Josef Ruederer
Prinz Dschem
Josef Ruederer

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Ben Ali Bey der lautlos eintrat:
Ich grüße Euch, erhabne Majestät,
Und neig' mich tief dem Kaiser der Osmanen.

Arzt Ich bitt' Euch, geht, es spricht der Prinz kein Wort.

Ben Ali Bey Nicht vor den andern, doch er wird's vor mir,
Dem's wohl vergönnt als erstem Untertan,
Zu rufen: Heil dem auserkornen Herrn,
Des Islams rechtgebornem Herrscher, heil!

Arzt Noch einmal, geht!

Dschem                           Er bleibe!

Ben Ali Bey                                       Dank Euch, Herr,
Dank, großgewalt'ger Kaiser und Gebieter.

Dschem ohne ihn aus den Augen zu lassen:
Der Kaiser ist mein Bruder Bajazid.

Ben Ali Bey Er war's! Jetzt heißt es: Platz für Dschem den Ersten.

Dschem Mit solchem Wort schickt dich der Heilige Vater?

Ben Ali Bey Zum Heiligen Vater ward ich selbst gesandt
Mit schwerem Gold und Gaben von Byzanz,
Jedoch zu dir, den Mahomed bestimmt,
Schickt mich die Liebe eines ganzen Volks,
Der Halbmond, Herr, so weit er strahlt und leuchtet. Er will näher kommen.

Dschem richtet sich auf:
Bleib', wo du bist, und wirf dich in die Kniee!

Ben Ali Bey Ich tu's!

Dschem                       Jetzt auf den Boden!

Ben Ali Bey stemmt die Hände flach auf die Erde: So?

Dschem                                                                         Nein, ganz.
Der Länge nach als wie der Regenwurm,
Just so, wie vor dem Grabe des Propheten.

Ben Ali Bey Ihr wollt es, Herr!

Dschem auf den Affen weisend:     Und er, der mächt'ge König,
Der mitregiert und die Gesetze macht.

Ben Ali Bey liegt jetzt der Länge nach:
Vor ihm und Euch im Staub.

Dschem                                       So ist es recht.
Und jetzt sprich nach mir Wort für Wort,
Und Schlag auf Schlag, was ich von dir verlang':
Ich, Bajazids Gesandter, bin ein Schurke.

Ben Ali Bey Ein Schurke.

Dschem lachend zum Arzt: Schau, wie trefflich er doch lernt!
    Zu Ben Ali Bey gewandt:
Nicht wert, daß mich der Sonne Licht bescheint.

Ben Ali Bey wie oben:
Nicht wert, daß mich der Sonne Licht bescheint.

Dschem Denn ich kam her in eines Heuchlers Larve,

Ben Ali Bey Denn ich kam her in eines Heuchlers –
    Er reißt sich hoch.                                           Nein!

Dschem Und will erdrosseln, den ich Kaiser nannte.

Ben Ali Bey Reißt mir das Herz in abertausend Fetzen,
Das sprech' ich nicht.

Arzt                                   Erbarmt Euch, Prinz, der Mann
Scheint redlich.

Dschem                     Scheint? Wie? Oder ist er's wirklich?

Ben Ali Bey zum Juden:
Arzt, Freund, hört Ihr auf mich an seiner Statt,
Gebt ihm ein Pulver, das ihm Schlaf verleiht,
So fest, so tief, daß dreimal tot er scheint,
Und dann verlad' ich ihn in diesem Sarg
Aufs Schiff zu seinem Volke nach Byzanz.

Dschem In diesem Sarg?

Ben Ali Bey                     Ja, Herr, so fahrt Ihr hin,
Und heller Jubel schmettert Euch entgegen.

Dschem Ich soll? War's möglich? Noch einmal zurück?

Ben Ali Bey Sie warten nur auf Euch.

Dschem                                               Soll thronen dort
Als Fürst am blauen Meer, am Goldnen Horn,
Den Blick hinaus auf Asien gerichtet!
Und er, der edle Bajazid, der Bruder,
Statt meiner dann als seltnes Stück verkauft,
Von Hand zu Hand, von Tisch zu Tische wandernd,
Als Kettenlast die Rosenkränze tragend,
An Hohen Tagen schwere Weihrauchfässer,
Sag', Jud', und du, Gebieter, großer König,
Du Sinnbild eines Imperators, sag,
Was meinst du wohl mit ihm zu solchem Spaß?

