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Zweiter Strauss. Entflohen

I.

Zwischen Lied und Liebe war mein Leben;
Aber, schwebend zwischen Lieb' und Liebe,
Wüßt' ich nie die beiden auszugleichen.
Oftmal sang ich anders, als ich liebte,
Anders liebt' ich oft, als ich gesungen.
Nun ich dich gefunden, ist der Zwiespalt
Ausgeglichen, und rein in einander
Aufgegangen sind nur Lied und Liebe.
Dich nur darf ich, wie ich liebe, singen;
Dich nur kann ich, wie ich singe, lieben.
Sollt' ich je nach andrem Sang, nach andrer
Liebe greifen, wieder unstät schwanken,
Da in deinem Herzen so bereinigt
Sind die beiden Pole meines Lebens?

 

II.

Liebste, was kann denn uns scheiden?
Kann's das Meiden?
Kann das Meiden scheiden? Nein.
Ob wir uns zu sehn vermieden,
Ungeschieden
Wollen wir Im Herzen sein.
Mein und dein,
Dein und mein,
Wollen wir, o Liebste, sein.

Liebste, was kann denn uns scheiden?
Wald und Heiden?
Kann die Fern' uns scheiden? Nein.
Unsre Lieb' ist nicht hienieden;
Ungeschieden
Wollen wir im Himmel sein.
Mein und dein,
Dein und mein,
Wollen wir, o Liebste, sein.

Liebste, was kann denn uns scheiden?
Glück und Leiden?
Kann uns beides scheiden? Nein.
Sei mir Glück, sei Weh beschieden,
Ungeschieden
Soll mein Loos von deinem sein.
Mein und dein,
Dein und mein,
Wollen wir, o Liebste, sein.

Liebste, was kann denn uns scheiden?
Haß und Neiden?
Kann die Welt uns scheiden? Nein.
Niemand störe deinen Frieden!
Ungeschieden
Wollen wir auf ewig sein.
Mein und dein,
Dein und mein,
Wollen wir, o Liebste, sein.

 

III.

Liebster! Wie ich's werd' ertragen,
Wann du nicht mehr bei mir bist,
Kann ich jetzt mir noch nicht sagen,
Da dein Herz an meinem ist.
Ach, es müht die Kraft des Lebens
Sich vergebens,
Was der Tod wird sein, zu wissen;
Und mein Tod wird sein, dich missen
Das wird sein der Unterschied:
Ruhe soll die Todten laben,
Und ich werde Ruh' nicht haben.
Wenn mein Leben von mir flieht.

 

IV.

Sind dir Flügel nicht verliehn,
Mir in's Ferne nachzuziehn?
Sind doch Flügel mir gegeben,
Dich aus Fernen zu umschweben.

Denke, daß mein Dichtergeist
Ungesehn dich hier umkreist,
Dir in diese stillen Räume
Führend Schaaren holder Träume!

Wenn dich grüßt ein Sonnenstrahl
Oder eine Blum' im Thal,
Denke, – daß es dich erquicke –
Daß der Freund den Gruß dir schicke!

Wenn es in den Lauben rauscht,
Wo der Freund dir einst gelauscht,
Denke, – daß es dich berausche –
Denke, daß ich noch dir lausche!

An den Stellen lieb und traut,
Wo in's Aug' ich dir geschaut,
Wo du mir in's Auge schautest
Und nur ganz dein Herz vertrautest;

Wo der Freund nicht bei dir sitzt,
Sitzt sein Angedenken itzt.
Laß es nicht auf Dornenspitzen,
Sondern weich auf Rosen sitzen!

Wenn du denkest, daß im Raum
Blüht um mich dein Liebestraum,
Wenn du denkest, daß auf's neue
Ich durch dich der Welt mich freue;

O so wirst du auch dich scheu'n,
Anders als dich mein zu freu'n;
Heiter unter Blüthenbäumen
Wirst von deinem Dichter träumen.

 

V.

Klage nicht, daß ich von dir
Gehe, denn ich bleibe hier;
Ja, indem mein Leib verreist,
Bleib' ich hier mit meinem Geist,
Bleib' ich hier mit meiner Liebe,
Ja, mit jedem Wurzeltriebe,
Den auf ewig tief genug
Meine Seel' in deine schlug.
Soll der süße Trieb dir Klagen –?
Nein, er soll nur Lust – dir tragen.
Wenn er so dich kränken wollte,
Der dich so beglücken sollte,
Bat' ich Gott: Von ihrem Herzen
Nimm den herben Trieb der Schmerzen!
Doch der Himmel, der hat lassen
So den Trieb hier Wurzel fassen,
Wird ihn lassen nicht verwildern,
Sondern so ihn lieblich mildern,
Daß er trag' in deiner Brust
Dornenlose Rosenlust.

 

VI.

Leben, einst in andern Tagen,
Eh' ich kannte dieses Licht,
Hättest können Abschied sagen,
Dich gehalten hätt' ich nicht.

Aber in des Kummers Nächten,
Gegen finstern Todesgraus
Stemmtest dich mit allen Mächten,
Weichen wolltest nicht vom Haus.

Nun ein Stern ist aufgegangen,
Der dich erst verschönen will,
Scheint es doch, du trägst Verlangen,
Mir dich fortzuschleichen still.

Bleibe! Sieh', vor meinen Lippen
Wie der volle Becher schwebt.
Nicht ihn leeren, nur ihn nippen
Laß mich! mein Verlangen bebt.

Bleibe nicht um meinetwillen,
Um der Liebsten bleibe mir!
Wer soll ihre Thränen stillen,
Wenn wir jetzo gehn von ihr?

 

VII.

Er ist gekommen
In Sturm und Regen,
Ihm schlug beklommen
Mein Herz entgegen.
Wie könnt' ich ahnen,
Daß seine Bahnen
Sich einen sollten meinen Wegen?

Er ist gekommen
In Sturm und Regen,
Er hat genommen
Mein Herz verwegen.
Nahm er das meine?
Nahm ich das seine?
Die beiden kamen sich entgegen.

Er ist gekommen
In Sturm und Regen.
Nun ist entglommen
Des Frühlings Segen.
Der Freund zieht weiter,
Ich seh' es heiter,
Denn er bleibt mein auf allen Wegen.

 

VIII.

Glaub' nur, weil ich von dir gehe,
Nicht, daß darum es geschehe,
Weil ich such' ein schön'res Glück als hier!
Eben darum, weil ich keines
Such' im Strahl des Sonnenscheines,
Eben darum geh' ich fort von dir.

 

IX.

Der Frühling ist gekommen,
Der Freund hat Abschied genommen,
Nun wird der Lenz auch scheiden,
Daß mich verlassen die Beiden.

Ach, wenn der Frühling bliebe,
So flöh' auch nicht die Liebe;
Und müßte Liebe nicht ziehen,
So müßte der Lenz nicht fliehen.

Mein Herz! wenn ewig die Liebe
Und ewig der Frühling bliebe,
So wär' der Himmel auf Erden,
Der uns erst dort soll werden.

 

X.

So lang' du mich entbehren kannst,
Wie sollt' ich dich beschränken?
Ich bleibe dein, die du gewannst;
Geh' nur! mich soll's nicht kränken.

Geliebter! aber wenn du dann
Bedürfen meiner solltest,
Und aber als ein stolzer Mann
Mich selbst nicht suchen wolltest;

Dann suchen will ich dich, und nein,
Nicht lassen mich vertreiben:
Geliebter! nun bedarfst du mein,
Nun will ich bei dir bleiben.

