Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Fünfzehnter Brief.

Den 8. Jul. 1779.

Verzeihe, l. Bruder, daß ich dir so lange nicht geschrieben. Ich hab so viele Arbeit auf dem Hals, daß ich ganz ausser Odem bin. Was mir die Mönche in meinem kleinen Sprengelchen zu schaffen machen! Daß sie doch alle beym – – Gott verzeihe mir, wenn ich fluche; aber wer kann bey so vielen Bubereyen in in seiner Fassung bleiben? Schon drey Wochen sitzen zween Franziscaner meinen Pfarrkindern auf dem Nacken, und pressen ihnen das Blut aus. Wenn sie sich doch damit begnügten, dem armen Häuflein den Lohn seines Schweisses wegzukapern; gerne wollte ich zusehen, wie sie ihn in ihrem heiligen Müssiggang verzehrten. Ich könnte mich doch damit trösten, daß der wohlthätige Gutmann meine Gemeinde wieder auf einige Art schadlos hält; aber meine Heerde ganz in Aufruhr zu setzen, daß ich vielleicht ein halbes Jahr wieder arbeiten muß, bis ich Ruhe und Ordnung in meiner Pfarre habe, das kann ich ihnen so leicht nicht verzeihen. Was in den Ställen, den Tennen, Feldern, Werkstätten, und besonders in den Ehebetten meiner Schäflein für eine Gährung ist, lieber Bruder! Die Haare stehn mir zu Berge.

Schon in der ersten Woche rühmten mir die Ehrwürdigen ihre Eroberungen für den Himmel, ihre erbauliche und glückliche Werbungen für den dritten Orden des seraphischen Vaters. »Wir haben schon in die vierzig eingeschrieben, sagten sie: Sie sollen mit der Zeit eine ganz heilige Gemeinde bekommen, Herr Pfarrer.« ich ließ das gut seyn, weil ich die Folgen nicht vorsehen konnte, aber nun ist Lärm in allen Ecken. Täglich muß ich in drey oder vier Häuser in vollem Odem laufen, um das Feuer zu löschen, welches der dritte Orden angezündet hat. So eben komme ich von unserm Schuster, den sein Knecht erbärmlich geprügelt hat, weil er ihn zu der Stunde, worin der Pursch nach der Regel seine Tagzeiten beten sollte, mit Gewalt wollte zur Arbeit anhalten. In den sonst friedlichsten Wirthschaften ist nun nichts als Zank und Schlägerey. Unter den besten Nachbarn ist schon einigmal Feindschaft entstanden, weil der eine seine Metten brummte, und der andre, während daß sie nebeneinander pflügten, nach der alten Gewohnheit von guten oder schlechten Jahren, von Krieg oder Pest mit ihm plaudern wollte; oder weil der eine dem andern auf das Fest eines Heiligen aus dem dritten Orden seine müssige Ochsen nicht leihen wollte. Unter Knechten und Mägden sezt's Händel, weil der eine oder die eine in der Fröhlichkeit seines Herzens ein Liedchen singt, woran sich die Keuschheit des andern oder der andern ärgert. Sie verlassen ihre Dienste, weil sie entweder zu nahe bey denen vom andern Geschlecht schlafen müssen, oder einer da ist der gerne schäkert, oder der Herr sie nicht will ihre Heiligen feyern lassen. Kurz, Feuer in allen Ecken!

In dem Beichtstul, Bruder, da läuft mir erst der Angstschweiß stromweise über den Leib. Bald jammert mir ein altes Weib vor, daß ihr junger Mann ihr die Ehepflichten nicht mehr wie zuvor thun will, weil er sich in den dritten Orden habe einschreiben lassen, und bittet mich, ihn zu seiner Schuldigkeit anzuhalten. Bald klagt ein Alter sein junges Weibchen wegen der nämlichen Widerspenstigkeit an, und fügt ebendieselbe Bitte bey; und Leuthe zu Ehepflichten anhalten ist für einen jungen Mann, der wie ich ohnehin eine starke Portion von der materia peccans im Leib hat, gewiß eine saure Arbeit. Die grossen Bauernlimmel, welche mir sonst ihre grobe handgreifliche Sünden platt hinwarfen, wimmern mir jezt stundenlang ihre unehrbaren Träume vor; und wenn dann Einer, um keinen erschwerenden Umstand auszulassen, recht ins Detail geht, so sezt das wieder bey mir böses Blut. Sonst hatte ich in einer Stunde 12. bis 15. abgefertigt; jezt habe ich mit Einem genug zu thun.

Es kommen mir jezt ganz neue Sünden vor, wovon im Voit keine steht. z. B. die Tagzeiten nicht präcise um die vorgeschriebne Stunde beten; bey dem Tische oder sonst von ohngefähr an des andern Fuß anstossen; das Kopfküssen für eine Dirne ansehen; das Gegrüsset seyst du Maria, nicht ohne unzüchtige Vorstellungen beten können u. dgl. Besonders anstössig sind vielen die Worte: Der Herr ist mit dir, und, die Frucht deines Leibes. – Das sind nun bey meiner Gemeinde Todsünden. Nun wimmelt alles von Sünden auf meiner Pfarre. Stelle dir nur vor, lieber Bruder, wie geängstigt ich bin! Wenn doch der dritte Orden mit dem ersten und zweyten beym –

Um mir einen deutlichen Begriff von diesem Orden zu machen, ließ ich mir von einem Terminanten die Regel geben. »Das Buch kostet uns selbst einen Reichsthaler, sagte er; aber da wir mit so was nicht handeln dörfen, so wirds uns der Herr Pfarrer am Allmosen zu gut kommen lassen.« Da ich mich aus Politick mit den Leuthen ziemlich vertraut stellen muß, so brachte ich im Vertrauen aus ihnen heraus, daß sie 36. solche Bücher in meinem Dorfe abgesezt hätten; und keine von allen den frommen Seelen habe den Schaden ihres Klosters verlangt, sondern lieber doppelt den Werth des Buchs an Allmosen ersezt. So viel ich von Büchern urtheilen kann, so kann es nach seiner Grösse unmöglich über 24. Kreutzer kosten; und nun das Einschreibgeld, und das Geldgen für den Gürtel zusammengerechnet, so schleppen die zween Exequenten ein ansehnliches Sümmchen aus meiner Gemeinde.

