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(Aus der Sammlung historischer Memoires II. Abtheilung 1., 2., 3., 4. und 5. Band.)
Die Regierungen Karls VIII., Ludwigs XII. und Franz' I. hatten für Frankreich eine glänzende Epoche vorbereitet. Die Feldzüge dieser Fürsten nach Italien hatten den Heldengeist des französischen Adels wieder entzündet, den der Despotismus Ludwigs XI. beinahe erstickt hatte. Ein schwärmerischer Rittergeist flammte wieder auf, den eine beßre Taktik unterstützte.
Im Kampf mit ihren ungeübten Nachbarn lernte die Nation ihre Ueberlegenheit kennen. Die Monarchie hatte sich gebildet, die Verfassung des Königreichs eine mehr regelmäßige Gestalt angenommen. Der sonst so furchtbare Trotz übermächtiger Großen fügte sich jetzt wieder in die Schranken eines gemeinschaftlichen Gehorsams. Ordentliche Steuern und stehende Heere befestigten und schirmten den Thron, und der König war etwas mehr als ein begüterter Edelmann in seinem Reiche.
In Italien war es, wo sich die Kraft dieses Königreichs zum erstenmal offenbarte. Unnütz zwar floß dort das Blut seiner Heldensöhne, aber Europa konnte seine Bewunderung einem Volke nicht versagen, das sich zu gleicher Zeit gegen fünf vereinigte Feinde glorreich behauptete. Das Licht schöner Künste war nicht lange vorher in Italien aufgegangen, und etwas mildere Sitten verriethen bereits seinen veredelnden Einfluß. Bald zeigte es seine Kraft an den trotzigen Siegern, und Italiens Künste unterjochten das Genie der Franzosen, wie ehemals Griechenlands Kunst seine römischen Beherrscher sich unterwürfig machte. Bald fanden sie den Weg über die savoyischen Alpen, den der Krieg geöffnet hatte. Von einem verständigen Regenten in Schutz genommen, von der Buchdruckerkunst unterstützt, verbreiteten sie sich bald auf diesem dankbaren Boden. Die Morgenröthe der Cultur erschien; schon eilte Frankreich mit schnellen Schritten seiner Civilisierung entgegen. Die neuen Meinungen erscheinen und gebieten diesem schönen Anfang einen traurigen Stillstand. Der Geist der Intoleranz und des Aufruhrs löscht den noch schwachen Schimmer der Verfeinerung wieder aus, und die schreckliche Fackel des Fanatismus leuchtet. Tiefer als je stürzt dieser unglückliche Staat in seine barbarische Wildheit zurück, das Opfer eines langwierigen, verderblichen Bürgerkriegs, den der Ehrgeiz entflammt und ein wüthender Religionseifer zu einem allgemeinen Brande vergrößert.
So feurig auch das Interesse war, mit welchem die eine Hälfte Europens die neuen Meinungen aufnahm und die andre dagegen kämpfte, so eine mächtige Triebfeder der Religionsfanatismus auch für sich selbst ist, so waren es doch großenteils sehr weltliche Leidenschaften, welche bei dieser großen Begebenheit geschäftig waren, und größtenteils politische Umstände, welche den unter einander im Kampfe begriffenen Religionen zu Hilfe kamen. In Deutschland, weiß man, begünstigte Luther und seine Meinungen das Mißtrauen der Stände gegen die wachsende Macht Oesterreichs; der Haß gegen Spanien und die Furcht vor dem Inquisitionsgerichte vermehrte in den Niederlanden den Anhang der Protestanten. Gustav Wasa vertilgte in Schweden zugleich mit der alten Religion eine furchtbare Cabale, und auf dem Ruin eben dieser Kirche befestigte die britannische Elisabeth ihren noch wankenden Thron. Eine Reihe schwachköpfiger, zum Theil minderjähriger Könige, eine schwankende Staatskunst, die Eifersucht und der Wettkampf der Großen um das Ruder halfen die Fortschritte der neuen Religion in Frankreich bestimmen. Wenn sie in diesem Königreich jetzt daniederliegt und in einer Hälfte Deutschlands, in England, im Norden, in den Niederlanden thronet, so lag es sicherlich nicht an der Muthlosigkeit oder Kälte ihrer Verfechter, nicht an unterlaßnen Versuchen, nicht an der Gleichgültigkeit der Nation. Eine heftige, langwierige Gährung erhielt das Schicksal dieses Königreichs im Zweifel; fremder Einfluß und der zufällige Umstand einer neuen indirekten Thronfolge, die gerade damals eintrat, mußte den Untergang der calvinischen Kirche in diesem Staat entscheiden.
Gleich im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts fanden die Neuerungen, welche Luther in Deutschland predigte, den Weg in die französischen Provinzen. Weder die Censuren der Sorbonne im Jahr 1521, noch die Beschlüsse des Pariser Parlaments, noch selbst die Anathemen der Bischöfe vermochten das schnelle Glück aufzuhalten, das sie in wenig Jahren bei dem Volk, bei dem Adel, bei Einigen von der Geistlichkeit machten. Die Lebhaftigkeit, mit welcher das sanguinische, geistreiche Volk der Franzosen jede Neuigkeit zu behandeln pflegt, verleugnete sich weder bei den Anhängern der Reformation, noch bei ihren Verfolgern. Franz des Ersten kriegerische Regierung und die Verständnisse dieses Monarchen mit den deutschen Protestanten trugen nicht wenig dazu bei, die Religionsneuerungen bei seinen französischen Unterthanen in schnellen Umlauf zu bringen. Umsonst, daß man in Paris endlich zu dem fürchterlichen Mittel des Feuers und des Schwertes griff – es that keine beßre Wirkung, als es in den Niederlanden, in Deutschland, in England gethan hatte, und die Scheiterhaufen, welche der fanatische Verfolgungsgeist ansteckte, dienten zu nichts, als den Heldenglauben und den Ruhm seiner Opfer zu beleuchten.