 

XI.

Uns Beiden ist hier die Luft zu schwer
Im Land voll Sturmesgetose,
Mir, der Nachtigall, und noch mehr
Meiner Freundin, der Rose.

Die Ros' ist worden krank und bleich,
Und ich bin rauh geworden.
O, dürften wir wandern allzugleich
Gen Süden aus dem Norden!

O daß ein goldbeschwingter Wind
Uns beide nähm' auf die Flügel
Und trüge dahin uns frühlingslind
Zur Stadt der sieben Hügel.

Ueber die sieben Hügel dahin,
Dort, wo die Lüfte sind reiner,
Noch immer steht dahin mein Sinn,
Zum Gebirg der Lateiner.

Dort saß ich einen Sommer so froh,
Doch mußt' ich der Lieb' entbehren;
Wie wohl erst müßt' es mir werden, wo
Wir dort vereinigt wären!

 

XII.

Wie? woher, Geliebter, diese
Weichlichkeit? ich glaub' es kaum.
Suchst du Traumesparadiese
Nun im fernen Erdenraum?

Und ich glaubt' es wirklich deiner
Lieder süßen Schmeichelei,
Daß dein Paradies in meiner
Liebe dir gefunden sei.

Ist dir's nicht wie mir zu Muthe?
Dich, Geliebter, will ich nur.
Wo ich dir in Armen ruhte,
Fragt' ich nicht, auf welcher Flur.

Sei es unter schlanken Palmen
In des Osten Würzebrand,
Oder unter'm Dach von Halmen
In des Winters Vaterland.

Unter allen Himmelszonen
(Lehrtest du nicht selbst es mich?)
Können Menschen glücklich wohnen,
Und mein Glück ist, lieben dich.

 

XIII.

Sie sprach: Wann du von hier
Nun bist, mein Freund, gegangen,
Und meine Arm' an dir
Nichts haben zu umfangen;
So sei mir diese Hand,
Gewöhnt, einst dich zu streicheln,
Aus ein Geschäft gewandt,
Das meinem Gram mag schmeicheln.
Ich sprach: Was willst du thun?
Sie sprach: Mit stillem Fleiß
Für dich arbeiten nun
Das Schönste, was ich weiß.
Ich sprach: Was soll es geben?
Sie sprach: Ein Band vielleicht.
Ich sprach: Wozu, mein Leben?
Sie sprach: Der Freund entweicht;
So will ich nach ihm schicken
Ein Band, das fern von hier
Für mich ihn soll umstricken.
Ich sprach: So wehe mir!
Und soll ich denn entbunden
Nie meiner Ketten sein?
Den Armen hier entwunden,
Holt dort das Band mich ein.

 

XIV.

Sie sprach: Nur aus dem Vaterland nicht reisen!
Ich sprach: Dein Busen ist mein Vaterland;
Und wenn du mich nicht wirst daraus verweisen,
So geh' ich nie aus meinem Vaterland.
Und ging' ich unter fremden Himmelskreisen,
Ich bleibe doch in meinem Vaterland.
Stets bleibt mein Geist, wo ich auch geh' auf Reisen,
In deinem Busen, seinem Vaterland.

 

XV.

Ach, daß ewig hier die Liebe
Ewig bliebe,
Oder, wenn sie wollte scheiden,
Und die Beiden,
Uns die Beiden mit sich nähme,
Daß ich käme
Mit dir dorthin, wo die Liebe
Ewig bliebe.

 

XVI.

Schenke! mit süßem Lächeln würze mir diesen Becher;
Wenn du ihn nicht kredenzest, dünket der Wein mir schwächer.
Komm' aus dem Steingemäuer, komm'! auf den grünen Matten
Bauen belaubte Zweige luftige Trinkgemächer.
Siehe! des Frühlings Bräute, lüstern verschämte Rosen,
Blicken nach uns, den Trinkern, durch den bewegten Fächer.
Ost! wo du gehst im Thau der Fluren, begrüß' mir Tulpe,
Lilie sammt Narziss' und andere Frühlingszecher!
Oestlicher Bote Freimunds, kommst du nach Hildburghausen,
Grüße daselbst mir Barth, den edelsten Kupferstecher;
Frag' ihn, wie lang' es her ist, daß wir in Roms Sabina
Süßen Syrakusaners tranken den letzten Becher?

 

XVII.

Sei mir nur ein einzger Tag beschieden,
Oder eine Reihe Jahr' hienieden:
Sei's ein Tag, so will ich ihn genießen,
Still an deinem Blick mein Auge schließen.
Seien's Jahre, will ich sie durchmessen,
Dich, mein Glück, zu fühlen nie vergessen.
Ob ich's eines Tages kurze Stunden,
Ob ich's habe Jahre lang empfunden;
Hab' ich doch empfunden deine Liebe,
Daß ich selig im Gefühl zerstiebe!

 

XVIII.

O wie tröstlich ist, zu wissen
In der Liebsten Hand,
Wenn du selbst ihr wirst entrissen,
Einen Gegenstand,

Der ihr leiblich nah' darf bleiben,
Wie du's warest ihr.
Diese Lieder will ich schreiben,
Daß sie bleiben hier.

Ruft der Freundin in's Gedächtniß
Eines Freundes Schmerz,
Der ihr scheidend zum Vermächtniß
Läßt zurück sein Herz.

Will sie mit dem Freunde sprechen,
Blätter, rührt euch dann!
Sprechet schön von euren Flächen
Sie statt meiner an.

Wo ihr Blick ein Blatt berühren
Wird bei Nacht und Tag,
In der Ferne werd' ich spüren
Einen Zauberschlag.

 

XIX.

O daß zwei Herzen dürften lieben ewig!
Wie sie sich fanden, so sich blieben ewig.
O Liebste! Ew'ges ist, indem du's fühlest;
Einmal gefühlt, nie kann's zerstieben ewig.
Gefühl des Ew'gen ist in dieser Stunde,
Und wird von keiner aufgerieben ewig.
Sie hat die Ewigkeit wie eine Blume
In's Herz gepflanzt, und ist beklieben ewig.
Ein achter Himmel ist das Herz geworden,
Der wird besteh'n als wie die sieben ewig.
Ich fühl', o Liebste, tief, daß ich dich müsse
Wie Frühling seine Blumen lieben ewig.
Ich weiß, o Liebste, klar, daß du mich müssest
Wie Himmel seine Sonne lieben ewig;
Dasselbe, was im Trieb des Weltenfrühlings,
Dasselb' ist auch in unsern Trieben ewig,
Mit Blumenschrift ist und mit Sternechiffern
Die Liebe uns in's Herz geschrieben ewig.
Als Sonnenblumen blüh'n die Lieder Freimunds,
Und jedem Blatt ist eingeschrieben »ewig!«

 

XX.

Kann heut' nicht lange Lieder schreiben,
Kann heut' nicht lange sitzen bleiben
An meines Mädchens Schreibepult.
Muß streifen um durch Haus und Garten;
Wo mag sie sein? Wo meiner warten?
Die liebe junge Ungeduld!

Sie hat gewiß schon längst gemeinet,
Daß ihr der Freund zu ruhig scheinet,
Der übermorgen geht von hier.
»Und hast du mir noch was zu sagen,
Was soll ich's deinem Lied entfragen?
Ei, sag' es doch mit Küssen mir!«

 

XXI.