Dir wird das schöne Werklein schon zu Handen gekommen seyn, sonst wollte ich dirs durch den Bothen schicken. L. Bruder, daß doch alle Orden, das Institut der Jesuiten wie diese Regel des heiligen Franciscus, den Stiftern unmittelbar von Gott sind eingegeben worden, so sehr sie sich auch widersprechen! Wie treflich fängt das Werklein an: Es braucht der Anfang oder Ursprung dieses Ordens wenig Nachsuchens, indem die heilige Kirche ein ganz offenbares Zeugniß thut geben, daß selbiger Orden dem heil. Francisco, seinem ersten Stifter, von Gott sey eingeblasen, zum Heil der Seelen. Dann nachdem dieser brinnenglische [?] Mann schon seine zwey erste heilige Orden etc. etc.

L. Bruder! Wenn man gelehrte, erfahrne Schiffer auf der See des menschlichen Lebens ihren Anker oft an einen Zwirnsfaden hängen sieht, warum sollten wir dem Bauern verübeln, daß er im Vertrauen auf eine braune Kutte das faustdicke Seil ergreift, welches ihm Gott vom Himmel herabläßt, um ihn hinaufzuziehen? Aber wehe dem Mann, der, seines Vertrauens zu spotten, ihm faule Lumpen, statt des Ankerseils in die Hand giebt! Ich kann unmöglich über einen Aberglauben, der ohne schädliche Folgen ist, ungehalten werden; ich betrachte ihn als eine natürliche Wirkung des Hangs, glücklich zu seyn, und der Eingeschränktheit unsrer Aussicht in die Zukunft, die bey dem tiefsten Kenner der Natur die nämliche ist, wie bey dem rohen Landmann; und der eben deswegen so gerne als der Bauer sein Kartenhäuschen baut, im blinden Wahn, er thürme ein Schloß mit Quatersteinen auf einen Felsen – Aber daß meine Terminanten, wenn ich ihnen die schlimmen Folgen vordeklamire, die ihre von Gott eingeblasene Regel unter meiner Heerde verursacht hat, mir ins Gesicht lachen; mir noch beweisen wollen, daß alle das nur Aeusserungen der siegenden Frömmigkeit bey meiner Gemeinde seyen, und auf ihren vollen Bettelsack klopfen; ja wenn ich ein wenig zu sehr in die Hitze komme, mir noch drohen dörfen – das ist zum rasend werden! Lachen mußte ich wieder hellauf über den ersten Absatz der Auslegung der zweyten Regel, wo geschrieben steht: Es ist auch wohl zu merken, daß es nicht zulässig, aus diesem Orden in einen andern zu schreiten, welcher dem unserigen in löblichen und heilsamen Satzungen nicht fürgehet etc. Wie offenbar sie ihren Handwerksneid blicken lassen! Man pocht an, l. Bruder; es ist gewiß wieder was zu löschen, oder der Brief wird noch oft unterbrochen werden.

Da bin ich nun wieder, l. Bruder! Eine neue Historie, gewiß auch von den Franciscanern angezettelt. Unsre Wagnerin im Dorfe, der ihr Mann das vorige Jahr gestorben ist, ließ mich in Eile zu sich rufen, und sagte mir zitternd und stotternd, daß sie eben nach Hause gekommen; und wie sie in die Stube hereingegangen, habe sie ihren Mann leibhaftig mit seinem rothen wollenen Wamms, und seiner grünen Pelzhaube, die Hemdärmel aufgestreift in seinem grossen Lehnsessel an der Thüre sitzen sehen; habe Jesus Maria geschrieen; der Mann sey verschwunden, und sie in Ohnmacht gefallen. Ich sprach ihr zu, so viel ich konnte, aber es half nichts. Ja ihr Sohn der drey Jahre in der Fremde gewesen, und also ein gescheuter Kerl sey, habe seinen Vater gleich nach seinem Tod in der Werkstätte spucken gehört; nach und nach sey es immer näher gegen seiner Kammer kommen. Vor vier Wochen habe es sogar die Thüre aufgemacht, und gestern sey es bis zu seinem Bette hingegangen, habe den Vorhang aufgezogen, und ihm gesagt, daß er im Fegfeuer bleiben müsse, bis seine Schulden bezahlt seyen. Ich blieb bey ihr, um zu warten, bis ihr Sohn nach Hause käme, daß ich vielleicht von ihm den Zusammenhang der Geschichte vernehmen könnte. Er kam endlich, aber er wußte weiter nichts, als was mir die Mutter schon gesagt hatte; bekräftigte alles das mit ein Paar tüchtigen Schwüren; tröstete seine Mutter und mich auch, daß die P. P. Franziscaner es auf sich genommen hätten, den Geist zur Ruhe zu bringen: das wären ja ohnehin die Leuthe, die mit dem Teufel selbst fertig werden könnten; freute sich doch dabey, daß sie endlich augenscheinlich von der Wahrheit seiner Erzählungen wäre überzeugt worden. Ich wollte ihn fein ausforschen, und that einige Fragen an ihn; aber er verrammelte mir meinen Weg mit einem trotzigen es wäre nicht anderst. Ich muß dir gestehn, l. Bruder, daß mich der Zufall ein wenig stuzen macht – Da ich bey der Sache nichts mehr thun konnte, so gieng ich meines Wegs, und schrieb dir es ganz warm nieder. Morgen in aller Frühe will ich zu Herrn Gutmann gehen, und mich Raths erholen. Ich will nun diesen Brief so lange liegen lassen, bis wir ganz im Klaren sind, und dir dann umständliche Rechenschaft geben. Wenn diese Geschichte wieder auf eine Büberey entwickelt wird, so ist es für mich eine Art von Firmung zur Beharrlichkeit in Gutmanns Glauben. Aber ich sehe noch gar keinen Grund, eine tückische Veranstaltung bey der Sache zu vermuthen; das Ding ist so platt.

Nun liegt der Brief schon 5. Tage da; jezt will ich ihn ungestört zu Ende bringen. Es ist nun 9. Uhr; ich gehe nicht zu Bette, bis ich ihn vollendet habe. Du wirst drolligtes Zeug hören.