Die Religionsverbeßrer führten bei ihrer Vertheidigung und bei ihrem Angriff auf die herrschende Kirche Waffen, welche weit zuverlässiger wirkten, als alle, die der blinde Eifer der stärkern Zahl ihnen entgegen setzen konnte. Geschmack und Aufklärung kämpften auf ihrer Seite; Unwissenheit, Pedanterei waren der Antheil ihrer Verfolger. Die Sinnlosigkeit, die tiefe Ignoranz des katholischen Clerus gaben dem Witz ihrer öffentlichen Redner und Schriftsteller die gefährlichsten Blößen, und unmöglich konnte man die Schilderungen lesen, welche der Geist der Satire diese letztern von dem allgemeinen Verderbniß entwerfen ließ, ohne sich von der Nothwendigkeit einer Verbeßrung überzeugt zu fühlen. Die lesende Welt wurde täglich mit Schriften dieser Art überschwemmt, in welchen, mehr oder minder glücklich, die herrschenden Laster des Hofes und der katholischen Geistlichkeit dem Unwillen, dem Abscheu, dem Gelächter bloß gestellt und die Dogmen der neuen Kirche, in jede Anmuth des Styls gekleidet, mit allen Reizen des Schönen, mit aller hinreißenden Kraft des Erhabnen, mit dem unwiderstehlichen Zauber einer edeln Simplicität ausgestattet waren. Wenn man diese Meisterstücke der Beredsamkeit und des Witzes mit Ungeduld verschlang, so waren die abgeschmackten oder feierlichen Gegenschriften des andern Theils nicht dazu gemacht, etwas anders als Langeweile zu erregen. Bald hatte die verbesserte Religion den geistreichen Theil des Publikums gewonnen – eine unstreitig glänzendere Majorität als der bloße blinde Vortheil der größern Menge, der ihre Gegner begünstigte.
Die anhaltende Wuth der Verfolgung nöthigte endlich den unterdrückten Theil, an der Königin Margaretha von Navarra, der Schwester Franz' I., sich eine Beschützerin zu suchen. Geschmack und Wissenschaft waren eine hinreichende Empfehlung bei dieser geistreichen Fürstin, welche, selbst große Kennerin des Schönen und Wahren, für die Religion ihrer Lieblinge, deren Kenntnisse und Geist sie verehrte, nicht schwer zu gewinnen war. Ein glänzender Kreis von Gelehrten umgab diese Fürstin, und die Freiheit des Geistes, welche in diesem geschmackvollen Zirkel herrschte, konnte nicht anders als eine Lehre begünstigen, welche mit der Befreiung vom Joche der Hierarchie und des Aberglaubens angefangen hatte. An dem Hof dieser Königin fand die gedrückte Religion eine Zuflucht; manches Opfer wurde durch sie dem blutdürstigen Verfolgungsgeist entzogen, und die noch kraftlose Partei hielt sich an diesem schwachen Ast gegen das erste Ungewitter fest, das sie sonst in ihrem noch zarten Anfang so leicht hätte hinraffen können. Die Verbindungen, in welche Franz I. mit den deutschen Protestanten getreten war, hatten auf die Maßregeln keinen Einfluß, deren er sich gegen seine eignen protestantischen Unterthanen bediente. Das Schwert der Inquisition war in jeder Provinz gegen sie gezückt. und zu eben der Zeit, wo dieser zweideutige Monarch die Fürsten des Schmalkaldischen Bundes gegen Karl V., seinen Nebenbuhler, aufforderte, erlaubt er dem Blutdurst seiner Inquisitoren, gegen das schuldlose Volk der Waldenser, ihre Glaubensgenossen, mit Schwert und Feuer zu wüthen. Barbarisch und schrecklich, sagt der Geschichtschreiber de Thou, war der Spruch, der gegen sie gefällt ward, barbarischer noch und schrecklicher seine Vollstreckung. Zwei und zwanzig Dörfer legte man in die Asche, mit einer Unmenschlichkeit, wovon sich bei den rohesten Völkern kein Beispiel findet. Die unglückseligen Bewohner, bei Nachtzeit überfallen und bei dem Schein ihrer brennenden Habe von Gebirge zu Gebirge gescheucht, entrannen hier einem Hinterhalte nur, um dort in einen andern zu fallen. Das jämmerliche Geschrei der Alten, der Frauenspersonen und der Kinder, weit entfernt, das Tigerherz der Soldaten zu erweichen, diente zu nichts, als diese letztern auf die Spur der Flüchtigen zu führen und ihrer Mordbegier das Opfer zu verrathen. Ueber siebenhundert dieser Unglücklichen wurden in der einzigen Stadt Cabrières mit kalter Grausamkeit erschlagen, alle Frauenspersonen dieses Orts im Dampf einer brennenden Scheune erstickt und die, welche sich von oben herab flüchten wollten, mit Piken aufgefangen. Selbst an dem Erdreich, welches der Fleiß dieses sanften Volks aus einer Wüste zum blühenden Garten gemacht hatte, ward der vermeintliche Irrglaube seiner Pflüger bestraft. Nicht bloß die Wohnungen riß man nieder, auch die Bäume wurden umgehauen, die Saaten zerstört, die Felder verwüstet und das lachende Land in eine traurige Wildniß verwandelt.
Der Unwille, den diese eben so unnütze als beispiellose Grausamkeit erweckte, führte dem Protestantismus mehr Bekenner zu, als der inquisitorische Eifer der Geistlichkeit würgen konnte. Mit jedem Tage wuchs der Anhang der Neuerer, besonders seitdem in Genf Calvin mit einem neuen Religionssystem aufgetreten war und durch seine Schrift vom christlichen Unterricht die schwankenden Lehrmeinungen fixiert, dem ganzen Gottesdienst eine mehr regelmäßige Gestalt gegeben und die unter sich selbst nicht recht einigen Glieder seiner Kirche unter einer bestimmten Glaubensformel vereinigt hatte. In kurzem gelang es der strengeren und einfacheren Religion des französischen Apostels, bei seinen Landsleuten Luthern selbst zu verdrängen, und seine Lehre fand eine desto günstigere Aufnahme, je mehr sie von Mysterien und lästigen Gebräuchen gereinigt war, und je mehr sie es der lutherischen an Entfernung vom Papstthum zuvorthat.