Wenn du hörest auf zu lieben,
Laß' mich nicht im Zweifel bleiben!
Weil du mir so viel geschrieben,
Kannst du mir auch dieses schreiben.

Schreibe nur: »Ich bin gestorben,
Und du sollst mich nun begraben.«
Wann ich diese Kund' erworben,
Werd' ich sie zu deuten haben:

Nämlich, daß gestorben ist,
Was von dir mir lebt allein,
Deine Liebe; was du bist
Außerdem, das ist nicht mein.

 

XXII.

Du hast mir hell in's Herz geblickt,
Daß Frühling drin entsprungen;
Und dich hat manches Lied erquickt,
Das ich dir so gesungen.

Verlieren werd' ich nie die Lust,
Die du mir hast gegeben;
Und was ich regt' in deiner Brust,
O laß auch es da leben.

Du bleibst in deinem stillen Sein,
Und ich muß weiter fahren.
Laß dankbar eingedenk uns sein,
Was wir einander waren.

 

XXIII.

Ich will dich nicht beschränken,
Geh' du nur immerhin!
Und will mich auch nicht kränken,
Daß ich dir ferne bin.

Ich bin dir auch nicht ferne,
Du stehst in meinem Sinn
Gleich einem lichten Sterne,
Geh' du nur immerhin!

Du mußt die Welt beschauen,
Weil du ein Dichter bist.
Du siehst wohl schön're Frauen,
Als deine Freundin ist.

Du wirst wohl keine schauen,
Die treuer sei als ich;
Das bringt dich mit Vertrauen
Zurück mir sicherlich.

Die Augen schickt' ich gerne
Als Boten mit dir aus,
Daß sie als Liebessterne
Dich leiteten nach Haus.

Es sende Gott die seinen,
Sie seh'n dich dort, mich hie.
Und wenn hier meine weinen,
Fühl's, komm' und trockne sie!

 

XXIV.

Mein Liebster geht, die Welt sich zu beschauen.
Nun zeig' in deinem Glanz' dich, schöne Welt!
Im rechten Licht zeig' ihm dich unverstellt,
Daß er zu dir mag fassen ein Vertrauen!

Mein Liebster geht, die Welt sich zu beschauen
Im Spiegel, den ihm meine Liebe hält.
Entrollt euch seinen Blicken, Stadt und Feld!
Zeuch ihm vorüber, Land mit deinen Gauen!

Mein Liebster geht, die Welt sich zu beschauen,
Wie sein erobert Land beschaut ein Held;
Und wie es dar sich seinen Augen stellt,
Verfügt er drüber mit dem Wink der Brauen.

Mein Liebster geht, die Welt sich zu beschauen,
Wie ein Nomade mit dem leichten Zelt;
Sein Haushalt ist im Augenblick bestellt,
Wo er es aufschlägt auf den grünen Auen.

Mein Liebster geht, die Welt sich zu beschauen,
Ihr Schatten rauschet, und ihre Lüfte schwellt!
Ihr Gärten grünet, und ihr Ströme quellt!
Laß, Himmel, Sonnenschein und Regen thauen!

Mein Liebster geht, die Welt sich zu beschauen,
Und sie ist ganz zu seiner Wahl gestellt,
So weit als Gottes Frühlingslicht erhellt
Die grünen Räum' und obenher die blauen.

Mein Liebster geht, die Welt sich zu beschauen,
Und ungesehen geh' ich ihm gesellt,
Und wo es ihm und wo es mir gefällt,
Da wird er sich und mir die Hütte bauen.

 

XXV.

Endlich hab' ich das errungen,
Liebster, es zu fühlen ganz,
Daß dich eben so durchdrungen
Hat wie mich der Gottesglanz.

Den Gedanken mußt' ich wälzen,
(War es Demuth, war es Stolz?)
Ob du so mir könntest schmelzen,
Wie dir meine Seele schmolz.

Doch nun fühl' ich, dir gehör' ich
Mehr nicht, als du mir gehörst,
Und dir nichts im Herzen schwör' ich,
Was du nicht entgegen schwörst.

Ob du Tage lang mich meidest,
Ob du nicht ein Wort mir giebst,
Ob du ohne Kuß mir scheidest,
Fühl' ich doch, daß du mich liebst.

Jetzo kann ich in die Ferne
Ruhig, Freund, dich ziehen sehn,
Und du bleibst gleich einem Sterne
Fest an meinem Himmel stehn.

 

XXVI.

Wo zwei in Liebe weiden,
Ein Paradies ist das;
Und da, wo sie sich scheiden,
Da welket Laub und Gras.

Wie könnt' ich nun im Frieden
Des Paradieses ruhn!
Daß ich daraus geschieden,
Wer zwang mich, das zu thun?

Das that mein eigner Wille,
Auf den die Sünde fällt,
Der trieb mich aus der Stille
Des Himmels in die Welt.

Mich trieb nicht fort die Liebe,
Die liebt mich immer noch;
Sie wünschte, daß ich bliebe,
Und ließ mich von sich doch.

Mein Stolz will nicht erlauben,
Sie reuig anzuflehn;
Und sie will mir's nicht rauben,
Nach meiner Lust zu gehn.

Sie weiß es wohl im Herzen,
Ich muß zu ihr zurück;
Es zieht das Band der Schmerzen
Mich heim zu meinem Glück.

Hier beugt mein Stolz sich nieder,
Nun öffne deine Brust
Und laß mich wohnen wieder
In meiner Liebeslust.

 

XXVII.

Nun zum Abschied wünsch' ich dir
Andres nicht, als daß du mir
Bleibest fein gesund.
Glück und Liebe bleibt dir so,
Und auch aus der Ferne froh
Fühlst du unsern Bund.

 

XXVIII.

Liebste! mußt mich lassen ziehen.
Von dir selber muß ich fliehen,
Deinen Armen mich entwinden,
Um in mir dich zu empfinden.

Die Verwandten, die Bekannten,
Die um uns zusammen rannten,
Bräutigam und Braut uns grüßten,
Sich um unsertwillen küßten, –

Mich verwirret das Gepränge,
Und mich irret das Gedränge;
Fühle mich noch ganz unmündig,
So zu lieben offenkündig.

Waren wir's doch, eh' sie's wußten:
Wohl, daß sie's erfahren mußten!
Zwar sie konnten's nicht zerreißen,
Gut doch, daß sie's gut geheißen.

Doch nun mußt du ziehn mich lassen;
Mich mit dir allein zu fassen,
Abzuwarten, bis am Hause
Dieser Sturm vorüber brause.

 

XXIX.

Nur die Rose noch erwarten
Sollst du, Freund, in meinem Garten
Und dann gehn von hier.
Denn es müßte mich verdrießen,
Wenn die Rose wollte sprießen,
Ungepflückt von dir.

Alles, was ich bin und habe,
Daß die Lieb' es dir zur Gabe
Alles dargebracht,
Wollte dir's mein Herz verschweigen,
Sollte dir der Garten zeigen
Meiner Triebe Macht.

 

XXX.

Trübe war das Wetter,
Und wie schlaffe Blätter
Mir zur Erde hingen die Gedanken.
Denn dem dumpfen Kerne
Ist der Safttrieb ferne,
Ferne bist du dieser Arme Ranken.

Und die Luft ward helle,
Goldne Sonnenwelle
Floß herab und machte mich nicht heiter.
Wie am Horizonte
Weit ich blicken konnte,
Sah ich nur den Raum der Trennung weiter.