Arzt Viel besser Flucht, als hier den Tod!

Ben Ali Bey auf den Sarg weisend:             So folgt!

Dschem ist die Estrade schwerfällig hinuntergegangen:
Laß sehen mal, da liegt sich's gut und weich,
Man kann durch feingeschliffenes Kristall
Den Himmel küssen und das Glas zugleich,
Kann drehen sich und wenden wie man will,
Ja, fast vermut' ich, man hat Platz zu zweien.

Arzt Mag sein.

Dschem             Doch halt, wie lange kann's noch dauern
Mit mir? Nur Tage noch?

Arzt                                         Je nun, bedenkt,
Daß neue Spannkraft neues Leben gibt.

Dschem lachend: Und vorher läßt er mich von dir zerschneiden,
Der Heilige Vater, wie ein Stachelschwein,
Er bohrt herum in meinen Eingeweiden,
Wie der Augur beim Opferfest. Nein, nein,
Ben Ali Bey, das ist kein Plan. Und doch,
Ich denk' mir's wunderschön, in diese Pracht –
Ein toller Spuk, wie komm' ich nur darauf? –
Des Papstes Tochter neben mich zu betten
Und dann mit mir als Braut sie nach Byzanz,
Als neuvermählte Kaiserin zu nehmen.
    Er ist jetzt ganz nahe getreten und hat sich in den Anblick des Sarges versenkt.

Ben Ali Bey mit furchtbarem Nachdruck:
Viel besser ist's, Ihr liegt allein da drin!
    Er reißt hastig den Dolch hervor und sticht nach Dschem.
Bastard, verdammter!

Arzt indem er abstürzt:       Hilfe, Wachen, Mord!

Dschem hat den Dolch gepackt und ringt mit Ben Ali Bey. Sie zerren sich, beide kämpfend, die wenigen Stufen der Estrade hinauf:
Ist das der Herrscher, den in mir du siehst?
Na, warte, Bursch, da bin ich schon noch echter,
Und geht's auch hart bei meinem Fett und Wanst,
Ich mach' mich doch zum Kaiser der Osmanen!
    Er hat Ben Ali Bey mit letzter Kraft die Treppe hinabgeschleudert.

Arzt wieder hereinstürzend:
Ihr geht zugrund', hetzt Euch zu Tod!

Dschem                                                     Noch nicht!
Erst ruf ich durch den Vatikan: Kommt her,
Schaut an, hier ist der Sohn des Mahomed,
Der auserkorne Herr und Gott!

Arzt                                                 O Wahnsinn!

Dschem Dem ihr zu dienen seid bestimmt, Vasallen,
So weit ihr lebt auf diesem Erdenrund.
Denn mir kann auf der weiten Welt nichts an,
Ich lach' des Gifts, ich biete Trotz den Dolchen,
Noch mehr: Ich spott' des Heil'gen Vaters Tochter.
    Er bricht erschöpft zusammen.

Arzt Wenn Ihr Euch nicht verraten wollt, dann schweigt!
Den Gang herauf hetzt schon der ganze Hof,
Der Papst mit seinen Kindern an der Spitze,
Und durch die Gassen Roms zieht auch das Heer,
Der Vortrab von Neapel und von Frankreich!
    Er bemüht sich um den Prinzen.

Alexander, Cäsar, Lucrezia eilen der Reihe nach herein, gefolgt von Wachen, die sich ohne Verzug auf Ben Ali Bey stürzen und ihn fesseln. Nach allen naht sich langsam Vanozza.

Lucrezia ganz in silberdurchwirkte, weiße Seide gekleidet, eilt die Estrade hinauf:
Prinz! Prinz!

Alexander in großem Ornat, einen goldenen Mantel um die Schultern:
                      Ein Mordanschlag!

Cäsar                                                   Vor unserm Aug'!

