zu Nürnberg.

 

Als Eulenspiegel schon an vielen Orten die Leute angeführt hatte, so dachte er, du sollst doch noch einmal nach Nürnberg reisen, vielleicht gelingt es dir abermals, dort unerkannt einen Streich auszuführen. Als er sich einige Tage in Nürnberg aufgehalten hatte, gab er folgende Dummheit an, welche einigen Menschen beinah das Leben gekostet hätte. Er ging nämlich eines Abends spät beim Rathhause vorbei, und sieht die Schaarwächter in ihrer Wache unter dem Rathhause schlafen; jetzt, denkt er, ist es Zeit, euch anzuführen. Eulenspiegel wusste in Nürnberg Weg und Steg im Dunkeln, und so ging er über den Saumarkt nach der Brücke, die über die Pegnitz führt, brach von dieser Brücke einige Bohlen los, und warf diese in das Wasser, damit hier ein Loch in der Brücke entstand. Nun ging er vor das Rathhaus, und machte allerlei Lärm, nahm auch einen Degen, und schlug damit auf die Steine, dass die Funken herausflogen. Da dies die Schaarwächter hörten und sahen, sprangen sie auf, und liefen ihm nach. Eulenspiegel nahm die Flucht über den Saumarkt und die Pegnitzbrücke. Da er nun aber wusste, wo er die Bohlen weggerissen hatte, so konnte er sich vor dem Loche leicht in Acht nehmen und ohne Gefahr hinüber springen. Als er nun jenseits der Brücke war, rief er den Wächtern zu, die ihn weiter zu verfolgen keine Lust hatten: Hoho, wo bleibt ihr verzagten Memmen? Als die Wächter dieses Rufen hörten, wollten sie geschwind über die Brücke laufen, um den Spötter zu fangen; so wie sie aber an die Oeffnung kamen, stürzten sie, weil man wegen Dunkelheit der Nacht gar nichts sehen konnte, in's Wasser. Die Pegnitz war nicht tief an dieser Stelle, um desto schrecklicher hatte aber der Fall ihnen geschadet. Der eine zerschlug sich sein Gesicht, der andere brach ein Bein, und der Dritte einen Arm. Hoho! rief Eulenspiegel spöttisch, was macht ihr denn da unten? zu diesem Glücke hättet ihr noch morgen kommen können, und nicht zu laufen nöthig gehabt. Da dieser boshafte Streich vor den hochweisen Rath kam, setzte derselbe einen Preis auf die Entdeckung des Thäters. Eulenspiegel aber, der vorher einsah, dass diese Geschichte nicht gut ablaufen würde, machte sich noch in derselben Nacht auf und davon.

Eulensp. Schalkheit an den Scharwächtern zu Nürnberg

 

25.

Eulenspiegel erhält durch List ein Mittagsessen und noch Geld dazu.

 

Als sich nun Eulenspiegel aus Würzburg weggemacht hatte, und gar nichts hatte mitnehmen können, so kam er des andern Tages gegen Mittag zu Erlangen hungrig und durstig an. Er kehrte zufällig in einem Wirthshause ein, wo eine lustige Wirthin, mit Namen Königin war. Diese nahm Eulenspiegel sehr freundlich auf, denn sie merkte an seiner sonderbaren Kleidung, dass er ein abenteuerlicher Gast sein müsse. Die Wirthin fragte ihn, ob er bei Tafel mit den andern Gästen essen, oder sich nur für einige Pfennige geben lassen wolle. Eulenspiegel antwortete: Ich bin ein armer Handwerksgesell; ich bitte euch daher, schenkt mir etwas aus gutem Willen, wenn ihr irgend Mitleiden mit einem Handwerksburschen habt. – Die Wirthin antwortete: Ei, guter Freund, in dem Fleisch-Scharren schenkt man mir nichts, darum kann ich auch nichts verschenken. Eulenspiegel merkte wohl, dass durch Bitten sein leerer Magen nicht voll würde; er dachte daher durch List die Wirthin zu betrügen, und fragte sie deshalb ob er denn um Geld essen und trinken könne. O ja, sagte die Wirthin, an dem Herrentische um 24 Pfennige, an dem Bürgertische um 18 Pfennige, und bei den Bauern um 10 Pfennige. Nun, sagte Eulenspiegel, das Beste ist für mich gut genug, und setzte sich mit an die Herrentafel. Nachdem er sich nun recht gütlich gethan, und seinen hohlen Magen gefüllt hatte, ging er zur Wirthin, und bat sie, ihn abzufertigen, weil er der Arbeit halber weiter reisen müsse. Gut, sagte die Wirthin, ihr bezahlt für die Mahlzeit 24 Pfennige, und dann könnt ihr gehen, wohin ihr wollt. Nein, sagte Eulenspiegel, so haben wir nicht gewettet, sondern ihr bezahlt mir 24 Pfennige. Habe ich euch nicht gefragt, ob ich um Geld essen und trinken könne, und ihr sagtet ja. Nun habe ich euren Willen befolgt, und habe mir's bei der Herrentafel recht sauer werden lassen; ich ass, dass mir der Schweiss an der Stirn herunter lief, ja, als wenn es mein Leben gegolten hätte. Die Wirthin sah wohl ein, dass sie mit diesem närrischen Kerl nichts ausrichten konnte, gab ihm 24 Pfennige und liess ihn laufen.

Eulensp. erhält in Bamberg durch List ein Mittagessen.

 

26.

Eulenspiegel kauft zu Quedlinburg eine Menge Hühner und hinterlässt den Hahn zum Unterpfande.

 

Schon manche Schelmenstreiche und Bübereien mochte der abenteuerliche Eulenspiegel hier und da wieder ausgeübt haben, ehe er von Erlangen nach Quedlinburg kam; indessen hier, wo gerade Jahrmarkt war, und es ihm wieder am Besten, nämlich am Gelde, fehlte, betrog er eine arme Bauerfrau um einen Korb voll Hühner. Er missbrauchte die deutsche Redlichkeit überall, welche damals Jedem aufs Wort glaubte, und betrog die Leute, wenn er nur konnte. – Eulenspiegel ging in Quedlinburg auf dem Markte umher, um zu sehen, ob er nichts zum Stillen seines Hungers finden könnte, und kam zu einer Bäuerin, die einen Korb voll Hühner, nebst einem Hahn hatte, welche sie feil bot. Eulenspiegel fragte sie, was das Paar davon kosten sollte. Sie antwortete: 4 Groschen. Er sprach: Könnt ihr sie nicht wohlfeiler geben? Sie sagte: Nein. Da nahm Eulenspiegel den Korb mit den Hühnern, und lief dem Burgthore zu; die Frau aber lief ihm nach und rief: Halt, Freund, wie soll ich das verstehen! willst du mir denn die Hühner nicht bezahlen? Eulenspiegel blieb stehen und antwortete ihr: Das geht mich nichts an, ich bin der Aebtissin ihr Schreiber. – Was kümmert mich das, wer du seiest; wenn du die Hühner bezahlst, so kannst du sie behalten. Denn mein seliger Vater hat mich gelehrt, ich solle denen nichts borgen, oder vorher geben, vor denen man sich neigen müsse, weil man sie nicht gut mahnen könnte – und so eine ist die Aebtissin auch. – Eulenspiegel sagte: Liebe Frau, sei doch nicht so misstrauisch! doch damit ihr sehet, dass ich ehrlich handle, so nehmt hier den Hahn zum Unterpfande hin, und wartet hier so lange, bis ich wieder komme, und euch das Geld bringe. Die treuherzige Frau glaubte dem Windbeutel, nahm ihren eigenen Hahn zum Unterpfande an, und wartete den ganzen Tag auf das Geld; als aber Eulenspiegel noch nicht zurück kam, ging sie selbst zur Aebtissin, um das Geld zu holen. Allein diese versicherte ihr, dass sie keine Hühner hätte kaufen lassen. Die Frau ging betrübt nach Hause, und liess sich künftig Alles gleich baar bezahlen.

Eulensp. kauft zu Quedlinburg Hühner und hinterlässt der Bauernfrau ihren eigenen Hahn zum Unterpfand

 

27.

Eulenspiegel vermiethet sich in Rostock als Schmiedeknecht.

 

Da Eulenspiegel nach so manchen Orten, wo er seine Schelmenstreiche und Bübereien zu arg gemacht hatte, nicht wieder kommen durfte, so dachte er, nachdem er seinen Hunger durch Hühnerbraten gestillt und die übrigen Hühner verkauft hatte, darüber nach, welchen Weg er nehmen wollte, und wanderte auf Rostock zu. Nachdem er hier angekommen war und seine Narrenspossen zeigte, wollte ihm niemand etwas dafür geben: er musste sich deshalb zum Arbeiten bequemen und vermiethete sich als Schmiedeknecht bei einem Meister. Dieser Schmied hatte sich ein Sprichwort angewöhnt, dass er immer, wenn der Knecht den Blasebalg ziehen sollte, wiederholte. Als nun Eulenspiegel mit dem Blasen etwas nachliess, rief der Meister sein Sprichwort: Hoho, folget mit den Bälgen nach. Indem er diese Worte gesagt hatte, ging er auf den Hof. Eulenspiegel nahm geschwind den Blasebalg auf die Schultern, und lief dem Meister nach in den Hof, und sprach: Wo soll ich ihn hinlegen, ich will den andern auch geschwind holen. Der Meister sah sich um und sagte: Tyll, bist du wahnsinnig, oder was fehlt dir? sogleich bringe mir den Blasebalg wieder an seine Stelle! – Der Meister aber, welcher wohl merkte, dass Eulenspiegel dieses aus Schalkheit gethan hatte, dachte an eine Wiedervergeltung; er wurde daher mit dem andern Knechte einig, dass er 5 Nächte hintereinander um Mitternacht wecken wolle. Dies gefiel aber Eulenspiegel gar nicht, und als der Meister dies schon drei mal gethan hatte, sagte der andere Knecht zum Schein: Was meint unser Meister wohl damit, dass er uns nicht länger will schlafen lassen, er pflegte doch sonst so früh nicht zu wecken? – Eulenspiegel antwortete: Wenn dir es nicht zuwider ist, so will ich den Meister um die Ursache fragen. Und sein Mitknecht sagte: Das soll mir recht lieb sein; denn immer so früh aufzustehen, habe ich keine Lust. Eulenspiegel fragte also: Lieber Meister, was heisst denn das, dass ihr uns jede Nacht nur 2 höchstens 3 Stunden schlafen lasset? Der Meister antwortete: Es ist meine Weise so, dass ich die neu angenommenen Knechte nicht länger schlafen lasse. Eulenspiegel sagte nichts dawider; aber in der folgenden Nacht, wie der Meister weckte, stand der andere Knecht auf und ging hinunter an die Arbeit, unterdessen nahm Eulenspiegel das Bett, band es auf seinen Rücken, und ging damit an den Ambos, und schlug so derb auf das glühende Eisen, dass die Funken auf das Bett flogen. Als der Meister Eulenspiegel mit dem Bette sah, ward er zornig und sprach: Bist du toll? was soll das Bett auf deinem Rücken? Er antwortete: Meister, zürnet nicht über mich; es ist meine Weise so, dass ich die eine halbe Nacht auf dem Bette, und die andere halbe Nacht das Bett auf mir liegen muss. Die Antwort verdross den Meister noch mehr, und er sagte: Sogleich trage das Bett an seinen Ort, und gehe mir oben aus dem Hause, du Bösewicht! Eulenspiegel sagte: Ja, das will ich thun, brachte das Bett auf die Kammer, nahm seine Sachen, holte eine Leiter und stieg unter das Dach, deckte es auf, kletterte auf die Latten, zog die Leiter zum Dach heraus und stellte sie hinunter auf die Strasse, stieg hinab und ging fort. Als der Meister das Gepolter oben im Hause hörte, ging er mit dem andern Knechte hinauf, um zu sehen, was es wäre, und siehe, Eulenspiegel war zum Dache herausgestiegen und hatte seines Meisters Befehl pünktlich erfüllt. So aufgebracht der Meister auch darüber war, so musste er sich doch zufrieden geben, und das Dach wieder zumachen lassen, denn Eulenspiegel war schon zum Thore hinaus. Der Knecht aber sagte: Wer Eulenspiegel nicht kennen lernt, der kommt am besten weg, denn er ist ein Taugenichts.

Eulensp. vermietet sich zu Rostock als Schmiedeknecht

 

28.

Eulenspiegel giebt sich für einen Wahrsager aus.

 

Als nun Eulenspiegel aus Rostock wegging schlug er die Strasse nach Wismar ein. Unterwegs sah er ein Pferd auf der Weide grasen, das gefiel ihm und er fragte es deshalb: Wem gehörst du? Da das Pferd ihm nicht antworten konnte, sprach Eulenspiegel: Ich antworte, du sollst mein sein, setzte sich auf das Pferd und ritt nach Wismar. Als er vor das erste Wirthshaus daselbst kam, sah er gegenüber bei einem Hufschmied eine hübsche Frau mit einer Magd vor der Thüre stehen. Er stieg ab, band sein Pferd an, und machte sich gleich mit diesen bekannt. Die Frauensleute fragten ihn, was er wäre. Eulenspiegel antwortete: Ich bin ein Wahrsager. O, das ist gut, sagten die Frauensleute, so sagt uns doch die Wahrheit. Eulenspiegel sprach: Morgen früh will ich mein Pferd beschlagen lassen, wenn ihr mir nun dazu die Hufeisen schenkt, so will ich euch die Wahrheit sagen. Am andern Morgen kam Eulenspiegel mit seinem Pferde in die Schmiede; die Frauensleute freueten sich, dass er Wort hielt, kamen vor die Thür, und grüssten ihn. Indem kam auch der Schmied und fragte ihn, ob er das Pferd wolle beschlagen haben. Eulenspiegel sagte: Ja! und fing mit dem Meister ein Gespräch an, und als der Schmied erfuhr, wer dieser Fremde sei, fragte er ihn, ob er ihm auch die Wahrheit sagen wolle. Eulenspiegel sprach: Wenn ihr Eisen und Kohlen genug habt, und euer Blasebalg vielen Wind macht, so könnt ihr fleissig schmieden, und wenn ihr das thut, so habt ihr Brod. Der Schmied sagte: Das ist die reinste Wahrheit, dafür will ich deinem Pferde ein Hufeisen aufschlagen lassen. Und da der Schmiedeknecht das Eisen aufschlug, fragte dieser ihn, ob er ihm auch die Wahrheit sagen könne. Eulenspiegel sprach: Du wirst bald Meister werden, und unter dem Ambos, worauf du schmieden wirst, steht eine Goldgrube; wenn du nun recht fleissig bist, so wirst du Goldstücke herausschlagen. – Der Knecht sagte: O, das ist schön! nun will ich auch recht fleissig sein, und tüchtig auf den Ambos schlagen, damit der Schatz heraus kommt. Nun will ich dir auch ein Hufeisen schenken. Als dies die Frau und das Mädchen hörten, traten sie näher und wollten auch die Wahrheit wissen. Zu der Frau sagte er: Vieles Stehen vor der Thür, das macht schön und beliebt bei den Leuten. Das ist wahr! sagte die Frau, und dafür sollst du auch von mir ein Hufeisen haben. Der Meister sagte aber: Ja, vieles Stehen vor der Thür, zeiget deine Faulheit mir! Und nun fragte auch das Mädchen, welches sehr verliebt war, was er ihr wahrsagen könne. Eulenspiegel antwortete: Wenn du hübsche Dirne dich gut aufführest, so wirst du bald einen jungen Mann bekommen, und wenn du issest, so hüte dich vor zähem Rindfleisch, denn es bleibt in den Zähnen sitzen und man bekommt Leibschmerzen darnach. Gewiss, das ist wahr, antwortete sie und bezahlte auch ein Hufeisen für Eulenspiegels Pferd – und so hatte Eulenspiegel mit seinem Maulschwatzen sich 4 Hufeisen verdient.

