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Der kleine Kalender

Januar

Vereiste Bäche machen Mühlen rasten.
Erstarrte Ackerschollen sind bereift.
Kahl stehn die Bäume. Schwarzes Astwerk greift
Mit großen Krallen nach den Wolkenlasten.

Wild bläst der Wind. Er riß die argen Schäden
In Bretterzäunen und in Obstspalieren.
Die kleinen Vögel hungern und erfrieren
Und fallen tot von Telegraphendrähten.

Februar

Die nahe Stadt liegt zugeschneit und weiß
Die Brückenbögen und die weiten Fluren.
In kühnen Kurven flimmern Schlittschuhspuren.
Die Läufer sausen übers blanke Eis.

Die langen Zillen lagern auf den Buhnen
Wie tote Fische, ruderlos und leer.
Mit Pickeln stapfen schwarze Männer her
Und hacken dröhnend wundenhafte Wuhnen.

März

Zwei Raben flattern nach den Wolkenwänden,
Nordwind fährt wütend wie aus Höllentüren
Chaussee entlang. In weißen Perlenschnüren
Stehn Meilensteine an den harten Ränden.

Bis zu den Horizonten von Basalt
Zieht sich die Straße kahl und endlos weiter.
Vereinzelt nur gewahrt man Wegarbeiter
Baumkrüppelhaft, erfroren, krumm und kalt.

April

Die weiße Sonne schickt gebrochne Lanzen
Auf braune Äcker und auf helles Grün.
Im Schutz der Häuser Mandelbäume blühn,
Die weiß und rosa in den Gärten tanzen.

Der Bäume Reihn zu Seiten der Chausseen
Sind schwarz und reiten schnell zum Hintergrund,
Wo Pappeln, kahl von Winterwinden wund,
Wie Bleisoldaten durch die Landschaft gehn.

Mai

Die Finken schlagen in den grünen Buchen.
Bachstelzen über glatte Steine hupfen.
Und Mädchenröcke, rot mit weißen Tupfen,
Ziehn hin zum Wald, um Blumen dort zu suchen.

Im Glanz dreht sich ein weißes Wolkenkind,
Der Hut der schwarzen, dräuenden entraten,
Aus denen auf die lichten Maiensaaten
Ein feiner Regen rieselnd niederrinnt.

Juni

In den Alleen wälzt sich Zittergold
Verflimmernd trag an hellen Häuserfronten,
Das sickernd aus den grauen, grellumsonnten
Gewölken wie in Wogen niederrollt.

Die Sonnenflecke huschen überm Kies.
Süßduft betäubt die hohen Lindenhallen.
Der Abendhimmel leuchtet über allen
Gefilden wie ein grünlicher Türkis.

Juli

Es zittert schon der Tau im schwanken Grase.
Von Sternen lacht der Himmel, schwarz und hohl,
Und überm Waldrand, rot, ein Karneol,
Hebt sich der Mond in großer voller Phase.

Im dunklen Wald, wo eine Flöte bläst,
Ein Wiesenbach fließt silbern vor den hellen
Birkstämmen der verdämmernden Parzellen.
Im Nachtgrün still ein Rudel Rehe äst.

August

Baumkronen rauschen in den dunklen Wäldern.
Der Weizen wogt in großen, gelben Schwaden.
Kornblumen sprengen, roter Mohn und Raden.
Der reiche Duft von reifen Roggenfeldern

Ist warm im Wind. Die Ährenleser bücken
Sich müde noch. Die Garben stehn im Häuf.
Ein Wagen schwankt. Es ziehen Wolken auf,
Schwarz, schwül und schwer, den Bergrand zu erdrücken.

September

Die Schlehen blauen fast am Schwarzdornstrauch.
Man erntet Obst. Die Nächte nebeln schon.
Herbstgeigen tönen ersten Sterbeton.
Von den Kartoffelfeldern wölkt der Rauch.

Ein Heuduft fiebert, süß wie Blumenseim.
Die Bauern spannen Kühe in das Kummet
Und fahren von den Breiten noch das Grummet
Auf Leiterwagen in die Scheuern heim.

Oktober

Die Sonne will an Zuckerwölkchen naschen.
Der Wald steht schon in herhstesgoldner Bräune.
Die Buben klettern über Stachelzäune
Und füllen sich mit Äpfeln ihre Taschen.

Und andre lassen hoch die Drachen steigen.
Der Wind weht frisch. Und viele Vögel ziehn
In langen Reihen nach dem Süden hin.
Es gehen Mädchen singend einen Reigen.

November

Bleigraue Himmel geben nichts als Regen.
Treibjagden gehn auf Hasen und auf Hühner.
Und zwischen leerem Astwerk steht ein grüner
Eichbaum noch vor den aufgeweichten Wegen.

Dorfgassen werden eine große Pfütze.
Die Ziegeldächer sehn auf braune Giebel
Gewaschen hin und auf zur Kirchturmzwiebel,
Dem Schläfer mit der schieferblauen Mütze.

Dezember

In Kiefernforsten liegt der hohe Schnee,
Weithin ein weiches, silberweißes Fell.
Zuweilen läuten Schlittenglocken hell
Herüber von der Apfelbaumchaussee.

Nur hie und da sind kleine schwarze Flecke
Wie Stämme, Äste, Vögel, Besenkehren,
Zwei Bauernkinder, die Wacholderbeeren
Zu suchen gehen. Grau des Himmels Decke.


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