Alexander ruft zum Arzte hinauf:
Wie steht's um ihn?

Arzt                               Scheint unverletzt, nur fürcht' ich,
Der Schreck! Sein Herz!

Alexander                               O niedre Büberei!

Cäsar Und dieser war's!

Alexander                       Ja, der!

Ben Ali Bey trotzig nickend:           Ben Ali Bey!

Alexander Wahrhaftig, Ihr habt Mut, mein Großwesir,
Ihr tretet ein für das, was Ihr getan.
Doch sagt, wie wär's, wenn wir die hohe Würde
Des Botschafters in Euch mit Füßen treten,
Wenn gegen Euch, der Ihr gehandelt habt
Entgegen Sitte, Treu' und Glauben,
Wir gleichfalls zeigen Mut, und Euch das Letzte
Aus diesem heuchlerischen Munde reißen,
Vielleicht auch noch die lügnerische Zunge?

Ben Ali Bey Tut's, Papst, macht, was Ihr wollt.

Alexander                                                           Ihr seid gefaßt,
Doch wenn dazugelegt wird Eure Hand,
Die weggeschlagne, schwurbereite Rechte,
Und beides fest zusamm'gebunden wandert
An Euren Herrn?

Ben Ali Bey               Dann wird der große Sultan
Auf solche Art am allerbesten sehn,
Daß ich als sein getreuer Knecht und Sklav'
Gehandelt hab', wie mir befohlen ward.

Alexander Und die Galeeren, Truppen und das Gold!
Was sollten wir bekommen gegen Dschem?
Meineid'ger Schuft, sprich selbst sie aus, die Zahl!

Ben Ali Bey Sie zu ersparen, ward ich hergesandt.

Alexander ganz rasend:
O du! Er winkt den Wachen.
          Zum Tod mit ihm!

Ben Ali Bey                             Seid mir nicht bös.
Mir schien durch Euch der Handel nicht ganz glatt.
Die dritte Woche ist's, die wir paktieren
Mit eitlem Schwatz, doch nicht mit frischer Tat,
Ihr zieht mich hin, Ihr wißt nicht, was Ihr wollt,
Vertröstet mich von Stunde zu Minute
Und haltet nimmer, was Ihr halten müßt;
Drum griff ich ein, jetzt schleppt mich eilig fort.

Alexander Zum Tod!

Cäsar                         Zum Tod!

Dschem der sich während dieser Szene wieder zu Atem gefangen hat:
                                              Nicht doch, was seid Ihr dumm!

Alexander Was soll das sein? Der Prinz, er spricht?

Lucrezia                                                                     O Dschem!

Alexander Durch welches Wunder, sagt?

Cäsar                                                       Je nun, der Mann,
Ben Ali Bey, so scheint's, lehrt auch das Sprechen.

Alexander Was der?

Cäsar                         Vielleicht erklärt's die edle Schwester.
Sie schaut nicht so verwundert drein wie Ihr.

Lucrezia Ich soll . . .?

Cäsar                           Sag' offen 'raus, du wußtest gut,
So gut wie ich, der Prinz verstand das Letzte
Von jedem Wort, das vor ihm ward gesprochen.

Alexander Und das kam wie? Gebt Antwort, ich verlang's!

Dschem Ich sag's Euch selbst, es war ein langer Traum,
Vielleicht ein Rausch, ein wundersames Brüten,
Emporgeleitet von den Weihrauchwolken
Der Christenheit, was mich gefangen hielt.
Kann sein, es stieg auch jener seltne Duft,
Die Sinne störend in die Nasenlöcher
So Braten und Pasteten überliefern,
Wenn frisch bereitet sie vom Mundkoch nahn,
Und endlich grinst der Affe zu mir her,
So daß ich frag', ob diese Majestät,
Mir lieber noch als Weihrauch oder Fraß,
Nicht meinen Mund verband, dieweil sie größer,
Ja, weltumfassender, allmächtiger
Mir heut' erscheint, als jeder Fürstenthron,
Und jener des gesalbten Alexander.

Alexander Was soll das sein?

Lucrezia                                   Ich bitt' Euch nicht zu fragen.

Cäsar Der Prinz erscheint als Humorist.