Herr Gutmann wußte schon um die Gespenstergeschichte; da es aber noch zu keinen Thätlichkeiten gekommen war, so achtete er weiter nicht darauf: Nun aber, da er von mir hörte, daß es Ohnmachten absezt, so versprach er mir, gleich zur Wittwe zu gehen, weil er ohnehin am stärksten dabey interessirt sey; denn seine Forderung an die Verlassenschaft des Wagners sey bey weitem die stärkste, indem sie gegen hundert Thaler betrüge. Er kam zu mir zum Mittagessen, und sagte mir bey Tische, daß er würklich noch nicht auf den Grund kommen könnte. Es träten nun sogar Zeugen aus der Nachbarschaft auf, die ihn heute um Mitternacht in seiner Werkstätte arbeiten hörten, und aus dem obern Fenster schauen sahen. Er rieth mir, den Sohn zu einer Beicht zu bereden, ihm erst die Wichtigkeit des Sakraments recht lebhaft vor Augen zu stellen, und dann in der Beicht ihn zu beschwören, daß er den wahren Zustand der Sache erzählen, und auf die Wahrheit seiner Erzählung zur Communion gehen sollte. Ich versprach, es gleich den andern Tag zu thun. Unterdessen wurden wir durch die Franziscaner unterbrochen. Herr Gutmann fieng gegen meine Erwartung selbst an, von der Sache zu reden. Die Patres redeten davon, als von einer alltäglichen Begebenheit; daß es eine Kleinigkeit sey, gegen die andern Abentheuer, die sie schon gegen den Teufel und seinen Anhang, kurz gegen das ganze Geisterreich hätten bestehen müssen; daß sie schon ganz feurige Kerle, Riesen die ihre Köpfe unter dem Arm getragen, ganze schwarze Dorfgerichte von der Rathsstube, grosse Herren die mit ihren Ministers und Bedienten in feurigen Wagen aufgefahren, und Dutzende Teufel statt der Pferde angespannt, in Säcken weggetragen hätten. Sie sagten, daß sie wirklich schon in einer heiligen Messe eine Bannkerze geweiht hätten, die den Geist beyziehn, und ihn zur Bekenntniß seiner Sünden, und seines Zustands in der andern Welt zwingen würde; daß Gott augenscheinlich bey diesem Vorfall die Absicht habe, einige Freydenker in der hiesigen Revier zu beschämen, die die Macht ihres Ordens über Satan, Hölle und Fegfeuer frech verlachten. Das war auf Herrn Gutmann und mich gestochen. Herr Gutmann antwortete keine Sylbe, gieng nach Hause; und ich nahm mir vor, gleich den Sohn in das Verhör zu nehmen. Er war augenblicklich entschlossen, beichtete, betheuerte seine Aussage, und nahm zur Bekräftigung des andern Tages von mir das Abendmahl. Nun stand ich, wie der Ochs am Berg. Die Mönche fiengen nun einen neuen Termin an unter dem Titel, den Aufwand zu ihrer Operation bestreiten zu können. Ich hörte hie und da, daß sie den Gläubigern des Wagners heftig zuredeten, auf ihre Forderungen schriftlichen Verzicht zu thun, damit die arme Seele zur Ruhe käme. Als ich das Herrn Gutmann sagte, wurde er ein wenig nachdenkend, nahm dann hastig seinen Stock und Huth, und versicherte mich, daß er die Komödie nun zu Ende bringen würde. Wir giengen miteinander zu dem Sohn des Wagners. Herr Gutmann sagte ihm, daß er nicht allein auf seine Schuldforderung Verzicht thun wollte, sondern auch zur Tilgung der übrigen Schulden etwas ansehnliches beytragen würde, wenn er die Wahrheit eingestühnde. Er versprach ihm dann auch in Nothfällen so auszuhelfen, wie er seinem Vater, der ein rechtschaffner Mann war, öfters gethan habe; Wenn er aber auf seinen Lügen bestühnde, so würde er mit aller Gewalt auf die Bezahlung dringen. Nun fieng der Pursch an zu bekennen, daß die ganze Geschichte seine Erfindung wäre; daß er, im Fall er die Schulden hätte bezahlen müssen, ein Bettler geworden wäre, und sich nicht anderst zu helfen gewußt, als durch eine solche Historie die Gläubiger zu bewegen, ihm solche zu schenken. Er habe gesehen, daß er mit Hülfe der Franziscaner seinen Zweck leicht erreichen könnte: Diese hätten ihn ohne die geringste Untersuchung in seinem Vorhaben bestärkt; mit dem Beysatz, daß, wenn es auch nicht wahr wäre, er dennoch einen Stuhl im Himmel verdienen könnte; denn mit allen ihren Predigen würden sie das gemeine Volk in dem wahren Glauben an das Evangelium, und besonders an die Unsterblichkeit der Seele, nicht so bestärken können, als es eine solche Geschichte thun würde. Sie hätten ihm gesagt, daß es eine Eingebung Gottes wäre, in unserm Dorf einmal einen solchen Auftritt zu haben, wo die Freygeisterey schon starken Fuß gesezt hätte. Sie könnten dadurch den Herrn Gutmann, den Herrn Pfarrer, und den Schulmeister zur Räson bringen. Sie hätten mit ihm verabredet, daß er diese Nacht, so sie den Geist förmlich beschwören wollten, seinen Vater spielen müßte. Sie hätten Zeugen bestellt, und ihm seine Rolle aufgeschrieben, die er schon auswendig gelernt. Er gab uns auf Verlangen das Papier.

Unter andern Possen sollte der Pursch an seines Vaters statt aussagen, daß er von dem Richterstuhl Gottes wegen seinem Umgang mit dem bösen Gutmann, wodurch sein Glaube schwach geworden, zur Hölle wäre verdammt worden, wenn nicht der heilige Antonius geschwind beygesprungen wäre, und das Allmosen, welches er vor seiner Bekanntschaft mit Gutmann den P. P. Franziscanern gegeben, auf die Wage des heiligen Michaels geworfen hätte; da sey nun die Schale seiner guten Werke ein Bißgen tiefer gesunken, und Gott habe ihn nun so lange zum Fegfeuer verdammt, bis seine Schulden bezahlt wären; hundert Messen von den Franziscanern für ihn gelesen würden, und seine Erben bis in das fünfte Glied versprächen, denselben allezeit reichliches Allmosen zu geben. Ferner, daß vier ansehnliche Herren in seiner Gegenwart, ohne weiters Verhör, vom Richterstuhl Gottes seyen augenblicklich zur Hölle verdammt worden, so bald nur die Teufel, welche in ihrem Leben die Aufsicht über die hatten, ausgesagt: Sie haben die Franziscaner verspottet, und deutsche neumodische Bücher gelesen. Ihre Schutzengel hätten die Achseln gezuckt. Und, hinab zur Hölle!

Wir gaben ihm einen derben Verweis, daß er den guten Nahmen seines Vaters so schändlich befleckt, sacrilegisch gebeichtet, und communicirt hätte. Herr Gutmann versprach ihm in allen Fällen hülfreiche Hand zu leisten, wann er durch gute Aufführung und Fleiß zeigte, daß er diese seine Handlung von Herzen verabscheute, ausgesprengte Lügen widerriefe; er gab Herrn Gutmann die Hand darauf.