Eulensp. gibt sich für einen Wahrsager aus.

 

29.

Eulenspiegel kommt bei einem Dorfschuster in Arbeit.

 

Nachdem nun Eulenspiegel das Pferd gut beschlagen bekommen hatte für sein Wahrsagen, setzte er sich darauf, und ritt von Wismar weg. Er versuchte nun hier und da seine Narrenspossen zu zeigen, allein man wollte ihm nichts dafür geben, und er musste sein Pferd wieder verkaufen. Als dieses Geld verzehrt war, und er kein Mittel wusste, wodurch er Brod erhielt, kam er im Mecklenburgischen in ein Dorf, und sah vor einem Fenster neue Schuh stehen. Da ihm nun selbst Schuhe fehlten, denn die er anhatte, waren entzwei, so dachte er, das Umherlaufen bringt wenig ein, du sollst dich deshalb für einen Schuhknecht ausgeben, so bekömmst du Brod. Eulenspiegel ging in das Haus, und fragte den Schuster, ob er einem geschickten Knecht Arbeit geben könne. Dieser, der viele Arbeit hatte, nahm Eulenspiegel an. Kurz darauf, musste der Meister nach Wismar auf den Markt, und sagte am Abend vorher zu Eulenspiegel: Ich gehe morgen zu Markte, und du kannst unterdessen zuschneiden. Da fragte Eulenspiegel den Meister, was für Formen er denn haben wollte, – und der Meister sagte im Scherz: Schneide grosse und kleine, wie sie der Hirt zum Dorfe hinaus treibt. Am andern Morgen, wie der Meister schon fort war, machte sich Eulenspiegel über das Leder her und schnitt Ochsen, Kühe, Kälber, Schafe und Schweine daraus zu. Da der Meister desselben Tages wieder zu Hause kam und sah, was sein Knecht geschnitten hatte, ward er sehr zornig und sprach: Knecht! was hast du gemacht? bist du rasend? wozu dient nun diese Schnitzelei? – Eulenspiegel antwortete: Lieber Meister, ich habe gethan, was ihr mich geheissen habt. Der Meister sprach: Habe ich dich Schlingel geheissen, das Leder zu zerschneiden? – Eulenspiegel antwortete: Meister, warum seid ihr doch so zornig! sagtet ihr nicht zu mir, ich sollte zuschneiden gross und klein, wie sie der Hirt zum Dorfe hinaus triebe? und das habe ich nun gethan. Der Meister sagte: Ich wollte damit nur sagen, dass grosse und kleine Schuhe davon werden sollten, und zwar für Menschen, und nicht für das Vieh. Eulenspiegel antwortete: Meister hättet ihr mir das gesagt, so hätte ich es gern gethan, da ihr aber sagtet: Wie sie der Hirte zum Dorfe hinaus treibt, so fiel mir's auch nicht ein, an etwas anderes, als an das liebe Vieh zu denken. Wie nun Eulenspiegel den Meister überführt hatte, dass er selbst Schuld daran wäre, dass das Leder zerschnitten sei, so vertrugen sie sich wieder, und Eulenspiegel gelobte, er wolle in Zukunft Alles machen, wie er's ihm befehle. Nun schnitt der Meister wieder neue Schuhe zu und zwar verschiedene Sorten, grosse und kleine, gab sie Eulenspiegel zum Nähen und sprach: Nun nimm und nähe sie, die grossen wie die kleinen, alle durcheinander; und Eulenspiegel sagte: Ich will es machen, wie ihr es haben wollt. Der Meister dachte: Nun will ich doch den närrischen Kerl belauern, und ging nicht gleich, wie sonst seine Gewohnheit war, aus; denn er ging gern spazieren, oder sass in Wirthshäusern, und liess es zu Hause gehen, wie es wollte. Wie der Meister nun auf seinen Gesellen achtete, sieht er, dass derselbe grosse und kleine Schuhe zusammennähet, und er sprach zu ihm: Du bist mir der rechte Knecht, du thust Alles, was ich dich heisse. Eulenspiegel antwortete: Wenn man thut, was einen geheissen wird, so wird man nicht geschlagen; ihr habt mich's also geheissen. Ja, sagte der Meister, meine Worte waren aber nicht so zu verstehen, sondern du solltest grosse und kleine Schuhe machen, jede Sorte aber besonders. Du verstehst ja Alles verkehrt! – In dieser Verdriesslichkeit nahm ihm der Meister die zugeschnittenen Schuhe weg, gab ihm ganze Häute und sagte: Hier hast du anderes Leder, dies schneide über einen Leisten; der Meister ging darauf nach seiner Gewohnheit aus. Als er ohngefähr eine Stunde weg war, dachte er erst darüber nach, was er seinen Knecht geheissen hatte, und lief eilend nach Hause. Indem er in die Stube trat, sah er, dass Eulenspiegel sass, und zerschnitt das Leder über den kleinsten Leisten, ja sogar in Riemen und Schnitzeln. Im grössten Zorn rief er aus: Knecht! bist du denn ganz verrückt? was soll man mit der Stückelei machen? können daraus Schuhe werden? Eulenspiegel antwortete: Habt ihr mich's doch geheissen! ihr wisst ja, dass ich gern thue, was mich geheissen wird; und nun ist's doch nicht recht? – O, du Bösewicht! rief der Meister, nun hast du wieder alles Leder zerschnitten! was fange ich nun an? – Eulenspiegel antwortete: Habt euch nur nicht gar so übel, der Gerber hat ja mehr Leder, als ihr braucht! und je mehr Leder ihr zerschneidet, desto lieber ist es dem Gerber, denn er bittet ja auch um's tägliche Brod. Der Meister sagte: Du Schlingel frägst nichts darnach, wenn ich auch als Betrüger davon laufen müsste. Du sollst mir das Leder bezahlen! – Gut, sagte Eulenspiegel, wer die Schuhe zerreisst, bezahle das Leder, und stand auf, legte den Leisten zur Seite, ging zur Thür hinaus und sagte: Wenn ich nicht wieder komme, so bin ich doch da gewesen.

Eulensp. wird Schusterknecht und zuschneidet das Leder.

 

30.

Eulenspiegel fettet einem Bauer die Suppe mit Fischthran.

 

Als Eulenspiegel vom Dorfschuster weggegangen war, den er so schändlich angeführt hatte, kam er als Schuhknecht wieder nach Wismar zu einem Meister, der ihn in Arbeit nahm. Des andern Tages ging der Meister auf den Markt und kaufte ein Fuder Holz. Nachdem er mit dem Bauer um den Preis des Holzes einig geworden war, forderte letzterer als Zugabe noch eine Suppe, die er ihm auch versprach; und so brachte er den Bauer mit dem Fuder Holz vor sein Haus. Da aber seine Frau ausgegangen war, und er zufällig nach Jemand hingerufen wurde, der geschwind ein Paar Schuhe angemessen haben wollte, so sagte er zu Eulenspiegel, er möchte doch dem Bauer eine Suppe kochen. Da nun Eulenspiegel hierzu nichts vorräthig fand, so fragte er den Meister: Was soll ich aber zur Suppe nehmen? Dieser antwortete: Nimm, was da ist! und ging eilend aus dem Hause. Eulenspiegel bereitete nun eine Suppe mit Wasser, konnte aber weder Butter noch Fett dazu finden. Endlich fand er eine Kruke mit altem stinkenden Fischthran; diesen nahm er und kochte dem hungrigen Bauer die Suppe recht fett damit. Als dieser anfing zu essen, war ihm der Geruch und der Geschmack sehr zuwider; doch wenn der Mensch ausgehungert ist, was geniesst er dann nicht, um den Hunger zu stillen; so ging's auch dem armen Bauer. Nun kam der Schuster wieder zu Haus, fand den Bauer noch da und fragte ihn: Wie hat ihm die Suppe geschmeckt? Er antwortete: Wie lauter Thran, der Hunger trieb sie hinein. Der Bauer machte indess, dass er fort kam, weil ihm nach der Suppe nicht wohl wurde. Der Schuster fragte deshalb Eulenspiegel, was er zu der Suppe genommen hätte, und er erzählte ihm, dass er zum Fetten der Suppe Thran hätte nehmen müssen. Darüber lachte der Schuster und sagte: Das war für den Bauer gut genug. Eulenspiegel sagte: Nicht wahr, das hat euch gefallen und mir auch. Wer über Andere lacht, der wird oft am ärgsten angeführt. Dies sagte Eulenspiegel nicht ohne besondern Grund; denn er betrog seinen Meister um eine bedeutende Summe Geldes und eilte dann, dass er aus Wismar kam.

Eulensp. schmelzt einem Bauern die Suppe mit Fischthran.

 

31.

Eulenspiegel kommt nach Braunschweig und lässt seine Stiefel spicken.

 

Nachdem Eulenspiegel Wismar verlassen hatte, trieb er sich im Mecklenburgischen umher; denn er hatte nun wieder Geld und lebte herrlich und in Freuden. Ueberall, wo er durchkam, gab er närrische und dumme Dinge an; und weil er in Braunschweig lange nicht gewesen war, so nahm er seinen Weg über Uelzen dahin. In Braunschweig angekommen, ging er zu einem Stiefelmacher, mit Namen Stoppel, welcher auf dem Kohlmarkte wohnte, bei dem er sich seine Stiefel schmieren lassen wollte, denn sie waren ziemlich hart geworden. Er sprach zu dem Meister: Wollt ihr mir meine Stiefel spicken? Ich möchte sie aber morgen gern wieder haben. Der Meister antwortete: Ja, morgen sollen sie bestimmt fertig sein. Als Eulenspiegel weg war, sagte der Gesell: Meister, das war der schalkhafte Eulenspiegel, dem muss man seine Sachen machen, wie er's bestellt, und wenn es auch verkehrt wäre, sonst sagt er, er hätte es nicht so bestellt; denn er macht auch Alles gerade so, wie man's ihm sagt. Der Meister befolgte diesen Rath, nahm die Stiefel, spickte sie, wie man einen Braten spickt und hing sie an die Wand. Andern Tag's kam Eulenspiegel und fragte, ob seine Stiefel fertig wären. Da hängen sie, antwortete der Meister. Eulenspiegel nahm die Stiefel, besah sie, lachte und sprach: Ihr seid doch ein wackerer Meister, denn ihr macht es, wie man es euch sagt. Was wollt ihr dafür haben? Er sagte: Einen alten Groschen. Eulenspiegel gab ihm den alten Groschen und ging fort. Der Meister und sein Gesell lachten und sprachen zu einander: So ist Eulenspiegel doch noch nie angeführt worden. Als sie darüber lachten, kam Eulenspiegel wieder zurück vor das Stubenfenster, das eben offen stand, woran er gerade mit seinen Schultern reichte, und stiess so heftig gegen das Fenster, dass viele Glasscheiben zur Stube hineinfielen, mit den Worten: Meister, was ist das für Speck, womit ihr meine Stiefel gespickt habt, ist er von einer Sau oder von einem Eber? Da der Stiefelmacher die Fensterscheiben zerstossen sah, rief er: Was unterstehst du dich, Bösewicht, mir das Fenster zu ruiniren? ergriff sein spanisches Rohr, um auf Eulenspiegel loszuschlagen, aber dieser machte eine verzogene lächerliche Miene und sprach: O lieber Meister, erzürnt euch nicht; ich wollte nur fragen, was das für Speck wäre, womit ihr meine Stiefel so schön gespickt habt. Darüber ward der Meister noch zorniger und sprach: Bezahle mir gleich meine Fenster, du böser Schalk! und eilte vor die Thür, um ihn fest zu halten; allein Eulenspiegel lief, dass er mit seinen gespickten Stiefeln davon kam, und der Meister konnte ihn nicht wieder einholen. Nun wurde er über seinen Gesellen aufgebracht, der ihn dazu verleitet hatte, und sagte: Den Schaden habe ich dir zu danken; hättest du mir den Rath nicht gegeben, so hätte ich den Narren nicht gereizt und meine Fenster wären noch ganz. Ich habe immer gehört, wer sich mit Narren bemengt, bekömmt Narrenlohn, einem Narren muss man ausweichen, wenn man nicht von ihm angeführt sein will. Du bezahlst mir nun das Fenster! Da aber der Gesell nicht so viel im Vermögen hatte, um den Schaden bezahlen zu können, gab ihm der Meister den Abschied. Später hütete sich der Geselle, sich wieder in fremde Händel zu mischen.

Eulensp. läßt in Braunschweig seine Stiefel spicken.

 

32.

Eulenspiegel vermiethet sich in Einbeck als Bierbrauerknecht.