Lieber laß mich kämpfen
Mit den Wolkendämpfen,
Die zu meiner Sehnsucht Schleier dienen!
Auf den hellen Auen
Bist du nicht zu schauen,
Und mein Schatten wankt nur trüb' auf ihnen.

Laß zu dir mich eilen,
Laß bei dir mich weilen,
Daß ich fühle mein der Erde Wonne!
Wolkennacht entstricken
Kannst du mit den Blicken,
Und dein Lächeln dämpft die Gluth der Sonne.

 

XXXI.

Dort, wo der Morgenstern hergeht,
Und wo der Morgenwind herweht,
Dort wohnt, nach der mein Herz hinfleht.

Der Aufgang meiner Liebesnoth,
Sie, meiner Hoffnung Freudenroth,
Mein süßes Leben, süßer Tod.

Es reicht dahin kein Blick von mir,
Doch an des Himmels lichter Zier
Seh' ich den Widerschein von ihr.

Das Morgenroth ist angefacht,
Weil sie vom Schlummer aufgewacht
Und hell den Himmel angelacht.

Die Luft des Aufgangs ist ihr Gruß,
Die Morgensonn' ihr Liebeskuß,
Der mir das Herz erschließen muß.

Sich drehn um's Haus, allwo sie wohnt,
Die Sonn' am Tag, und Nachts der Mond,
Und sind, so oft sie blickt, belohnt.

Die Himmel drehn um Liebe sich,
Und Liebe dreht sich nur um dich,
Und zu dir liebend wend' ich mich.

Du, leuchtend über Berg und Thal,
Von Haupt zu Füßen allzumal,
Von Huld ein einz'ger Himmelstrahl!

Du meiner Freuden Rosenau,
Dir schmeichle Lenz mit Lüften lau,
Der Morgen dir mit Perlenthau.

Sei ewig wie der Morgen jung,
Begrüßt als wie der Sonne Schwung
Von aller Augen Huldigung.

So viel im Grünen Blumen blühn,
So viel im Blauen Sterne glühn,
Sind lauter Funken, die dir sprühn.

Im Meer, so viel sind Wogen drin,
So viel sind Wünsch' in meinem Sinn,
Und jeder wogt zu dir dahin.

O Lerche, wann zum Morgenthor
Vor ihren Blicken steigst empor,
Sing' ihr dies Lied von Freimund vor.

 

XXXII.

Die tausend Grüße,
Die wir dir senden,
Ostwind dir müsse
Keinen entwenden.

Zu dir im Schwarme
Ziehn die Gedanken;
Könnten die Arme
Auch dich umranken!

Du in die Lüfte
Hauche dein Sehnen!
Laß deine Düfte
Küsse mich wähnen.

Schwör' es! Ich hör' es:
Daß du mir gut bist;
Hör' es! ich schwör' es:
Daß du mein Blut bist.

Dein war und blieb ich,
Dein bin und bleib' ich;
Schon vielmal schrieb ich's,
Noch vielmal schreib' ich's.

 

XXXIII.

Die Welt mit ihrer Frühlingspracht
Ist eine leere Scene,
Wenn nicht mit holder Liebesmacht
Darauf sich zeiget Jene,
Um die die Blumen sich zum Kranz,
Und sich die Sterne reih'n zum Tanz,
Die mir das Nichts zur Schöpfung macht,
Nach der ich hier mich sehne.

Die Sonne geht am Himmel hin,
Ich mag nach ihr nicht schauen.
Es steht allein vor meinem Sinn
Ein Himmelstrahl der Frauen.
Die Blumen winken auf der Flur,
Ich denke doch der Rose nur,
Der jetzt, weil ich ihr ferne bin,
Von Gram die Wangen thauen.

Wo auf der Welt zwei Herzen hie
Einander angehören,
Da sollte Gott sie scheiden nie,
Und nichts ihr Glück verstören.
Und wenn sie selber scheiden sich
Freiwilliglich wie du und ich,
Umsonst dem Himmel klagen sie,
Wie sie sich selbst bethören.

Ich habe selber mich bethört,
Da ich von dir gegangen.
Wie könnte jetzt ich ungestört
An deinem Busen hangen!
Und komm' ich je zu dir zurück,
So mich verlasse Gott und Glück,
Laß ich noch je, was mein gehört,
Aus meiner Arm' Umfangen!

 

XXXIV.

Ich zog durch Berg und Thal
An hellen Frühlingsflüssen,
Es lag im Morgenstrahl
Die Welt zu meinen Füßen.

O wie sie anders ganz
Den Blicken dar sich stellte,
Seitdem der Liebe Glanz
Mein inn'res Aug' erhellte!

Ich sprach: Wie bist du schön
In allen deinen Zonen!
In Tiefen, auf den Höh'n,
Wo ist am schönsten wohnen?

Da saß ich still und sah
Die Welt um mich sich breiten,
Mir offen lag sie da
Nach allen ihren Seiten.

Mein Ost in Rosen stand,
Aus duft'gem Wolkengitter
Reicht eine Engelshand
Herab mir eine Zither.

Nun thue, was du meinst!
Sprach sie mit sanftem Laute;
Ich bin's, mit welcher einst
Amphion Theben baute.

Weil du mich schwächer rührst,
Nicht wundr' es dich, wenn eben
Du keine Städt' aufführst,
Doch bau' dein eignes Leben!

Vollende deinen Gang!
Auf welcher dieser Auen
Willst du durch meinen Klang
Dein stilles Haus dir bauen?

 

XXXV.

Thöricht, wer im Paradies kann wohnen,
Und will reisen gehn in andre Zonen.
Also thöricht ging ich jüngst von dir.
Wollte sehn, ob außer deiner Sphäre
Noch ein Wohnplatz mir auf Erden wäre;
Keinen fand ich und bin wieder hier.

Warum sollt' ich in der Irre schweifen,
Sehn, wie Andern ihre Früchte reifen,
Fern der Au', wo meine Saaten stehn?
Nimm dahin in Fesseln die Gedanken,
Laß mich ruhn in deiner Arme Schranken,
Meine Welt in deinen Augen sehn!

 

XXXVI.

Dieser Tag und dann der zweite,
Und der dritte im Geleite,
Und der vierte schwindet bald.
Eh' der fünfte hingegangen,
Wirst du zu ihr hingelangen,
Fliegend über Berg und Wald.

Straßen, die zur Liebsten führen,
Ihre Anmuth kann nicht rühren
Den, der nur ersehnt das Ziel.
Thöricht, so die Zeit bestehlen,
Ueber Tage hinzuzählen!
Hast du deren denn so viel?

Zwischen Hoffnung und Verlangen
Ist ein Theil dir hingegangen
Deines Lebens ohne Lust;
Und wenn du sie wirst umwinden,
Wird der andre Theil dir schwinden
In der Wonn' an ihrer Brust.

Dennoch, Stunden, eilt von hinnen!
Ob das Leben muß verrinnen,
Und ein Traum ist, was entfloh;
Von der Liebsten Arm umwunden,
Ist das Leben auch geschwunden,
Aber schöner schwand es so.

 

XXXVII.

In diesem Walde möcht' ich wohnen,
Der freie Jäger möcht' ich sein,
Der in die dunklen Laubeskronen
Sich hat gepflanzt sein Haus hinein.

Der erste Strahl der Sonne schauet
Durch Tannengrün in's Schlafgemach,
Wo ihm der Schlaf im Aug' zerthauet,
In Liebchens Armen wird er wach.

