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Lomellin außer Athem, erschrocken. Gianettino sieht dem Herzog glühend und sprachlos nach.
Lomellin. Was hab' ich gesehen? was angehört? Jetzt! Jetzt! Fliehen Sie, Prinz! Jetzt ist Alles verloren.
Gianettino (mit Ingrimm). Was war zu verlieren?
Lomellin. Genua, Prinz. Ich komme vom Markt. Das Volk drängte sich um einen Mohren, der an Stricken dahin geschleift wurde; der Graf von Lavagna, über die dreihundert Nobili ihm nach bis ins Richthaus, wo die Verbrecher gefoltert werden. Der Mohr war über einem Meuchelmord ertappt worden, den er an dem Fiesco vollstrecken sollte.
Gianettino (stampft mit dem Fuß). Was? Sind heut alle Teufel los?
Lomellin. Man inquirierte scharf, wer ihn bestochen. Der Mohr gestand nichts. Man brachte ihn auf die erste Folter. Er gestand nichts. Man brachte ihn auf die zweite. Er sagte aus, sagte aus – gnädiger Herr, wo gedachten Sie hin, da Sie Ihre Ehre einem Taugenichts preisgaben?
Gianettino (schnaubt ihn wild an). Frage mich nichts!
Lomellin. Hören Sie weiter. Kaum war das Wort Doria ausgesprochen – lieber hätt' ich meinen Namen auf der Schreibtafel des Teufels gelesen, als hier den Ihren gehört – so zeigte sich Fiesco dem Volk. Sie kennen ihn, den Mann, der befehlend flehet, den Wucherer mit den Herzen der Menge. Die ganze Versammlung hing ihm odemlos in starren, schrecklichen Gruppen entgegen; er sprach wenig, aber streifte den blutenden Arm auf, das Volk schlug sich um die fallenden Tropfen, wie um Reliquien. Der Mohr wurde seiner Willkür übergeben, und Fiesco – ein Herzstoß für uns – Fiesco begnadigte ihn. Jetzt raste die Stille des Volks in einen brüllenden Laut aus, jeder Odem zernichtete einen Doria, Fiesco wurde auf tausendstimmigem Vivat nach Hause getragen.
Gianettino (mit einem dumpfen Gelächter). Der Aufruhr schwelle mir an die Gurgel! – Kaiser Karl! Mit dieser einzigen Silbe will ich sie niederwerfen, daß in ganz Genua auch keine Glocke mehr summen soll.
Lomellin. Böhmen liegt weit von Italien – Wenn Karl sich beeilt, kann er noch zeitig genug zu Ihrem Leichenschmaus kommen.
Gianettino (zieht einen Brief mit großem Siegel hervor). Glück genug also, daß er schon hier ist! – Verwundert sich Lomellin? Glaubte er mich tolldreist genug, wüthige Republikaner zu reizen, wenn sie nicht schon verkauft und verrathen wären?
Lomellin (betreten). Ich weiß nicht, was ich denke.
Gianettino. Ich denke Etwas, das du nicht weißt. Der Schluß ist gefaßt. Uebermorgen fallen zwölf Senatoren. Doria wird Monarch, und Kaiser Karl wird ihn schützen – Du trittst zurück?
Lomellin. Zwölf Senatoren! Mein Herz ist nicht weit genug, eine Blutschuld zwölfmal zu fassen.
Gianettino. Närrchen, am Thron wirft man sie nieder. Siehst du, ich überlegte mit Karls Ministern, daß Frankreich in Genua noch starke Parteien hätte, die es ihm zum zweiten Mal in die Hände spielen könnten, wenn man sie nicht mit der Wurzel vertilgte. Das wurmte beim alten Karl. Er unterschrieb meinen Anschlag – und du schreibst, was ich dictiere.
Lomellin. Noch weiß ich nicht –
Gianettino. Setze dich! Schreib!
Lomellin. Was schreib' ich aber? (Setzt sich.)
Gianettino. Die Namen der zwölf Candidaten – Franz Zenturione.
Lomellin (schreibt). Zum Dank für sein Votum führt er den Leichenzug.
Gianettino. Cornelio Calva.
Lomellin. Calva.
Gianettino. Michael Zibo.
Lomellin. Eine Abkühlung auf die Procuratur.