Das Blutbad unter den Waldensern zog die Calvinisten, deren Erbitterung jetzt keine Furcht mehr kannte, an das Licht hervor. Nicht zufrieden, wie bisher, sich im Dunkel der Nacht zu versammeln, wagten sie es jetzt, durch öffentliche Zusammenkünfte den Nachforschungen der Obrigkeit Hohn zu sprechen und selbst in den Vorstädten von Paris die Psalmen des Marot in großen Versammlungen abzusingen. Der Reiz des Neuen führte bald ganz Paris herbei, und mit dem Wohlklang und der Anmuth dieser Lieder wußte sich ihre Religion selbst in manche Gemüther zu schmeicheln. Der gewagte Schritt hatte ihnen zugleich ihre furchtbare Anzahl gezeigt, und bald folgten die Protestanten in dem übrigen Königreich dem Beispiel, das ihre Brüder in der Hauptstadt gegeben.
Heinrich II., ein noch strengerer Verfolger ihrer Partei als sein Vater, nahm jetzt vergebens alle Schrecken der königlichen Strafgewalt gegen sie zu Hilfe. Vergebens wurden die Edikte geschärft, welche ihren Glauben verdammten. Umsonst erniedrigte sich dieser Fürst so weit, durch seine königliche Gegenwart den Eindruck ihrer Hinrichtungen zu erhöhen und ihre Henker zu ermuntern. In den großen Städten Frankreichs rauchten Scheiterhaufen, und nicht einmal aus seiner eigenen Gegenwart konnte Heinrich den Calvinismus verbannen. Diese Lehre hatte unter der Armee, auf den Gerichtsstühlen, hatte selbst an seinem Hof zu St. Germain Anhänger gefunden, und Franz von Coligny, Herr von Andelot, Obrister des französischen Fußvolks, erklärte dem König mit dreister Stirn ins Gesicht, daß er lieber sterben wolle, als eine Messe besuchen.
Endlich aufgeschreckt von der immer mehr um sich greifenden Gefahr, welche die Religion seiner Völker und, wie man ihn fürchten ließ, selbst seinen Thron bedrohte, überließ sich dieser Fürst allen gewalttätigen Maßregeln, welche die Habsucht der Höflinge und der unreine Eifer des Clerus ihm diktierte. Um durch einen entscheidenden Schritt den Muth der Partei auf einmal zu Boden zu schlagen, erschien er eines Tages selbst im Parlamente, ließ dort fünf Glieder dieses Gerichtshofs, die sich den neuen Meinungen günstig zeigten, gefangen nehmen und gab Befehl, ihnen schleunig den Prozeß zu machen. Von jetzt an erfuhr die neue Sekte keine Schonung mehr. Das verworfne Gezücht der Angeber wurde durch versprochne Belohnungen ermuntert, alle Gefängnisse des Reichs in kurzem mit Schlachtopfern der Unduldsamkeit angefüllt; Niemand wagte es, für sie die Stimme zu erheben. Die reformierte Partei in Frankreich stand jetzt, 1559, am Rand ihres Untergangs; ein mächtiger unwiderstehlicher Fürst, mit ganz Europa im Frieden und unumschränkter Herr von allen Kräften des Königreichs, zu diesem großen Werke von dem Papst und von Spanien selbst begünstigt, hatte ihr das Verderben geschworen. Ein unerwarteter Glücksfall mußte sich ins Mittel schlagen, dieses abzuwenden, welches auch geschah. Ihr unversöhnlicher Feind starb mitten unter diesen Zurüstungen, von einem Lanzensplitter verwundet, der ihm bei einem festlichen Turnier in das Auge flog.
Dieser unverhoffte Hintritt Heinrichs II. war der Eingang zu den gefährlichen Zerrüttungen, welche ein halbes Jahrhundert lang das Königreich zerrissen und die Monarchie ihrem gänzlichen Untergang nahe brachten. Heinrich hinterließ seine Gemahlin Katharina, aus dem herzoglichen Hause von Medicis in Florenz, nebst vier unreifen Söhnen, unter denen der älteste, Franz, kaum das sechzehnte Jahr erreicht hatte. Der König war bereits mit der jungen Königin von Schottland, Maria Stuart, vermählt, und so mußte sich das Scepter zweier Reiche in zwei Händen vereinigen, die noch lange nicht geschickt waren, sich selbst zu regieren. Ein Heer von Ehrgeizigen streckte schon gierig die Hände darnach aus, es ihnen zu erleichtern, und Frankreich war das unglückliche Opfer des Kampfs, der sich darüber entzündete.
Besonders waren es zwei mächtige Faktionen, welche sich ihren Einfluß bei dem jungen Regentenpaar und die Verwaltung des Königreichs streitig machten. An der Spitze der einen stand der Connetable von Frankreich, Anna von Montmorency, Minister und Günstling des verstorbnen Königs, um den er sich durch seinen Degen und einen strengen, über alle Verführung erhabnen Patriotismus verdient gemacht hatte. Ein gleichmütiger, unbeweglicher Charakter, den keine Widerwärtigkeit erschüttern, kein Glücksfall schwindlicht machen konnte. Diesen gesetzten Geist hatte er bereits unter den vorigen Regierungen bewiesen, wo er mit gleicher Gelassenheit und mit gleich standhaftem Muth den Wankelmuth seines Monarchen und den Wechsel des Kriegsglücks ertrug. Der Soldat wie der Höfling, der Financier wie der Richter zitterten vor seinem durchdringenden Blick, den keine Täuschung blendete, vor diesem Geiste der Ordnung, der keinen Fehltritt vergab, vor dieser festen Tugend, über die keine Versuchung Macht hatte. Aber in der rauhen Schule des Kriegs erwachsen und an der Spitze der Armeen gewöhnt, unbedingten Gehorsam zu erzwingen, fehlte ihm die Geschmeidigkeit des Staatsmanns und Höflings, welche durch Nachgeben siegt und durch Unterwerfung gebietet. Groß auf der Waffenbühne, verscherzte er seinen Ruhm auf der andern, welche der Zwang der Zeit ihm jetzt anwies, welche ihm Ehrgeiz und Patriotismus zu betreten befahlen. Solch ein Mann war nirgends an seinem Platze, als wo er herrschte, und nur gemacht, sich auf der ersten Stelle zu behaupten, aber nicht wohl fähig, mit hofmännischer Kunst darnach zu ringen.