Dschem                                                   Mag sein.
Doch ich bin schon am End' mit meinem Witz.
Ich seh' mich um in diesem edlen Kreis,
Und wen entdeck' ich frohen Sinn's? Don Cäsar!
Das heißt, in Eure Sprache richtig übertragen,
Soviel als wie der klügste Mann der Welt.

Cäsar Ein Schmeichler und ein Schelm zugleich.

Alexander                                                             Wer faßt es?

Dschem Und Alexander ist die hohe Gnade
Auf Gottes Thron, und die Gerechtigkeit,
Die nie versiegende, wenn Gold ihr winkt,
Das die Gerechtigkeit bezahlt.

Lucrezia                                           Hört auf!

Dschem Jedoch Lucrezia, das ist das Weib,
Vom ganzen Okzident das einzige,
Das wirklich beten kann, wenn's ihr gefällt.

Cäsar Fürwahr, ein lust'ger Bursch!

Alexander                                         Fast scheint mir's selbst.
Doch sagt, mein Prinz, was war's mit einemmal,
Das Euch gelöst die langverschloßne Zunge?

Dschem Hm, der Salat da stieß mir greulich auf,
Er schmeckt', wie schmeckt' er doch? Wie Wagenschmier',
Und scheint gemacht aus Öl, das ranzig.
Drum sagt dem Koch, er sei ein Stümper.

Alexander                                                       Wie?

Dschem Auch fragt ihn, wo die Pfauenzungen bleiben,
Wonach mein Herz sich schon seit Jahren sehnt.

Lucrezia O blut'ger Hohn!

Dschem auf Ben Ali Bey weisend: Dem aber gebt zu fühlen,
Er reist noch heute nach Byzanz zurück,
Von Euch geführt und huldvoll zugeleitet,
Um dort in eigener Person zu melden,
Wie schändlich er den Herrn verriet.

Ben Ali Bey                                               Wer, ich?

Dschem Wie dem Gelächter schamlos preisgegeben
Vor aller Welt der Islam steht durch ihn.

Ben Ali Bey Durch mich?

Dschem                             Wie er mir Kron' und Szepter bot,
Um mich zum Gott des Halbmonds abzustempeln.

Ben Ali Bey Aus List!

Dschem                       Was, List? Der Sultan ist ein Schurke,
So sagtest du.

Ben Ali Bey           Nein, nein!

Dschem                                     Jetzt geh' und grüß'
Von mir in aller Herzlichkeit den Bruder.

Ben Ali Bey Ich bitt' Euch, Herr, nicht solchen Teufelsplan!

Dschem Doch, deine Martern soll ein Türk' ersinnen,
Der Borgia Hirn erscheint dafür zu schwach.

Ben Ali Bey fällt auf die Knie:
Die Glieder reißt mir Stück für Stück vom Leib,
Doch nicht verleumdet mich bei meinem Herrn.

Dschem zu Cäsar und Alexander:
Da, schaut ihn an, jetzt liegt er auf der Erde,
Gehorcht Euch blind und zahlt Euch, was Ihr wünscht.

Alexander Wofür?

Dschem lachend:     Nun ja, Ihr wollt mich doch vergiften!

Cäsar Wir wollten . . .

Alexander                     Was?

Dschem                                     Noch richtiger gesagt,
Ihr habt es schon getan!

Lucrezia rasend:                   Wer tat's? Die? Die?

Dschem Ja, Täubchen, du, das ist mein groß' Geheimnis,
Mein Stolz und Glück: Ich trag' seit zwanzig Tagen
Das Gift der Borgia in den Speicheldrüsen,
Hol's auf und nieder, halt' ihm trefflich stand,
Und fühl' mich überwohl dabei.

Lucrezia                                           Du hast?
Du bist? Mir wankt der Boden unterm Fuß,
Vor meinen Augen tanzt es grün und blau,
Im Herzen drin will sich kein Schlag mehr regen.
    Auf Cäsar und Alexander losfahrend:
Ah, diese beiden da! Ich reiß' die Maske ab,
Ich ruf hinaus zum Fenster eure Taten,
Ich schrei' vor aller Welt, ihr seid Verbrecher!