Sogleich mit seinen treuen Hunden
Zieht er hinaus durch Wald und Flur
Und hat im Morgenthau gefunden
Des Hirsches und des Rehes Spur.

Der Schütze jauchzt, die Hunde bellen,
Das scharfe Rohr giebt seinen Knall,
Und Jägerruf und Waldhorngellen
Erweckt im Forst den Widerhall.

Doch drinnen sitzt im Morgenhäubchen
Feinsliebchen, athmet Waldesduft
Und horcht, wie Amsel, Fink' und Täubchen
Den Morgengruß in's Fenster ruft.

Sie hört im Forst die Zweige flüstern,
Daß sie ein süßes Grausen spürt,
Und auf dem Herd die Flammen knistern,
Die sie mit duft'gem Kien geschürt.

Wie lange mag der Liebste säumen
Bei seiner lust'gen Jägerei?
Der stille Strom mit Silberschäumen
Fließt an des Gärtchens Zaun vorbei.

Sie schürzt sich auf als Fischermädchen
Und sitzt an Waldstroms grünem Rand;
Die Angel schwebt am leisen Fädchen,
Dann spielt der Fisch in ihrer Hand.

Und wenn der Jäger kommt nach Hause
Und bringt das Wildbrät für den Tisch,
Wird erst das Mahl zum leckern Schmause,
Den Jäger überrascht der Fisch.

Es haben sich die müden Rüden
Im hohen Gras zur Ruh' gelegt,
Weil auch den Jägersmann, den müden,
Die Laub' in kühlem Schatten hegt.

Er horcht, entschlummernd, auf das Gleiten
Des Stroms, der leis hinunter zieht.
Die Liebste schmiegt sich ihm zur Seiten
Und wiegt ihn ein mit einem Lied:

Ihr Hirsch' im grünen Wald, ihr Rehe,
Nun lagert euch an kühler Fluth
Und sorget nicht, daß euch geschehe
Ein Leid, denn euer Schütze ruht!

Du schau' mir, hohe Mittagssonne,
Nicht durch die laub'ge Nacht hinein;
Und was du spähst von unsrer Wonne,
Das laß der Welt verschwiegen sein!

Ihr Stromeswellen, die ihr rauschet
Hinaus in's Land vom grünen Wald,
Sagt's Keinem, daß ihr habt belauschet
Hier unsrer Freuden Aufenthalt!

 

XXXVIII.

O weh' des Scheidens, das er that,
Da er mich ließ im Sehnen!
O weh' des Bittens, wie er bat,
Des Weinens seiner Thränen!
Er sprach zu mir: Dein Trauern laß!
Und schied doch selbst in Schmerzen.
Von seinen Thränen ward ich naß,
Daß kühl mir's ward im Herzen.

 

XXXIX.

Wenn du um die Abendstunden
Jenes Tages, wo von dannen
Mich von dir die Rosse trugen,
Deines Freunds mit Unruh' dachtest,
Laß es nur für Ahnung gelten
Der gedoppelten Gefahren,
Die dem Freunde damals drohten
Zwischen Fluth und Bergeshalden.
Das soll jetzt dir keinen Schrecken,
Sondern stille Freude machen,
Liebste! denn ja jedes Unglück
Ist ein Glück, wenn überstanden.
Daß ich dir's hier kurz berichte,
Was du weiter kannst erfragen,
Wann ich selb' zurück dir kehre
lieber heut' in vierzehn Tagen!

Weißt du, wie die Wolken gossen
In den letzten jener Tage,
Die uns noch der Himmel gönnte,
Uns auf's Scheiden vorzulaben?
Wie die Wolken unsren Herzen
Ihre letzte Lust verdarben,
Den bescheidnen Wunsch beschränkten,
Uns noch zu ergehn im Garten,
In den Lauben noch zu sitzen,
Wo wir oft gesessen hatten.
Aber für des Tags gestörte
Freuden schadlos uns zu halten,
Schloß der Abend uns in's Zimmer,
Wo beim Sonnenschein der Lampe
Aus dem reinen Himmel deiner
Augen schön're Tropfen kamen,
Wenn sie auf dem Freunde ruhend,
Süß im Thau der Rührung standen.
Ich vergaß des Regenwetters,
Deinen Thau auf Lippen habend,
Fand von jenem, als ich reiste,
Erst die Spur auf jenen Straßen.
Denn des Himmels losgebrochne
Schleusen, die aus jedem Bache
Einen Riesenstrom gebildet,
Weit vor meinen Augen hatten
Sie das grüne Thal der Wiesen
In ein offnes Meer verwandelt.
Als zur Stadt ich rückwärts blickte,
Wo ich dich, mein Glück, verlassen,
Die, bekrönt mit Citadellen,
Sich um blüh'nde Hügel lagernd,
Jetzt in einem Wellenspiegel,
Den sie sonst entbehret hatte,
Sich beschaute, schien, o Liebste,
Mir die Stadt ein klein Neapel.
Diesen Golfo zu beschiffen,
Fehlte nur ein Wimpelnachen,
Da des Wagens eh'rne Räder
Hier zu schwere Ruder waren.
Denn tote vormals wohl nach einem
Jener reizenden Eilande,
Die am sonn'gen Horizonte
Jenes andern größern Napels,
Fern gesehn, als duftig blaue
Berg' aus grünen Wogen ragen,
Ich hinüber schiffen mochte,
Aus Vergnügen, nicht aus Zwange;
So aus Zwang, nicht aus Vergnügen,
(Könnt' ich ohne Zwang dich lassen?)
Steuern sollt' ich jetzt aus diesem
Thal hinüber in ein andres,
Das zum Eiland die dazwischen
Ausgegoss'ne Fluth mir machte.
Und unschlüssig fuhr ich nieder
An des Binnenmeeres Rande,
Unten eine Furth zu finden,
Da ich leider nicht bedachte,
Daß, je mehr je weiter nieder,
Von den Bächen, die sich sammeln,
Aehnlich Schulden, die sich häufen,
Müßten die Gewässer wachsen.
Nun es galt, sich zu entschließen,
Rief ich einen Rath zusammen,
Eines ganzen Dorfs Gemeinde,
Wo ich eben angelanget;
Daß nach Wissen und Gewissen,
Ob der große Schritt zu wagen,
Sie mit Ja und Nein entschieden.
Und es traf sich, daß die Alten
Alle sprachen Nein bedächtig,
Keck die Jungen Ja nur sprachen.
Weil mein Herz denn jung sich fühlte,
Folgt' ich nicht der Alten Rathe.
Liebste! sieh' nun deinen Liebsten,
Der in seinem Rädernachen
Durch den Wogenaufruhr schwebet
Eines Wiesenoceanes.
Als das Schwimmens ungewohnte
Fahrzeug doch zu seltsam schwankte,
Fing mir an mit leisem Schwindel
Durch das Haupt die Furcht zu schwanken.
Doch wie einst in Sturmesnöthen
An der Felseninsel Capri
Durch ein festes Wort des Glaubens
Ich des Meeres Grauen bannte;
Durch die Kraft desselben Wortes
Schwichtet, ich hier die Gedanken,
So zu meinem Herzen sprechend:
Gott kann dich nicht sinken lassen!
Gott kann dich nicht lassen sinken
Hier in diesen schnöden Wassern,
Da du hast auf seiner schönen
Erde noch so viel zu schaffen,
Wenn es auch nur Lieder wären,
Die du ihm zum Preis entfaltest.
Gott kann dich nicht lassen sinken,
Niemals, und jetzt gar nicht aber,
Jetzo gar nicht, da der Liebsten
Du versprachst beim Abschiedsagen:
Daß du ihr zurück willst kehren
Ueber heut' in vierzehn Tagen!