Lange Erfahrung, Verdienste um den Staat, die selbst der Neid nicht zu verringern wagte, eine Redlichkeit, der auch seine Feinde huldigten, die Gunst des verstorbnen Monarchen, der Glanz seines Geschlechts schienen den Connetable zu dem ersten Posten im Staat zu berechtigen und jeden fremden Anspruch im Voraus zu entfernen. Aber ein Mann gehörte auch dazu, das Verdienst eines solchen Dieners zu würdigen, und eine ernstliche Liebe zum allgemeinen Wohl, um seinem gründlichen innern Werth die rauhe Außenseite zu vergeben. Franz II. war ein Jüngling, den der Thron nur zum Genusse, nicht zur Arbeit rief, dem ein so strenger Aufseher seiner Handlungen nicht willkommen sein konnte, Montmorencys austere Tugend, die ihn bei dem Vater und Großvater in Gunst gesetzt hatte, gereichte ihm bei dem leichtsinnigen, schwachen Sohn zum Verbrechen und machte es der entgegengesetzten Cabale leicht, über diesen Gegner zu triumphieren.
Die Guisen, ein nach Frankreich verpflanzter Zweig des Lothringischen Fürstenhauses, waren die Seele dieser furchtbaren Faktion. Franz von Lothringen, Herzog von Guise, Oheim der regierenden Königin, vereinigte in seiner Person alle Eigenschaften, welche die Aufmerksamkeit der Menschen fesseln und eine Herrschaft über sie erwerben. Frankreich verehrte in ihm seinen Retter, den Wiederhersteller seiner Ehre vor der ganzen europäischen Welt. An seiner Geschicklichkeit und seinem Muth war das Glück Karls V. gescheitert; seine Entschlossenheit hatte die Schande der Vorfahren ausgelöscht und den Engländern Calais, ihre letzte Besitzung auf französischem Boden, nach einem zweihundertjährigen Besitze entrissen. Sein Name war in Aller Munde, seine Bewundrung lebte in Aller Herzen. Mit dem weitsehenden Herrscherblicke des Staatsmanns und Feldherrn verband er die Kühnheit des Helden und die Gewandtheit des Höflings. Wie das Glück, so hatte schon die Natur ihn zum Herrscher der Menschen gestempelt. Edel gebildet, von erhabner Statur, königlichem Anstand und offner gefälliger Miene, hatte er schon die Sinne bestochen, ehe er die Gemüther sich unterjochte. Den Glanz seines Ranges und seiner Macht erhob eine natürliche angestammte Würde, die, um zu herrschen, keines äußern Schmucks zu bedürfen schien. Herablassend, ohne sich zu erniedrigen, mit dem Geringsten gesprächig, frei und vertraulich, ohne die Geheimnisse seiner Politik preiszugeben, verschwenderisch gegen seine Freunde und großmüthig gegen den entwaffneten Feind, schien er bemüht zu sein, den Neid mit seiner Größe, den Stolz einer eifersüchtigen Nation mit seiner Macht auszusöhnen. Alle diese Vorzüge aber waren nur Werkzeuge einer unersättlichen stürmischen Ehrbegierde, die, von keinem Hinderniß geschreckt, von keiner Betrachtung aufgehalten, ihrem hochgesteckten Ziel furchtlos entgegenging und, gleichgültig gegen das Schicksal von Tausenden, von der allgemeinen Verwirrung nur begünstigt, durch alle Krümmungen der Cabale und mit allen Schrecknissen der Gewalt ihre verwegnen Entwürfe verfolgte. Dieselbe Ehrfurcht, von nicht geringern Gaben unterstützt, beherrschte den Cardinal von Lothringen, Bruder des Herzogs, der, eben so mächtig durch Wissenschaft und Beredsamkeit, als jener durch seinen Degen, furchtbarer im Scharlach als der Herzog im Panzerhemd, seine Privatleidenschaften mit dem Schwert der Religion bewaffnete und die schwarzen Entwürfe seiner Ehrsucht mit diesem heiligen Schleier bedeckte. Ueber den gemeinschaftlichen Zweck einverstanden, theilte sich dieses unwiderstehliche Brüderpaar in die Nation, die, ehe sie es wußte, in seinen Fesseln sich krümmte.
Leicht war es beiden Brüdern, sich der Neigung des jungen Königs zu bemächtigen, den seine Gemahlin, ihre Nichte, unumschränkt leitete; schwerer, die Königin Mutter Katharine für ihre Absichten zu gewinnen. Der Name einer Mutter des Königs machte sie an einem getheilten Hofe mächtig, mächtiger noch die natürliche Ueberlegenheit ihres Bestandes über das Gemüth ihres schwachen Sohnes; ein verborgner, in Ränken erfinderischer Geist, mit einer grenzenlosen Begierde zum Herrschen vereinigt, konnte sie zu einer furchtbaren Gegnerin machen. Ihre Gunst zu erschleichen, wurde deßwegen kein Opfer gespart, keine Erniedrigung gescheuet. Keine Pflicht war so heilig, die man nicht verletzte, ihren Neigungen zu schmeicheln; keine Freundschaft so festgeknüpft, die nicht zerrissen wurde, ihrer Rachsucht ein Opfer preiszugeben; keine Feindschaft so tief gewurzelt, die man nicht gegen ihre Günstlinge ablegte. Zugleich unterließ man nichts, was den Connetable bei der Königin stürzen konnte, und so gelang es wirklich der Cabale, die gefährliche Verbindung zwischen Katharinen und diesem Feldherrn zu verhindern.