Wir giengen nun, über die Mönche Triumph zu halten. Wir trafen sie beym Schulz, der ihr geistlicher Vater ist. Sie hatten sich wieder einige hübsche Säcke gefüllt, um die arme Seele zur Ruhe zu bringen; und der geistliche Vater zählte eben das Geld, welches von gutherzigen Leuthen für die Ruhe ihres Nachbars zu den hundert nöthigen Messen gesteuert worden. Sie hatten schon für zwanzig Messen.

Ich wäre so gern über die her; aber Herr Gutmann nahm das Wort, und erzählte ganz trocken den Verlauf der Sache. Ich glaubte zu bersten, als er mich zurückhielt, meine Galle auszulassen. Auf die Mönche machte das eine närrische Wirkung. Erst fiengen sie an den Mund zu verziehen, zu blinzeln, die Kapuze auf= und abzuschieben; dann begannen sie lateinisch zu reden; aber Herr Gutmann erzählte seine Geschichte immer deutsch fort. Ich hoffte wenigstens ihre Wangen roth zu sehen; aber dazu kams nicht. Sie unterbrachen Herrn Gutmann, indem sie sich an ihren geistlichen Vater wandten, ihm ihr Gepäcke empfahlen, und vorgaben sie hätten auf einem benachbarten Dorfe sehr nöthig zu thun. Herr Gutmann gab ihnen mit auf den Weg, daß er es bey Gelegenheit am rechten Ort anbringen wollte. Als sie weg waren, bemerkten wir erst, was der Schulz für Augen machte. Er sagte uns, er habe wirklich für 6. Messen schon das Geld in ein Papier gepackt, um es ihrem übrigen beyzulegen. Er fieng nun an auf alle Bettelmönche zu schimpfen und zu fluchen. Herr Gutmann redete zu meinem Erstaunen ihm zu, wie er den Fehler einiger Mitglieder nicht ihrem ganzen Orden zur Last legen müßte. Wir giengen.

Unterwegs gab mir Herr Gutmann einen sanften Verweis wegen meiner Rachlust. Die Wahrheit, sagte er, ist dem Aberglauben und Betrug viel schrecklicher, wenn sie in ihrer natürlichen Einfalt und Nacktheit auftritt, als wenn sie von unsern Leidenschaften dem Geschmeisse unter die Augen gestossen wird, durch Hitze, Poltern und Schreyen geben wir unsern Gegnern Raum; das Recht, auch in Hitze zu gerathen; und dann haben wir viel verlohren, und sie viel gewonnen. Hat der Gegner eine stärkere Lunge, so überschreyt er uns, und wär's auch nur mit Wiriwari; kömmts noch weiter, und er hat eine nervigtere Faust, so wissen Sie wohl, Herr Pfarrer, argumentirt er uns unter den Tisch; er streitet dann nicht gegen die Wahrheit, sondern gegen ihr Geleite, gegen unsere Hitze; und sucht wenigstens in den Augen der Zuschauer dadurch zu gewinnen, daß er den Trabanten zu Boden schlägt. Im Gegentheil aber hat er die Wahrheit allein zum Feinde, so hat er nichts gegen sie zu stellen als Grimassen, oder höchstens, vorausgesezt daß seine Haut noch durchsichtig ist, Schamerröthung. Die Mönche da haben nun freylich zolldickes Fell; aber Sie haben selbst gesehen, sie konnten nichts gegen uns unternehmen, als Räuspern, und allerley possierliche Zuckungen. Ich erwiederte Herrn Gutmann, daß ich nicht begreifen könnte, wie er in den Augen des Schulzen dem ganzen Orden so habe schonen mögen, da wir doch in unserm Dorfe einen so mächtigen Allirten an ihm gegen das Mönchswesen haben könnten; denn ich muß dir sagen, l. Bruder, ich bin recht in einer Heidenwuth; ich betrachte mich jezt als einen Krieger, der den Beruf hat, gegen die Möncherey zu Felde zu ziehen, und alles gegen sie rege zu machen; ich schnaube ordentlich aus Eifer, im Felde der Religion Heldenthaten zu thun, und ärgere mich höchlich über das glimpfliche Verfahren meines Freundes. Herr Gutmann sagte mir dagegen: Ich bin dem Mönchswesen überhaupt so Feind als Sie, Herr Pfarrer – Ich weiß, daß, wenn auch ein seltner Mann unter dem Geniste brav ist, doch schon in der Natur der Möncherey der Hang zum Aberglauben, folglich zum Betrug, und darum auch zur Unmenschlichkeit liegt; ich weiß, daß, wenn sie der Staat, wie in einigen benachbarten Gegenden, vollends verwildern läßt, ihr Unfug unbeschreiblich ist. Schon der Glaube an eine schwarze, weisse, braune, violfarbne Kutte ist ein ärgerlicher Aberglaube; und giebt Anlaß zur stolzen Verachtung unter ihnen selbst. Es sind aber doch einige Orden, die aus verschiednen Ursachen unsere Achtung verdienen; zum Beyspiel die Benedicktiner. Man erkennt noch an der Größe ihrer Güter, daß sie Missionen waren, den Ackerbau lehren; an ihrer Gastfreyheit, daß sie Geselligkeit, und dadurch die Menschlichkeit beförderten. Sie brachten freylich den Glauben an den Pabst mit; aber das war zur Zeit ihrer Ausbreitung das einzige Mittel, mit guter Würkung Menschlichkeit zu predigen. Sie sind die einzigen, die viele wackere und wahrhaft gelehrte Männer zählen können. Wir Deutsche haben einem Benedicktiner den ersten Schritt zu unsrer Kultur zu danken. Das Mönchswesen, welches durch sie bey uns entstanden ist, und in seiner Entstehung eine gute zweckmäsige Absicht hatte, artet erst durch die Verbesserer und Rivalen aus, welche ihr Glück, wie es in allen Dingen zu gehen pflegt, nach sich zog. Um das Gute in jeder Sache zu finden, darf man nur in die Mitte schauen, Herr Pfarrer. Die Benedicktiner sind von dem Uebermuth der Glei[ch]snerey, Zank und Herrschsucht der Jesuiten, und dann auch von der abentheuerlichen Schwärmerey der Kapuziner, gleich weit entfernt. Ihre Fürstengrösse heischt unsre politische, und das Gute, welches sie unserm Vaterlande gethan haben, unsre moralische Achtung. Gegen diese beydseitige schuldige Hochschätzung hätten wir gefehlt, wenn wir dem Schulzen nicht widersprochen hätten. Wir hätten das Kindlein samt dem Bade verschüttet; er hätte alle Ordensgeistliche, und dann alle Priester überhaupt für Betrüger angesehen; und da wäre mir um Sie Leid gewesen, Herr Pfarrer. Der Vorfall hätte für unsern Schulzen noch schlimmere Folgen gehabt. Dergleichen Leuthe, die nur mit ihrer Phantasie bey einer Sache interessirt sind, und mit der Vernunft einem Ding keine feste Grenzen bestimmen können, springen in einem Hui von einem Extreme zum anderen. Die ganze Religion des geistlichen Franziscanervaters wäre erschüttert worden, wenn wir ihm nicht begreiflich gemacht hätten, daß nicht jeder Franziscaner ein Spitzbube ist, weil es diese zwey sind. Der Schulz hält den Gürtel mit dem grossen Rosenkranz für ein wichtigeres Ding in der Religion, als die ganze Dogmatick; und hätten wir den um seinen Kredit bey ihm gebracht, so wäre es vielleicht um seine Religion geschehen gewesen. Die ganze Religion ist bey ihm Phantasie, Bilderey, Kutten, Rosenkränze, Kreuzefixe, Chorsingen, Geisseln etc. und das alles ist für sein Aug im Franziscanerorden konzentrirt, weil er der geistliche Vater ist. Sie sind in ihrem Kandidateneifer, Herr Pfarrer; lassen Sie sich nur nicht von ihm zur wilden Intoleranz hinreissen.

