Leopold von Sacher-Masoch
Don Juan von Kolomea
Leopold von Sacher-Masoch

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Da kommt so ein Jahr.

Es ist allen so seltsam. Es hängt was in der Luft. Jeder weiß es und Keiner kann es nennen.

Man sieht fremde Gesichter. Die polnischen Gutsbesitzer fahren hin und her. Der kauft ein Pferd, jener Pulver. Nachts sieht man einen Feuerstreif am Himmel. Die Bauern stehen zusammen vor der Schenke und sagen: das ist Krieg, oder die Cholera, oder Revolution.

Es kommt über einen wie Kummer. Man spürt auf einmal, daß man ein Vaterland hat, das seine Grenzpfähle tief hineingesenkt in slavische, deutsche und andere Erde. Was wollen die Polaken? denkt man und sorgt um den Adler vor dem Kreisamte und sorgt um seine Scheune. Man geht Nachts um sein Haus, ob sie einem kein Feuer angelegt haben.

Man will sich aussprechen.

Mit wem? Mit seinem Weibe. Ha! Ha! Ha! heult richtig das Pfand der Liebe, weil ihm eine Fliege auf der Nase sitzt.

Ich trete vor das Haus.

Am Horizont ist eine Feuerröthe. Ein Bauer reitet vorbei, schreit: Revolution! in den Hof und treibt sein mageres Pferd an.

Im Dorfe läuten sie Sturm.

Ein Bauer nagelt seine Sense gerade, zwei kommen, die Dreschflegel auf der Schulter.

Andere treten in den Hof.

»Herr! sehen wir uns vor – die Polen kommen.« Ich lade meine Pistolen, laß den Säbel schleifen.

»Mein Weib, gib mir ein Band auf die Mütze, einen Fetzen meinetwegen, – wenn's nur schwarzgelb ist –« – Ha! Ha! Ha! Glauben Sie? – »Mach' fort,« heißt es, »mir weint, mir stirbt mein Kind, reit' ins Dorf, verbiet' mir gleich das Läuten. Mach' fort.« – »Oho! jetzt ist das anders, ich lasse Sturm läuten in allen Dörfern; der Balg soll heulen, weißt du – das Land ist in Gefahr!« –

Ach ich sage Ihnen. Nun gut.

Endlich ist sie einmal bei mir. Wir sitzen so auf dem Diwan, ich den Arm um sie. Da horcht sie, ob sich das Kind nicht regt. »Was hast du gesagt?« fragt sie nach einer Weile. »Nichts,« sag' ich. »Nichts,« aber mein Herz thut mir weh, ich versichere. –

»Wo ist deine Kazabaika, Nikolaja?« – Ach! bedenke doch, im Haus beim Kinde.« – Ja freilich. Da wird das Haar nur so zusammengekämmt, da nimmt man das erste, beste Kleid. Wer wird sich für das Haus anziehen? Freilich! – Oft erkenne ich das hübsche Gesicht nicht mehr. Aber das Kind – verstehen Sie. Wenn ich mich aufputze, erkennt mich mein Kind nicht. Du wirst doch einsehen?« – »Freilich, ich sehe Alles ein, Alles.« – Aber wenn Gäste da sind, wissen Sie, da kann das Kind schreien. Da läuft sie einen Augenblick hinein, schenkt dann den Thee ein, lacht und plaudert, denn was thut man nicht bei uns für Gäste?

Oho! Da ist auch wieder einmal die saftgrüne Jacke mit sibirischen Eichhörnchen ausgeschlagen. »Ich muß mich doch anziehen für die Gäste.« Sehen Sie! – Da gehe ich einmal nach langer Zeit auf die Bärenjagd. Mein Weib wiegt das Kind und wenn ich sie küsse, sagt sie: »Geh fort, Du weckst das Kind.« Was mache ich? Ich gehe also.

Mein Heger hat den Bären gesehen – aber da hätt' ich Ihnen beinahe wieder so eine Anekdote erzählt. Also gut. Wir waren in Gefahr, der Heger und ich. Ein Bauer lief voraus.