 

Wie nun Eulenspiegel auch Braunschweig meiden musste, kam er nach Einbeck und glaubte sich durch seine Possen hier etwas zu verdienen; aber er hatte sich geirrt, denn die Einbecker fanden keinen Gefallen an seinen Gaukeleien, sondern bekümmerten sich lieber um ihre Arbeit. Eulenspiegel vermiethete sich also bei einem Bierbrauer als Knecht. Nachdem er seinen Dienst angetreten hatte, begab es sich, dass sein Herr zu einer Hochzeit gehen musste, und befahl ihm, mit der Magd das Brauen unterdessen zu verrichten. Der Herr machte ihn besonders darauf aufmerksam, beim Kochen den Hopfen nicht zu vergessen, weil dieser dem Bier den Wohlgeschmack geben müsse. Eulenspiegel sagte: Ja, ich will Alles schon gut machen, traget nur keine Sorge. Nun ging der Brauer mit seiner Frau nach der Hochzeit und liess sich's recht wohl schmecken. Die Magd verstand das Bierkochen besser als Eulenspiegel; da sie aber gern dem Tanz im Hochzeitshause zusehen wollte, so unterrichtete sie Eulenspiegel, wie er den Hopfen zuerst ohne ihre Hülfe sieden müsse, und ging dann fort. Dies war Eulenspiegel recht lieb, denn nun hatte er freie Hand, seine Schalkheit auszuüben. Der Brauer hatte einen Hund, der hiess Hopf, diesen ergriff Eulenspiegel, warf ihn in das siedende Wasser und liess ihn ganz zerkochen. Als nun die Magd vom Hochzeitshause wieder zurück kam, wo sie sich statt einer mehrere Stunden aufgehalten hatte, sagte sie zu Eulenspiegel: Es hat nun genug gekocht, setze den Korb vor, dass wir ablaufen lassen. Indem sie dieses thaten, merkte die Magd, dass noch kein Hopfen in den Korb kam, und fragte deshalb Eulenspiegel: Hast du auch den Hopfen nicht vergessen? – Eulenspiegel antwortete: Warte nur bis zu Ende, auf dem Grunde wirst du ihn schon finden. Die Magd fing an zu rühren, um zu sehen, ob es auch wahr sei, siehe, da kömmt das Gerippe hervor; sie fängt laut an zu schreien: Ach, was hast du gemacht? was ist das? das Bier ist doch nun ganz verdorben! Eulenspiegel antwortete: Ich habe es so gemacht, wie du mir gesagt hast; denn ich habe den Hopf, unsern Hund, gut durchgekocht. Indem sie noch mit einander disputirten, kam auch der Brauer zu Haus, der ziemlich berauscht war, und sprach zu den Beiden: Nun, was macht ihr denn, lieben Kinder? Die Magd antwortete: Ich weiss nicht, was der tolle Knecht gemacht hat; ich ging eine Stunde aus, um dem Tanze zuzusehen und sagte zu ihm, er möchte den Hopfen nicht vergessen hinein zu thun, und nun hat der Bösewicht gar den Hund hinein geworfen, weil, wie er sagt, dieser Hopfen geheissen hätte, und hat ihn ganz und gar zerkochen lassen. Da dies der berauschte Brauer hörte, wollte er ihn zur Verantwortung fordern, die Zunge war ihm aber zu schwer, und er konnte vor Eulenspiegels Plapperei nicht zu Worte kommen, deshalb überliess er der Magd den Streit allein und ging wieder nach dem Hochzeitshause, um dort seinen Verdruss mit Essen und Trinken zu beschwichtigen. Eulenspiegel sagte zur Magd: Ich bin ein recht geplagter Mensch, dass ich es niemals recht machen kann, und wenn ich's auch mache, wie mich's geheissen wird, so ist es doch nicht recht; wenn es andere Dienstleute nur halb so gut machten, was ihnen geheissen würde, als ich, die Herrschaften wären gern zufrieden; nur ich habe es doch noch keiner Herrschaft recht machen können. Mit diesen Worten ging Eulenspiegel fort und freute sich, auch in Einbeck eine Schalkheit ausgeübt zu haben.

Eulensp. vermietet sich in Einbeck als Bierbrauerknecht.

 

33.

Eulenspiegel arbeitet in Berlin als Schneidergeselle, näht im Verborgenen und wirft Aermel ein.

 

Zu einer andern Zeit kam Eulenspiegel nach Berlin, und da er nicht wusste, auf welche Art er sich hier am besten nähren könnte, so gab er sich für einen Schneidergesellen aus, und nahm bei einem Meister Arbeit. Als er nun auf der Werkstätte sass und nähte, sprach der Meister zu ihm: Wenn du nähst, so nähe eng und gut, dass man es nicht sieht; denn lange Stiche können nicht helfen. Eulenspiegel antwortete: Lange Stiche geben Verdienst und Brod in's Haus; doch ich will auch nähen, dass man es nicht sieht. Er nahm Nadel und Zwirn und ein Stück Tuch, kroch unter den grossen Werktisch, und fing an zu nähen. Der Meister sah dies Spielwerk mit an, und sprach: Was soll das für Näherei werden? Eulenspiegel antwortete: Ihr sagtet ja, ich sollte nähen, dass man es nicht sähe; hier sieht man mich ja nicht. Der Meister lachte über das närrische Zeug und sagte: Kriech nur wieder hervor und nähe, dass es Jedermann sieht, aber mache deine Arbeit gut. Einige Tage später begab es sich, dass der Meister des Abends müde war und frühzeitig schlafen gehen wollte, hatte aber noch einen groben Rock fertig zu machen. Diesen warf er Eulenspiegel zu und sagte: Hier, staffire den Wolf gut aus, und wenn du damit fertig bist, dann kannst du auch zu Bette gehen, und ging darauf gleich zu Bette. Eulenspiegel nahm den Rock, schnitt ihn auf und machte eine ausgestopfte Figur daraus, die einem Wolf ähnlich sah, und als er sein Kunststück fertig hatte, ging er zu Bette. Des Morgens, als der Meister in die Werkstätte kam, sah er die Wolfsfigur da stehen und erschrak, denn er glaubte einen lebendigen Wolf zu sehen; doch er fasste ein Herz, ging näher und besah die Figur, rief Eulenspiegel herbei und sagte zu ihm: Was hast du toller Kerl wieder gemacht? Er antwortete: Was ihr mich geheissen habt. Der Meister sagte: Du Narr, ich meinte den groben Rock damit, und nicht eine Wolfsfigur. Eulenspiegel antwortete: Lieber Meister, hätte ich können eure Gedanken errathen, so machte ich viel lieber einen Rock als einen Wolf; denn diese Figur hat mir viel Mühe gekostet. Der Meister lachte und sagte: Du bist ein närrischer Kerl, ich will dir's diesmal vergeben, aber verursache mir keinen solchen Schreck wieder. Ein anderes Mal, als der Meister wieder etwas früher zu Bette gehen wollte, als sonst der Gebrauch war, und doch noch gern einen Rock fertig haben wollte, worin nur noch die Aermel fehlten, sprach er zu Eulenspiegel: Hier, wirf die Aermel noch in den Rock und dann gehe auch zu Bette. Als der Meister fort war, nahm Eulenspiegel den Rock, hing ihn an einen Haken, zündete zwei Talglichte an, stellte auf jede Seite eins, nahm die Aermel und warf sie immer an den Rock, aber es wollte kein Aermel hängen bleiben, und die beiden ersten Lichte waren schon abgebrannt. Jetzt trat eine Ruhezeit ein, weil er andere Lichte suchen und diese anzünden musste; wie er aber jedes an den vorigen Ort gesetzt hatte, fing er aufs neue an zu werfen, bis es Tag war. Als der Meister am Morgen in die Werkstube kam, und sah Eulenspiegels Possen, sprach er im Zorne: Was, Schelm, was machst du wieder für Narrenspiel? Eulenspiegel antwortete schalkhaft: Das ist fürwahr kein Narrenspiel, die ganze Nacht da zu stehen und zu werfen, und doch nichts auszurichten, sie wollen gar nicht hängen bleiben. Es wäre weit besser gewesen, ihr hättet mich die Nacht schlafen lassen, und gesagt, wie ich die Arbeit bei Tage machen sollte, so hätte ich die Nacht nicht vergeblich gearbeitet. – Der Meister sprach: Ist denn das meine Schuld, du Schlingel, dass du Alles verkehrt verstehst? Jetzt bezahle mir die unnöthig verbrannten Lichte! – Eulenspiegel antwortete: Erst will ich auch schlafen, und hernach will ich weiter mit euch reden. Der Meister sagte: Nun sollst du nicht schlafen, warum hast du solche dumme Streiche gemacht; bezahle mir sogleich die Lichte, sonst will ich dich Bösewicht schon kriegen! Eulenspiegel lief schnell hinaus, nahm seine und seines Meisters Sachen, was er in der Eile von diesen erhaschen konnte, packte sie zusammen und floh, während sein Meister zur Polizei gegangen war, zum Thore hinaus.

Eulensp. wird ein Schneidergesell.

 

34.

Eulenspiegels Schalkheit an den Schneidergesellen zu Hamburg.

 

Da sich Eulenspiegel jetzt von Berlin entfernt hatte, reiste er nach Hamburg, wo er sich ungefähr 14 Tage aufhielt. Seiner Herberge gegenüber wohnte ein Schneidermeister, welcher drei Gesellen vor den Fenstern auf dem Laden sitzen hatte. (Zu der Zeit war es Mode, dass die Schneider sich bei gutem Wetter vor die Fenster auf eine dazu eingerichtete Werkstätte setzten, die man einen Laden nannte, welcher von 4 Pfosten getragen wurde.) Hier, dachte Eulenspiegel, musst du einen Spass machen. Zuerst neckte er die Gesellen, diese waren aber um Antworten niemals verlegen und hatten ihn wieder derb zum Besten. Dies verdross ihn, und er erdachte einen plumpen Schelmstreich, wodurch die Schneidergesellen von vielen Leuten ausgelacht würden. Das Haus stand nämlich an einem Marktplatze, und am andern Tage wurde hier Viehmarkt gehalten. Eulenspiegel ging deshalb in der Nacht hin und sägte alle 4 Pfosten ab, doch so, dass alles acurat auf einander stehen blieb. Am andern Morgen setzten sich die Gesellen wieder auf den Laden und nähten. Als nun der Markt begann und Käufer und Verkäufer von Vieh schon in grosser Menge anwesend waren, trieb auch ein Schweinehändler einen Haufen Schweine auf den Markt, und ein grosses Schwein legte sich gegen einen Pfosten des Ladens und scheuerte sich; da stürzte der ganze Laden auf einmal herunter, und die darauf sitzenden Gesellen fielen mitten unter die Schweine. Wie Eulenspiegel das Geschrei der Schneider hörte, lief er hin und rief so laut, dass man es über den ganzen Markt hören konnte: Seht, wie die Schneidergesellen so leicht sind! der Wind wehet sie wie Federn vom Laden herunter! Darauf kamen viele Leute zusammen, die lachten und spotteten darüber. Die Gesellen schämten sich und eilten, dass sie in's Haus kamen; es war ihnen anfangs ein Räthsel, wie sie vom Laden herunter gekommen, bis sie gewahr wurden, dass die Pfosten abgesägt waren.

Eulensp. Schalkheit an den Schneidergesellen in Hamburg.

 

35.

Eulenspiegel verschreibt alle Schneidermeister aus Ober- und Niedersachsen zu einer General-Versammlung nach Rostock.

 

Eulenspiegel suchte immer die ehrlichen Schneider zu foppen und hatte jetzt eine neue Schelmerei gegen sie sich ausgedacht. Er sandte ein Umlaufschreiben an alle Schneidermeister in Ober- und Niedersachsen, und lud sie zu einer Zusammenkunft nach Rostock ein, mit der Bemerkung, dass er ihnen eine Kunst lehren wolle, die ihnen und ihren Nachkommen auf immer nützlich sein solle; sie müssten aber alle am ersten April des darauf folgenden Jahrs beisammen sein. Als dieses Schreiben den Schneidermeistern bekannt geworden, reiste Alt- und Jungmeister aus Städten und Dörfern nach Rostock, um den grossen Lehrer der Schneider-Geheimnisse zu hören; als nun der bestimmte Tag erschien, beschied Eulenspiegel sie auf den grossen Marktplatz, wo er sich ein grosses Gerüst hatte aufschlagen lassen. Ehe er aber hinauf stieg, sprach er zu ihnen, ob sie ihm auch seine Mühe mit Etwas vergüten wollten. Und alle reichten ihm williglich Geschenke dar. Nun stieg er auf seine Bühne und fing folgendermassen zu reden an:

»Ehrenfeste, ehrbare Meister des löblichen Schneider-Handwerks! Ihr seid doch die Leute, die kein Mensch entbehren kann, er müsste sonst nackend gehen wollen. Darum könnt Ihr stolz darauf sein, Kaiser, Könige, Fürsten, Grafen, Bürger und Bauern messen zu dürfen. Wenn Ihr nun zu solchen Personen hingerufen werdet, so merket Euch, dass Ihr Euch nicht schwer beladet, sondern auf Euren Beinen recht leicht seid. Nehmt zum Tragen nicht mehr mit, als eine Scheere, Fingerhut, Nadel, Zwirn und eine Elle. Dies ist genug zu Eurem Handwerk. Solltet Ihr Euch aber dennoch fürchten, dass Ihr auf den Beinen zu leicht wäret, und der Wind Euch verwehen könnte, so nehmt noch Euer Bügeleisen zu Euch, dann wehet Euch gewiss der Wind nicht weg; und endlich, wenn Ihr die Nadel gefädelt habt, so vergesset nicht, an das eine Ende des Fadens einen Knoten zu schürzen, damit die ersten Stiche nicht umsonst sind; ja Ihr könnt sonst wohl zwanzig Mal durchstechen, und jeder Stich wird umsonst sein; dies einzige Mittel wird Euch also viel Zeitversäumniss ersparen. Dies bemerkt Euch, und gedenkt meiner, wenn Ihr eine Nadel fädelt.« Und nun ging Eulenspiegel von seinem Gerüste schleunig herunter.