Lieber Bruder! Gutmanns lezte Worte haben mehr Moral für mich, als der ganze Busenbaum. Ich will sie gewiß benutzen. Tief will ich sie in mein Herz schreiben; und wenn mir mein Dechant oder die Mönche aufstossen, so will ich allezeit bedenken, daß der Eifer für die gute Sache eben so leicht zur Intoleranz führt, als der für eine böse; und daß Intoleranz in beyden Fällen allezeit abscheulich ist.

Wir vergassen uns in unserm Gespräche so sehr, daß wir, ohne es zu bemerken, so weit von unserm Dorf gekommen waren, daß wir es bey Tage nicht mehr erreichen konnten. Wir waren nahe an ***. Du weist, es ist ein Konvent da von regulären Chorherrn des H. A. ****.

Kein Kommentator lasse sich einfallen, den Ort des Konvents zu suchen, oder die vier Sterngens zu entziefern. So verführerisch das A. ist, so gewiß ist der Herausgeber, daß es keiner erräth. Aber in Deutschland existirt das Konvent in seiner ganzen hier angegebenen Individualität.

Jezt sollen Sie eine andere Klasse von Ordensleuthen kennen lernen, sagte Herr Gutmann, die es für eine grosse Beleidigung halten, wenn man sie Mönche heißt, und die doch dem Mönchstand so nahe verwandt sind, wie der Käs der Milch. Da ich diese Herren schon lange hätte kennen mögen, so war mirs recht lieb, daß Herr Gutmann den Einfall hatte, da zu übernachten. Er warnte mich, bey Leibe nicht ihr Haus Kloster, ihre Zimmer Zellen, ihre Kleider Habite zu nennen; so was sey bey ihnen, und besonders in den Augen ihres Obern ein Majestätsverbrechen; obschon mit der genausten Untersuchung nicht der geringste Unterschied könnte entdeckt werden. Sie können sich bey ihnen nicht besser empfehlen, als wenn Sie über die Mönche spotten. Ich kenne sie alle, fuhr er fort, und kann Ihnen eine genaue Biographie von jedem geben: Sie würden glauben, ich machte Pasquillen; aber sie brauchen nur einigemal die Herren zu besuchen, um überzeugt zu seyn, daß ich nach dem Leben kopiere. Sie geben sich alle so bloß, daß sie wirklich keine Schonung verdienen. Ich bin mit ihnen bekannt geworden durch Bücherausleihen. Sie lesen gerne; aber, wie sie selbst sagen, nicht um etwas aus der neuen Lectüre zu lernen, sondern nur in Gesellschaften, wenn von einem Buche die Rede ist, kein peregrinus in Israel zu seyn. Sie spotten über die schönen Wissenschaften; und wie scharf ihr Witz sey, können Sie daraus ersehen, Herr Pfarrer, daß sie sich das leztemal, als ich sie besuchte, herrlich damit wohl thaten, daß sie die belles lettres gelbe Letter hiessen, weil meine Broschüren in gelbes Straßburger=Papier gebunden sind.

Wir kamen unterdessen an die Thüre ihres Speissals – Refecktorium ist auch bey ihnen ein Barbarismus. Acht Ehrwürdigen, ein Bruder, und zween Spaßmacher sassen bey Tische. Sie lachten zusammen, daß ich glaubte, unter einen Haufen Bachanten zu kommen. Sie bewillkommten uns, und bathen uns sogleich an ihrem Spaß Theil zu nehmen. Wir erfuhren, daß des P. Sennenzwickels Widerlegung der Hallerischen Gedichte,

Den Lesern, die das unvergleichliche Buch nicht kennen, dient zur Nachricht, daß der Titel eigentlich also lautet:

Ernstliche Kurzweil für die zemonische Gesellschaft machiavelischen Staatsklüglern, deren Wissenschaft aufblaset; I. Corinth. 8. v. 1. deren Abgott der Bauch; Philip. 3. v. 19. deren Ende das Verderben; ibidem. In welcher das edle Paar Gebrüdrichen, der Atheismus und Deismus, als nächste Anverwandte des Machiavels, samt einem Auszug des Versuches Schweizerischer Gedichter D. A. Hallers, dem Sileno als Riesenschrecker geopfert werden, von P. F. Sennenzwickel, Ord. Fr. Min. Recoll. S. P. Francisci. Augsburg und Insbrugg bey Wolf. Die erste ernstliche Kurzweil ist ein Klaglied des Christlichen Sophoclis über jetzig gelehrt=verkehrte, und verkehrt=gelehrte Welt, und beginnt also:

Achtzehendes Jahrhundert! wo thürmest du hin? Hast Babels Gebäude zu Gipfeln im Sinn?
Mit wächsernen Schwingen, wie Allkünstlers Sohn,
Frech, stolz und fürwitzig aufwadest zur Sonn etc.
Das zweyte Gedicht ist eine Satyre, oder Kehraus der gottesläugnerischen Luftspringer.