Ein Tumult im Hause, sag' ich Ihnen; wir kommen an – mein Weib hängt mir an meinem Hals. Sie bringt mir mein Kind.

Das Blut, wissen Sie, rinnt mir vom Kopfe – das Kind schreit. – »Geh fort!« –

Er zuckte verächtlich die Achsel.

»Es war nicht der Rede werth das Bischen Blut und die Thränen des armen kleinen Kindes, aber – auch war ja die Gefahr für mich vorüber – die Frauen sind sehr praktisch. Gut, ich wasche mir das Blut herab. Der Heger, ein alter Soldat, verbindet mich. Aber was glauben Sie, das Pfand der Liebe schreit wieder über mein weißes Tuch. »Geh fort, fort! Das Kind bekommt die Freisen. Fort!« – Freilich, was ist da zu machen? Man wirft sich auf sein Bett und liegt da allein, wie vordem, eh' man ein Weib gekannt.

Der Teufel hol' das Pfand der Liebe! Gott, verzeih' mir die Sünde.«

Er machte das Kreuz, spuckte trotzig aus und fuhr fort:

»Das Bärenfell breite ich meiner Frau vor das Bett. Was glauben Sie? sie schreit auf. »Geh' mir mit dem Fell, es erinnert mich an die Angst meines Kindes.« Bedenken Sie, nicht an mein Blut, an die Gefahr! Oh! die Frauen sind praktisch! verflucht praktisch!

»Erlauben Sie,« sprach ich, »haben Sie Ihrer Frau gesagt –«

»Verzeihen Sie –«, unterbrach er mich beinahe heftig. Seine Nasenflügel flogen auf und ab.

»Ich sagte ihr – O! – wissen Sie, was sie zur Antwort gab? – – »Gut, wozu dann die Kinder?« – Denken Sie, sie wäre im Stande gewesen – man ist der Sklave so eines Weibes. Will man ihr gleich untreu werden? Nein? – Oder ein Mönch? Auch nicht. Was bleibt, als sich treten lassen. O, es gab eine Zeit, wo ich mein Kind – verstehen Sie mich – z. B. so eine Scene.

Ich rauche früh meine Pfeife, eine lange türkische, wie die da, mit einem durchbrochenen Drahtdeckel. Das schreit natürlich gleich nach dem Feuer. Ich laß es schreien. Meine Frau fiebert schon. »So gib ihm doch« – sie meint den Bernstein. – Ich aber halte ihm die rothe glühende Pfeife hin. Das greift hin und schreit und weint.

»Jesus Maria, das arme Kind!« Ich aber wünsche meiner Frau eine gute Unterhaltung, geh' mit der Büchse auf das Feld und kann mich zu Tode lachen, daß die zurückbleibt bei dem weinenden Kind mit den verbrannten Fingern.

Damals war mein Gemüth nicht mehr so. – Ah! was! es geht bereits so. Man thut, was man kann. Aber – belieben Sie selbst nachzudenken. – z. B. Ist Ihnen eine Uhr plötzlich stehen geblieben? Eine Wanduhr? Na gewiß. Aber sind Sie ungeduldig?«

»Manchmal.«

»Gut. Sie sind also ungeduldig. Die Uhr soll gehen. Im Moment. Geben so einen Stoß, allenfalls dem Pendel. Richtig, sie geht. Ja, wie lange! – Da steht sie wieder. – Noch einmal. – Noch einmal. Steht wieder. Na, wird man ungeduldig. Stoßt nur so in sie. – Gut – jetzt bleibt sie ganz stehen.

So geht es einem, wenn man sein Herz in Ordnung bringen will, gerade so.

Nun, man liebt seine Frau, man will doch auch mehr als sein Bett.

Sehen Sie, es ist wie ein Schmerz, wenn man nach dem Weibe verlangt. Aber dann ist es aus.

Man sieht, du bist erlöst, weiter nichts.

Man sieht, daß das eigentlich nichts ist, daß es etwas anderes gibt, mehr; daß Mann und Weib mehr sind, als Wolf und Wölfin. Aber das war Alles umsonst.