Unterdessen hatte der Connetable alles in Bewegung gesetzt, sich einen furchtbaren Anhang zu verschaffen, der die lothringische Partei überwiegen könnte. Kaum war Heinrich todt, so wurden alle Prinzen von Geblüt, und unter diesen besonders Anton von Bourbon, König von Navarra, von ihm herbeigerufen, bei dem Monarchen den Posten einzunehmen, zu dem ihr Rang und ihre Geburt sie berechtigte. Aber ehe sie noch Zeit hatten, zu erscheinen, waren ihnen die Guisen schon bei dem Könige zuvorgekommen. Dieser erklärte den Abgesandten des Parlaments, die ihn zu seinem Regierungsantritt begrüßten, daß man sich künftig in jeder Angelegenheit des Staats an die lothringischen Prinzen zu wenden habe. Auch nahm der Herzog sogleich Besitz von dem Commando der Truppen; der Cardinal von Lothringen erwählte sich den wichtigen Artikel der Finanzen zu seinem Antheil. Montmorency erhielt eine frostige Weisung, sich auf seinen Gütern zur Ruhe zu begeben. Die mißvergnügten Prinzen von Geblüte hielten darauf eine Zusammenkunft zu Vendome, welche der Connetable abwesend leitete, um sich über die Maßregeln gegen den gemeinschaftlichen Feind zu bereden. Den Beschlüssen derselben zufolge wurde der König von Navarra an den Hof abgeschickt, bei der Königin Mutter noch einen letzten Versuch der Unterhandlung zu wagen, ehe man sich gewaltsame Mittel erlaubte. Dieser Auftrag war einer allzu ungeschickten Hand anvertraut, um seinen Zweck nicht zu verfehlen. Anton von Navarra, von der Allgewalt der Guisen in Furcht gesetzt, die sich ihm in der ganzen Fülle ihrer Herrlichkeit zeigten, verließ Paris und den Hof unverrichteter Dinge, und die lothringischen Brüder blieben Meister vom Schauplatz.
Dieser leichte Sieg machte sie keck, und jetzt fingen sie an, keine Schranken mehr zu scheuen. Im Besitz der öffentlichen Einkünfte, hatten sie bereits unsägliche Summen verschwendet, um ihre Creaturen zu belohnen. Ehrenstellen, Pfründen, Pensionen wurden mit freigebiger Hand zerstreut, aber mit dieser Verschwendung wuchs nur die Gierigkeit der Empfänger und die Zahl der Candidaten, und was sie bei dem kleinern Theil dadurch gewannen, verdarben sie bei einem weit größern, welcher leer ausging. Die Habsucht, mit der sie sich selbst den besten Theil an dem Raube des Staats zueigneten, der beleidigende Trotz, mit dem sie sich auf Unkosten der vornehmsten Häuser in die wichtigsten Bedienungen eindrängten, machte allgemein die Gemüther schwierig; nichts aber war für die Franzosen empörender, als was sich der hochfahrende Stolz des Cardinals von Lothringen zu Fontainebleau erlaubte. An diesen Lustort, wo der Hof sich damals aufhielt, hatte die Gegenwart des Monarchen eine große Menge von Personen gezogen, die entweder um rückständigen Sold und Gnadengelder zu flehen oder für ihre geleisteten Dienste die verdienten Belohnungen einzufordern gekommen waren. Das Ungestüm dieser Leute, unter denen sich zum Theil die verdientesten Officiers der Armee befanden, belästigte den Cardinal. Um sich ihrer auf einmal zu entledigen, ließ er nahe am königlichen Schlosse einen Galgen aufrichten und zugleich durch den öffentlichen Ausrufer verkündigen, daß Jeder, weß Standes er auch sei, den ein Anliegen nach Fontainebleau geführt, bei Strafe dieses Galgens, innerhalb vierundzwanzig Stunden Fontainebleau zu räumen habe. Behandlungen dieser Art erträgt der Franzose nicht und darf sie unter allen Völkern von seinem Könige am wenigsten ertragen. Zwar ward es an einem einzigen Tage dadurch leer in Fontainebleau, aber zugleich wurde auch der Keim des Unmuths in mehr als tausend Herzen nach allen Provinzen des Königreichs mit hinweg getragen.
Bei den Fortschritten, welche der Calvinismus gegen das Ende von Heinrichs Regierung in dem Königreich gethan hatte, war es von der größten Wichtigkeit, welche Maßregeln die neuen Minister dagegen ergreifen würden. Aus Ueberzeugung sowohl als Interesse eifrige Anhänger des Papstes, vielleicht damals schon geneigt, sich beim Drang der Umstände auf spanische Hilfe zu stützen, zugleich von der Nothwendigkeit überzeugt, die zahlreichste und mächtigste Hälfte der Nation durch einen wahren oder verstellten Glaubenseifer zu gewinnen, konnten sie sich keinen Augenblick über die Partei bedenken, welche unter diesen Umständen zu ergreifen war. Heinrich II. hatte noch kurz vor seinem Ende den Untergang der Calvinisten beschlossen, und man brauchte bloß der schon angefangenen Verfolgung den Lauf zu lassen, um dieses Ziel zu erreichen. Sehr kurz also war die Frist, welche der Tod dieses Königs den Protestanten vergönnte. In seiner ganzen Wuth erwachte der Verfolgungsgeist wieder, und die lothringischen Prinzen bedachten sich um so weniger, gegen eine Religionspartei zu wüthen, die ein großer Theil ihrer Feinde längst im Stillen begünstigte.