Alexander Lucrezia!

Dschem                       Nur ruhig, ich sag', ich fühl' mich wohl!

Lucrezia Der Borgia Gift trägst du im Leib, ja Mensch!
Weißt du, was das bedeuten will? Es kocht
Die Adern auf, vom Teufel selbst geschürt,
Es lodert durch den Vatikan wie Brand,
Von Neros Faust gelegt, es reißt dich um,
Es bringt dich in das Grab!

Dschem lachend:                         Nein, eben nicht!
'ne Sehenswürdigkeit, 'ne Rarität
Für Jahrmarktsbuden und für Wandertruppen:
Des Türken Magen wird dem Übel Herr!

Cäsar platzt nach einer Pause versteinernder Verblüffung mit gellendem Gelächter los:
Ha, ha, ha, ha, der Spaß ist gut!

Alexander                                         Fürwahr,
Jetzt lach' ich selbst am Schluß, ha, ha.

Lucrezia                                                       Ihr lacht?
Ihr lacht . . .?

Alexander             Kind, sprich es aus, was soll man sonst?
Betrogen sind wir durch Ben Ali Bey,
Und dieser ward betrogen durch den Prinzen,
Der Prinz durch uns und wir dafür durch ihn,
Drum wenn der Sinn für Witz dir nicht erlosch,
Dann lach' doch mit!

Cäsar                               Ja, freilich, mach's wie wir!
Denn jetzt kommt erst das Allerlustigste:
Was rings um dich betrogen ward, betrügt
Gemeinsam die verbündeten Gesandten.
    Er hat auf die Fenster gewiesen, durch die auf einen Augenblick dumpfer Lärm dringt.

Dschem Wohlan!

Cäsar                   Habt acht!

Dschem                                   Es geht wohl auf Tod und Leben?

Cäsar Ums Eure ganz gewiß, so leid mir's tut.
Ja, Prinz, Ihr seid von Haus ein muntrer Vogel
Und habt auf unsre Kosten viel gescherzt.
Doch jetzt erlaubt, daß wir's auf Eure tun,
Scherz gegen Scherz, Ihr müßt die Koffer packen,
Müßt ungesäumt ins Jenseits wandern.

Dschem Ei, ei, Ihr meint? –

Cäsar                                   Ja, zürnt uns nicht darob,
Ben Ali Bey verlangt von uns Bescheid,
Ihr seht es selbst, er kann nicht länger warten.

Alexander Jetzt davon nicht, mein Sohn.

Cäsar                                                       Warum?

Lucrezia hat sich aufgerichtet und kommt, die Augen starr auf Cäsar gerichtet, die Treppe herunter:
                                                                          Du Bruder!
Ich kenn' mich nicht, ich weiß nicht, was ich tu',
Rührst du den Prinzen an, dann geht's um dich,
Um euch, um Rom und um den Vatikan!

Cäsar reißt seinen Degen heraus:
Ums letzte Sein? Dann mach' ich's lieber kurz.

Alexander tritt ihm entgegen:
Bei meinem Zorn!

Cäsar                           Ha, ha, bei deinem Zorn!
Höchst heil'ger und höchst weltlicher Herr Vater,
Wann jemals sahst du mich, seit ich von dir gezeugt,
Vor solchem Scherz in bleicher Furcht erbeben?

Alexander Entsetzlich wahr, du schrecktest nicht zurück,
Dein eigner Mund verriet es ja der Welt,
Den Sohn, den heißgeliebten, mir zu töten.

Cäsar im höchsten Ausdruck:
Euch selber, Papst, erschlüg' ich heute noch
Mit kaltem Blut und zielbewußter Faust,
Ertappt' ich Euch, wo ich den andern traf:
Bei ihr!

Lucrezia       Du lügst!

Alexander                     Er lügt! Nicht wahr, er lügt?
O Herzenskind, Geschöpf, geliebtes, sprich,
Kein Makel sitzt auf dir, nicht durch die Welt,
Nicht durch des Vaters Schuld.

Lucrezia in der Umarmung des Vaters, die Augen immer auf Dschem gerichtet:
                                                  Den Prinzen laßt mir!