Nehmen Sie an, meine Frau ist ein Buch allenfalls. Also möchte ich es gerne ganz lesen. Ich aber muß immer von vorne anfangen. Endlich schlag' ich es zu. Mag es zu Ende lesen, wer da will. –

Anfangs, verstehen Sie, Bruder, wollte ich mich nur zerstreuen.

Da herum lagen die Husaren.

Machte ich also Bekanntschaft mit den Officieren. Waren Ihnen das Leute! Der Banay z. B., kennen Sie ihn nicht?«

»Nein.«

»Oder den Baron Pál. Auch nicht? Aber den Nemethy mit dem spitzen Schnurrbart haben Sie gewiß gekannt?

Einmal fuhren wir zu dem, dann zu jenem.

Bei mir aber waren sie beinahe täglich. Da rauchten wir so, tranken unsern Tschai, einer erzählte was; zuletzt spielten wir auch.

Gingen auch viel zusammen auf die Jagd. Ich lernte damals die Schnepfen schießen.

Also meine Frau merkte das. Kam zu mir, setzte sich, war stille, endlich Vorwürfe. Ich sage nur: »Meine Liebe, was hab' ich denn zu Hause? – übrigens schreit dein Kind.« – Das nächstemal kommt meine Nikolaja in saftgrüner Kazabaika mit silbergrauem Eichhörnchenpelz, eine stolze Frisur, setzt sich mitten unter die Husaren.

Ich lache, die will mich eifersüchtig machen, dreht sich, scherzt und girrt. Mich sieht sie gar nicht an. Meine Husaren, wissen Sie, erstens hatten sie Ehre im Leibe, nichts zu sagen. Dann hatte keiner Lust – wofür denn auch? den Tod, oder doch die Gefahr, oder ein Krüppel werden, wozu? wenn man nicht ein Weib so liebt, daß es alles eins, so oder so.

Aber die necken mich. »Was sagst du dazu, Bruder, deine Frau läßt sich so von uns den Hof machen?« »Macht ihr nur tüchtig den Hof!« »Hab' ich Recht?« Damals kam aber auch gleich ein Anderer ins Haus – der – Sie kennen ihn so nicht.

Er war mir gleich unausstehlich; so blond, wissen Sie, sehr weiß; ein Gutsbesitzer. Ließ sich von seinem Kammerdiener täglich die Haare brennen, las den IgorAltrussisches Heldengedicht von dem Zuge des russischen Fürsten Igor gegen die Polowzer. Ausgezeichnet durch Kraft und Plastik der Darstellung. vor, den Puschkin, machte gleich die Action dazu – ein ganzer Comödiant, sag' ich Ihnen.

Also der – der gefiel mir nicht. Aber meiner Frau gefiel er.«

Seine Stimme war heiser geworden. Je mehr er in Leidenschaft gerieth, um so mehr unterdrückte er seinen Ton; er kam so gepreßt, tief aus der Brust.

»Aber das kommt später.

Es war damals ein lustiges Leben.

Im Winter kamen auch die Gutsbesitzer aus der Gegend mit ihren Frauen. Da gab es Tanz, Maskeraden, Schlittenfahrten, alles, alles!

Auch meine Frau war lustig.

Dann im Sommer ein zweites Kind. Auch ein Knabe, beides Knaben.

So war das Einvernehmen etwas hergestellt.

Ich sagte Nikolaja einmal – ich saß an ihrem Bette und deckte sie zu, wenn sie sich herumwarf.

»Ich bitte dich, erbarme dich meiner, nimm eine Amme zu dem Kind.« Sie schüttelt nur den Kopf. Was mach' ich? – mir kommen die Thränen und ich gehe hinaus. Es war alles vergebens.

Nikolaja beschäftigte sich beinahe ein ganzes Jahr wieder nur mit dem Kinde. Wir sprachen selten.

So kam es denn, wenn ich was erzählen wollte, daß ich weit ausholen mußte und meine Frau begann sich mit mir zu langweilen. Da gähnte sie einmal über das andere, die Augen gingen ihr über. Dann war es auffallend, wie leicht wir in Streit geriethen. Sie wollte immer Recht haben.