Gianettino. Thomas Asserato mit drei Brüdern (Lomellin hält inne.)
Gianettino (nachdrücklich). Mit drei Brüdern.
Lomellin (schreibt). Weiter.
Gianettino. Fiesco von Lavagna.
Lomellin. Geben Sie Acht! geben Sie Acht! Sie werden über diesem schwarzen Stein noch den Hals brechen.
Gianettino. Scipio Bourgognino.
Lomellin. Der mag anderswo Hochzeit halten.
Gianettino. Wo ich Brautführer bin – Raphael Sacco.
Lomellin. Dem sollt' ich Pardon auswirken, bis er mir meine fünftausend Scudi bezahlt hat. (Schreibt.) Der Tod macht quitt.
Gianettino. Vincent Calcagno.
Lomellin. Calcagno – den Zwölften schreib' ich auf meine Gefahr, oder unser Todfeind ist vergessen.
Gianettino. Ende gut, Alles gut. Joseph Verrina.
Lomellin. Das war der Kopf des Wurms. (Steht auf, streut Sand, fliegt die Schrift durch, reicht sie dem Prinzen.) Der Tod gibt übermorgen prächtige Gala und hat zwölf genuesische Fürsten geladen.
Gianettino (tritt zum Tisch, unterzeichnet). Es ist geschehen – In zwei Tagen ist Dogewahl. Wenn die Signoria versammelt ist, werden die Zwölf auf das Signal eines Schnupftuchs mit einem plötzlichen Schuß gestreckt, wenn zugleich meine zweihundert Deutsche das Rathhaus mit Sturm besetzen. Ist das vorbei, tritt Gianettino Doria in den Saal und läßt sich huldigen. (Klingelt.)
Lomellin. Und Andreas?
Gianettino (verächtlich). Ist ein alter Mann. (Ein Bedienter.) Wenn der Herzog fragt, ich bin in der Messe. (Bedienter ab.) Der Teufel, der in mir steckt, kann nur in Heiligenmaske incognito bleiben.
Lomellin. Aber das Blatt, Prinz?
Gianettino. Nimmst du, lässest es durch unsre Partei circulieren. Dieser Brief muß mir Extrapost nach Levanto. Er unterrichtet den Spinola von Allem und heißt ihn früh acht Uhr in der Hauptstadt hier eintreffen. (Will fort.)
Lomellin. Ein Loch im Faß, Prinz! Fiesco besucht keinen Senat mehr.
Gianettino (zurückrufend). Doch noch einen Meuter wird Genua haben? – Ich sorge dafür. (Ab in ein Seitenzimmer, Lomellin fort durch ein anderes.)
Vorzimmer bei Fiesco.
Fiesco mit Briefen und Wechseln. Mohr.
Fiesco. Also vier Galeeren sind eingelaufen.
Mohr. Liegen glücklich in der Darsena vor Anker.
Fiesco. Das kommt erwünscht. Woher die Expressen?
Mohr. Von Rom, Piacenza und Frankreich.
Fiesco (bricht die Briefe auf, fliegt sie durch). Willkommen, willkommen in Genua! (Sehr aufgeräumt.) Die Kuriere werden fürstlich bewirthet.
Mohr. Hum! (Will gehen.)
Fiesco. Halt! Halt! Hier kommt Arbeit für dich die Fülle.
Mohr. Was steht zu Befehl? Die Nase des Spürers oder der Stachel des Skorpions?
Fiesco. Für jetzt des Lockvogels Schlag. Morgen früh werden zweitausend Mann verkappt zur Stadt hereinschleichen, Dienste bei mir zu nehmen. Vertheile du deine Handlanger an den Thoren herum, mit der Ordre, auf die eintretenden Passagiers ein wachsames Auge zu haben. Einige werden als ein Trupp Pilgrime kommen, die nach Loretto wallfahrten gehen, andre als Ordensbrüder, oder Savoyarden, oder Komödianten, wieder andre als Krämer, oder als ein Trupp Musikanten, die meisten als abgedankte Soldaten, die genuesisches Brod essen wollen. Jeder Fremde wird ausgefragt, wo er einstellet; antwortet er: zur goldenen Schlange, so muß man ihn freundlich grüßen und meine Wohnung bedeuten. Höre, Kerl! aber ich baue auf deine Klugheit.