Wie dies die Schneider-Versammlung hörte, sagte Einer zum Andern: Was der Narr da hergeplaudert, haben wir ja Alle schon lange gewusst. Wenn er weiter nichts wusste, so brauchte er uns nicht 20, 30, ja 40 bis 50 Meilen weit hierher zu locken. Einige Schneider riefen ihm deswegen zu: Dies wusste man schon vor 1000 Jahren! Eulenspiegel antwortete: Was vor 1000 Jahren geschehen ist, weiss die jetzige Welt nicht mehr. Wem mein Kunststück nicht gefällt, der erfinde sich selbst ein besseres. – Da wurden die Schneider zornig auf ihn, nahmen ihre bei sich habenden Reisestöcke und wollten ihn mit Schlägen dafür bezahlen; er aber entsprang ihnen und war froh, die vielen Schneider angeführt und sich dadurch eine Summe Geld erworben zu haben. Die sämmtlichen Schneidermeister mussten nun wieder hingehen, wo sie hergekommen waren, und diese Reise hatte sie um nichts klüger gemacht, sondern alle ärgerten sich, dass sie von dem Narren sich hatten anführen lassen; ihr Zorn gegen Eulenspiegel wurde noch mehr erhöht, indem die Rostocker die fremden Schneidermeister auslachten und sagten: Seid ihr nun durch Eulenspiegel witzig gemacht? Habt ihr denn Eulenspiegel nicht gekannt, dass ihr Thoren euch am ersten April von ihm anführen liesset? – Hierdurch soll das Sprichwort entstanden sein: Am ersten April schickt man die Narren wohin man will. Aber die Schneidermeister liessen sich diesen Spass zur Warnung dienen und beschlossen, nie einem Narren wieder Gehör zu geben, und den ersten Tag als einen Narrentag in das alte Gildenbuch zu Rostock einzuschreiben.

General-Versammlung der Schneider aus Ober- u. Niedersachsen in Rostock.

 

36.

Eulenspiegel kommt nach Prag und giebt sich für einen Gelehrten aus.

 

Eulenspiegel hatte sich durch das Aprilschicken der Schneidermeister sehr bekannt und so verhasst gemacht, dass er sich in ganz Ober- und Niedersachsen nicht mehr sehen lassen durfte; er musste sich deshalb nach einem andern entferntern Lande begeben, wo er noch nicht bekannt war. Es war Eulenspiegel einstmals gesagt worden, dass die Menschen in Böhmen sehr dumm wären; dies fiel ihm jetzt wieder ein, und er dachte bei sich, in Deutschland will dir doch Niemand mehr Gehör geben, du willst also einmal sehen, ob es in Prag Leute giebt, die deinen Worten glauben, und er trat mit Hoffnungen die Reise dahin an. Nachdem Eulenspiegel in Prag angekommen war, schlug er an alle Strassenecken und an alle Kirchenthüren Zettel an, wodurch er bekannt machte, dass er als ein Gelehrter, der wunderbare Dinge wisse, hier angekommen sei; wer also Neigung habe, von ihm noch nie bekannte Wissenschaften zu erlernen, der sollte zu ihm kommen. Da dies die Professoren der Universität hörten, hielten sie eine grosse Versammlung und berathschlagten mit einander, was sie dem angekommenen neuen Gelehrten für gelehrte Fragen vorlegen wollten, die er ihnen nicht würde beantworten können und er alsdann mit Spott und Schande wieder davon gehen müsse. Die Herren Professoren der Universität wurden also einig, durch ihren Pedell den fremden Gelehrten zu einer wissenschaftlichen Unterhaltung auf den andern Tag einladen zu lassen und dass der Prorector dann einige schwere Fragen an ihn richten wolle. Dies geschah und am andern Tage erschien Eulenspiegel in einem langen Rocke mit weiten Aermeln und setzte sich im Hörsaale auf einen Lehnsessel nieder. Nachdem nun die Professoren der Universität sich auch daselbst versammelt hatten, redete der Prorector folgendermassen Eulenspiegel an: Ehrwürdiger Herr Magister! in meinem und meiner Herren Collegen Namen frage ich Euch: 1) Wie viel Tropfen Wasser sind im Meere? 2) Wie viel Tage sind von Adams Zeiten bis auf diesen Tag verflossen? 3) Wo ist der Mittelpunkt der Erde? – Eulenspiegel antwortete darauf: Ehrwürdiger Herr Prorector! die Antworten auf die drei Fragen sind: 1) Hunderttausend Millionen-Millionen Tropfen Wasser sind im Meere. Wollt Ihr dies nicht glauben, so haltet alle dahin strömenden Flüsse auf, so will ich sie Euch vorzählen; könnt Ihr aber das nicht, so hat meine Antwort ihre Richtigkeit. 2) Von Adam bis auf unsere Zeit sind 7 Tage verflossen und nach den ersten 7 Tagen wieder 7 und so fort bis hierher. 3) Wo der Mittelpunkt der Erde sei? der ist gerade hier, wo ich sitze. Wenn Euch dies nicht glaublich scheint, so lasst uns solches messen; denn ich versichere Euch, es wird nicht ein Strohhalm breit fehlen. – Hierauf fragte der Prorector noch zum Vierten: Wie hoch ist der Himmel von der Erde? – Eulenspiegel antwortete sehr rasch: Eine Million Doppelklafter; das kann nicht fehlen. Wollt Ihr das nicht glauben, so messet die Höhe und Ihr werdet finden, dass ich Recht habe. Wollt Ihr auch prüfen, ob sich das Uebrige so verhält, als ich eben gesagt habe, so wird es mir lieb sein, und man soll mich für keinen Gelehrten halten, wenn mit meinen Worten nicht Alles übereinstimmt. – Die Gelehrten antworteten hierauf aber nichts, denn sie sahen, dass sie einen Narren vor sich hatten, schämten sich innerlich und entliessen ihn aus ihrer Mitte. Eulenspiegel hatte sich aber hierdurch Vertrauen bei unerfahrenen Personen in Prag erworben und benutzte es zu seinem Vortheile, betrog Manchen um vieles Geld, zog den grossen Rock aus, und ging frohlockend über seine Schelmerei wieder weg von Prag.

Eulensp. giebt sich in Prag für einen großen Gelehrten aus.

 

37.

Eulenspiegel kommt nach Erfurt und lehrt einem Esel das Lesen.

 

Als Eulenspiegel in Prag seine Betrügerei so arg getrieben hatte, dass er sich fort machen musste, ging er nach Erfurt, wo eben die Universität sich durch gelehrte Männer zu heben anfing. Hier schlug Eulenspiegel auch Zettel an die Ecken, nannte sich Magister Bauciphalus und machte bekannt, dass er allen Kreaturen das Lesen lehren könne. Wie dies die Gelehrten erfuhren, kamen sie gleich zusammen, um sich zu berathschlagen, wie sie den neu angekommenen Magister in seiner Klugheit fangen wollten. Sie schickten deshalb den Universitäts-Pedell zu ihm und liessen ihn zu einer Versammlung einladen. Als Eulenspiegel kam, nahm der Prorector das Wort und sprach: Ehrwürdiger Herr Magister! Ihr habet durch Eure Anschläge bekannt gemacht, dass Ihr allen Kreaturen das Lesen lehren könnt. Nun haben wir hier sehr viele Esel, die man doch gern brauchen möchte, wollt Ihr zum Beweise Eurer Kunst einem davon das Lesen lehren? – Eulenspiegel, der zu aller Schalkheit aufgelegt war, erwiederte schnell: Ja, aber mit der Bedingung, dass er Zeit dazu haben müsse, weil ein Esel ein recht dummes Thier sei. Und sie wurden mit ihm einig, dass er binnen einem Jahre einem Esel für eine bestimmte Summe Geld das Lesen gehörig lehren solle. Nun dachte Eulenspiegel, unser sind drei: stirbt unter der Zeit der Prorector, so hört der Accord auf; stirbt mein Schüler, so bin ich auch frei, und sterbe ich, dann ist der Lehrer todt, und mir kann Niemand mehr etwas darüber vorwerfen. – Also nahm Eulenspiegel den ihm zum Lernen übergebenen Esels-Schüler zu sich und brachte ihn bei einem lustigen Wirthe in den Stall, nahm ein altes Buch mit grossen Blättern, streute zwischen alle Blätter ein wenig Hafer und legte das Buch vor ihn in die Krippe. Als der Esel den Hafer roch, schob er mit seiner Zunge ein Blatt nach dem andern herum, um den Hafer aufzulecken. Als er nun einstmals recht hungrig war, schob er das Buch hin und her und schrie I-A, I-A! Da Eulenspiegel dieses hörte, ging er zum Prorector und sprach zu ihm: Hochwürdiger Herr Prorector, wann wollt Ihr einmal sehen, was mein Schüler erlernt hat? – Der Prorector fragte: Nimmt er denn Euren Unterricht an? – Eulenspiegel antwortete: Er ist freilich von der dummsten Art, doch habe ich ihn durch Fleiss und Mühe so weit gebracht, dass er schon einige Buchstaben, besonders zwei, I und A, deutlich aussprechen kann. Der gelehrte Prorector wunderte sich hierüber sehr und sagte, das muss ich gleich hören, und ging mit noch etlichen Magistern nach Eulenspiegels Wohnung. – Der arme Esel hatte nun seit einem ganzen Tage kein Futter erhalten, und als ihm nun sein Lehrer das Buch wieder vorlegte, wandte er mit seiner Zunge alle Blätter herum, und weil er keinen Hafer fand, fing er vor Hunger an zu schreien: I-A, I-A, I-A! Da sprach Eulenspiegel: Hören Sie, meine Herren, wie er die zwei Vocale I und A so schön ausspricht; ich hoffe, es soll noch etwas Grosses aus meinem Schüler werden. – Es freut uns, antwortete der Prorector, dass Ihr ein so guter Esellehrer seid; wir haben der Esel sehr viele, denen der Verstand fehlt, die könnt Ihr noch alle klug machen. – Ich glaube selbst, sagte Eulenspiegel, dass es hier noch viele Esel giebt, die keinen Verstand haben, sowohl mit zwei Beinen und kurzen Ohren, als mit vier Beinen und langen Ohren; ich will nur den vierbeinigen Eseln etwas zu lehren suchen, mit den zweibeinigen könnt Ihr Euch plagen. Da Ihr aber seht, meine Herren, dass mein Schüler gute Fortschritte macht, so erbitte ich mir die Hälfte der versprochenen Summe Geldes. Diese erhielt Eulenspiegel. Kurz nachher starb der Prorector, deshalb hob Eulenspiegel seinen Accord auf und machte sich heimlich aus Erfurt fort; denn er sah, dass er dem Esel weiter nichts lehren konnte, als I-A.

Eulensp. lehrt in Erfurt einen Esel buchstabiren.

 

38.

Eulenspiegel giebt sich für einen Brillenmacher aus.

 

Zu jener Zeit wurde der römische Kaiserthron durch den Tod des tapfern Kaisers Sigismund erledigt, und die Kurfürsten verfügten sich zu einer neuen Kaiserwahl nach Frankfurt am Main. – Eulenspiegel machte sich deshalb auch auf den Weg nach Frankfurt, weil er hier auf guten Verdienst hoffte und noch nie daselbst gewesen war. Als er in die Gegend von Frankfurt kam, begegnete ihm der Kurfürst von Trier mit seinem Gefolge. Wie dieser den Eulenspiegel in seiner seltsamen Kleidertracht sah, fragte er ihn, wer er wäre. Eulenspiegel antwortete: Ich bin ein Brillenmacher und komme jetzt aus Brabant; weil in jener Gegend nichts zu verdienen ist, wollte ich hier mein Glück versuchen. Der Kurfürst sagte: Ich dächte, da deine Kunst so selten ist, und der Augenkranken es viele giebt, dass du auch guten Verdienst haben müsstest. Eulenspiegel antwortete: Eure Kurfürstlichen Gnaden haben vollkommen Recht; denn der Augenkranken giebt's viele, die meine Brillen sehr nöthig hätten, aber sie sagen, sie dürften keine Brillen kaufen. Der Kurfürst fragte: Warum denn nicht? Eulenspiegel sagte: Wollen eure Kurfürstlichen Gnaden mir eine Antwort nicht ungnädig aufnehmen, so will ich sagen, warum. Und der Kurfürst erwiederte: Sag nur, was deine Meinung ist, ich bin das schon gewohnt und sehe es gern, dass der Mann frei und ungeheuchelt sagt, was er denkt, und sollte es auch keine Lobrede sein. – Eulenspiegel antwortete: Die Leute sagen, ihre Priester und Obrigkeiten hätten gesagt, sie brauchten nicht weiter zu sehen, als wo man sie eben hinstellte. Dadurch kommen nun meine Brillen in Verachtung und werden nicht mehr gekauft. – Ja die grossen Herren tragen keine mehr, um bei den niedern Personen keine Lust dazu zu erwecken. – Da ich nun die Brillen verfertige, so setze ich öfters eine auf und sehe damit in die Welt; da werde ich dann sonderbare Dinge gewahr, dass mir oftmals bange wird. Da sagte der Kurfürst zu Eulenspiegel: So gieb mir doch auch eine solche Brille, dass ich dergleichen Dinge dadurch erkennen kann. – Hier ist eine, sprach Eulenspiegel: Aber mit dieser Brille müsst ihr euch, gnädiger Kurfürst, erst selbst besehen, sonst möchtet ihr glauben, an euch sei Alles gut und schön, und dann werdet ihr manchen Schmutz abzuwischen haben. Dem Kurfürsten gefiel diese Erklärung der Brille, bezahlte sie ihm, gab ihm noch ein gutes Geschenk und nahm ihn auch mit nach Frankfurt. In Frankfurt machte Eulenspiegel vieles Aufsehen, und sein Brillenhandel ging sehr gut, wobei er manchem vornehmen Herrn die Augen und den Geldbeutel auswischte, damit sie besser sehen und leichter tragen konnten.

Eulensp. giebt sich für einen Brillenmacher aus.

 

39.

Eulenspiegel wird zu Wintersheim Koch und Kutscher.