Wenn ich eines von den Dienstleuten bevorzugte, gleich war es aus dem Dienst gejagt. Natürlich eine Scene. Oder ich finde, ihr läßt das blaue Tuch gut. Richtig. Am nächsten Sonntag geht die Beschließerin damit in die Kirche.

Und immer vor Fremden; das ist so unangenehm. Man will doch seiner Frau nicht Unrecht geben und wieder – man ist doch ein Mann. Und wenn sie immer Partei nimmt für Andere. Immer hab' ich Unrecht und der Andere hat Recht. Was sagen Sie etwa dazu?«

Nachdem er heftig zur Seite gespuckt.

»Oder gar – ich stelle ihr vor – »Liebe Nikolaja, thu' mir das nicht, erbarme dich.« – Richtig, schweigt sie das nächstemal. – »Und Sie Gnädige, was sagen Sie?« – »Ich? – ich, sage, was mein Mann sagt.« O! tartarische Bosheit!

Sie muß sich zwingen, verstehen Sie, mit mir einer Meinung zu sein! Wenn ich so daran denke, ich begreife nicht, daß ich noch lebe!

Plötzlich verlor ich eine große Summe. Wir hielten hoch, wissen Sie, und ich hatte natürlich Unglück – im Spiele. Einmal verlor ich Ihnen mein ganzes baares Geld, Pferde, Wagen.«

Jetzt lachte er herzlich darüber.

»Gut. Ich nehme mich beim Kopfe und sagte: das hast du schlecht gemacht. Zog mich auf ehrenvolle Art zurück. Freunde, Nachbaren blieben aus.

Nur er kam.

Mich kümmert es zwar weiter nicht, wissen Sie. Ich begann damals selbst zu wirthschaften, hatte mitunter Glück und wenn man gleichsam so unter der Hand wachsen sieht, was man eben selbst säet, so zieht das in einer Weise an, und endlich ist die Landwirthschaft auch ein Spiel. Man macht seinen Plan wie beim Spiel, man muß ihn jeden Augenblick nach den Umständen zu verändern wissen und der Zufall spielt auch seine Rolle. Gewitter, Hagel, Frost, Dürre, Krankheit, Heuschrecken.

Wenn ich zum Thee komme, meine Pfeife stopfe, fällt mir ein, das Pferd will beschlagen sein oder ich soll im Obstgarten nachsehen, ob mein Obsthüter stärker ist oder mein Branntwein. Nehme die Mütze, gehe wieder fort und es fällt mir gar nicht mehr ein, daß meine Frau bei den Kindern sitzt.

Man spricht schon so davon. »Das ist auch eine Ehe, wie alle anderen sind.« Selbst der hochwürdige Macziek kam mit großer Salbung. Sein Gesicht, sein Haar glänzten nur; dann auch sein Rockkragen. Sogar auf Stiefel und Ellenbogen erstreckte sich die Salbung. Er glänzte wie ein Cherubin, hob seinen gelben Rohrstock wie einen Schäferstab über mich und noch etwas höher seine Stimme. »Aber Hochwürden! wenn wir uns etwa nicht mehr lieben, ich und meine Frau?« – »Oho! Fegefeuer! Das ist es ja eben!« und lachte, daß ihm der hochwürdige Bauch und die salbungsvollen Wangen wackelten. »Oho, Fegefeuer! Das ist ja eben die christliche Ehe.« – »Aber Hochwürden, Herr Wohlthäter, sollen wir so leben? das geht doch nicht.« – »Oho! Fegefeuer! freilich das geht nicht. Wofür wäre denn die Kirche da? Wissen Sie, verehrter, verirrter Freund, was das ist, Christenthum?

Allenfalls wenn Sie so mit einem Frauenzimmer sich erlustigen, ohne sie zu lieben – was wird man sagen? – der Wüstling! In der christlichen Ehe versteht sich das von selbst.