Mohr. Herr! wie auf meine Bosheit. Entwischt mir ein Lock Haare, so sollt Ihr meine zwei Augen in eine Windbüchse laden und Sperlinge damit schießen. (Will fort.)
Fiesco. Halt! noch eine Arbeit. Die Galeeren werden der Nation scharf in die Augen stechen. Merke auf, was davon die Rede wird. Fragt dich Jemand, so hast du von Weitem murmeln gehört, daß dein Herr damit Jagd auf die Türken mache. Verstehst du?
Mohr. Verstehe. Die Bärte der Beschnittenen liegen oben drauf. Was im Korb ist, weiß der Teufel. (Will fort.)
Fiesco. Gemach. Noch eine Vorsicht. Gianettino hat neuen Grund, mich zu hassen und mir Fallen zu stellen. Geh, beobachte deine Kameraden, ob du nicht irgendwo einen Meuchelmord witterst. Doria besucht die verdächtigen Häuser. Hänge dich an die Töchter der Freude. Die Geheimnisse des Cabinets stecken sich gern in die Falten eines Weiberrocks; versprich ihnen goldspeiende Kunden – versprich deinen Herrn. Nichts kann zu ehrwürdig sein, das du nicht in diesen Morast untertauchen sollst, bis du den festen Boden fühlst.
Mohr. Halt! Holla! Ich habe Eingang bei einer gewissen Diana Bononi und bin gegen fünf Vierteljahr ihr Zuführer gewesen. Vorgestern sah ich den Procurator Lomellino aus ihrem Hause kommen.
Fiesco. Wie gerufen. Eben der Lomellino ist der Hauptschlüssel zu allen Tollheiten Dorias. Gleich morgen früh mußt du hingehen. Vielleicht ist er heute Nacht dieser keuschen Luna Endymion.
Mohr. Noch ein Umstand, gnädiger Herr. Wenn mich die Genueser fragen – und ich bin des Teufels! das werden sie – wenn sie mich jetzt fragen: was denkt Fiesco zu Genua? – Werdet Ihr Eure Maske noch länger tragen, oder was soll ich antworten?
Fiesco. Antworten! Wart! Die Frucht ist ja zeitig. Wehen verkündigen die Geburt – Genua liege auf dem Block, sollst du antworten, und dein Herr heiße Johann Ludwig Fiesco.
Mohr (sich froh streckend). Was ich anbringen will, daß sich's gewaschen haben soll, bei meiner hundsföttischen Ehre! – Aber nun hell auf, Freund Hassan! In ein Weinhaus zuerst! Meine Füße haben alle Hände voll zu thun –und muß meinen Magen caressieren, daß er mir bei meinen Beinen das Wort redt. (Eilt ab, kommt aber schnell zurück.) A propos! Bald hätt' ich das verplaudert. Was zwischen Eurer Frau und Calcagno vorging, habt Ihr gern wissen mögen! – Ein Korb ging vor, Herr, und Das war Alles. (Läuft davon.)
Fiesco bei sich.
Ich bedaure, Calcagno – Meinten Sie etwa, ich würden den empfindlichen Artikel meines Ehebetts Preis geben, wenn mir meines Weibes Tugend und mein eigener Werth nicht Handschrift genug ausgestellt hätten? Doch willkommen mit dieser Schwägerschaft. Du bist ein guter Soldat. Das soll mir deinen Arm zu Dorias Untergang kuppeln! – (Mit starkem Schritt auf und nieder.) Jetzt, Doria, mit mir auf den Kampfplatz! Alle Maschinen des großen Wagestücks sind im Gang. Zum schaudernden Concert alle Instrumente gestimmt. Nichts fehlt, als die Larve herabzureißen und Genuas Patrioten den Fiesco zu zeigen. (Man hört kommen.) Ein Besuch! Wer mag mich jetzt stören?
Voriger. Verrina. Romano mit einem Tableau. Sacco. Bourgognino. Calcagno. Alle verneigen sich.
Fiesco (ihnen entgegen, voll Heiterkeit). Willkommen, meine würdigen Freunde! Welche wichtige Angelegenheit führt Sie so vollzählig zu mir – Du auch da, theurer Bruder Verrina? Ich würde bald verlernt haben, dich zu kennen, wären meine Gedanken nicht fleißiger um dich, als meine Augen. War's nicht seit dem letzten Ball, daß ich meinen Verrina entbehrte?