 

Bei keinem Geschäfte bewies Eulenspiegel einige Beharrlichkeit, sondern unstät und flüchtig wie er selbst war, so war auch sein Thun und Handeln, wie wir aus den vorigen Historien schon gesehen haben. – Nachdem Eulenspiegel seine Brillen verkauft und das Geld verzehrt hatte, kam er nach langem Umherstreifen zu Wintersheim ganz zerrissen an, und da er sich nicht in die Stadt getraute, legte er sich vor dem Thore unter einem Baum auf einem grünen Rasenplatze hin. Bald darauf kam ein reicher Kaufmann mit seiner Frau vorbei; als dieser den Eulenspiegel liegen sah, sagte er zu ihm: Was für ein Kerl bist du? Eulenspiegel antwortete ganz trocken: Ich bin ein Küchenjunge. Der Kaufmann sprach: Wenn du ehrlich sein willst, so will ich dich in meine Dienste nehmen, und dich wieder ordentlich kleiden; denn meine Frau klagt beständig, dass ihr das Kochen zu lästig sei. Eulenspiegel versprach Alles aufs Wort zu thun. Nun fragte ihn der Kaufmann: Wie heissest du? Eulenspiegel antwortete: Ich heisse Bartholomäus. Der Kaufmann erwiederte: Der Name ist mir zu lang; du sollst bei mir Toll heissen. Eulenspiegel sagte: Das gilt mir gleich, wie man mich nennt. Nun wohlan, sprach der Kaufmann, du bist ein Knecht für mich; gehe nun gleich mit mir in meinen Garten, damit wir etwas Kräuter mit nach Hause nehmen, um junge Hühner damit zurecht zu machen; denn ich habe am nächsten Sonntag Gäste eingeladen, die bei mir essen sollen. Eulenspiegel ging mit ihm in seinen Garten, und sie schnitten Rosmarin und dergleichen ab, um die Hühner nach wälscher Art damit zu füllen. Aber die Frau war mit dem lumpigen Eulenspiegel nicht zufrieden und fragte ihren Mann deswegen, was er denn mit dem Kerl machen wolle; ob er etwa befürchtete, dass das Brod schimmlich würde. – Der Kaufmann antwortete: Sei nur zufrieden, liebes Kind, er soll dein Knecht sein, er ist ein Koch. Die Frau gab sich zufrieden. Am andern Tage nahm sie ihren neuen Koch mit nach dem Fleischscharren, um ein Stück Fleisch zu einem Braten zu holen, welchen sie am Sonntage essen wollten. Nachdem nun die Eintheilung des Bratens geschehen war, sagte der Kaufmann: Toll, du setzest morgen früh den Braten bald zu, und bratest ihn kühl und langsam ab, damit er nicht anbrenne. Eulenspiegel sprach: Ja, mein Herr, ich will es machen, wie ihr es mir befohlen habt. – Am andern Morgen stand Eulenspiegel früh auf, setzte die Gemüse aufs Feuer, den Braten steckte er aber an einen Spiess und legte ihn zwischen zwei Bierfässer in den Keller, damit er kühl läge. Die gebetenen Gäste fanden sich zum Mittagessen ein. Alles wurde zubereitet, indess an den Braten wurde noch nicht gedacht. Als die Gäste die Suppe, das Gemüse und gebackene Klösse verzehrt hatten, bemerkte der Kaufmann, dass der Braten nicht nachfolgte, und fragte Eulenspiegel: Wo hast du denn den Braten? Dieser antwortete: Ich habe ihn in den Keller an den kühlsten Ort gelegt, damit er kalt brate und nicht anbrenne, wie ihr mich geheissen habt. Da ward der Kaufmann zornig und wollte Eulenspiegel durchprügeln, allein seine Gäste hielten ihn davon ab und lachten über diesen Spass. Die Frau war aber äusserst entrüstet, und sagte zu ihrem Manne: Da siehst du nun, was du für einen Schalk an dem Landstreicher hast! – Er sprach zu ihr: Sei nur zufrieden, ich werde ihn auf meiner Reise nach Goslar noch gebrauchen, wenn ich aber wieder komme, will ich ihn verabschieden. Der Kaufmann sass mit seinen Gästen bis in die Nacht und sie waren lustig und guter Dinge. Gegen Abend sagte er dann zu seinem Knechte: Toll! du musst noch heute den Wagen zurecht machen, denn morgen will ich nach Goslar mit dem Herrn Pastor Schwarzrock fahren; deshalb schmiere den Wagen gut. Da fragte Eulenspiegel seinen Herrn, welche Salbe er zu dem Schmieren nehmen solle. Der Kaufmann warf einen Groschen hin und sprach: Gehe hin, kaufe dafür Karrensalbe und lass dir von meiner Frau altes Fett darunter geben. Eulenspiegel holte die Wagenschmiere, liess sich noch einen grossen Theil altes Fett geben und schmierte den Wagen in- und auswendig, ja sogar den Sitz im Wagen damit. Am andern Morgen früh, als es noch dunkel war, setzten sich der Kaufmann und der Pfarrer in den Wagen, und Eulenspiegel kutschirte fort. Unterwegs stiess der Wagen sehr, und der Herr Pastor wollte deswegen etwas anhalten, damit sein dicker Körper diese Unbequemlichkeit nicht zu stark empfinde; aber wie sehr erschrak er, als er die Hand voll Wagenschmiere bekam. Und sie schrieen beide: Toll, halte still! Wie sie sich nun im Wagen umsahen, da waren sie hinten und vorn so voller Wagenschmiere, als wenn sie sich darin umgewälzt hätten. Zufällig kam ein Bauer mit einem Wagen voll Stroh gefahren, dem kauften sie zwei Bunde ab, um sich und den Wagen damit abzuwischen. Der Kaufmann konnte sich aber vor Zorn kaum halten, und sagte zu Eulenspiegel: Du verlaufener Bösewicht, was hast du wieder für Bosheit ausgeübt? Eulenspiegel antwortete: Ihr habt mich's ja geheissen den Wagen gut zu schmieren und nun ist es wieder nicht recht? – Der Kaufmann sagte: Schweig, du Schalksknecht! und fahre fort zum Galgen! Eulenspiegel trieb die Pferde an und fuhr nach dem nächsten Galgen hin, und als er darunter war, hielt er still und spannte die Pferde aus. Als dies der Kaufmann sah, sprach er, was willst du jetzt wieder machen, du Schelm? – Eulenspiegel sprach: Habt ihr mich nicht geheissen, nach dem Galgen zu fahren? jetzt sind wir darunter! – ich dachte, ihr wolltet vielleicht unterm Galgen ein wenig ausruhen, weil hier noch Mehrere ruhen.

Eulensp. wird in Wintersheim Koch und Stubenheitzer.

Indem sah der Kaufmann aus dem Wagen und bemerkte, dass Toll den Wagen gerade unter einige aufgehangene Raubmörder gefahren hatte. Der Kaufmann und der Pfarrer ärgerten sich sehr über die tollen Streiche und der Erstere sagte zu Eulenspiegel: Dir habe ich den Namen Toll gegeben, du bist aber auch toll. Hänge schnell wieder vor und fahre fort, du Schalk! Eulenspiegel zog den Nagel, der das hintere Gestell mit dem vorderen zusammen hält, aus dem Langwagen, hing die Pferde vor und fuhr fort; sogleich ging der Wagen auseinander und das hintere Gestell blieb stehen, und Eulenspiegel fuhr mit dem vordern allein fort. Der Kaufmann und der Pfarrer riefen ihm aus vollem Halse nach, er solle doch still halten; aber Eulenspiegel that als hörte er's nicht und der Kaufmann musste tüchtig hinter ihm her laufen, um Eulenspiegel wieder einzuholen. Nun war der Kaufmann so sehr erzürnt, dass er ihn tüchtig prügeln wollte; der Pfarrer verhinderte aber dies. Als der Kaufmann von der Reise wieder zurückgekommen war, fragte ihn seine Frau, wie es ihm mit dem Knechte ergangen sei, und warum seine Kleider so schmierig aussähen. Er erzählte ihr nun, was er mit seinem Knechte unterwegs ausgestanden hatte, und sie sprach zu ihm: Habe ich dir dies nicht vorher gesagt, dass du mit dem verlaufenen Landstreicher nichts ausrichten würdest? Da sagte der Kaufmann zu seinem Knechte: Toll! da du bei mir so viele tolle Schelmstreiche ausgeübt hast, so kannst du heute und morgen früh dich noch satt bei mir essen, aber dann musst du sofort mein Haus räumen. Eulenspiegel antwortete: Ich weiss nicht, ich thue Alles, wie man mich heisst, und doch ist es nicht recht! Wenn euch meine Dienste nicht anstehen, will ich morgen das Haus räumen und dann wandern. Am andern Morgen sprach der Kaufmann zu Eulenspiegel: Iss und trink dich noch einmal satt, dann räume mir das Haus und lass dich nicht wieder sehen. Eulenspiegel antwortete: Ja, ich will eurem Befehl folgen. Der Kaufmann ging mit seiner Frau nach diesen Worten in die Kirche zur Frühmesse. Nachdem sie fort waren, ass Eulenspiegel sich erst recht satt und dann fing er an auszuräumen; brachte Tische, Stühle, Spiegel, Betten, Kessel, Töpfe, und was sonst niet- und nagellos war, vor die Hausthüre mitten auf die Strasse. Die Nachbarsleute wunderten sich sehr über diese Possen, und einer von ihnen lief in die Kirche und sagte es dem Kaufmanne. Dieser lief eilend nach Hause und traf den Narren noch in voller Arbeit an. Du infamer Bösewicht, was machst du nun wieder! rief er ihm zu, warte, ich will dich für deine Mühe bezahlen! und griff nach einem Prügel. Eulenspiegel entgegnete: Seid nur nicht so hitzig; ihr habt mich's ja geheissen, das Haus zu räumen. Nun habe ich erst euren Willen erfüllen wollen, und dann wollte ich wandern. Indem versuchte er die Stubenthür auszuheben, da sie ihm allein aber zu schwer war, so bat er den Kaufmann, ihm zu helfen; dieser jagte ihn aber scheltend davon. Da sagte Eulenspiegel: Es ist doch sonderbar, Alles was man mich heisst, thue ich und verdiene doch keinen Dank damit. Ich muss in einer unglücklichen Stunde geboren sein. Eulenspiegel war aber froh, dass er neue Kleider erhalten hatte. – Der Kaufmann trug seine Sachen wieder in's Haus, welches ihm recht sauer wurde, und Eulenspiegel stand von fern und lachte ihn aus.

 

40.

Eulenspiegel reist nach Hamburg und Bremen und begeht allerlei Schalkheit.

 

Da Eulenspiegel weiter reisen musste, kam er nach Herford in Westphalen: Als er nun Hunger, aber kein Geld hatte, dachte er, du musst doch etwas zu essen haben, denn der Hunger kneift. Mit diesen Gedanken ging er durch den Fleischscharren. Hier sprach ein Metzger zu ihm, er solle sich ein gutes Stück Braten mitnehmen. Eulenspiegel nahm den Braten, den ihm der Metzger anbot und ging damit fort. Der Metzger rief ihm nach, er müsse ihm erst das Fleisch bezahlen. Eulenspiegel antwortete: Davon habt ihr mir vorher nichts gesagt, sondern nur, ich solle mir das Fleisch mitnehmen, das thue ich nun, weil ihr mir's gesagt habt. Da die andern Metzger den Streit hörten, sprachen sie: Ja, der Fremde hat recht, du hast zu demselben gesagt, er solle das Fleisch mitnehmen, von Bezahlen hast du nichts geäussert. Während sich nun der Metzger mit seinen Mitmeistern tüchtig zankte und sich einander verfluchten, (welches diese Leute zu der Zeit recht entsetzlich konnten,) ging Eulenspiegel mit seinem Fleische davon und liess die Metzger sich darum zanken. Als Eulenspiegel das Fleisch sich gebraten und es verzehrt hatte, setzte er seine Reise fort und kam nach Lübeck zurück. Hier kehrte er auf dem Rathskeller ein, und hielt sich anfänglich sehr zurückgezogen. Nun kamen mehre Weintrinker an, diese sprachen unter einander von Betrügern, und dass es deren jetzt viele gäbe. Der Weinküper, der dieses mit anhörte, sprach aber grossprahlerisch: Mich soll gewiss keiner betrügen. Eulenspiegel sprach zu ihm: Mein Freund, doch wohl mit sehenden Augen. Ja, den wollte ich sehen, sagte er. Nach einer Weile nahm Eulenspiegel zwei Kannen, goss die eine heimlich voll Wasser, und liess die andere leer, beide waren aber einander völlig gleich, ging damit zum Küper und sprach: Gebt mir doch eine Kanne Wein, und zwar vom besten. Der Küper ging mit ihm in den Keller, und Eulenspiegel gab ihm die leere Kanne. Als er den Wein hatte, fragte er, was er kostete, und der Küper antwortete: 40 Pfennige. Das ist zu theuer, sagte Eulenspiegel, ich habe nicht mehr als 24 Pfennige. Der stolze Weinküper fuhr ihn zornig an und sagte: Was, du willst meinem Herrn den Wein taxiren! sogleich gieb den Wein wieder her! Eulenspiegel, der beim Empfange die Kannen in Geschwindigkeit verwechselt hatte, gab ihm die Kanne mit dem Wasser, und der Küper goss die Kanne Wasser, weil es im Keller etwas dunkel war, in der Meinung, es sei der Wein, durch das Spundloch wieder in's Fass, gab ihm die leere Kanne zurück und sprach zu ihm: Wenn du Wein trinken willst, so musst du erst wissen, ob du ihn bezahlen kannst! Und Eulenspiegel sagte still im Weggehen: Bist du nicht ein Thor! Dich sollte doch Niemand betrügen können, und du betrügst dich selbst, und zwar bei sehenden Augen! Eulenspiegel nahm den Wein, ging damit in die Gaststube, liess sich für 8 Pfennige Butterbrod mit Käse geben, verzehrte beides, trank die Kanne Wein dazu, und wanderte dann weiter.

Eulensp. Schalkheit auf seiner Reise nach Erfurt u. Lübeck.

 

41.

Eulenspiegel wird in Hamburg ein Barbiergeselle.