Cäsar Er stirbt.

Alexander mit geballter Faust: Eh' nehm' ich selbst das Kreuz zur Hand
Und zieh' voran den sturmbereiten Kriegern,
Eh' du dich machst zum Herrn des Vatikan.

Cäsar weist wieder hinaus, wo der Lärm auf einen Augenblick stark anschwoll:
Dort ist die Bahn! Es tobt, sie nahen schon!

Lucrezia Sie kommen? Ei! Dann wünsch' ich ihnen Sieg.
Glorreichen Sieg den Truppen unserer Feinde.

Alexander Lucrezia!

Lucrezia                     Was all da brüllt und wettert,
Soll über Eurem Haupt zusammenbrechen,
Ich aber geb' mich willig nach Ferrara.

Cäsar O Schimpf und Schmach, du bist nicht meine Schwester,
Bist eine Dirn' vom niedren Gassenkot,
Doch nicht vom königlichen Stamm der Borgia!

Vanozza Von diesem Stamm! O blutgetränkter Himmel
Erbarm' dich sein'!

Lucrezia                       Ein Wort von Euch, mein Vater!

Alexander Zeig' einen Ausweg mir, allmächt'ger Gott,
Ich selbst vermag ihn nimmermehr zu finden.

Cäsar Den lieben Gott laßt aus dem Spiel; verfügt!

Alexander fällt vor dem Kruzifix auf die Knie:
Erleuchtung, Herr!

Vanozza schlägt das Zeichen des Kreuzes: Der Heilige Vater kniet!

Alexander Kniet auch, die Augen hebt zu ihm empor,
Und wer da reinen Herzens ist, soll beten.

Lucrezia indem sie sich langsam und feierlich niederläßt:
Ich bete, Herr.

Cäsar                     Was, du? Für ihn, den Türken?

Lucrezia Ja gnäd'ger Gott, ich fleh' zu dir!
Ich fleh' für Dschem und für sein Leben.

Dschem richtet sich langsam auf:                     Wie?

Lucrezia Fleh' daß er Gnade senke in sein Herz,
Und neu ihn stärke, wenn Gefahr ihm droht.

Alexander Mein Kind, so nicht!

Lucrezia                                     Oh, doch!

Dschem                                                         Sie betet!
Sie betet wirklich? Hebt die Hände hoch?
Ei, Jud', so halt' mich, daß ich aufrecht bleibe.

Während der letzten Worte sind die Gesandten eingetreten und an der Schwelle stehen geblieben. Sie schauen erstaunt auf das merkwürdige Bild.

Isetto Da seht Lucrezia auf den Knieen!

d'Estournelles                                         Was?

Hipolyt Sie betet, wie?

Isetto                             Zu wem? Zu Gott?

Lucrezia immer stärker:                               Zu Gott,
Zum blutbefleckten Heiland aller Wunden,
Auf daß vom überird'schen Glanz und Schimmer
Ein kleiner Strahl sich senke auf mein Haupt.

Hipolyt Bei Ihm, zu dem es fleht, das Weib ist schön!

Isetto stößt d'Estournelles an:
Sagt selbst!

d'Estournelles schneidend: Es tut mir leid, die Truppen warten.

Lucrezia Mein Gott, ich fleh'!

d'Estournelles                           Zum letztenmal,

Lucrezia                                                               Ich fleh'!

d'Estournelles Gebt Ihr den Prinzen oder nicht?

Lucrezia am stärksten:                                         Ich fleh'!

Dschem indem er sich zur Treppe bewegt:
Das halt' ein andrer aus!

Hipolyt                                   Wer spricht?

Isetto                                                           Der Prinz!

d'Estournelles Er spricht?

Hipolyt                               Auf einmal jetzt?

d'Estournelles                                                 Ein Zufall?

Alexander mit Donnerstimme:                                             Nein.
Kein Zufall mehr, ein Wunder tut sich kund!

Vanozza schlägt das Kreuz:
Ein Wunder ist's? Dann horcht, ihr Gläubigen!