Allenfalls wenn Sie so ein Frauenzimmer zahlen oder geben ihr was, ein Tuch, was weiß ich, da spuckt jeder aus. Die Dirne da verkauft sich! In der christlichen Ehe, mein verirrter Freund, versteht sich das von selbst.

Wovon spricht denn so die brave, christliche Ehefrau? etwa von solchen Lüsten? Fegefeuer! von ihrer Morgengabe spricht sie, und wie der brave, christliche Ehegatte sie kleidet und nährt. Hab' ich Recht?

Liebe? – da heißt es: Sorge für dein Weib, ernähre deine Kinder und dafür – dein Bett. Basta! das ist eine christliche Ehe. Fegefeuer, das will ich meinen.

So ist es eine pure Schande, wenn ein Mädchen allenfalls sich verliebt und bekommt ein Kind. Pfui! aber da – wenn sie sich auch täglich anspucken – Segen Gottes!

Heirathet man der Liebe wegen, frage ich, oder des priesterlichen Segens wegen? Nun? wenn man der Liebe wegen heirathen würde, brauchte man ja den priesterlichen Segen gar nicht. Ergo! das will ich meinen!« So der Pfarrer.

Es wird mir immer einsamer zu Hause, es treibt mich fort.

Nun bleibe ich auf dem Felde draußen, wenn geschnitten wird, setze mich, wenn so die Garben stehen, wie in ein Zelt, rauche und höre den Leuten zu, wie sie singen. Gehe in den Wald, wenn Holz geschlagen wird und schieße ein Eichkatzel. Kein Markt im ganzen Kreise, den ich nicht besuchen würde. Auch nach Lemberg fahre ich oft, besonders zur Zeit der Contrakte.So nennt man in Galizien die Zeit, wo sich der Landadel in den Kreisstädten und der Hauptstadt versammelt, um seine landwirthschaftlichen Erzeugnisse – gewöhnlich in vorhinein – an die Händler, meist Juden, zu verkaufen. Bleibe Wochen vom Hause.

Es versteht sich endlich von selbst, daß ich meine Frau nur – wissen Sie – kurz, daß wir so eine christliche Ehe führen.

Meinem Nachbar leuchtet das allerdings nicht ein. Der meint, man könne täglich sein Herz brennen lassen wie seine Haare. Der sitzt richtig den halben Tag bei meiner Frau, besonders wenn ich nicht daheim hin. Wenn ich auf den Jahrmarkt fahre oder nur auf die Jagd – gleich ist er da.

»Ist mein Freund« – er pflegte mich so zu nennen, also bleiben wir dabei – »Ist mein Freund nicht zu Hause?« – »Nein.« – »Das thut mir doch sehr leid.«

Merken Sie – der Iltis – und setzt sich nieder und deklamirt den Puschkin.

Im Gespräche dann: »Aber er ist doch nie zu Hause. Hm.« »Nie,« – schüttelt nur den Kopf und die Frau – o Gott! Sie wissen ja – die lamentirt ihm nach; so Anspielungen, und er schüttelt immer nur den Kopf und zieht theilnehmend die Luft durch die Nase. Spricht so im Allgemeinen von den Männern, so belehrend und unterhaltend, wissen Sie, traut sich aber nicht dabei entschlossen auszuspucken, sondern hüstelt nur etwas in sein Tuch.

Mir, verstehen Sie, macht er eine ganze Scene, daß ich meine Frau vernachlässige; und was für eine Frau! eine schöne Frau, eine Frau, die so ein Gemüth hat, pures Gemüth, und eine geistvolle Frau, die den Puschkin liest wie ein Gebetbuch.

Das ist leicht zu sagen. Du hast sie beim Samowar Freund, im Eichhörnchenpelz, und lebhaft wie ein Eichkatzel, und ich! – Ah! lassen wir das gehen.

Sie läßt sich von ihm also ganze Bücher vorlesen, bekommt dadurch so Ideen und seufzt, wenn von mir die Rede ist.

Und was ist denn eigentlich? was haben wir uns etwa gethan? – »Wir verstehen uns nicht,« sagt sie.