Der Proceß des berühmten Parlamentsraths Anna du Bourg verkündigte die blutigen Maßregeln der neuen Regierung. Er büßte seine fromme Sündhaftigkeit am Galgen; die vier übrigen Räthe, welche zugleich mit ihm gefangen gesetzt worden, erfuhren eine gelindere Behandlung. Dieser unzweideutige öffentliche Schritt der lothringischen Prinzen gegen den Calvinismus verschaffte den mißvergnügten Großen eine erwünschte Gelegenheit, die ganze reformierte Partei gegen das Ministerium in Harnisch zu bringen und die Sache ihrer gekränkten Ehrsucht zu einer Sache der Religion, zu einer Angelegenheit der ganzen protestantischen Kirche zu machen. Jetzt also geschah die unglücksvolle Verwechselung politischer Beschwerden mit dem Glaubens-Interesse, und wider die politische Unterdrückung wurde der Religionsfanatismus zu Hilfe gerufen. Mit etwas mehr Mäßigung gegen die mißtrauischen Calvinisten war es den Guisen leicht, den durch ihre Zurücksetzung erbitterten Großen eine furchtbare Stütze zu entziehen und so einen schrecklichen Bürgerkrieg in der Geburt zu ersticken. Dadurch, daß sie beide Parteien, die Mißvergnügten und die durch ihre Zahl bereits furchtbaren Calvinisten, aufs Aeußerste brachten, zwangen sie beide, einander zu suchen, ihre Rachgier und ihre Furcht sich wechselseitig mitzutheilen, ihre verschiednen Beschwerden zu vermengen und ihre getheilten Kräfte in einer einzigen drohenden Faktion zu vereinigen. Von jetzt an sah der Calviniste in den Lothringern nur die Unterdrücker seines Glaubens und in Jedem, den ihr Haß verfolgte, nur ein Opfer ihrer Intoleranz, welches Rache forderte. Von jetzt an erblickte der Katholike in eben diesen Lothringern nur die Beschützer seiner Kirche und in Jedem, der gegen sie aufstand, nur den Hugenotten, der die rechtgläubige Kirche zu stürzen suche. Jede Partei erhielt jetzt einen Anführer, jeder ehrgeizige Große eine mehr oder minder furchtbare Partei. Das Signal zu einer allgemeinen Trennung ward gegeben, und die ganze hintergangne Nation in den Privatstreit einiger gefährlichen Bürger gezogen.
An die Spitze der Calvinisten stellten sich die Prinzen von Bourbon, Anton von Navarra und Ludwig Prinz von Condé, nebst der berühmten Familie der Chatillons, durch den großen Namen des Admirals von Coligny in der Geschichte verherrlicht. Ungern genug riß sich der wollüstige Prinz von Condé aus dem Schooß des Vergnügens, um das Haupt einer Partei gegen die Guisen zu werden; aber das Uebermaß ihres Stolzes und eine Reihe erlittner Beleidigungen hatten seinen schlummernden Ehrgeiz endlich aus einer trägen Sinnlichkeit erweckt; die dringenden Aufforderungen der Chatillons zwangen ihn, das Lager der Wollust mit dem politischen und kriegerischen Schauplatz zu vertauschen. Das Haus Chatillon stellte in diesem Zeitraum drei unvergleichliche Brüder auf, von denen der Aelteste, Admiral Coligny, der öffentlichen Sache durch seinen Feldherrngeist, seine Weisheit, seinen ausdauernden Muth, der zweite, Franz von Andelot, durch seinen Degen, der dritte, Cardinal von Chatillon, Bischof von Beauvais, durch seine Geschicklichkeit in Unterhandlungen und seine Verschlagenheit diente. Eine seltne Harmonie der Gesinnungen vereinigte diese sich sonst so ungleichen Charaktere zu einem furchtbaren Dreiblatt, und die Würden, welche sie bekleideten, die Verbindungen, in denen sie standen, die Achtung, welche ihr Name zu erwecken gewohnt war, gaben der Unternehmung ein Gewicht, an deren Spitze sie traten.
Auf einem von den Schlössern des Prinzen von Condé, an der Grenze der Picardie, hielten die Mißvergnügten eine geheime Versammlung, auf welcher ausgemacht wurde, den König aus der Mitte seiner Minister zu entführen und sich zugleich dieser Letztern todt oder lebendig zu bemächtigen. So weit war es gekommen, daß man die Person des Monarchen bloß als eine Sache betrachtete, die an sich selbst nichts bedeutete, aber in den Händen Derer, welche sich ihres Besitzes rühmten, ein furchtbares Instrument der Macht werden konnte. Da dieser verwegene Entwurf nur mit den Waffen in der Hand konnte durchgesetzt werden, so ward auf eben dieser Versammlung beschlossen, eine militärische Macht aufzubringen, welche sich alsdann in einzelnen kleinen Haufen, um keinen Verdacht zu erregen, aus allen Distrikten des Königreichs in Blois zusammenziehen sollte, wo der Hof das Frühjahr zubringen würde. Da sich die ganze Unternehmung als eine Religionssache abschildern ließ, so hielt man sich der kräftigsten Mitwirkung der Calvinisten versichert, deren Anzahl im Königreich damals schon auf zwei Millionen geschätzt wurde. Aber auch viele der aufrichtigsten Katholiken zog man durch die Vorstellung, daß es nur gegen die Guisen abgesehen sei, in die Verschwörung. Um den Prinzen von Condé, als den eigentlichen Chef der ganzen Unternehmung, der aber für rathsam hielt, vorjetzt noch unsichtbar zu bleiben, desto besser zu verbergen, gab man ihr einen untergeordneten sichtbaren Anführer in der Person eines gewissen Renaudie, eines Edelmanns aus Perigord, den sein verwegner, in schlimmen Händeln und Gefahren bewährter Muth, seine unermüdete Thätigkeit, seine Verbindungen im Staat und der Zusammenhang mit den ausgewanderten Calvinisten zu diesem Posten besonders geschickt machten. Verbrechen halber hatte derselbe längst schon die Rolle eines Flüchtlings spielen müssen, und die Kunst der Verborgenheit, welche sein jetziger Auftrag von ihm forderte, zu seiner eignen Erhaltung in Ausübung bringen lernen. Die ganze Partei kannte ihn als ein entschloßnes, jedem kühnen Streiche gewachsenes Subjekt, und die enthusiastische Zuversicht, die ihn selbst über jedes Hinderniß erhob, konnte sich von ihm aus allen Mitgliedern der Verschwörung mittheilen.