Dschem Ein Wunder? Schön, doch ist mir wirr zumut,
Es dreht das Hirn sich wie ein Wagenrad,
Es stürmt auf mich mit ungezählten Fragen:
Kann sein, kann sein auch nicht, ich bin ein Türk',
Kann sein, kann sein auch nicht, ich werd' ein Christ.

d'Estournelles nähert sich ihm und legt die Hände auf ihn:
Ihr geht mit mir, mein Prinz!

Isetto ebenso:                               Mit mir!

d'Estournelles                                             Kommt!

Isetto                                                                           Kommt!

Dschem Auch das mag sein, mag sein auch nicht, wie dies,
Nur fürcht' ich, wahrlich, eins, was fürcht' ich denn?
Ich fürcht', ich bleib' auf stets bei ihr im Vatikan.

Cäsar zu den Gesandten gewandt:
Was sagt ihr Menschenfreunde und Erlöser?

d'Estournelles Ihr wollt?

Isetto                                 Zum Henker was geschah?
Hipolyt                                                                   Ja, sprecht!

Cäsar Versteht ihr jetzt noch nicht?

Alexander                                         Genug,
Der Glaube hat, der Göttliche, gesiegt,
Der Himmel zeugt in Flammenschrift für uns!
Getauft wird Dschem, er bleibt in meiner Hand!
Das, Frankreich, melde deinem Herrn und König.

Lucrezia immer noch auf den Knien:
Mein Gott, ich fleh'!

Dschem steht jetzt dicht bei ihr: Nein, hör' zu beten auf!
Ich trag' es nicht, und doch, ich will es wieder hören,
Es kitzelt mich, es juckt mich schier zu Tod,
Das eine Wort: Giovanni Sforza lügt,
Du bist die Reine, bist die Unbefleckte,
Der Jungfrau gleich, zu der du täglich pilgerst.

Isetto So flennt ein Türk'?

Alexander                           Bedenkt, ein Gottbekehrter!

Dschem Die Hand empor!

Isetto                                 Verdammt, sie tut's!

Vanozza                                                             Ihr wollt?

Dschem Jetzt oder nie!

Cäsar                             Lucrezia!

Vanozza                                         Verflucht!
Verloren du, verdammt, unsel'ges Kind,
Vermehrst du deiner Schreckenstaten Zahl
Um ihrer Sünden grauenvollste noch,
Verflucht der Vater und der Bruder, weh!
    Sie verhüllt ihr Haupt und eilt rechts hinaus.

Dschem Noch einmal sag . . .

Lucrezia langsam und feierlich: So heb' ich meine Hand zu Gott.

Dschem auf den Affen weisend:
Nein, hier, zu dem, dem Fürsten aller Fürsten.

Lucrezia Bei dem? O pfui des Ekels, Prinz!

Dschem                                                         Schwör', schwör'!

Lucrezia Das kann ich nicht!

Dschem indem er sich wieder zur Estrade wendet: Kannst nicht? Dann ist es gut,
Dann bin ich Muselman als wie zuvor,
Dann nehm' ich Fraß und haue wieder ein.

Hipolyt Was soll das nur?

Dschem greift in wilder Hast herum: Den Schinken da!

Arzt                                                                               Laßt ab!

Dschem Den Pfirsich, die Melone noch, es eilt!
Für weiten Weg muß ich den Magen rüsten,
Zusammenfassen, was zu fassen ist. Er greift nach dem Herzen.
Doch nein, es geht nicht mehr. Er sinkt auf das Kissen.

Lucrezia hastig zu ihm hinauf:         Mein teurer Prinz!

Dschem mit verklärtem Lächeln:
Ja, komm' zu mir und laß dir treulich danken,
Ein letztes Wort ins zarte Ohr dir flüstern,
Das tönen soll noch übers Grab hinaus:
Lucrezia, du hast mich umgebracht.

Lucrezia Ich dich?

Alexander               Was sagt er da?

Isetto                                                 Horcht auf!

