Emilio Salgari
Der algerische Panther
Emilio Salgari

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Der Zaubertrank der Kalifen

Fünfzehn Renegaten waren auf der Flucht lebend gefangen worden, Spanier, Italiener, Flamen und Franzosen. Alle in jämmerlichem Zustand, schwer verwundet nach dem Kampf auf Tod und Leben! Die andern waren gefallen.

Mit Mühe hatte man sie vor der Volkswut gerettet. Unter starker Bewachung wurden sie nach dem Bagno des Paschas gebracht, das als sicherstes galt. Unter schrecklichen Martern versuchte man dort, die Namen geflüchteter Genossen von ihnen zu erfahren. Die einen waren nackt auf Haken gespießt, andere in halber Höhe in Gruben mit ungelöschtem Kalk gesteckt worden. Noch anderen hatte man Wunden geschnitten und diese mit glühendem Wachs gefüllt.

Unter solchen Qualen war ihnen der Name des Barons entschlüpft. Aber niemand von den Gefolterten hatte etwas von seinem Verbleib, wie über die ihm zu Hilfe geeilten Algerier aussagen können.

Als Zuleik im Bagno erschien, kam ihm der Kadi entgegen.

»Es ist nichts weiter aus diesen verfluchten Christen herauszubekommen! Ihr wißt, der Bey hat einen Preis von 1000 Zechinen ausgesetzt für denjenigen, der des Barons Aufenthalt entdeckt!«

»Das reizt mich nicht!« entgegnete der Maurenfürst, »aber der Schuldige muß bestraft werden! Ich hoffe, eine richtige Fährte zu haben! Die Flüchtlinge müssen im Innern des Landes versteckt sein!«

»Sicher! Kein Schiff hat den Hafen verlassen. Unsere Galeeren haben Tag und Nacht davor gekreuzt!«

»Stellt mir 50 der besten Reiter, Kadi! Vielleicht brauche ich sie schon heute nacht!«

»Sie werden bereitstehen...! Die noch übrigen Renegaten sollen morgen am Hafen gepfählt werden!«

Zuleik verließ das Bagno

Der Hofmeister erwartete ihn im Palast.

»Ich habe mehr gehört, als ich hoffte. Sie sprachen von den Christen und von einem Duar, wohin sie geflüchtet...«

»Also der Mirab steht mit der Flucht des Barons in Verbindung?«

»Es scheint so!«

»Hat man ihn beobachtet?«

»Er wohnt in der Cuba, in der Nähe der Kasbah!«

Fünf Minuten später war Zuleik auf dem Wege zur Wohnung des Mirab.

Der Alte war noch wach, als der Maurenfürst mit der Pistole gegen die Tür pochte.

»Öffnet, auf Befehl des Kadi!«

»Was begehrt Zuleik Ben Abad von mir?« fragte ruhig der Greis, obgleich er bis ins Innerste erschrocken war bei dem unerwarteten Anblick des Mauren.

»Den Zufluchtsort des Barons Sant' Elmo.«

»Was soll das heißen?«

»Man weiß, daß ihr die Flucht der Mörder Culkelubis unterstützt habt!«

»Ich? Ein Mirab?«

»Sagt mir, wo meine Schwester den Baron verborgen hält!«

»Ich weiß es nicht!«

»Dann werde ich euch vom Kadi foltern lassen!«

»Ihr würdet dadurch nur eure Schwester und eures Hauses Ehre bloßstellen!«

»Gut, ich werde mir selbst zu helfen wissen!«

»Wollt ihr mich töten? Ich bin ein heiliger Mann, und mein Tod würde nicht ungerächt bleiben!«

»Wenn ihr nicht gesteht, so werdet ihr wider Willen sprechen!«

Auf ein Zeichen hin stürzten Zuleiks Begleiter auf den Greis und warfen ihn zu Boden.

Ein Diener reichte dem Mauren eine Kristallflasche, der ein eigenartiger Duft entquoll. Zuleik goß nun dem Mirab den Inhalt der Flasche in den Mund.

»So machten es meine Vorfahren, wenn sie den Feinden Kriegsgeheimnisse entreißen wollten!« sagte er zähneknirschend.

Der Greis war sofort betäubt. Seine Augen schlossen sich.

Zuleik setzte sich auf den Stein, der das Grab des Heiligen der Cuba bedeckte, und wartete die Wirkung des Trankes ab.

Der Mirab schlief, aber unruhig, indem er sich von Zeit zu Zeit bewegte, als ob er mit den Händen seine Angreifer abwehren wollte.

Seinen Lippen entflohen Worte, erst unverständlich, dann klarer. Er sprach von Schmugglern, von Culkelubi und von Gefahren, die den Baron bedrohten.

»Wachet über ihn...! Man sucht ihn...! Öffne die Augen, Michele! Der Duar ist nicht mehr fern... Da ist Blidah... Da ist der Hügel, wo Zuleik ihn traf... Er ist nicht mehr sicher...«

Der Maure erhob sich triumphierend.

»Ich habe die Fährte! Den Duar werde ich schon finden!«

Er verließ die Cuba und ritt mit seinen Dienern im Galopp davon, ohne sich weiter um den Greis zu kümmern.

Als er bei der Kasbah vorüber war, stürzten drei vermummte Gestalten, die sich bei seinem Anblick in den nahen Ruinen verborgen hatten, auf den Weg.

»Er war es, mein Bruder!« rief eine Frauenstimme, »ich habe mich nicht geirrt! Sofort zur Cuba! Vielleicht hat er ihn gefoltert oder gar getötet!«

Die Tür zum Hause des Mirab stand offen.

Angesichts des auf dem Boden liegenden Greises stieß die Prinzessin einen Schrei aus. Sie glaubte ihn tot.

Die Neger beruhigten sie jedoch nach kurzer Untersuchung.

»Er lebt, aber er schläft fest!«

»Seht ihr keine Spuren von Gewalt an ihm?«

»Nein, Herrin!«

Der dem Munde des Mirab entströmende, eigenartige Geruch enthüllte ihr plötzlich das Geschehnis.

Sie war schreckensbleich geworden.

»Schurke«, murmelte sie, »du hast durch unsern Trank dem Greis das Geheimnis entrissen!«

»Hady«, rief Amina jetzt einem ihren Sklaven zu. »Ich vertraue dir den Mirab an! Bring ihn auf mein Schloß Thomat und pflege ihn! Sobald er erwacht, erzähle ihm, was vorgefallen!«

»Ja, Herrin!«

»Und du, Milah, folge mir sogleich zum Duar Ibrahims! Des Barons Rettung hängt wieder von der Schnelligkeit unserer Pferde ab!«

Sie sprang in den Sattel und sprengte davon, während Hady den bewußtlosen Mirab zu einer nahen Besitzung der Prinzessin brachte.


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