Die Vorkehrungen wurden aufs beste getroffen und alle möglichen Zufälle im Voraus in Berechnung gebracht, um dem Ohngefähr so wenig als möglich anzuvertrauen. Renaudie erhielt eine ausführliche Instruktion, worin nichts vergessen war, was der Unternehmung einen glücklichen Ausschlag zusichern konnte. Der eigentliche verborgne Führer derselben, hieß es, würde sich nennen und öffentlich hervortreten, sobald es zur Ausführung käme. Zu Nantes in Bretagne, wo eben damals das Parlament seine Sitzungen hielt und eine Reihe von Lustbarkeiten, zu denen die Vermählungsfeier einiger Großen dieser Provinz die zufällige Veranlassung gab, die herbeiströmende Menge schicklich entschuldigen konnte, versammelte Renaudie im Jahr 1560 seine Edelleute. Aehnliche Umstände nutzten wenige Jahre nachher die Geusen in Brüssel, um ihr Complott gegen den spanischen Minister Granvella zu Stande zu bringen. In einer Rede voll Beredsamkeit und Feuer, welche uns der Geschichtschreiber de Thou aufbehalten hat, entdeckte Renaudie Denen, die es noch nicht wußten, die Absicht ihrer Zusammenberufung und suchte die Uebrigen zu einer thätigen Theilnahme anzufeuern. Nichts wurde darin gespart, die Guisen in das gehässigste Licht zu setzen, und mit arglistiger Kunst alle Uebel, von welchen die Nation seit ihrem Eintritt in Frankreich heimgesucht worden, auf ihre Rechnung geschrieben. Ihr schwarzer Entwurf sollte sein, durch Entfernung der Prinzen von Geblüt, der Verdientesten und Edelsten von des Königs Person und der Staatsverwaltung den jungen Monarchen, dessen schwächliche Person, wie man sich merken ließ, in solchen Händen nicht am sichersten aufgehoben wäre, zu einem blinden Werkzeug ihres Willens zu machen und, wenn es auch durch Ausrottung der ganzen königlichen Familie geschehen sollte, ihrem eigenen Geschlecht den Weg zu dem französischen Throne zu bahnen. Dies einmal vorausgesetzt, war keine Entschließung so kühn, kein Schritt gegen sie so strafbar, den nicht die Ehre selbst und die reinste Liebe zum Staat rechtfertigen konnte, ja gebot. »Was mich betrifft,« schloß der Redner mit dem heftigsten Uebergang, »so schwöre ich, so betheure ich und nehme den Himmel zum Zeugen, daß ich weit entfernt bin, etwas gegen den Monarchen, gegen die Königin, seine Mutter, gegen die Prinzen seines Bluts weder zu denken, noch zu reden, noch zu thun; aber ich betheure und schwöre, daß ich bis zu meinem letzten Hauch gegen die Eingriffe dieser Ausländer vertheidigen werde die Majestät des Throns und die Freiheit des Vaterlandes.«
Eine Erklärung dieser Art konnte ihren Eindruck auf Männer nicht verfehlen, die, durch so viele Privatbeschwerden aufgebracht, von dem Schwindel der Zeit und einem blinden Religionseifer hingerissen, der heftigsten Entschließungen fähig waren. Alle wiederholten einstimmig diesen Eidschwur, den sie schriftlich aufsetzten und durch Handschlag und Umarmung besiegelten. Merkwürdig ist die Aehnlichkeit, welche sich zwischen dem Betragen dieser Verschwornen zu Nantes und dem Verfahren der Conföderirten in Brüssel entdecken läßt. Dort wie hier ist es der rechtmäßige Oberherr, den man gegen die Anmaßungen seines Ministers zu vertheidigen scheinen will, während daß man kein Bedenken trägt, eins seiner heiligsten Rechte, seine Freiheit in der Wahl seiner Diener, zu kränken; dort wie hier ist es der Staat, den man gegen Unterdrückung sicher zu stellen sich das Ansehen geben will, indem man ihn doch offenbar allen Schrecknissen eines Bürgerkriegs überliefert. Nachdem man über die zu nehmenden Maßregeln einig war und den 15. Mai 1560 zum Termin, die Stadt Blois zu dem Ort der Vollstreckung bestimmt hatte, schied man auseinander, jeder Edelmann nach seiner Provinz, um die nöthige Mannschaft in Bewegung zu setzen. Dies geschah mit dem besten Erfolge, und das Geheimniß des Entwurfes litt nichts durch die Menge Derer, die zur Vollstreckung nöthig waren. Der Soldat verdingte sich dem Capitän, ohne den Feind zu wissen, gegen den er zu fechten bestimmt war. Aus den entlegeneren Provinzen fingen schon kleine Haufen an zu marschieren, welche immer mehr anschwellten, je näher sie ihrem Standorte kamen. Truppen häuften sich schon im Mittelpunkt des Reichs, während die Guisen zu Blois, wohin sie den König gebracht hatten, noch in sorgloser Sicherheit schlummerten. Ein dunkler Wink, der sie vor einem ihnen drohenden Anschlage warnte, zog sie endlich aus dieser Ruhe und vermochte sie, den Hof von Blois nach Amboise zu verlegen, welche Stadt ihrer Citadelle wegen gegen einen unvermutheten Ueberfall länger, wie man hoffte, zu behaupten war.