Die drey folgende sind drey Duelle zwischen Sennenzwickel und Haller, worin jener beweist, daß Hallers Gedichte wegen den überketzerischen Lehrsätzen ein des Rabenstein schuldiges Buch sind; und agirt er zwar im ersten, als David gegen Goliath. Er fängt an:

Wohin, o Albrer Knecht! Etc. Das Albrer Knecht soll Albrecht bedeuten; und weiter unten fragt er Hallern:

Du aber Zoile, sag! Was Bedeutnis hat
Der einzle Buchstab D. auf deinem Titelblat?
Heißts Dipsas oder Dis, Dragoner oder Drescher?
Nein! Doktor nenet sich der stolze Windelwäscher.
Und zu Ende, wo Haller zu Stähelin sagt:

O daß der Himmel mir das Glück im Tode gönnte,
Daß meine Asche sich mit deiner mischen könnte!

antwortet Sennenzwickel:

O Einfalt! Dieser Wunsch bald zu erfüllen ist,
Wenn nach der Fischenart der ein den andern frißt;
Friß du den Stähelin, nächsthin laß dich verzehren
Durch längst verdiente Flamm, so wird von beyden Herren
Die Asche mischen sich, und mit der Zeitenlauf
Daraus ein Basilisk, kein Phönix, stehen auf.

Im zweyten Duell kämpft er als Herkules für die Tugend wider Hallern, den er als Centaur oder Halbmenschen fuchtelt; er hebt an:

Der Fleischthurm, welchen ich erst neulich hab erlegt,
Sich mehrmal, seht wie kühn! In fremder Larve regt;
Er fluchet, als Centaur, im wahren Christenthum
Die Pharos, samt dem Licht mit List zu stossen um.
Geschwind mit Kolben her! Das Unthier will abzausen,
Daß ihm vergehen soll, noch ferner sich zu mausen:
Bin ich kein Herkules aus eigner Kraft u. That;
Doch solcher werde seyn mit Gottes Hülf u. Gnad.
Wolan, nur frisch gewagt! komm Halbmensch und halb Büffel!
Im Styx versenke will ich dein' ausgeschämte Griffel.
Mit Lorbeer ausgeschmückt die Tugend ohne Scheuch
Noch schöner grünen wird, trotz deinen Wasserstreich.
Das lezte von den drey Duellen heißt circae pocula, oder: Das in den dreyen aus 11. Blättern bestehenden Büchern von des Uebels Ursprung durch D. A. H. eingemengte Kritlergift wird vom Ulysses entdeckt, stückweis abgetrieben, und vernichtet. Gegen Hallers schönen Period: Vergebens rühmt ein Volk etc. läßt er sich so vernehmen:

Durch welches Schlüsselloch hat Hänsle Guck gesehen,
Was im geheimen Ort des Herzens ist geschehen?
Ha, sehen! Seine Würm das Urtheil heckten aus,
Ob schwebte jeder Geist, wie er, im Narrenhaus:

Den völligen Beschluß macht ein Gespräche des Thryskus und Theocestus über die gottesschändrische Dummheit der Aftergöttler.

Der Herausgeber kann nicht umhin, folgende vorzüglich schöne Stellen für die Leser noch zu excerpiren. Gegen Hallers Vers: Unselig Mittelding von Engeln und von Vieh etc. sagt Sennenzwickel:

Unselig Mittelding von Stroh und Flederwisch!
Dich progelst mit Vernunft, bist dummer als ein Fisch;
Denn weil du überhaupt das menschlich Gschlecht verlachest,
Gleich einem Schlosserjung dich selber rußig machest.

Gegen Hallers: Kein Thier ist so verhaßt, dem nicht Bilder sind gemacht etc. spricht er:

Auch dir, o Elendthier! mit Rechten wurd gebaut
Von Tannen ein Altar, mit Pech u. Harz bethaut;
Dein Buch verdiente es, daß auf dem Rabenstein
Im Feuer wurd vergoldt durch Zißk vor der Gemein.
Ueber Hallers Stelle: Assisens Engel löscht etc. fängt er an:

Ein ausgeweibter Mann, u. irdischer Fleischerbengel
Zu plumpe Flügel hat für ein vermenschte Engel etc.

die einer der Gäste, vulgo Spasmacher, vorlas, ihre Lungen so gewaltig erschütterte. Sie fanden das Buch ausserordentlich unterhaltend, und witziger als alle die gelben Lettres. Da sieht man, schrieen sie uns entgegen, was die neumodischen Gelbelettristen für Helden sind. So ein Kerl von Mönch haut sie schwadronenweise zusammen, daß es saust! Der Schweizer da muß sich ja von dem Franziscaner kneten lassen, wie der Teig vom Becker.

Wir wurden recht niedlich bedient – nur der Wein war ein wenig zu sauer. Der jetzige Vorsteher ist der erste, der den Einfall hatte, Oekonom zu seyn: Das ist aber auch nach Herrn Gutmanns Aussage sein einziges Verdienst. In seinem Wirthschaftssisteme war der Wein das wichtigste, worauf er zu sehen hatte; denn er war die größte Depense des Konvents. Er fieng erst an die Quantität, und dann auch die Qualität des Tischweins zu verringern. Auf seine Untergebnen hatte das eine besondere Wirkung. Durch diese Einschränkung bekamen sie nun viele leere Stunden, die sie zuvor alle mit Räuschgens ausfüllten; und nun wurde zum allerersten Male, so lange das Haus steht, an Lecktüre gedacht: Allein an dem unnatürlichen Gebrauch, den sie von derselben machen, erkennt man noch, daß sie nur die Trunkenheit vertreten soll. Der Obere gieng aber in seiner Oekonomie wirklich zu weit; denn jezt sezt er dem Konvent nur Essig auf die Tafel. Es war sehr anmüthiglich anzuschauen, was sie mitten in dem unbändigsten Jubelgetöne über Sennenzwickels Kreuzhiebe für Konvulsionen um den Mund bekamen, wenn sie ihre Krüge ansezten; denn da schnurte das Gelächter zusammen, wie ein Dudelsack, der auf einmal ein Loch bekömmt. Herr Gutmann sagte mir, daß das Kapitel wirklich deswegen eine Klage gegen den Vorsteher beschlossen habe; er habe den Klaglibell selbst gelesen; sie suchten ihre Beschwerde gegen die kleine Portion Wein dadurch geltend zu machen, daß sie ihrem Vorsteher mit angegebnen Datums bewiesen, er habe bey acht und zwanzig Schmäussen das ganze Konvent förmlich zu Boden gesoffen. Ihr stärkster Grund gegen die Säure des Weines sey, daß er Vorsteher, und die Köchin nur den besten Wein tränken, da doch in ihrem Institut eine volkommne Gleichheit vestgesezt sey. Sie zergliederten dabey ihre ganze Regel, und möchten gerne von dem Ursprung ihres Ordens anfangen; weil aber dieser ihnen selbst ein Räthsel sey, so fiengen sie an: Nachdem unser Weltheiland Jesus Christus unsern löblichen Orden eingesezt hat etc.

