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Da war einmal eine alte Frau, die hatte einen großen Strumpf, darin steckten viele blanke Taler. Diesen Strumpf hatte sie so lieb, daß sie sich niemals von ihm trennen mochte, und des Nachts ging sie sogar mit ihm zu Bett. Wenn aber ein Geldstück einmal im Strumpfe war, so kam es niemals wieder heraus zu andern Leuten.
Nun geschah es einmal, daß die alte Frau wieder einen Taler bekam, der war schon weit herum gewesen in der Welt und durch viele Hände und Taschen gegangen. Der sah noch sehr gut aus; aber das mußte man sagen, er hatte sich lange nicht gewaschen.
»Du bist ein feiner Taler,« sagte die alte Frau, »freilich ein bißchen sauberer könntest du sein. Wart', ich will dich gehörig putzen, und dann tu' ich dich in meinen Strumpf zu den andern, und du kommst niemals wieder heraus.«
Als der Taler das hörte, bekam er große Angst, und er wäre gern weggelaufen, konnte aber nicht; denn die alte Frau hatte eine Hand, so fest wie eine Kneifzange, und ließ ihn nicht los. Sie nahm einen alten Lederlappen und ging damit ans Fenster; das stand offen, denn draußen war ein wunderschöner Sommertag. Da begann die Alte zu putzen und zu reiben, daß es dem armen Taler ordentlich weh tat, aber er ward wirklich blank. Als es ihr genug zu sein dünkte, hielt sie ihn in die Sonne, und siehe, er funkelte und glänzte ordentlich. Aber diesen Augenblick ersah der Taler, entschlüpfte ihren Händen und sprang hinab auf das Pflaster, und das gab einen hellen Klang. Aber gebrochen hatte er sich nichts, und nun fing er an zu laufen, hast du nicht gesehn! daß es geschwinder ging, als eine Kutsche fährt.
Als die alte Frau sah, daß ihr der Taler weggesprungen war, bekam sie einen großen Schreck, und beinah wär' sie aus dem Fenster hinausgefallen. Aber draußen auf der Straße spielten einige Knaben, denen rief sie zu: »Ihr Jungen, haltet den Taler fest! Lauft, lauft! Wer ihn mir wiederbringt, der soll einen Groschen haben.«
Ei, machten sich da die Jungen auf die Beine und immer hinter dem Taler her. Als der aber merkte, daß man ihn greifen wollte, lief er schneller und immer schneller, von einer Straße in die andere. Einem Spatzen sprang er über den Kopf, drei Bleisoldaten rannte er um, und immer weiter ging die tolle Jagd, durch die ganze Stadt und endlich aus der Stadt hinaus, und da kam ihm ein Bettler entgegen.
Die Jungen konnten nicht mehr, und sie blieben stehen und riefen dem Bettler zu: »Halt den Taler! Halt den Taler!«
Das ließ sich der Bettler nicht zweimal sagen; er stellte sich recht breit hin und dachte, nun könnte der Taler nicht vorbei. – Aber witsch! lief der ihm zwischen den Beinen durch, und weil er gerade eine Höhe erreicht hatte, holterdipolter den Berg hinab ins Tal, und der Bettler immer hinter ihm her. Der hatte aber noch nichts zu Mittag gegessen, deshalb hielt er das Laufen nicht lange aus.
»Halt den Taler! Halt den Taler!« rief er und blieb keuchend stehen.
Das hörte eine Elster; die saß auf einem Zaun, und als sie das blitzblanke Ding vorbeistürmen sah, war sie nicht faul, und sie lief nicht, nein, sie flog, und du weißt, daß das Fliegen viel rascher geht als das Laufen. Das merkte der Taler auch, und weil er mit der Zeit müde geworden war, dachte er, er wollte rasch in ein Mauseloch kriechen. Aber o weh! das Mauseloch war zu klein und der Taler zu groß, und da steckte er davor und konnte nicht hinein, und die Elster hatte ihn. Und was hat sie mit ihm getan? Ei, in den Schnabel hat sie ihn genommen und in den Wald getragen, und in dem Walde war ein hoher Baum, und auf dem Baume ein Nest, und im Neste lagen drei Eier, und die gehörten der Elster selber. Und zu den Eiern hat die Elster den Taler gelegt und sich dann hinaufgesetzt, um zu brüten.
Hat nun die Elster den Taler ausgebrütet, daß er Junge bekam? Nicht doch; der Taler hat sich nicht brüten lassen. Du mußt nämlich wissen, das Nest war unten nicht ganz dicht; es war kein großes Loch, aber ein ganz schmaler Spalt zwischen zwei Reisern, und da ist der Taler durchgeschlüpft, und die dumme Elster hat es nicht einmal gemerkt.
Wo ist der Taler nun hingekommen? Paß einmal auf! Vom hohen Baume wollt' er hinunterspringen ins weiche Moos. Aber unter dem Baum im weichen Moos saß gerade eine kleine feine Dirne; die war müde geworden, denn sie hatte einen großen Korb voll Beeren gepflückt, schöne rote Erdbeeren waren das, und in diesen Korb ist der Taler hineingesprungen, mitten hinein, patsch! und nun stak er tief darin und konnte nicht wieder heraus.
»Ei, du lieber Gott!« rief das Mädchen, »da dank' ich dir auch schön.«
Und was hat sie nun getan? Nach Hause ist sie gegangen zu ihrer Mutter und hat ihr die Erdbeeren gegeben mit dem Taler mitten drin.
Was hat die Mutter mit dem Taler getan? Eingesperrt in einen Kasten oder einen Strumpf? Ach nein, dazu waren sie zu arm; denn der Vater war schon tot. Zu dem Kaufmann hat sie ihn getragen und Butter und Brot dafür gekauft und eine Wurst, so lang, alles für den Taler, der vom Himmel gefallen war, und da blieben zuletzt noch fünf Groschen übrig. Dafür hat sie dem lieben kleinen Mädchen eine Puppe gekauft, so fein, und das hat sich sehr dazu gefreut.
Aber der Taler? Was ist mit dem Taler geschehen? Ei, der war froh, daß er nicht hinein mußte in den Strumpf; er ist von neuem in die weite Welt gegangen, und wenn du ihm begegnen solltest, liebes Kind, dann halt ihn fest!
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