Liebste! der Tumult des Herzens
Schwieg vor diesem Talismane.
Liebste! der Tumult der Wogen
Schwand vor diesem Zauberstabe.
Und hin fuhr ich trotzig sicher
Wie Neptun im Muschelwagen
Mit den mähnumtrieften Rossen,
Welche gleich Delphinen schwammen.
Als sie mit dem ersten Griffe
Der beerzten Hufe aber
Aus dem fremden Elemente
Festen Grund nun drüben faßten,
Stand ein greiser Mann am Ufer,
Der geseh'n die Schwimmfahrt hatte,
Und am Trocknen jetzt uns sehend,
Seine Händ' andächtig faltend,
Von uns auf zum Himmel blickte,
Mit dem einen Blicke strafend
Unsre Kühnheit, und für unsre
Rettung dankend mit dem andern.
Aber lustig, sich im Sonnenschein
Trocknend, ging die Fahrt; der Schwager
Stieß in's Horn wie triumphirend,
Gleich als ob wir über alle
Berge wären, da wir doch erst
Ueber alle Wasser waren.
Daß dich nicht die Berg' ermüden,
Liebste! wie sie mich es thaten:
Niemals hab' ich das erlitten,
Niemals hab' ich das erfahren,
Selbst in rauher Apenninen
Mitte nicht bei Pietra mala.
Holpernd über Stock und Steine,
Streifend Aest' und Wurzelfasern,
Schlimm hinaus und schlimmer nieder,
Vorwärts, rückwärts, seitwärts hangend,
Pferde keuchend, Räder knirrend,
Kutscher fluchend, Achsen krachend,
Eine Müh' auf jedem Schritte,
Ging es langsam, ging's doch aber.
Wenn mir unsanft so Gewiegtem,
So Gerütteltem der Faden
Der Geduld zerreißen wollte,
Liebste! dürft' ich nur mir sagen:
Daß ich bei dir ausruh'n sollte
lieber heut' in vierzehn Tagen!

Liebste! diese mag'sche Formel
Zauberte vor die Gedanken
Mir sogleich das traute Stübchen
Mit dem Sopha, mit dem Platze,
Dem von mir einst eingenomm'nen
Dem für mich itzt leergelass'nen;
Weich daraus im Geist gebettet,
Ließ ich fort auf rauhen Straßen
Meinen Leib geduldig schleppen;
Liebste! und im nahen Thale,
Hell vom Strahl der Abendsonne,
Wie mit Gold belegtem Dache,
Trat mir schon das Haus entgegen
Das mich heut' als Gast erwartet:
Da, von ferner Bergesfeste,
Wo die Rittergeister manchmal,
Freud' am Hexenspuke findend,
Wetter brauen, Schnee und Hagel,
Kam ein finstrer Riesenpopanz,
Ein Gewölke regenschwanger,
Gegen mich daher gezogen,
Das die schönste Anstalt machte,
Mich von unten Eingenetzten
Obenher nun auch zu baden.
Und ich hieß den Kutscher eilig
Unser'm Obdach zuzujagen.
Doch eh' wir's erreichen konnten,
Kam die Eil' mit uns zu Falle,
Und kaum hatt' ich Zeit zu rufen,
Als ich fühlt', es sank der Wagen
Gott kann dich nicht lassen sinken!
Ueber heut' in vierzehn Tagen!

Freilich fand ich mich gesunken,
Aber ziemlich weich gelagert
Auf dem feuchten Haidekraute,
Zwischen dem Gestrüpp' des Angers.
Als ich nach dem Wagen schaute,
Fand ich schlimmer ihn behandelt,
Ganz gequetscht und ganz geschunden,
Aus den Fugen ganz gegangen,
Oberstes nach unten kehrend,
Und nach oben Rad und Achsen.
Da ihm nicht war aufzuhelfen,
Nahm ich meinen Regenmantel,
Ließ in Gottes und des Kutschers
Hut das Fuhrwerk, schritt als Wandrer
Meinem Ziel im Sturm entgegen,
Wo ich zwar nicht so erwartet,
Doch auch so willkommen eintrat,
Meinen Unfall offenbarend.
Und die Leute meines Wirthes
Gingen hin, mit starken Armen
Ihn, der mich nicht tragen konnte,
Meinen Wagen heimzutragen.
Liebste! solche Fährlichkeiten
Hat dein flücht'ger Freund bestanden
Gleich auf diesem ersten Schritte,
Den er that, dich zu verlassen.
Soll mir das nicht eine Lehre,
Nicht ein Wink sein, der mich warne?
Liebste! beim vereinten Grausen
Der bestandenen Gefahren
Schwör' ich es, in meinem Leben
Nie dich wieder zu verlassen,
Keinen Schritt von dir zu thun,
Nicht zu Fuß und nicht im Wagen,
Wenn ich erst zu dir gekehrt bin
Ueber heut' in vierzehn Tagen!

 

XL.

Zu meinem Geburtstag,
Dem sechzehnten Mai,
Wünschte die Liebste
Mir Mancherlei.

Mit trunk'nem Wohlgefallen sog
Mein Ohr der Wünsche Schmeichelei,
Und als ihr Herz sich ausgewünscht,
Wünscht' ich mir selber dies dabei:
Erhalte Gott mir dies Gefühl
Der Lieb' im Busen wolkenfrei,
Daß hell in jedem Augenblick
Mein Glück mir gegenwärtig sei.

Wie ich sie lieb', und sie mich liebt,
Wie ich ihr geb', und sie mir giebt,
Wie mich beglückt, die ich beglücke,
Wie mich entzückt, die ich entzücke,
Wie sie mich fühlt, die ich empfinde,
Wie sie mich hält, die ich umwinde,
Wie ich sie trage, sie mich hebt,
Wie ich ihr leb', und sie mir lebt.

 

XLI.

Jetzo blickt sie nach dem Abendrothe,
Ob mit ihm erscheinen wird der Bote,
Ihr des Liebsten ersten Brief zu bringen:
»Hättest du doch meiner Sehnsucht Schwingen.«
Und es sinkt die Nacht, der Bote weilet:
Und er kommt, dem sie entgegeneilet.
Und sie hat des Liebsten Brief erhalten,
Säumet, auseinander ihn zu falten,
Muß die Ausschrift, ihren Namen, lesen,
Der ihr selber nie so schön gewesen.
Und nun ruhen aus der Schrift die Augen,
Alle Züge liebend einzusaugen,
Die für sie des Liebsten Hand gezogen,
Jede Zeil' ein Liebesregenbogen,
Jedes Wort ein lichter Stern im Blaue,
Jeder Buchstab' eine Ros' im Thaue.
So verschönt zu einer Liebesblüthe
Sich das Blatt dem liebenden Gemüthe.
Und nun sitzt sie gleich zu schreiben nieder.
Gieb, o Nacht, dein thauiges Gefieder
Ihrem Blatt, daß mit dem Morgenrothe
Mir zurück geflügelt sei der Bote!