Wissen Sie, wörtlich aus einem deutschen Buch; wörtlich, sag' ich Ihnen. Da haben Sie diese Ideen. –

Einmal Nachts komme ich Ihnen auf diese Weise zu Hause von einer Licitation in Dobromil, wissen Sie.

Meine Frau sitzt auf dem Diwan, den einen Fuß oben, und hält das Knie so mit den Händen, so verloren vor sich hin.

Mein Freund war eben da – meine Frau hat ihren Eichhörnchenpelz und dann – rieche ich ihn. Einen Augenblick möchte ich mich ärgern, aber ich lasse es bleiben. Meine Frau gefällt mir so, ich küsse ihr die Hände und streiche den Pelz an ihrer Jacke. Auf einmal sieht sie mich an, so ein Blick – so fremd. Ich staune nur.

»Das kann nicht so bleiben,« sagt sie. Ganz plötzlich. Ihre Stimme war ganz heiser. Dann zwang sie sich laut zu sprechen. – »Was ist dir nur?« – »Du kommst nur noch in der Nacht zu mir,« schreit sie auf, »einer Maitresse macht man doch den Hof – und ich – ich – ich will Liebe!«

»Liebe? lieb' ich dich denn nicht?« – »Nein!« Setzt sich zu Pferde und jagt davon.

Ich suche sie die ganze Nacht, den ganzen Tag.

Wie ich am Abende zurückkehre, steht ihr Bett bei den Kindern und ich schlafe allein. –

Ich hätte sollen auftreten, das ist wahr – aber – da war ich zu stolz, da dachte ich, es wird sich schon geben. – Dann unsere Frauen! Ja, da war allenfalls ein deutscher Kanzellist beim Kreisamte.

Seine Frau läßt sich Liebesbriefe schreiben von einem Rittmeister. »Was hast du da, meine Liebe?« Nimmt ihr den Brief aus der Hand, liest ihn und prügelt auch schon zugleich seine Frau. Prügelt sie fort, was sag ich? – prügelt sie so lange, bis sie ihn wieder liebt. Das war eine glückliche Ehe.

Aber ich! – ich war so ein Sklave. Wäre ich nur damals gleich aufgetreten. Aber jetzt ist alles Fisch.

Wir sagten uns also jetzt: guten Morgen, und: gute Nacht. Das war Alles. Gute Nacht! Das waren Ihnen Nächte. Ich hätte mich täglich können heilig sprechen lassen! – –

Damals begann ich wieder auf die Jagd zu gehen.

Ich war ganze Tage im Wald.

Es war damals ein Heger; er hieß Irena Wolk; ein seltsamer Mensch. Er liebte alles Lebendige. Er zitterte nur so, wenn er ein Thier entdeckte, und tödtete doch ein jedes.

Dann hielt er es etwa in der Hand, sah es an und sagte mit einer Stimme, die so traurig war: ihm ist wohl! ihm ist wohl!

Er hielt das Leben für eine Art Unglück; ich weiß nicht, ein seltsamer Mensch. Aber ich erzähle Ihnen ein anderesmal von ihm. –

Da nahm ich in meine Torba etwa ein Stück Brod und Käse, füllte meine Jagdflasche mit Branntwein und ging so fort.

Dann legten wir uns wohl am Waldrand nieder.

Irena ging auf das Feld, grub Erdäpfel aus, machte ein Feuer und briet sie in der Asche. Man ißt so was man hat.

Wenn man so im stillen, schwarzen Hochwald streift, dem Wolf, dem Bären begegnet; den Adler brüten sieht; die feuchte, schwere, kühle Waldluft athmet, in der so der herbe Duft schwimmt; auf einem abgehauenen Baum Tisch hält, in der Berghöhle schläft; im schwarzen See badet, der keinen Grund hat, keine Wellen schlägt, und dessen glatte nachtdunkle Fläche die Strahlen der Sonne wie das Licht des Mondes verschlingt – da hat man keine Gefühle mehr; da werden die Gefühle zu Begierden – man ißt aus Hunger und man liebt aus Trieb. –

Die Sonne geht unter. Irena sucht Schwämme.

Da sitzt ein Bauernweib auf der Erde.


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