Dschem wie oben, indem er Lucrezia festhält:
Ja, du! Was Gift und Dolch niemals vermocht,
Hat dein Gebet voll Seligkeit erzaubert
Und mir die Bahn ins Jenseits freigeschaufelt,
Den Kuß dafür! Ich seh' die Heil'gen tanzen,
Das Firmament erschlossen vor mir liegen,
Doch nicht dahin! Nein, in des Affen Reich
Zieht Dschem – jetzt streitet weiter um sein Gold.
    Er streckt sich und stirbt.

Lucrezia wirft sich mit einem wahnsinnigen Schrei auf die Leiche:
Dschem! Dschem!

Cäsar                           Ist weg!

Alexander                                   Ist tot?

Lucrezia                                                   Tot, tot durch mich!

Arzt Das nicht, zerrissen hat es ihm den Leib.

Cäsar in finsterm Ernst, stier vor sich hinblickend:
Geplatzt ist er; wir machen's bald ihm nach.

Ben Ali Bey der bis jetzt gebeugt, knechtisch und lauernd, von den Wachen gehalten, dagestanden hat, reißt sich frohlockend los:
Tot, dreimal tot, doch nicht durch Euch, Herr Papst,
Er starb durch sich, und mir gehört die Leiche.

Er klatscht in die Hände, sofort erscheinen die vier türkischen Diener durch die Türe, an der sie zunächst stehen bleiben.

Lucrezia ganz rasend:
Durch mich, ich hab' ihn umgebracht!

Hipolyt tritt zu ihr und legt ihr die Hand auf die Schulter: Prinzessin!

Lucrezia Hab' ihn zu Tod gebetet und war feig,
Ach, hätt' ich doch zu dem Gespenst geschworen!

Cäsar nach einer schweren Pause zu den Gesandten:
Was wollt ihr noch, ihr Herrn? Das Spiel ist aus,
Kein Gold, kein Prinz, kein Vorteil mehr zu holen,
Geht fort von Rom und holt zurück die Truppen.

d'Estournelles Nicht war es uns um Goldeswert und Ruhm,
Wir suchten einzig die Gerechtigkeit;
Der Streit ist aus, es mag der Papst die Schuld
Abwägen vor dem eigenen Gewissen,
Mag prüfen, wer ihn in den Tod gejagt,
Wir rufen unsre Heere nach Byzanz.

Ben Ali Bey mit großem Hohn zu Alexander: Und Ihr,
Ihr bleibt zurück und fischt aufs neu' im Dunkeln?

Alexander indem er sich wie verjüngt aufrichtet:
Nicht doch, mein Türk', ich geh' voran!

Die Gesandten durcheinander:                       Wie, was?

Alexander Der Islam glaubt, er hätte mich geschlagen,
Ich wende Rom zum Kampfe gegen ihn,
Den Heiland her, ich stell' mich an die Spitze!
    Er hat das Kruzifix vom Thronsessel genommen und hebt es hoch in die Luft.

d'Estournelles Ein Scherz in solcher Stunde?

Hipolyt                                                           Was? Ihr wollt?

Alexander Wo sind die Truppen? Laßt sie salutieren,
Gott will es, Gott, ich bin sein erster Knecht,
Ich heb' das Kreuz als wundertät'ges Zeichen,
Und ruf die ganze Welt zum Heil'gen Grabe!
    Er geht voran, die Gesandten folgen in höchster Verblüffung.

Cäsar Viel Glück damit! Und du, Lucrezia?

Lucrezia wendet sich mit festem Entschluß zu Hipolyt:
Kommt, Kardinal, ich geh' mit Euch.

Cäsar                                                         Du gehst?
So weit wohl wie der Heil'ge Vater geht,
Auf neue Art den Islam zu bekämpfen,
Zur Engelsburg, doch weiter keinen Schritt,
Nur um die Truppen schnell aus Rom zu führen
Und die Gesandten noch einmal zu höhnen?

Lucrezia nachdem sie die Tränen niedergekämpft hat, sehr fest:
Ich geh' auf stets!

Cäsar sieht sie starr an: Dann, Schwester, hab dich wohl!

Lucrezia geht mit Hipolyt langsam ab.
Ben Ali Bey winkt den Dienern. Diese springen wie losgelassen die Estrade hinauf, um die Leiche in den Sarg zu legen.

Vorhang


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