 

Eulenspiegel reiste dann von Lübeck nach Hamburg. Als er hier auf dem Holzmarkte stand und sich etwas umsah, kam ein Barbier zu ihm, der fragte ihn, was er für ein Gesell wäre. Eulenspiegel antwortete: Ich bin ein Barbiergeselle. Da fragte der Barbier: Hast du Lust, bei mir eine Stelle anzunehmen? Als Eulenspiegel ihm dieses zusagte, sprach sein neuer Meister zu ihm: So gehe gleich in mein Haus und warte, bis ich komme. Dort, wo die grossen Fenster sind, da ist mein Haus, da gehe hinein; nach diesen Worten ging der Barbier weiter. Eulenspiegel ging auf das Haus los, stiess mit dem Kopfe das eine Fenster ein, stieg durch dasselbe, und grüsste die ganze Familie. Die Frau nebst den Kindern fingen laut an zu schreien, und erstere fuhr ihn mit den Worten an: Warum führt dich Bösewicht der Kuckuck zu dem Fenster herein? Eulenspiegel antwortete: Liebe Frau, zürnet nicht über mich, dass ich durch das Fenster herein komme, denn euer Mann hat es mich geheissen, der will mich als Gesell annehmen, und ich bin gewohnt, Alles zu thun, was mich geheissen wird. Indem er sich darüber mit der Frau stritt, kam der Barbier, hörte und sah den Spektakel und sprach zu ihm: Warum bist du denn nicht zur Thür hineingegangen, ist sie dir etwa nicht weit genug? aus welcher Ursache stössest du mir das Fenster ein? Eulenspiegel antwortete: Ihr sagtet, mein lieber Herr, ich sollte da hineingehen, wo die grossen Fenster wären, und ihr wolltet bald nachkommen; ich habe also gethan, was ihr mich geheissen habt. Der Barbier schwieg, weil er einen Gesellen sehr nöthig hatte, und dachte, vielleicht nimmt er etwas weniger Lohn oder ich ziehe es ihm ab, dann kann ich meinem Schaden doch wieder nachkommen. Und so liess er die Sache auf sich beruhen, gab dem neuen Gesellen die Rasirmesser zum Schleifen, und sprach: Schleife sie glatt aus dem Rücken, gleich der Schneide. Eulenspiegel nahm ein Messer und schliff den Rücken der Schneide gleich. Nachdem Eulenspiegel eins von den Messern geschliffen hatte, wollte der Meister die Arbeit besehen, und siehe, da hatte der neue Geselle den Rücken beinahe der Schneide gleich geschliffen. Da sprach sein Meister: Was machst du nun für Streiche? du verdirbst ja durch solches Schleifen die Messer gänzlich? Eulenspiegel erwiederte: Warum sollte das so nicht gut werden, ich mache es ja, wie ihr es mich geheissen habt. Darüber ward der Herr zornig und sprach: ich sehe, dass du ein grober Schalk bist! lass deine Schleiferei liegen und gehe wieder hin, wo du hergekommen bist. Ja, sagte Eulenspiegel, das will ich thun, wir können so nicht ewig beisammen bleiben! lief in die Stube, und sprang zu dem Fenster wieder hinaus, wo er hereingekommen war. Da das der Barbier sah, ward er sehr zornig und wollte ihn einholen, damit er das Fenster bezahle; aber Eulenspiegel war weit geschwinder und entkam ihm, ging auf ein Schiff und fuhr nach Bremen.

Eulensp. wird in Hamburg ein Barbiergesell.

 

42.

Eulenspiegels Schalkheit an den Milchweibern zu Bremen.

 

Als nun Eulenspiegel endlich nach Bremen kam und in der Altstadt umher ging, bemerkte er, dass viele Mädchen aus den Vorstädten mit Milch zur Stadt kamen, und solche zum Verkauf ausboten. Hier, dachte Eulenspiegel, ist es Zeit, den Milchmädchen einen tüchtigen Possen zu spielen, weil er gesehen hatte, wie sie die Milch mit Wasser verfälschten, um desto mehr Geld daraus zu lösen. Zu dem Zwecke kaufte er eine grosse Tonne, stellte sie auf den Markt und blieb dabei stehen. Wenn nun ein Milchmädchen vorbeiging, rief er es an und sprach: Mien söte Deeren, wut du diene Melk verköpen? was sie natürlicherweise bejahete; sie musste alsdann die Milch in die grosse Tonne schütten. Nachdem nun einige Mädchen ihre Milch an Eulenspiegel verkauft hatten, wollten sie das Geld dafür haben. Er sagte aber: Erst muss ich die Tonne voll Milch haben, dann will ich euch auf einmal bezahlen. Die Milch-Verkäuferinnen setzten sich also mit ihren leeren Gefässen um Eulenspiegel herum, mussten aber einige Stunden warten, ehe die Tonne voll wurde. Endlich aber wollten die Mädchen ihr Geld haben, da erklärte er: diejenige, welche ihm nicht 14 Tage borgen wolle, könne ihre Milch wieder hinnehmen. Wie dies die Milchmädchen hörten, wollten sie Eulenspiegel prügeln, aber er entwischte ihnen und versteckte sich unter einen Rathhaus-Bogen. Es verfolgte ihn auch keine von den Milchverkäuferinnen, weil jede ihre Milch wieder haben wollte; sie fielen alle über die Milchtonne her und welche am meisten Milch bekommen konnte, säumte jetzt nicht; aber damit waren andere nicht zufrieden und so fing die ganze Menge an sich zu schimpfen und zu schelten, in den Haaren zu raufen, zu schlagen und zu kratzen. Dies war aber noch nicht alles, sondern einige gossen die ganze Milch sich einander über den Leib und der Marktplatz sah aus, als wenn es Milch geregnet hätte. Es kamen viele Menschen herbei, welche diesen Spectakel ansahen und auch Eulenspiegel guckte aus seinem Versteck hervor und freuete sich nicht wenig, dass er die Bremer Milchhändlerinnen derb angeführt hatte.

Eulensp. Schalkheit an den Milchweibern in Bremen.

 

43.

Eulenspiegel kommt wieder nach Lübeck, wird erhascht und soll erhängt werden.

 

Eulenspiegel schlich sich heimlich, als der Lärm der Milchmädchen bekannt wurde, aus Bremen; denn er fürchtete, erhascht zu werden und ging nach Lübeck zurück. Er kehrte auf dem Rathskeller wieder ein, wo er vor kurzer Zeit den grossprahlerischen Weinküper so tüchtig angeführt hatte. Dieser, der nach Eulenspiegels Wegreise die zwei Kannen auf der Tafel fand und in einer noch vom besten Weine, aber in der andern einige Tropfen Wasser, sah hieraus, dass ihn der listige Eulenspiegel betrogen hatte und fragte ihn deswegen gleich beim Eintreten, wie ihm neulich der Wein geschmeckt und warum er ihn mit der Kanne Wasser betrogen hätte? Eulenspiegel erwiederte: Ich habe dich nicht betrogen, sondern habe getäuscht; denn den Wein hast du mir gegeben und eine Kanne des stärksten Getränks dafür zurück erhalten. Der Weinküper hatte aber heimlich einen Polizeidiener bestellt; dieser kam und verhaftete Eulenspiegel. Er wurde von dem hochweisen Rathe der Stadt Lübeck examinirt und des Betruges überführt und sollte gehängt werden. Als der Todestag erschienen, und der ganze Rath und viele andere Personen auf dem Gerichtsplatze versammelt waren, wurde Eulenspiegel aus seinem Gefängnisse geholt, und das Todesurtheil ihm nochmals vorgelesen. Eulenspiegel hörte dieses geduldig an und bat dann den hochweisen Rath noch um Gewährung einer Bitte. Die Rathsherren antworteten: Ja, wenn es nicht wider die Statuten unserer Stadt ist, so sage an, was du begehrst. Eulenspiegel sprach: Es ist eine Bitte, die allen euren Rechten nicht das Geringste in den Weg legt und keinem Menschen etwas schadet, mithin eine geringe Sache; nur müsst ihr, hochweise Herren, mir die Erfüllung dieser Bitte erst versprechen, dann will ich sie euch vortragen. Alle Rathsherren in ihren grossen Mänteln und weissen Halskragen waren in gespannter Erwartung, was das für eine Bitte sein würde und wurden einig, dass sie dem Gefangenen dieselbe gewähren wollten. Nachdem dies geschehen war, sprach Eulenspiegel: Hochgebietende und hochweise Herren! meine Bitte, deren Erfüllung ihr mir zugesagt habt, ist diese: Wenn ich nun hier an diesem Galgen hänge, dass dann der Weinküper und derjenige Polizeidiener, der mich euch überliefert hat, jeden Tag kommen mögen, um bei mir Abbitte zu thun; da ihr mir nun die Erfüllung meiner Bitte versprochen habt, so hoffe ich, dass ihr darauf halten werdet. Die hohen Rathsherren aber sprachen, dass dieses nicht erfüllt werden könne. Eulenspiegel sprach: So dürft ihr mich auch nicht hängen lassen! – Durch diese List kam Eulenspiegel wieder los und lachte die versammelten Zuschauer aus, weil sie vergeblich gekommen waren.

Eulensp. soll in Lübeck gehenkt werden.

 

44.

Eulenspiegel betrügt zu Wismar einen klugen Pferdehändler.

 

Eulenspiegel reiste nach seiner Errettung vom Galgen nach Wismar, wo eben Viehmarkt war. Hier traf er einen Pferdehändler, welcher bei seinem Pferdekaufe jedesmal die Pferde an den Schwanzhaaren zu ziehen pflegte; wenn diese recht fest sassen, so meinte er, die Pferde wären ganz gesund und lebten lange. Eulenspiegel, der dies hörte und gerade einen Stumpfschwanz ritt, kaufte sich beim Abdecker einen abgeschnittenen Schweif von einem todten Pferde, nahm Pech und Leim, that auch etwas Blut darunter und leimte seinem Stumpfschwanze den gekauften Schweif sehr geschickt an; dann ritt er mit seinem Pferde zu dem Pferdehändler und bot ihm dasselbe an. Der Pferdehändler musterte das Pferd, ergriff nach gewohnter Art das Pferd bei dem Schwanze und zog daran; auf einmal riss er dem Pferde denselben ab. Als das Eulenspiegel sah, fing er an zu schelten und fragte den Pferdehändler, was er ihm denn nun für die Verschimpfung seines früher so schönen Pferdes bezahlen wolle, nachdem er ihm mit riesenhafter Kraft den langen dicken Schweif abgerissen habe. Viele Leute waren bei diesem Vorfalle zugegen gewesen und standen Eulenspiegel darin bei, dass der Pferdehändler das Pferd bezahlen müsse. Da aber Eulenspiegel zu viel Geld für sein Pferd forderte, so handelte der Pferdehändler nur um das Schweifabreissen und musste er Eulenspiegel 20 Gulden dafür bezahlen. Eulenspiegel nahm das Geld, ritt mit seinem Stumpfschwanze davon und freuete sich, dass er den Pferdehändler so derb angeführt hatte; dieser aber hütete sich in Zukunft, ein Pferd wieder fest am Schweife zu ziehen.

Eulensp. betrügt in Wismar einen Pferdehändler.

 

45.

Eulenspiegel erschreckt einen grossprahlerischen Wirth zu Eisleben mit einem todten Wolfe.

 

Nach der vorigen Begebenheit kam Eulenspiegel nach Eisleben und hielt sich daselbst eine Zeitlang auf. Als er daselbst herbergte, kamen drei reisende Kaufleute aus Niedersachsen, welche nach Nürnberg wollten, spät Abends an. Der Wirth fragte die Reisenden warum sie denn so spät ankämen. Die Kaufleute erzählten, dass sie unterwegs in sehr grosser Lebensgefahr gewesen; ein sehr grosser Wolf habe sie verfolgt, und sie wären nur mit Mühe entkommen. Der Wirth, der gewöhnlich über Alles einen beissenden Spott führte, äusserte sich auch diesmal auf eine spöttische Weise, und lachte die drei Reisenden aus, dass sie sich vor einem Wolfe gefürchtet hätten. Dies verdross die Männer, die doch Todesangst ausgestanden hatten, und sie dachten an eine Wiedervergeltung. Der prahlerisehe Wirth sagte: Wenn mir auch zwei Wölfe begegneten, so wollte ich sie allein verjagen. Eulenspiegel, der dieses Alles mit anhörte, merkte, dass die Kaufleute über diesen Spott sich innerlich ärgerten, und sagte zu ihnen, als sie in der Stube allein waren: Habt nur Geduld, ich will unsern Wirth für den heutigen Spott bezahlen; dann gab er ihnen an, wie er es machen wolle, bat sich aber dafür eine kleine Belohnung aus. Den Kaufleuten gefiel der Vorschlag, und sie gaben Eulenspiegel Geld im Voraus. Nun fragte Eulenspiegel, wann sie wieder zurück kämen, und sie sagten, in 14 Tagen. Gut, sagte Eulenspiegel, dann will ich auch wieder hier sein. – Am andern Morgen bezahlten die Kaufleute für sich und auch für Eulenspiegel die Zeche und reiseten weiter. Der spöttische Wirth rief ihnen noch im Weggehen nach: Gebt Acht, dass euch kein Wolf erhascht! – Die Reisenden antworteten: Wenn uns die Wölfe fressen, so kommen wir nicht wieder. Eulenspiegel reiste auch ab, und zwar nach dem Harzgebirge (wo es damals viel Wölfe gab), machte Jagd auf einen grossen Wolf und erlegte ihn. Es war aber grade sehr kalt und deshalb fror der Wolf steif. Mit diesem steif gefrornen Wolfe, welchen er in einem grossen Sack verborgen hielt, reiste er wieder nach Eisleben zurück. Die Kaufleute und Eulenspiegel trafen zu gleicher Zeit bei ihrem vorigen Wirthe ein. Eulenspiegel sagte heimlich zu den Kaufleuten, dass er in der folgenden Nacht den Spass machen wolle. Der grossprahlerische Wirth hatte die Kaufleute des Abends aufs neue zum Besten wegen ihrer Furcht vor den Wölfen. Als sie gegessen hatten, gingen sie, so wie der Wirth und alle seine Leute zu Bette.

Eulensp. erschreckt einen Gastwirth zu Eisleben mit einem todten Wolfe.