Herz! wie soll die Ungeduld ich nennen,
Da von ihr dich nur zwei Tage trennen,
Da von ihr dich trennen nur zwei Meilen,
Daß von ihrer Hand nach zweien Zeilen
Geizest so mit ungestümem Drange?
Was sie schreiben wird, du weißt es lange;
Und sie weiß es wohl, was du wirst schreiben:
Und so könnt' es billig unterbleiben.
Freilich, Neues hat sich nicht begeben;
Doch, daß Alles steht beim Alten eben,
Dieses wissen, das sich stets von neuen
Sagen, kann nur Liebende erfreuen.
Ja, es ist kein andrer Trost geblieben
Zweien, die sich fern sind und sich lieben,
Als der Seele Jubel und die Klagen,
Was der Mund nicht kann dem Munde sagen,
Einem stummen Blatt es anvertrauen,
Schreiben es und es geschrieben schauen.

 

XLII.

Nur wo du bist, da will ich sein; wo bist du?
Nur wo du mein bist, bin ich mein; wo bist du?
Wo du mir fehlest, hab' ich mich verloren
Und finde mich in dir allein! wo bist du?
Du bist bei mir, auch wo ich dich nicht schaue;
Und wo ich bin, da bin ich dein; wo bist du?
Du suchtest mich, als ich dich floh, du riefest
Der Seele nach mit Schmeichelei'n: wo bist du?
Und als ich liebend, suchend, mich gewendet,
Da Hülltest du vor mir dich ein, wo bist du?
Ich suchte dich im Morgenroth, ich schaute
Nach dir mit Sehnsuchtsblick hinein: wo bist du?
Da trat mit Glanz daraus hervor die Sonne.
Sie bist du nicht, sie ist dein Schein; wo bist du
Ich schaut' in's Meer und sah' darin mich selber:
Der Spiegel kann nicht deiner sein; wo bist du?
Ich schaut' in mich und fand in mir mich wieder:
Ach, dieser Spiegel ist nicht rein; wo bist du?
Wo bist du? Nach der Rose fragt die Seele,
Die Nachtigall im Sinnenhain: wo bist du?
Wo bist du? hab' ich in's Gebirg gerufen,
Und Echo rief vom Felsgestein: wo bist du?
O tritt hervor in Wesenheit, vernichte
Der Sinnenbilder Gaukelei'n! Wo bist du?
Verdurstet ist die Seel' im Durst der Liebe;
O Schenkin mit dem Seelenwein, wo bist du?

 

XLIII.

Der Lenz ist ohne Blumen, wo du flohst,
Und ohne Stern' der Himmel, so du flohst.
Aus Wolken kamst du mir, ein Strahl des Lichts
Nicht deines Lächelns ward ich froh, du flohst.
Du fliehst dahin, und Alles flieht dir nach;
Die Jugend schied, das Leben floh, du flohst.
Die Lieder Freimunds säuseln sterbend: Ach!
Und seine Seufzer hauchen: O! du flohst.

 

XLIV.

Mich fühl' ich nicht, wenn ich nicht dich empfinde;
Mich fass' ich nicht, wenn ich nicht dich umwinde.
Wenn deine Lieb' aus meinem Herzen weichet,
So ist's, als ob der Welt die Sonne schwinde.
In meinem Herzen such' ich dich und klage,
Daß ich mein eignes trübes Ich nur finde.
Und bist du in die Welt hinausgegangen
Und hauchest durch die Welt im Abendwinde?
Und sendest keinen Hauch aus deinem Munde,
Daß er dein Kind beschwichtige gelinde!
Kind ist mein Herz, und deine Lieb' ist Mutter;
O Mutter! komm' und sei bei deinem Kinde!
Was bist du in die Welt hinausgegangen
Und ließest mich allein bei dem Gesinde!

 

XLV.

An des Abendsternes Brennen
Ach! erkennen
Kann ich nun,
Daß die Liebe läßt mit Grüßen
Drauf die süßen
Augen ruh'n.
Denn wo wär' ein Licht entglommen,
Das, nicht ihrem Blick entnommen,
Wohl mir könnt' im Auge thun?

An des Mondes stillem Leuchten

Aus dem feuchten
Thränenduft
Soll sie sehn, wie meine bangen
Wünsche langen
In die Luft.
Denn was blieb in Höh' und Tiefe,
Das ihr Mein Gedenke! riefe,
Wenn es nicht der Mond ihr ruft?

Als ich aus der Liebsten Armen
Auf zum warmen
Himmel sah,
Als des Mondes Spielgeselle
Stand der helle
Stern auch da.
Nun bin ich von ihr geschieden,
Und die beiden stehn im Frieden
Sich noch dort am Himmel nah'.

Damals hat sie mir versprochen
An dem Pochen
Meiner Brust,
Und ich hab' ihr schwören müssen
Unter Küssen
Unsrer Lust,
Daß, ob einst die hellen beiden
Sich auf ewig würden scheiden,
Scheiden sollt' uns kein Verlust.

Ihr zwei lichten Blüthentriebe
An der Liebe
Himmelsbaum!
Weiter hält als uns hienieden
Euch geschieden
Sphärenraum;
Doch vor unser'm Angesichte
Seid ihr still euch nah' im Lichte,
Und wir uns im Liebestraum.

 

XLVI.

Wie sie jetzt im Garten wallt
Und des fernen Freundes denket
Bei der Rose, die nun bald
In den Staub die Krone senket! –

Und die Lilie sproßt heran,
Und sie wird der Freund nicht pflücken:
Was ich dir nicht opfern kann,
Soll nicht dienen, mich zu schmücken.

Und so geht der Sommer hin,
Eine Blüthe nach der andern,
Daß ich fern dem Freunde bin
Und nicht kann mit Wolken wandern!

Diese Blumen dauern mich,
Die hier welken ungebrochen,
Diese Stunden, welche sich
Dehnen Tage-durch zu Wochen.

Blätter von des Lebens Baum
Sind sie nutzlos abgefallen,
Und mein Leben wird ein Traum
Ohne dich vorüber wallen.

Komm! die Lieb' in dieser Brust,
Und die Jugend auf den Wangen
Schwillt entgegen dir mit Lust,
Komm! eh' sie dahin gegangen.

 

XLVII.

Blaue Blüthen, die zur Gabe
Er beim Abschied mir gebrochen,
Die ich nun bewahret habe
Sorgsam über Tag' und Wochen!

Wenn der Abend mild gefächelt,
Tränkt' ich euch aus frischem Bronnen;
Und ich hab' euch angelächelt,
Wann die Luft nicht wollte sonnen.

Hier in euren Augen stehn
Seh' ich meine Perlentropfen.
Wie ich still euch angesehn,
Fühlet ihr mein Herz nicht klopfen?

Meiner Hoffnung Wassergarten,
Blühe, blühe, blühe doch!
Meinen Liebsten zu erwarten,
Daure, daure, daure noch!

Fallen sah ich doch mit Schaudern
Eine Blüthe nach der andern.
Will der Liebste länger zaudern,
Müßt ihr aus dem Fenster wandern.

Zu der Mutter sprach ich heute:
Wenn der Freund mir heut' nicht kommt,
Welken meine Wiesenbräute,
Daß nicht mehr die Pflege frommt.

Und ich sah die Blumen an,
Und es klopfte stark am Thor.
Als die Mutter aufgethan,
Trat mein Liebster rasch hervor.

Laßt euch nun zum Abschied grüßen,
Welke Blumen, geht hinaus!
Dieser bringt mir mit von Küssen,
Einen frisch erblühten Strauß.

 

XLVIII.

Hast du gestern Abend dich,
Liebster, nicht nach mir gesehnt,
Wie ich gestern Abend mich,
Liebster, mich nach dir gesehnt?