Dieser Querstreich konnte bloß eine kleine Abänderung in den Maßregeln der Verschworenen bewirken, aber im Wesentlichen ihres Entwurfs nichts verändern. Alles ging ungehindert seinen Gang, und nicht ihrer Wachsamkeit, nicht der Verrätherei eines Mitverschwornen, dem bloßen Zufall dankten die Guisen ihre Errettung. Renaudie selbst beging die Unvorsichtigkeit, einem Advocaten zu Paris, mit Namen Avenelles, seinem Freund, bei dem er wohnte, den ganzen Anschlag zu offenbaren, und das furchtsame Gewissen dieses Mannes verstattete ihm nicht, ein so gefährliches Geheimniß bei sich zu behalten. Er entdeckte es einem Geheimschreiber des Herzogs von Guise, der ihn in größter Eile nach Amboise schaffen ließ, um dort seine Aussage vor dem Herzoge zu wiederholen. So groß die Sorglosigkeit der Minister gewesen, so groß war jetzt ihr Schrecken, ihr Mißtrauen, ihre Verwirrung. Was sie umgab, ward ihnen verdächtig. Bis in die Löcher der Gefängnisse suchte man, um dem Complot auf den Grund zu kommen. Weil man nicht mit Unrecht voraussetzte, daß die Chatillons um den Anschlag wüßten, so berief man sie unter einem schicklichen Vorwand nach Amboise, in der Hoffnung, sie hier besser beobachten zu können. Als man ihnen in Absicht der gegenwärtigen Umstände ihr Gutachten abforderte, bedachte Coligny sich nicht, aufs heftigste gegen die Minister zu reden und die Sache der Reformierten aufs lebhafteste zu verfechten. Seine Vorstellungen, mit der gegenwärtigen Furcht verbunden, wirkten auch so viel auf die Mehrheit des Staatsraths, daß ein Edikt abgefaßt wurde, welches die Reformierten, mit Ausnahme ihrer Prediger und Aller, die sich in gewaltthätige Anschläge eingelassen, vor der Verfolgung in Sicherheit setzte. Aber dieses Nothmittel kam jetzt zu spät, und die Nachbarschaft von Amboise fing an, sich mit Verschwornen anzufüllen. Condé selbst erschien in starker Begleitung an diesem Ort, um die Aufrührer im entscheidenden Augenblick unterstützen zu können. Eine Anzahl derselben, hatte man ausgemacht, sollte sich ganz unbewaffnet und unter dem Vorgeben, eine Bittschrift überreichen zu wollen, an den Thoren von Amboise melden und, wofern sie keinen Widerstand fänden, mit Hilfe ihrer überlegenen Menge von den Straßen und Wällen Besitz nehmen. Zur Sicherheit sollten sie von einigen Schwadronen unterstützt werden, die auf das erste Zeichen des Widerstandes herbeieile und in Verbindung mit dem um die Stadt herum verbreiteten Fußvolk sich der Thore bemächtigen würden. Indem dies von außen her vorginge, würden die in der Stadt selbst verborgenen, meistens im Gefolge des Prinzen versteckten Theilhaber der Verschwörung zu den Waffen greifen und sich unverzüglich der lothringischen Prinzen, lebendig oder todt, versichern. Der Prinz von Condé zeigte sich dann öffentlich als das Haupt der Partei und ergriff ohne Schwierigkeit das Steuer der Regierung.
Dieser ganze Operationsplan wurde dem Herzog von Guise verrätherischer Weise mitgetheilt, der sich dadurch in den Stand gesetzt sah, bestimmtere Maßregeln dagegen zu ergreifen. Er ließ schleunig Soldaten werben und schickte allen Statthaltern der Provinzen Befehl zu, jeden Haufen von Gewaffneten, der auf dem Weg nach Amboise begriffen sei, aufzuheben. Der ganze Adel der Nachbarschaft wurde aufgeboten, sich zum Schutz des Monarchen zu bewaffnen. Mittelst scheinbarer Aufträge wurden die Verdächtigsten entfernt, die Chatillons und der Prinz von Condé in Amboise selbst beschäftigt und von Kundschaftern umringt, die königliche Leibwache abgewechselt, die zum Angriff bezeichneten Thore vermauert. Außerhalb der Stadt streiften zahlreiche fliegende Corps, die verdächtigen Ankömmlinge zu zerstreuen oder niederzuwerfen, und der Galgen erwartete Jeden, den das Unglück traf, lebendig in ihre Hände zu gerathen.
Unter diesen nachtheiligen Umständen langte Renaudie vor Amboise an. Ein Haufe von Verschwornen folgte auf den andern, das Unglück ihrer vorangegangenen Brüder schreckte die kommenden nicht ab. Der Anführer unterließ nichts, durch seine Gegenwart die Fechtenden zu ermuntern, die Zerstreuten zu sammeln, die Fliehenden zum Stehen zu bewegen. Allein, und nur von einem einzigen Mann begleitet, streifte er durch das Feld umher und wurde in diesem Zustand von einem Trupp königlicher Reiter nach dem tapfersten Widerstand erschossen. Seinen Leichnam schaffte man nach Amboise, wo er mit der Aufschrift: » Haupt der Rebellen,« am Galgen aufgeknüpft wurde. Ein Edikt folgte unmittelbar auf diesen Vorfall, welches jedem seiner Mitschuldigen, der die Waffen sogleich niederlegen würde, Amnestie zusicherte. Im Vertrauen auf dasselbe machten sich Viele schon auf den Rückweg, fanden aber bald Ursache, es zu bereuen. Ein letzter Versuch, den die Zurückgebliebnen gemacht hatten, sich der Stadt Amboise zu bemächtigen, der aber wie die vorigen vereitelt wurde, erschöpfte die Mäßigung der Guisen und brachte sie so weit, das königliche Wort zu widerrufen. Alle Provinzstatthalter erhielten jetzt Befehl, sich auf die Rückkehrenden zu werfen, und in Amboise selbst ergingen die fürchterlichsten Proceduren gegen Jeden, der den Lothringern verdächtig war. Hier wie im ganzen Königreich floß das Blut der Unglücklichen, die oft kaum das Verbrechen wußten, um derentwillen sie den Tod erlitten. Ohne alle Gerichtsform warf man sie, Arme und Füße gebunden, in die Loire, weil die Hände der Nachrichter nicht mehr zureichen wollten. Nur wenige von hervorstechenderem Range behielt man der Justiz vor, um durch ihre solenne Verurtheilung das vorhergegangene Blutbad zu beschönigen.