Wie nun Alles im Hause ruhig war, nahm Eulenspiegel seinen Wolf, schlich sich in die Küche und stellte hier denselben hin, welcher, da er steif gefroren war, recht gut stand, steckte ihm auch zwei Kinderschuhe in das Maul und schlich sich wieder in seine Schlafkammer. Einige Minuten später riefen die Kaufleute dem Wirthe zu, dass er ihnen doch Bier zum Trinken bringen möge, denn sie hätten noch grossen Durst. Der Wirth rief seine Magd, um das Bier zu holen; diese, als sie in der Küche ein Licht angezündet hatte, und den Wolf erblickte, fing ein lautes Geschrei an, lief mit dem Lichte davon und liess sich nicht sehen. Nun wurde der Hausknecht gerufen, um zu sehen, was vorgefallen wäre. Wie dieser auch Licht in der Küche angezündet hatte, und den Wolf da stehen sah, lief er gleichfalls mit grossem Geschrei davon und liess das Licht in der Küche stehen. Als der Wirth das Geschrei seines Hausknechtes hörte, stand er geschwinde auf, um nachzusehen, was vorginge, und als er in die Küche kam, und den Wolf sah, fing auch er ein lautes Geschrei an, dass man glaubte, der Wolf hätte ihn schon beim Kragen. Er kam in grosser Angst zu seinen Gästen, erzählte ihnen mit Zittern, dass ein grosser Wolf in der Küche stände, und schon ein Kind gefressen haben müsse, denn die Füsse desselben hingen ihm noch mit den Schuhen aus dem Maule, und wer wisse, ob er nicht auch die Magd und den Knecht gefressen habe; denn beide wären nicht zu sehen. Die drei Kaufleute und Eulenspiegel standen also auf und gingen, mit dicken Knitteln bewaffnet, mit dem Wirthe in die Küche, konnten sich aber des Lachens nicht enthalten. Als sie nun in die Küche kamen, trat Eulenspiegel zu dem Wolfe hin, klopfte ihn auf den Rücken und stiess ihn nach vielem Betasten mit dem Fusse um; aber der Wirth war entflohen, wie Eulenspiegel zu dem Wolfe trat. Nun rief Eulenspiegel den Wirth und seinen Knecht, welche sich im Keller verkrochen hatten, wieder herbei, auch die Magd wurde hervorgesucht, welche man in der Kinderstube fand. Jetzt fingen die Fremden ein lautes Gelächter an, und Eulenspiegel sprach zum Wirth: Herr Wirth, ihr hattet vor 14 Tagen ein so grosses Wort, dass ihr euch nicht vor zwei lebendigen Wölfen fürchtetet, und nun habt ihr euch vor einem todten Wolfe so sehr erschrocken?! O, wo ist eure Herzhaftigkeit! Kann ein todter Wolf euch mit eurem Gesinde in die Winkel des Hauses jagen, was mag nicht ein lebendiger Wolf können! Ein anderes Mal seid nicht so grossprahlerisch bei euren Gästen und verspottet den nicht, der in wirklicher Gefahr sich befindet. Der Wirth schämte sich seiner Spottreden und bat die Kaufleute um Verzeihung. – Da mit diesem Spasse fast die ganze Nacht verstrichen war, und der Tag schon anbrach, so assen die Kaufleute ihre Biersuppe, bezahlten Alles und reiseten weiter. Eulenspiegel begleitete sie bis nach Achersleben, wo er blieb.

 

46.

Eulenspiegel giebt sich in Achersleben für einen Kürschnergesellen aus.

 

Als Eulenspiegel nach Aschersleben kam, hatte er kein Geld mehr; er sah sich um, ob nicht Jemand einen Gesellen nöthig hätte. Es war Niemand als ein Kürschner, der eines Gesellen bedurfte. Bei diesem meldete sich Eulenspiegel, und gab sich für einen Kürschnergesellen aus. Als er nun von dem Meister in Arbeit genommen war und die Pelze mit zubereiten helfen sollte, war er den Geruch nicht gewohnt, und sagte: Pfui, pfui, du bist so weiss wie Kreide und riechst so übel als Dreck. Der Kürschner sprach: Riechst du das nicht gern? – Eulenspiegel antwortete: Das mag der Kukuk gern riechen, ein solcher widerlicher Geruch ist mir noch nie unter meine Nase gekommen; – worauf der Meister ihm zu verstehen gab, dass er wohl merke, dass er kein Kürschnergeselle wäre; weil er aber nothwendig einen Gesellen brauche, und er doch nähen könne, so wolle er ihm zu nähen geben. – Der Kürschner sah ihm nun mit Verwunderung zu bis an den Abend. Da sie aber des Abends gegessen hatten, sprach er zu ihm: Lieber Tyll, weil ich sehe, dass du kein rechter Kürschner bist, so kannst du wieder weiter gehen. Der Geruch ist dir ja ohnehin zuwider; hättest du nur vier Nächte dabei geschlafen, du würdest dich so wunderlich nicht geberden. Eulenspiegel sagte: Gut, lieber Meister, wollt ihr mir erlauben, vier Nächte in den Fellen zu schlafen, so sollt ihr sehen, dass es besser gehen wird. – Der Kürschner glaubte seinen Worten und erlaubte es ihm. – Der Kürschner ging dann mit seiner Frau zu Bette. Als sie fort waren, nahm Eulenspiegel alle bereiteten und unbereiteten Felle, trug sie in eine Kammer und schlief darin. Des Morgens, als der Meister aufstand und in seine Werkstätte kam, sah er, dass alle Felle fort waren, worüber er heftig erschrak, weil er glaubte, sie wären ihm gestohlen. Er lief nun geschwind in Eulenspiegels Kammer, um ihn davon zu benachrichtigen, und siehe, da fand er Eulenspiegel mitten in den Fellen liegen. Der Meister weckte ihn und fragte: Warum hast du die nassen Felle aus der Werkstätte genommen und dich hineingelegt? und wie ich sehe, auch trockene Felle unter die nassen geworfen? Eulenspiegel stand auf und antwortete schnell: Ihr habt es mir ja erlaubt. – Der Kürschner warf die Felle wieder auseinander, was einen ausserordentlichen Geruch verursachte, weil die nassen Felle die trockenen angesteckt hatten. Der Kürschner wurde zornig und schalt ihn tüchtig aus; aber Eulenspiegel antwortete: Meister, zürnet doch nicht darüber, ihr habt mir vier Nächte darin zu schlafen erlaubt, nun habe ich erst eine Nacht darin geschlafen, und es ist euch schon zuwider? was werdet ihr aber dann sagen, wenn ich vier Nächte darin geschlafen habe? – Der Kürschner antwortete: Du Bösewicht hast mir so grossen Schaden durch deine Schalkheit verursacht, dass ich dich erst dafür bezahlen will – und suchte einen Knüppel. Aber während der Kürschner diesen suchte, sprang Eulenspiegel die Treppe hinunter, wo ihn die Frau und Magd aufhalten wollten, welche den Streit mit angehört hatten, und deshalb zur Hülfe des Meisters herbeigeeilt waren. Zu diesen sprach er mit Aengstlichkeit: Haltet mich ja nicht auf, denn der Meister hat eben ein Bein gebrochen, ich muss geschwind den Wundarzt holen! Da liessen sie ihn laufen und eilten selbst die Treppe hinauf, um dem Meister beizustehen; sie waren aber kaum die Hälfte der Stufen hinauf, als ihnen derselbe entgegen kam, und da sie Alle zu sehr eilten, so stiessen sie heftig zusammen, und die Frau und Magd fielen rücklings die Treppe hinunter, und der Meister purzelte ihnen auch nach. Während dieses Vorfalls hatte Eulenspiegel Zeit, sich davon zu machen, was er auch that, und Aschersleben verliess. Die andern drei waren aber froh, dass sie beim Fallen mit leichten Wunden davon gekommen waren, und bekümmerten sich um Eulenspiegel nicht weiter.

Eulensp. wird in Aschersleben ein Kürschnergesell.

 

47.

Eulenspiegel näht zu Leipzig eine Katze in ein Hasenfell und verkauft sie an einen Kürschner für einen Hasen.

 

Eulenspiegel war den Kürschnern wegen des Geruchs der Felle nicht gewogen und suchte Gelegenheit, ihnen aufs neue einen Schelmenstreich zu spielen. Als er von Aschersleben nach Leipzig kam, so erfuhr er, dass die Kürschner zu Fastnacht eine grosse Zusammenkunft hätten, wobei die löbliche Gilde zu Abend speiste, und ein Hasenbraten nicht fehlen dürfe. Jetzt ist es Zeit, dachte Eulenspiegel, wieder einen Possen zu spielen. Er nahm deshalb die Katze seines Wirths, liess sich von der Wirthin ein frisches Hasenfell geben, und nähte die Katze hinein, steckte sie in einen alten Sack, zog Bauernkleider an, stellte sich mit seinem Hasen auf dem Markte vor das Rathhaus, und wartete da, bis ein Kürschner kam und ihn fragte, was er feil hätte. Weil aber in jenem Jahre der Hasen nur wenige waren, so forderte Eulenspiegel 10 Neugroschen dafür und 5 Pfennige für den Sack. Viele Käufer kamen herzu, und wollten den Hasen kaufen, weil er lebendig war; aber Eulenspiegel sagte: Es soll ihn Niemand haben, als der Kürschner. Voll Freude lief letzterer zu einigen seiner Mitmeister, und erzählte diesen, dass er einen lebendigen Hasen gekauft habe, was ihnen sehr lieb war. Alle wurden einig, dass sie einen Spass bei der Zusammenkunft damit machen wollten, und der Hase bis dahin gefuttert werden solle. Als der Gildentag kam, brachten diejenigen Meister, welche um den Hasen wussten, Hunde mit. Nun liessen sie den Hasen in einen Garten laufen, und schickten ihre Hunde hinter ihm her. Der Hase kletterte aber geschwind auf einen Baum und schrie: Miau! Miau! Miau! Nun merkten die Kürschner, dass der Bauer sie angeführt hatte, und wurden deshalb von der übrigen Gesellschaft derb ausgelacht, erfuhren auch hinterher, dass es Eulenspiegel gewesen war.

Eulensp. verkauft eine Katze für einen Hasen.

 

48.

Eulenspiegel kommt wieder nach Braunschweig und wird Lohgerber.

 

Schon einige Jahre waren verstrichen, dass Eulenspiegel in Braunschweig nicht gewesen war. Nein, sagte er zu sich selbst, jetzt muss ich wieder hin, sonst könnten die Leute glauben, Eulenspiegel sei todt. Er ging also von Leipzig nach Braunschweig und nahm bei einem Gerbermeister Arbeit, welcher ihn aber nicht kannte. Einige Tage nachher wurde der Meister zu Gaste gebeten und trug Eulenspiegel auf, das Leder gar zu machen, und sprach: Siede den Tubben voll Leder gar. – Eulenspiegel fragte: Was soll ich für Holz dazu nehmen? Der Meister lachte und sagte spöttisch: Das ist eine Frage! Wenn ich kein Holz mehr hätte, so könntest du wohl Stühle und Bänke nehmen und damit das Leder gar machen. – Eulenspiegel antwortete: Ei, das wird auch gehen! Der Meister sagte im Weggehen verdriesslich: Ja, verderben kann man Alles. Als er fort war, hing Eulenspiegel den Kessel über das Feuer und steckte eine Haut nach der andern hinein, zerhackte alle Stühle und Bänke, und verbrannte sie unter dem Kessel, bis das Leder mürbe gekocht war. Nun zog er das verdorbene Leder aus dem Kessel und legte es auf einem Haufen, nahm dann in sein Reisebündel Wurst, Schinken und Brod und machte sich aus dem Thore. Der Meister kam spät am Abend mit seiner Frau zu Hause und dachte in seiner Betrunkenheit viel an seinen Gesellen. Am andern Morgen aber ging er früh in das Gerbehaus, wie erschrak er, als er die Häute verdorben und einige Füsse von Tischen und Stühlen da liegen sah. Darauf lief er in die Wohnstube; da fand er keinen Tisch und keinen Stuhl und entdeckte mit Schrecken, dass sein Knecht weggelaufen war, und alle Hausgeräthe von Holz verbrannt hatte. Er ging zu seiner Frau, welche noch im Bette lag, und erzählte ihr Alles, wie auch, dass der Knecht Wurst, Schinken und Brod mitgenommen habe. Der Bösewicht, schrie die Frau, der ist gewiss Eulenspiegel gewesen ! – Und diese Vermuthung wurde ihnen von Andern, welche Eulenspiegel kannten und gesehen hatten, bestätigt.

Eulensp. wird in Braunschweig ein Ledergerber.

 

49.

Eulenspiegel reiset nach Wien auf die hohe Schule.

 

Von Braunschweig reiste Eulenspiegel nach Frankfurt am Main und machte hier solche Streiche, dass er von den Häschern überall verfolgt wurde; alsdann reiste er nach Wien, da er hier sicher zu sein glaubte. Eulenspiegel kam gerade an dem Tage in Wien an, als man auf der hohen Schule öffentlich examinirte; er ging hinein, trat vor den Magister hin, der auf dem Lehrstuhle sass und sah ihn starr an. Der Magister sprach: Freund, warum siehst du mich mit so grossen Augen an? willst du mich um etwas fragen? – Eulenspiegel bedachte sich kurz und sagte: Ja, Herr, ich will euch fragen: Welches ist besser, der Mensch thut das, was er weiss, oder das, was er erst lernen muss, also nicht weiss? Und machen die Doctoren die Bücher, oder die Bücher die Doctoren? – Die gelehrten Herren sahen sich unter einander an und wussten nicht, was sie antworten sollten. Einige meinten, es wäre besser zu thun, was sie noch lernen müssten; der grösseste Theil fand es aber besser, dasjenige zu thun, was man schon wüsste; sie konnten aber zu keinem allgemeinen Beschlusse kommen. Eulenspiegel sagte endlich: Ich sehe wohl, eure Klugheit zerreisst euch die Köpfe, und wenn ich nicht selbst meine Fragen beantwortete, so werdet ihr Alle zu Narren. Ihr klugen Herren denkt nur dasjenige zu thun, wovon ihr noch keinen Buchstaben gelernt habt, dasjenige aber, was ihr gelernt habt, ist euch zu gering zu thun. Also ist eure Gelehrsamkeit nur Einbildung, und ihr seid dumme Esel. – Nach diesen Worten entfernte sich Eulenspiegel schnell aus dem Saale und auch aus Wien.