Liebste! nein, ich habe mich
Nicht gesehnt beim Abendschein,
Liebste! denn man sehnet sich
Nach Abwesenden allein.

Und abwesend warst du nicht,
Sondern nah' in Liebesmacht;
Weißt du's nicht? Mein süßes Licht
Bei mir warst du all' die Nacht.

 

XLIX.

Jene Stunden,
Die geschwunden
Mir entfernt von dir, mein Glück,
Muß mit Zagen
Ich beklagen,
Und sie bringt kein Gott zurück.

Ich will bleiben!
Mich vertreiben
Soll von dir allein der Tod.
Wo sie haben
Mich begraben,
Streu' auf's Grab mir Rose roth!

Mir auf Erden
Untreu werden
Und im Himmel kannst du nicht;
Doch allein nur
Bist du mein nur
Da, wo dich mein Arm umflicht.

 

L.

Ueber'm Berge, wo die Sonne
Heut' so roth empor geklommen,
Wird, die meines Lebens Wonne,
Morgen hergefahren kommen.

Heut', o Sonne, mußt du dort
Glanzlos mir am Himmel steigen
Dürftest dich nur allsofort
Gleich gen Westen wieder neigen!

Morgen fahr' in voller Zier
Dort herauf, mir anzusagen,
Daß die Liebe hinter dir
Kommt im offnen Siegeswagen.

 

LI.

Wunderbar ist mir gescheh'n;
Als ich ging die Welt beseh'n,
Fragt' ich mich bei jedem Ort,
Ob ich möchte wohnen dort,
Ich mit meinem Liebchen.

Durch kein Dörfchen konnt' ich geh'n,
Ohne drum es anzuseh'n;
Ja, ich dacht' an jedem Haus,
Ob ich möchte schau'n heraus,
Ich mit meinem Liebchen.

Wunderbar ist mir gescheh'n;
Kaum ein Fleckchen mocht' ich seh'n
So gering und noch so klein,
Wollte drin zufrieden sein,
Ich mit meinem Liebchen.

 

LII.

Wie erworben ohne Gleichen
Hat Verdienste sich die Hand,
Die zuerst geschrieb'ne Zeichen
Für des Mundes Hauch erfand.

Nicht daß man für Ewigkeiten
Schlachten schreib' in Stein und Erz,
Sondern daß sich geb' aus Weiten
Einem Herzen kund ein Herz.

Wo zwei Liebe nicht sich sehen
Mit den Augen, der und die,
Müssen sie vor Leid vergehen,
Oder schreiben müssen sie.

Und wenn so sich selbst begegnen
Die Gedanken durch die Schrift,
Müssen sie die Asche segnen
Dessen, der erfand den Stift,

Der nun dienet zum Piloten,
Der durch's Meer der Liebe führt,
Dienet zum verschwieg'nen Boten,
Der nur spricht, wo sich's gebührt.

Eine glänzend weiße Taube
Nimmt in ihren Schooß dein Wort,
Trägt es, ohne daß es raube
Fremder Vorwitz, ruhig fort.

Wenn sie dort ist angekommen,
Oeffnet sich die treue Brust;
Und das Wort, herausgenommen,
Ist der Liebsten stille Lust.

Wunder! durch der Meere Tosen,
Durch der Städte lauten Drang
Nimmt der Liebe leises Kosen
Seinen ungestörten Gang.

Wie mein Stift hier schreibt mit Beben:
Liebste! Leben! Ewig mein!
Durch die Räume lass' ich's schweben,
Und du dort vernimmst's allein.

 

LIII.

Komm, nun will ich ganz dich lieben.
Wo ich nur dich halb geliebt.
Da es nun in meinen Trieben
Weiter keine Theilung gibt.

Diese Hälfte meines Herzen,
Die ich auf die Welt gewandt,
Reiß' ich aus dem Band der Schmerzen;
Nimm mich ganz in deine Hand!

Welt ist weiter nicht zu lieben,
Sich verfinstert hat sie ganz,
Und nur du bist hell geblieben;
Nimm mich hin in deinen Glanz!

Lieben will ich dich, und hassen,
Was da sein will außer dir.
Laß mich Gottes Blitze fassen
Und die Welt dir opfern hier. –

»O wie haßt und liebt ein Dichter,
Wie er eben liebt und haßt;
Paßt doch nicht zum Weltenrichter,
Wenn er sonst zu Allem paßt.

Wer in Krieg geht, muß doch wissen,
Welchen Feind er denn bekriegt
Zürne du den Finsternissen,
Nicht der Welt, die drunter liegt!

Komm, mit stillen Liebesmächten,
Blieb uns anders keine Macht,
Helfen wir der armen fechten
In dem Kampf mit kalter Nacht.

Mach' die Stirn dir frei von Wettern,
Fühle, wer im Arm dich hält!
Wolle nicht die Welt zerschmettern,
Denn ich bin ein Theil der Welt.«

 

LIV.

Schöne giebt es gar so viel,
Schwer ist's, über alle sein,
Sicher ist man nie am Ziel,
And're kommen hinterdrein.

O wie leicht ist Selbbetrug,
O wie fährlich der Gewinn!
Liebster, mir ist das genug,
Daß ich dir die Schönste bin.

 

LV.

Dein Bild, Geliebter, möcht' ich haben,
Gemalt in meiner Kammer,
Mich jeden Augenblick zu laben
Daran in meinem Jammer.

Sie wollen mich mit Reden irren.
Sie wollen dich mir rauben,
Sie wollen mir den Sinn verwirren.
Geliebter, kannst du's glauben?

Ich fühl' es so durch's Haupt mir schwanken,
Daß ich das Bild, das helle,
Das ich von dir trag' im Gedanken,
Oft finde kaum zur Stelle.

Ja, wie sie reden, wie sie flüstern,
Ich glaube nicht dem Luge,
Und fühle doch, wie sie verdüstern
Dein Bild in jedem Zuge.

O hätt' ich dich gemalt in Farben,
So könnt' ich mit den Augen
Die Züge, die sie mir verdarben,
Rein wieder in mich saugen.

 

LVI.

Des Himmels Hoffnungsauge blaut, du kommst zurück!
Der Wolke Sehnsuchtswimper thaut, du kommst zurück
Am Strauch der Lust die Knospe der Erwartung bebt,
Die schwellend dir entgegen schaut, du kommst zurück!
Der Frühling kommt, die Blume des Genusses sprießt
Aus der Entsagung bitterm Kraut, du kommst zurück!
Nur um zu prüfen mein Vertrau'n, entflohst du mir;
O sieh', ich habe dir vertraut, du kommst zurück!
Den Gast der Liebe zu empfah'n, hat sich das Herz
Als duft'ges Brautgemach erbaut, du kommst zurück!
Du ziehest durch das offne Thor des Auges ein,
Dich grüßt des Mundes Jubellaut: du kommst zurück!
Du zieh'st zu allen Sinnen ein, als Duft, als Glanz,
Und bist im Herzen meine Braut, du kommst zurück!

 

LVII.

»Wie konntest du, da du mir bist gegeben
Als Herz in meinem Busen vom Geschick,
Wie konntest du von mir so fern entschweben?
Wer mißt sein Herz nur einen Augenblick?

»Wie durftest du, da du mir bist verliehen
Als Hauch des Lebens, der die Brust mir hebt,
Wie durftest du so lang' dich mir entziehen?
Wie kann ich leben, wo mein Hauch entschwebt?«


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