Verrina. Zähl' ihm nicht nach, Fiesco. Schwere Lasten haben indeß sein graues Haar gebeugt. Doch genug hievon.
Fiesco. Nicht genug für die wißbegierige Liebe. Du wirst mir mehr sagen müssen, wenn wir allein sind. (Zu Bourgognino.) Willkommen, junger Held! Unsre Bekanntschaft ist noch grün, aber meine Freundschaft ist zeitig. Haben Sie Ihre Meinung von mir verbessert?
Bourgognino. Ich bin auf dem Wege.
Fiesco. Verrina, man sagt mir, daß dieser junge Cavalier dein Tochtermann werden soll. Nimm meinen ganzen Beifall zu dieser Wahl. Ich hab' ihn nur einmal gesprochen, und doch würd' ich stolz sein, wenn er der meinige wäre.
Verrina. Dieses Urtheil macht mich eitel auf meine Tochter.
Fiesco (zu den Andern). Sacco? Calcagno? – Lauter seltne Erscheinungen in meinen Zimmern. Beinahe möchte ich mich meiner Dienstfertigkeit schämen, wenn Genuas edelste Zierden sie vorübergehen – Und hier begrüße ich einen fünften Gast, mir zwar fremd, doch empfohlen genug durch diesen würdigen Zirkel.
Romano. Es ist ein Maler schlechtweg, gnädiger Herr, Romano mit Namen, der sich vom Diebstahl an der Natur ernährt, kein Wappen hat, als seinen Pinsel, und nun gegenwärtig ist, (mit einer tiefen Verbeugung) die große Linie zu einem Brutuskopfe zu finden.
Fiesco. Ihre Hand, Romano. Ihre Meisterin ist eine Verwandte meines Hauses. Ich liebe sie brüderlich. Kunst ist die rechte Hand der Natur. Diese hat nur Geschöpfe, jene hat Menschen gemacht. Was malen Sie aber, Romano?
Romano. Scenen aus dem nervigten Alterthum. Zu Florenz steht mein sterbender Hercules, meine Kleopatra zu Venedig, der wüthende Ajax zu Rom, wo die Helden der Vorwelt – im Vatican wieder auferstehen.
Fiesco. Und was ist wirklich Ihres Pinsels Beschäftigung?
Romano. Er ist weggeworfen, gnädiger Herr. Das Licht des Genies bekam weniger Fett, als das Licht des Lebens. Ueber einen gewissen Punkt hinaus brennt nur die papierne Krone. Hier ist meine letzte Arbeit.
Fiesco (aufgeräumt). Sie könnte nicht erwünschter gekommen sein. Ich bin heute ganz ungewöhnlich heiter, mein ganzes Wesen feiert eine gewisse heroische Ruhe, ganz offen für die schöne Natur. Stellen Sie Ihr Tableau auf. Ich will mir ein rechtes Fest daraus bereiten. Tretet herum, meine Freunde. Wir wollen uns ganz dem Künstler schenken. Stellen Sie Ihr Tableau auf.
Verrina (winkt den Andern). Nun merket auf, Genueser!
Romano (stellt das Gemälde zurecht). Das Licht muß von der Seite spielen. Ziehen Sie jenen Vorhang auf. Diesen lassen Sie fallen. Gut. (Er tritt auf die Seite.) Es ist die Geschichte der Virginia und des Appius Claudius.
(Lange ausdrucksvolle Pause, worin alle die Malerei betrachten.)
Verrina (in Begeisterung). Spritz zu, eisgrauer Vater! – Zuckst du, Tyrann? – Wie so bleich steht ihr Klötze Römer – ihm nach, Römer – das Schlachtmesser blinkt – Mir nach, Klötze Genueser – Nieder mit Doria! Nieder! nieder! (Er haut gegen das Gemälde.)
Fiesco (lächelnd zum Maler.) Fordern Sie mehr Beifall? Ihre Kunst macht diesen alten Mann zum bartlosen Träumer.
Verrina (erschöpft). Wo bin ich? Wo sind sie hingekommen? Weg, wie Blasen? Du hier, Fiesco? Der Tyrann lebt noch, Fiesco?