Ich möchte zeichnen können, lieber Bruder, um dir das Porträt des Vorstehers dieses Konvents zu schicken. Du darfst ihn nur anschauen, um seinen ganzen Charakter zu kennen. Er ist groß und stark von Leibe, braun von Gesicht, hat ein starkes Unterkinn, dicke Lippen die er immer trägt als wollt er einen Ansatz auf der Flöte probiren; funkelnde Augen, womit er aber niemals gerade auf ein Ding hinsieht. Einer aus dem Konvent hat uns versichert, daß er sich stundenlang vor seinem grossen Spiegel in majestätischen Seitenblicken übt, und wie er den Hals mit Würde drehen, und die Arme recht gravitätisch auf dem Rücken tragen möge. Er redet einen tiefen Baß, und denkt so ganz ohne alle Schnellkraft, daß er noch nie mit der Anstrengung seiner Stimme über die Hälfte des Baßperiod hinaufgekommen ist. Seine erste Frage an mich war, was der Scheffel Haber in meinem Dorf gälte, und er redete mich per er an. Er erzählte uns seine Processe, die er wirklich zu betreiben habe. Der erste ist gegen einen kleinen angränzenden Bauer, dem er aus einem Urbarium vom Jahr 1560. sechs Ruthen Landes streitig macht. Der zweyte gegen die Gemeinde, welcher er beweist, daß sie ein Viertel zur Unterhaltung des gemeinen Stiers beytragen müsse. Der dritte gegen eine Wittwe, welche die Stiftung einer jährlichen Messe für ihren verstorbnen Mann, die er in seinem Testament bestimmt hat, mit sechs Gulden und vierzig Kreutzer nicht bezahlt hat. Der vierte gegen einen Bauer, der, um sein Brod zu gewinnen, einen unergiebigen Weinberg, wovon dem Konvent der Zehnten zukömmt, zu einem Kornfeld umgepflügt hat. Der fünfte war für uns sehr unterhaltend; denn da wurde der Herr Präses für alle die bemeldten Kniffe bezahlt. Das eiserne Kreutz fiel vom Kirchthurm, und er begehrte, die Gemeinde sollte ein neues machen lassen. Diese hatte seit langer Zeit den Kirchenbau unterhalten; nun aber gieng es mit dem Kreuzmachen ein wenig langsam zu. Die Kirche ist so alt, daß sie alle Augenblicke droht zusammenzustürzen. Sie ist zugleich die Pfarrkirche. Nun betrieb er es zu heftig, und die Gemeinde wurde aufgebracht. Es fiel ihr ein, die alten Verträge der Pfarre und des Konvents zu untersuchen, und sie brachte endlich heraus, daß das Konvent nach diesen Verträgen nicht allein die Erhaltung der Kirche, sondern auch den neuen Bau derselben ganz allein bestreiten müßte, indem das der ausdrückliche Revers gegen die ansehnlichen Pfarrgüter wäre, welche die Gemeinde dem Konvent überlassen. Nun habe er zwar einen tüchtigen Chikanenmacher im Sold, welcher der Gemeinde wenigstens noch warm machen würde; aber gänzlich zu reussiren verzweifelte er selbst.

Wir giengen endlich zu Bette. Als wir des andern Morgens aus unsern Zimmern kamen, spatzierten die regulirten Chorherren alle in ihren persenen Schlafröcken auf dem grossen Gang herum, murmelten ihr Brevier, und accompagnirten es mit der Kaffeemühle. Es war ein gräßliches Gedudel und Geleyer durcheinander. Herr Gutmann sagte mir, daß ich diese erbauliche Musick nach dem Mittagessen wieder vernehmen könnte; es sey ihnen so zur Gewohnheit geworden, daß sie selbst gestühnden, sie könnten unmöglich ihr Brevier beten, ohne Kaffee dabey zu mahlen. Was mich aber am meisten dabey befremdete, war, daß ich sie gegen einander ausspucken sah, wie sie sich von ohngefehr begegneten. Herr Gutmann erklärte mir, daß sie in zwo Partheyen getheilt seyen. In allen Dingen, die keinen Bezug auf ihr Konvent hätten, seyen sie sehr einig. So monotonisch wie Sie die Herren gestern über Sennenzwickel haben lachen gehört, sagte er, machen sie auch ihre Bemerkungen über alle Stadt= und Dorfgeschichten. Aber alles, was innerhalb ihren Mauern ist, giebt Anlaß zu Haß, Zank und Verfolgung. Da jeder von ihnen nach ihrer Konstitution Eigenthum besitzen darf, so können Sie leicht errathen, daß die reichen Häupter von Partheyen werden. Die jetzigen Partheyen haben sich dadurch formirt, daß einer von den Aermern einem Reichen gegen eine Summe Gelds seine Wohnung überlassen, die das Haupt der Gegenparthey auch gerne gehabt hätte, weil sie bey weitem die schönste Aussicht im Haus hat. Die Gährung ist seit einiger Zeit sehr heftig unter ihnen, weil beide Partheyen, sich zu verstärken, um einen jungen Professen werben, der noch neutral ist. Sie können einander nicht ansehen, ohne daß ihr Mund Wasser zieht; und da ist es sehr natürlich, daß sie ausspucken. Es ist schon zu Schlägen gekommen; und Abends, wenn sie zu Bette gehen, werfen sie sich Steine in die Zimmer nach. Sie richten sich Hunde ab, die für ihres Feindes Thüre pissen und hofieren müssen. Die vorige Köchin ist durch die innerlichen Unruhen sehr unglücklich geworden. Es bewarben sich zwey um sie. Der grosse in dem braunen weisgeschlängelten Schlafrock, der uns zuerst mit der Kaffeemühle entgegenleyerte, gewann den Preiß. Er war damals zu mächtig, als daß sein Gegner seine Rache über ihn auslassen konnte. Die Köchin mußte es büssen. Er bohrte ihr ein kleines Loch in die Tortenpfanne; und als sie einmal, um die Torte zu wenden, die Pfanne auf die Hand umstürzte, lief ihr das siedende Fett auf die Hand; der Brand kam dazu, und sie verlohr ihren Arm. Nachtgeschirr ausschütten auf ihren Feind, wenn er unter ihrem Fenster steht; Staren abrichten, die ihren Gegner Spitzbub nennen müssen, u. d. g. sind ihre tägliche Beschäftigungen. Die nahe an der Treppe wohnen, haben nichts angelegners, als den andern die Messen wegzuschnappen. Kömmt jemand, von dem sie vermuthen,er wolle eine Messe lesen lassen, so fallen sie auf ihn heraus; geben vor, der oder jener, welchem nun das Geld bestimmt ist, sey nicht zu Hause, krank etc. Kürzlich eröffnete einer auf seinem Todbette, daß er noch vierhundert Messen zu lesen habe, die schon bezahlt seyen; von dem Geld aber habe er keinen Kreutzer mehr. Bey der Wahl eines neuen Vorstehers hat nun der heilige Geist sehr wenig zu thun; denn der wird durch die stärkere Parthey gemacht; so wie sich diese durch den kleinsten Umstand, durch eine Schäkerey mit einer Magd, worauf der andere eifersüchtig ist, oder durch eine schönere Tabacksdose, die den andern zum Neide reizt, verändert. Ein Wind s. v., der à dessein gelassen wird, kann die Wahl bestimmen.