Eulensp. reiset nach Wien auf die hohe Schule.

 

50.

Eulenspiegel kauft ein Pferd und bezahlt es nur halb.

 

Eulenspiegel reiste von Wien durch Tyrol nach seinem Vaterlande zurück und kam endlich nach Hildesheim. Hier traf er einen Pferdehändler, welcher ihm ein Pferd anbot. Eulenspiegel liess sich gleich mit ihm in Unterhandlung ein und fragte, wie viel er für das Pferd haben wollte. Der Pferdehändler forderte 25 Gulden, und Eulenspiegel bot ihm 24 Gulden, mit der Bedingung, dass er ihm jetzt 12 Gulden bezahlen und die andern 12 schuldig bleiben wolle. Und der Pferdehändler sprach: Nimm das Pferd hin. Eulenspiegel bezahlte ihm also 12 Gulden, setzte sich auf das Pferd und ritt fort. Nach 3 Monaten sah der Pferdehändler Eulenspiegel wieder und mahnte ihn um die 12 Gulden, die er ihm noch schuldig war. Eulenspiegel antwortete: Ich habe dir ja gesagt, dass ich sie dir schuldig bleiben will. Aber der Pferdehändler forderte ihn vor das Gericht. Eulenspiegel ging hin und erklärte: Ich habe das Pferd mit dem Accord gekauft, dass ich dem Pferdehändler 12 Gulden schuldig bleiben wollte, soll ich nun diese 12 Gulden bezahlen, so kann ich ja mein Wort nicht halten, und mein Wort habe ich noch immer gehalten; ich hoffe also, dass es auch jetzt dabei bleibt. – Das Gericht verurtheilte ihn aber, dass er binnen 24 Stunden dem Pferdehändler die schuldigen 12 Gulden bezahlen solle. Eulenspiegel ritt aber heimlich fort, und soll es noch schuldig sein.

Eulensp. kauft ein Pferd und bezahlt es nur halb.

 

51.

Eulenspiegel kommt nochmals nach Braunschweig und wird Kuhhirt.

 

So vielerlei Eulenspiegel auch in seinem Leben angefangen, so hatte er es doch noch nicht dahin gebracht, dass er sich auf mehrere Jahre ein sicheres Brod erworben hätte. Da er nun hörte, dass der fürstliche Kuhhirte zu Braunschweig abgedankt wäre, so entschloss er sich, sich zu diesem Dienste zu melden; denn er sagte: Ein Aemtchen sei noch so klein, es ernährt immer seinen Mann. – Eulenspiegel ging deshalb nach Braunschweig zum fürstlichen Hofmeister und bat, dass man ihm den Hirtendienst geben möge, er wolle auch keinen Lohn haben. Der fürstliche Hofmeister war es zufrieden und nahm Eulenspiegel auf 10 Jahre als Kuhhirt an. Da er nun gut auf das Vieh achtete, so hatte man ihn bei der Heerde gern, und war mit ihm wohl zufrieden. Dies wusste Eulenspiegel; deshalb wollte er sein Aemtchen sich nützlich machen. Er schrieb nämlich gleich im ersten Dienstjahre an eine nahe gelegene Stadt, dass er gehört habe, es wäre dort gute Weide; er würde deswegen bald mit seiner Heerde kommen und solche darauf weiden. Als die Einwohner des Städtchens den Inhalt des Briefes vernahmen, erschraken sie darüber und beschlossen, den Feind abzukaufen. Zu dem Zweck schickten sie Eulenspiegel 25 Gulden, mit der Bitte, sie zu verschonen. Eulenspiegel freute sich über das Gelingen seiner Schelmerei und machte es noch mit einigen Orten eben so, bis er so viel Geld gesammelt hatte, dass er sich einen mit Goldtressen besetzten Rock und andere schöne Kleidungsstücke dafür angeschafft und auch einiges Geld in seiner Tasche hatte. Da der Hofmeister sah, dass Eulenspiegel so schöne Kleider trug, fragte er ihn, wie das zuginge, da die vorigen Hirten über Mangel geklagt hätten. Eulenspiegel antwortete: Mein Herr, es ist kein Aemtchen so klein, es trägt auch etwas Nutzen ein; das heisst: man muss das Schäfchen scheeren, weil es Wolle hat. Der Hofmeister erfuhr aber seine Betrügereien, und Eulenspiegel wurde abgedankt.

Eulensp. wird in Braunschweig ein fürstlicher Viehhirte.

 

52.

Eulenspiegel schindet zu Strassfurt einen Hund und bezahlt mit dessen Felle seine Wirthin.

 

Eulenspiegel ging von Braunschweig nach Strassfurt und kam in ein Wirthshaus, wo die Wirthin zufällig allein zu Hause war. Diese Frau hielt sich ein Hündchen, das sie bei dem Spinnrade und in müssigen Stunden immer auf dem Schoosse hatte, und was sie ass und trank, davon musste ihr Liebling auch etwas haben. Als nun Eulenspiegel in der Stube sass und Bier aus einer Kanne trank, sprang der Hund herzu und wollte auch daraus trinken. Die Wirthin sagte deshalb zu Eulenspiegel: Gebt meinem Hündchen auch davon zu trinken; er ist darum aufgesprungen. Eulenspiegel sagte: Recht gern. Die Wirthin ging in die Küche, um Speisen zuzubereiten. Während dieser Zeit gab Eulenspiegel dem Hündchen so viel Bier zu trinken, dass es recht satt davon wurde und sich behaglich auf die Fensterbank in die Sonne legte. Als die Hundenärrin wieder in die Stube kam, freute sie sich sehr über die Verpflegung ihres Hundes. Eulenspiegel fragte die Wirthin, wie viel die Zeche betrüge, und sie antwortete: Zwei Groschen. Eulenspiegel sagte: Wenn aber, liebe Frau, der Gast kein Geld hat, wollt ihr ihm wohl borgen? Sie antwortete: Mein lieber Freund, wer hier essen und trinken will, muss Geld oder ein Pfand haben. Eulenspiegel sprach: Gut, das bin ich meines Theils zufrieden; ein Jeder sorge für sich. Die Wirthin ging wieder hinaus und verrichtete häusliche Arbeiten. Als sie weg war, ergriff Eulenspiegel das Hündchen, ging damit heimlich in den Stall, tödtete es und zog ihm das Fell schnell ab und verbarg es unter seinem Rocke, ging wieder in die Stube und bezahlte die Hälfte der Zeche. Die Wirthin fragte, wer denn die andere Hälfte bezahlen solle. Eulenspiegel sprach: Ich hatte einen Gast, der trank auch mit; da er aber kein Geld hat, so will er mit einem Pfande bezahlen. Die Wirthin antwortete: Was ist das für ein Gast und wo ist das Pfand? Eulenspiegel zog das Fell hervor und sprach: Sehet, liebe Frau Wirthin, das ist des Gastes Rock, den er anhatte, den habe ich ihm ausgezogen und das ist sein Pfand. Die Wirthin erschrack sehr, als sie ihres Lieblings Fell sah und sagte: Wer hat dich Bösewicht zu dieser schändlichen That bewogen? – Eulenspiegel antwortete: Ihr selbst, gute Frau, denn ihr sagtet, ihr wollet Geld oder ein Pfand für die Zeche haben, weil er aber kein Geld hatte, so musste er seinen besten Rock zum Pfande lassen, den nehmt nun für seine Schuld hin. – Mit diesen Worten warf er ihr das Fell zu und sprang eilig fort.

Eulensp. schindet zu Strassfurt einen Hund.

Eine geraume Zeit nachher kam Eulenspiegel wieder nach Strassfurt und kehrte in demselben Wirthshause ein. Die Wirthin bewillkommnete ihn freundlich, denn sie erkannte den Schalk Eulenspiegel nicht, weil er ganz andere Kleider trug. Er liess sich mit der Wirthin in ein Gespräch ein und fragte sie, ob sie nichts von dem berüchtigten Eulenspiegel gehört habe. – Die Wirthin antwortete: Ich mag nichts von dem Bösewicht hören. Er hat mir vielen Gram dadurch gemacht, dass er mein Schosshündchen getödtet und mit dessen Fell seine Zeche bezahlen wollte; der Landstreicher wird aber seinen Lohn schon kriegen. Ja, sagte Eulenspiegel, ihr habt Recht, es geht ihm auch jetzt nicht gut, denn er sitzt auf dem Rade; dabei schlug er das eine Bein über ein Spinnrad, welches neben ihm stand, und hatte er nun dasselbe unter sich. Die Wirthin, die dies nicht bemerkt hatte, sagte: Das konnte ich wohl denken; er ist auch nichts Besseres werth; der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. Eulenspiegel sagte: Aber wenn ihr ihn sähet, solltet ihr ihn wohl noch kennen? Die Wirthin sagte Ja. Er sprach, indem er vom Spinnrade aufstand: Eulenspiegel ist das beschwerliche Sitzen auf dem Rade müde. Kennt ihr ihn noch nicht? hier seht ihr ihn vor euch. Lebt wohl! – und Eulenspiegel ging eilig davon.

 

53.

Eulenspiegel kommt krank nach Mölln, macht sein Testament und stirbt.

 

Manches Jahr hatte Eulenspiegel in der Welt umhergeschwärmt und viele Bosheiten, Schelmereien und Narrenspossen ausgeübt, als er endlich müde und krank zu Mölln ankam. Da Eulenspiegels alter Mutter bekannt wurde, dass ihr ungerathener Sohn noch lebe und zu Mölln sei, reiste sie zu ihm, glaubte noch etwas zu erben und sprach: Mein lieber Sohn, hast du denn nichts erspart, dass ich von dir erben könnte? ich bin nun alt und schwach und kann nichts mehr verdienen. Er antwortete: Liebe Mutter, wer nichts hat, dem muss man auch nichts geben, damit er nicht zu viel bekömmt. – Aber Eulenspiegel dachte noch kurz vor seinem Ende daran, wie die Leute nach seinem Tode von ihm angeführt werden sollten. Er machte nämlich ein Testament und theilte seine Hinterlassenschaft in folgende drei Theile: Den ersten Theil vermachte er dem Magistrat zu Mölln, den zweiten seinen Freunden und den dritten der Geistlichkeit daselbst, mit der Verordnung, dass wenn er stürbe, so solle man erst nach 4 Wochen das Vermögen gehörig theilen und sich dabei, zum Andenken an ihn, recht gütlich thun. Seine Mutter aber, die zu seinem grossen Reichthume nichts beigetragen hätte, solle nichts haben. Dieses Vermächtniss nahmen die Erben dankbar an und Eulenspiegel starb einige Tage nachher. Nachdem 4 Wochen verflossen waren, kamen die Erben zusammen, um das Testament zu öffnen und das Vermögen zu theilen; aber wie erschraken sie, als sie die Kisten öffneten und nichts, als Steine darin fanden. Es sah Einer den Andern an und wurden zornig; der Pfarrer und der Rath meinten die, welche die Kiste in Verwahrung gehabt, hätten den Schatz heimlich herausgenommen und die Kiste wieder zugemacht; die Freunde aber, die Pfaffen hätten es gethan. – Mit lautem Unwillen gingen sie aus einander. –

Eulensp. erkrankt in Mölln und theilt seinen Nachlass in drei Theile.

 

54.

Eulenspiegels sonderbares Begräbniss und dessen Grabmal zu Mölln.

 

Verkehrt im Leben, verkehrt auch im Tode, so kam es mit Eulenspiegel. Nachdem er seinen boshaften Geist ausgehaucht hatte, nahmen die Bewohner des Hospitals, in welchem er gestorben war, seinen Leichnam, legten ihn in einen platten Sarg und setzten denselben auf die Bahre, welche auf der Hausflur stand. Da kamen die Schweine, welche dem Hospital gehörten, zu Haus gelaufen und warfen die Bahre um. Die alten Hospitaliten hoben Bahre und Sarg wieder auf; in der Eile aber hatten sie den Sarg verkehrt aufgesetzt, so dass die Leiche mit dem Gesicht zur Erde gekehrt lag. In dieser Lage nahmen die Träger die Leiche auf und wollten sie zum Grabe tragen; denn Niemand hatte das Verkehrtstehen des Sarges bemerkt. Aber der alte Küster sagte zu den Anwesenden: Dieser hat nicht wie andere Christen in der Welt gelebt, darum soll er auch nicht so, wie er jetzt liegt, liegen bleiben. Sie kamen her und kehrten den Sarg um, aber siehe, da fanden sie erst, dass der Sarg schon verkehrt gestanden und die Leiche auf dem Bauche gelegen hatte. – Da sprach der Küster: Nun, da zeigt sich's ja, dass er verkehrt liegen will; wir wollen ihm seinen letzten Willen nun auch gewähren, und Eulenspiegel wurde in dieser Lage zum Grabe gebracht. Als sie die Leiche in das Grab hineinsenken wollten, zerriss das Seil unter dem Sarge an dem Ende, wo Eulenspiegels Füsse lagen, und der Sarg stürzte schnell hinab und kam aufrecht zu stehen. Da sprachen sie Alle: Lasst ihn so stehen, wie er jetzt steht; denn dieser Eulenspiegel ist verkehrt im Leben gewesen, er will auch im Tode verkehrt sein. – Also liess man Eulenspiegel im Grabe auf den Beinen stehen.

Bald nach seinem Tode aber beschloss man, zu seinem Andenken auf seinem Grabe einen Stein aufzurichten und eine Linde zu pflanzen. Auf dem Steine wurde ein Spiegel, worauf oben eine Eule sass, eingehauen, und um dieses Sinnbild folgender Spruch eingegraben:

 

Diesen Stein soll Niemand erhaben,
Eulenspiegel steht hier aufrecht begraben.
Anno 1350.

 

Noch lange Zeit hernach wallfahrteten die Leute zu Eulenspiegels Grabe und gedachten des todten Narren und seiner Schwänke, welche überzarte Ohren einer spätern Nachwelt wohl beleidigten, aber im Munde des Volks besonders der Jugend bis heutigen Tags fortleben. –

Wallfahrt nach Eulenspiegels Grabe.


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