Fiesco. Siehst du? Ueber vielem Sehen hast du die Augen vergessen. Diesen Römerkopf findest du bewundernswerth? Weg mit ihm! Hier das Mädchen blick' an! Dieser Ausdruck, wie weich, wie weiblich! Welche Anmuth auch aus den welkenden Lippen? Welche Wollust im verlöschenden Blick? – Unnachahmlich! göttlich, Romano! – Und noch die weiße, blendende Brust, wie angenehm noch von des Athems letzten Wellen gehoben! Mehr solche Nymphen, Romano, so will ich vor Ihren Phantasieen knieen und der Natur einen Scheidebrief schreiben.
Bourgognino. Verrina, ist das deine gehoffte herrliche Wirkung?
Verrina. Fasse Muth, Sohn. Gott verwarf den Arm des Fiesco, er muß auf den unsrigen rechnen.
Fiesco (zum Maler). Ja, es ist Ihre letzte Arbeit, Romano. Ihr Markt ist erschöpft. Sie rühren keinen Pinsel mehr an. Doch über des Künstlers Bewunderung vergess' ich das Werk zu verschlingen. Ich könnte hier stehen und hingaffen und ein Erdbeben überhören. Nehmen Sie Ihr Gemälde weg. Sollt' ich Ihnen diesen Virginiakopf bezahlen, müßt' ich Genua in Versatz geben. Nehmen Sie weg.
Romano. Mit Ehre bezahlt sich der Künstler. Ich schenke es Ihnen. (Er will hinaus.)
Fiesco. Eine kleine Geduld, Romano. (Er geht mit majestätischem Schritt im Zimmer und scheint über etwas Großes zu denken. Zuweilen betrachtet er die Andern fliegend und scharf, endlich nimmt er den Maler bei der Hand, führt ihn vor das Gemälde.) Tritt her, Maler! (Aeußerst stolz und mit Würde.) So trotzig stehst du da, weil du Leben auf todten Tüchern heuchelst und große Thaten mit kleinem Aufwand verewigst. Du prahlst mit Poetenhitze, der Phantasie marklosem Marionettenspiel, ohne Herz, ohne thatenerwärmende Kraft; stürzest Tyrannen auf Leinwand; – bist selbst ein elender Sklave? Machst Republiken mit einem Pinsel frei; – kannst deine eignen Ketten nicht brechen? (Voll und befehlend.) Geh! Deine Arbeit ist Gaukelwerk – der Schein weiche der That – (Mit Größe, indem er das Tableau umwirft.) Ich habe gethan, was du – nur maltest. (Alle erschüttert. Romano trägt sein Tableau mit Bestürzung fort.)
Fiesco. Verrina. Bourgognino. Sacco. Calcagno.
Fiesco (unterbricht eine Pause des Erstaunens). Dachtet ihr, der Löwe schliefe, weil er nicht brüllte? Waret ihr eitel genug, euch zu überreden, daß ihr die Einzigen wäret, die Genuas Ketten fühlten? die Einzigen, die sie zu zerreißen wünschten? Eh ihr sie nur fern rasseln hörtet, hatte sie schon Fiesco zerbrochen. (Er öffnet die Schatulle, nimmt ein Paket Briefe heraus, die er alle über die Tafel spreitet.) Hier Soldaten von Parma – hier französisches Geld – – hier vier Galeeren vom Papst. Was fehlt noch, einen Tyrannen in seinem Nest aufzujagen? Was wißt ihr noch zu erinnern? (Da sie alle erstarrt schweigen, tritt er von der Tafel mit Selbstgefühl.) Republikaner, ihr seid geschickter, Tyrannen zu verfluchen, als sie in die Luft zu sprengen. (Alle, außer Verrina, werfen sich sprachlos Fiesco zu Füßen.)
Verrina. Fiesco! – Mein Geist neigt sich vor dem deinigen – mein Knie kann es nicht – Du bist ein großer Mensch! – aber – Steht auf, Genueser.
Fiesco. Ganz Genua ärgerte sich an dem Weichling Fiesco. Ganz Genua fluchte über den verbuhlten Schurken Fiesco. Genueser! Genueser! Meine Buhlerei hat den arglistigen Despoten betrogen, meine Tollheit hat eurem Fürwitz meine gefährliche Weisheit verhüllt. In den Windeln der Ueppigkeit lag das erstaunliche Werk der Verschwörung gewickelt. Genug. Genua kennt ich in euch. Mein ungeheuerster Wunsch ist befriedigt.