Alles das, fuhr Herr Gutmann fort, ist bey regulierten Chorherren so unvermeidlich, wie das Naßwerden, wenn man in der Träufe steht. Es kann keine grössere Irregularität gedacht werden, als ein Haus von regulären Chorherren. Die menschliche Leidenschaften können in keine stärkere Kollision gebracht werden; Müssiggang und Wohlstand giebt ihnen das freyste Spiel, und das Beysammenwohnen unter einem Dache ohne Subordination alle Gelegenheit zur Gährung. Der Hof selbst ist schon lange davon überzeugt; aber ihre beträchtlichsten Güter liegen in dem Territorium eines andern Fürsten, und deswegen muß er sie als Fremde betrachten, die ihr Geld in seinem Lande verzehren. Es sind schon achtzig Jahre ohngefähr, daß der Hof durch die Irregularität gezwungen wurde, das ganze Konvent mit einem Commando Soldaten aufzuheben, und in ewiges Gefängnis zu setzen. Es ist eine Sage unter der hiesigen Gemeinde, daß es ein Sekulum zuvor schon einmal geschehen sey; und Naturverständige behaupten, daß es in jedem Sekulum wenigstens einmal geschehen müsse. In zwanzig Jahren also, Herr Pfarrer, bekömmt das hochwürdige Haus neue Setzlinge, die vielleicht die ersten zwanzig Jahre durch ihre Früchte tragen; aber in einem Sekulum gewiß wieder so verwildert sind, daß sie ohne alle Barmherzigkeit müssen ausgerottet werden.

Ich konnte mich nicht enthalten, ihnen bey Tische die Geschichte der Franziscaner zu erzählen, so sehr es mir Herr Gutmann auch durch Winken und Unterbrechen verwehren wollte. Wie die Herren darauf die Mönche transchirt haben, das solltest du hören, lieber Bruder! Herr Gutmann versicherte mir, er habe auf keiner Universität von ausgelassenen jungen akademischen Freygeistern je etwas ähnliches gehört. Sie dankten mir unendlich für den Spaß, den ich ihnen gemacht hätte; das wäre ihnen eine köstliche Tischunterhaltung auf ein ganzes Jahr, da sie solche Teufelskerle alle Wochen zu Gast hätten; jezt könnten sie die Mönche recht bey den Ohren fassen! Einer von ihnen hatte sogar den Einfall, die Historie in eine Predigt zu bringen. Herr Gutmann widersprach ihm lebhaft; und dadurch wurde ihr Geschrey über die Mönche gedämpft. Mir wurde bey Gutmanns Lebhaftigkeit würklich bange; denn er gieng endlich so weit, daß er alle Mönchsorden weit über den Stand der regulierten Chorherren erhob; er machte aber alles durch eine Distinction wieder gut; nämlich daß der Vorzug der Mönche nur quoad spiritualia zu verstehen sey – quoad corporalia kämen sie freylich mit den regulirten Chorherren in keinen Vergleich. Sie gestuhnden es alle willig ein, indem die corporalia in der Welt doch die Hauptsache wären; wogegen Herr Gutmann nichts erwiederte.

Nach dem Essen führte uns der Vorsteher in seine Keller, Ställe, Tennen, Gärten; zeigte uns, was er habe bauen lassen, und legte uns die Risse vor von dem, was er zu Verewigung seines Namens noch bauen wollte. Von den übrigen leyerten einige wieder ihr Brevier; einige aber spazierten aus, um den Kaffee bey guten Freundinnen zu trinken. Wir empfahlen uns, und giengen.

Zu Hause fand ich deinen lieben Brief. Du förchtest, ich würde in meinem Religionssistem zu frey die Verzierungen samt den Pfeilern und dem Fundamente niederreissen. Du räthst mir, eine gewisse Linie zu ziehen, über welche ich mich nie hinauswagen soll. Du stellst mir das Aergernis vor Augen, welches die Vernünfteley unter den protestantischen Pastores giebt, und daß man nicht zwey antrift, welche in ihrem Glauben einig sind. Du bittest mich, diese Gränzlinie nach dem Maasstabe meines Standes, und in Rücksicht auf meine Vorgesezten und Untergebnen zu proportioniren. Zu grosse Freyheit, sagst du, sey mir schädlicher, als eine gewisse Einschränkung der Vernunft. Ich danke dir für deine Vorsorge, lieber Bruder; aber ich glaube würklich, es sey noch zu früh, diese Linie zu ziehen; ich bin ja kaum aus dem Gröbsten heraus. Was deine Anmerkung über die Pastöre betrift, so bitte ich dich, mir nicht übel zu nehmen, wenn ich dir sage, daß sich die Gemeinden der Protestanten bey der Uneinigkeit der Pfarrer um nichts schlimmer befinden. Im Gegentheil lehrt uns der Augenschein, daß ihre Gemeinden trotz der Verschiedenheit ihrer Systeme viel besser gezogen, fleissiger, und reinlicher sind, als unsre. Wenn das gemeine Volk einmal auf einen gewissen Grad von Kultur gekommen ist, so hat die Dogmatick wenig Einfluß mehr auf seine Moral. Herr Gutmann hat mir gestern viel über diese Materie gesagt. Ich hatte ihn vorsetzlich dazu gebracht, um dir meinen Bescheid geben zu können; und bey Gelegenheit sollst du das alles zu deiner grossen Erbauung von mir gepredigt bekommen. Lebe wohl!


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