Bourgognino (wirft sich unmuthig in einen Sessel). Bin ich denn gar nichts mehr?
Fiesco. Aber laßt uns schleunig von Gedanken zu Thaten gehn. Alle Maschinen sind gerichtet. Ich kann die Stadt von Land und Wasser bestürmen. Rom, Frankreich und Parma bedecken mich. Der Adel ist schwierig. Des Pöbels Herzen sind mein. Die Tyrannen hab' ich in Schlummer gesungen. Die Republik ist zu einem Umgusse zeitig. Mit dem Glück sind wir fertig. Nichts fehlt – Aber Verrina ist nachdenkend?
Bourgognino. Geduld. Ich hab' ein Wörtchen, das ihn rascher aufschrecken soll, als des jüngsten Tages Posaunenruf. (Er tritt zu Verrina, ruft ihm bedeutend zu.) Vater, wach' auf! Deine Bertha verzweifelt.
Verrina. Wer sprach das? – Zum Werk, Genueser!
Fiesco. Ueberlegt den Entwurf zur Vollstreckung. Ueber dem ernsten Gespräch hat uns die Nacht überrascht. Genua liegt schlafen. Der Tyrann fällt erschöpft von den Sünden des Tages nieder. Wachet für beide!
Bourgognino. Eh wir scheiden, laßt uns den heldenmüthigen Bund durch eine Umarmung beschwören. (Sie schließen mit verschränkten Armen einen Kreis.) Hier wachsen Genuas fünf größte Herzen zusammen, Genuas größtes Loos zu entscheiden. (Drücken sich inniger.) Wenn der Welten Bau auseinander fällt und der Spruch des Gerichts auch die Bande des Bluts, auch der Liebe zerschneidet, bleibt dieses fünffache Heldenblatt ganz! (Treten auseinander.)
Verrina. Wann versammeln wir uns wieder?
Fiesco. Morgen Mittag will ich eure Meinungen sammeln.
Verrina. Morgen Mittag denn. Gute Nacht, Fiesco! Bourgognino, komm! Du wirst etwas Seltsames hören. (Beide ab.)
Fiesco (zu den Andern). Geht ihr zu den Hinterthoren hinaus, daß Dorias Spionen nichts merken. (Alle entfernen sich.)
Fiesco, der nachdenkend auf und nieder geht.
Welch ein Aufruhr in meiner Brust! welche heimliche Flucht der Gedanken – Gleich verdächtigen Brüdern, die auf eine schwarze That ausgehen, auf den Zehen schleichen und ihr flammroth Gesicht furchtsam zu Boden schlagen, stehlen sich die üppigen Phantome an meiner Seele vorbei – Haltet! haltet! Laßt mich euch ins Angesicht leuchten – ein guter Gedanke stählet des Mannes Herz und zeigt sich heldenmäßig dem Tage. – Ha! ich kenne euch! – das ist die Liverei des ewigen Lügners – verschwindet! (Wieder Pause, darauf lebhafter.) Republikaner Fiesco? Herzog Fiesco? – Gemach – Hier ist der gähe Hinuntersturz, wo die Mark der Tugend sich schließt, sich scheiden Himmel und Hölle – Eben hier haben Helden gestrauchelt, und Helden sind gesunken, und die Welt belagert ihren Namen mit Flüchen – Eben hier haben Helden gezweifelt, und Helden sind still gestanden und Halbgötter geworden – (Rascher.) Daß sie mein sind, die Herzen von Genua? Daß von meinen Händen dahin, dorthin sich gängeln läßt das furchtbare Genua? – O über die schlaue Sünde, die einen Engel vor jeden Teufel stellt – Unglückselige Schwungsucht! uralte Buhlerei! Engel küßten an deinem Halse den Himmel hinweg, und der Tod sprang aus deinem kreißenden Bauche – (Sich schaudernd schüttelnd.) Engel fingst du mit Sirenentrillern von Unendlichkeit – Menschen angelst du mit Gold, Weibern und Kronen! (Nach einer nachdenkenden Pause, fest.) Ein Diadem erkämpfen ist groß. Es wegwerfen ist göttlich. (Entschlossen.) Geh unter, Tyrann! Sei frei, Genua, und ich (sanft geschmolzen) dein glücklichster Bürger!