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Ein Zimmer im Serail.
Adelma allein.
Jetzt oder nie entspring' ich diesen Banden.
Fünf Jahre trag' ich schon den glühnden Haß
In meiner Brust verschlossen, heuchle Freundschaft
Und Treue für die Grausame, die mir
Den Bruder raubte, die mein ganz Geschlecht
Vertilgte, mich zu diesem Sklavenloos
Herunterstieß – In diesen Adern rinnt,
Wie in den ihren, königliches Blut;
Ich achte mich, wie sie, zum Thron geboren.
Und dienen soll ich ihr, mein Knie ihr beugen,
Die meines ganzen Hauses Mörderin,
Die meines Falles blut'ge Ursach ist.
Nicht länger duld' ich den verhaßten Zwang,
Erschöpft ist mir die Kraft, ich unterliege
Der lang getragnen Bürde der Verstellung.
Der Augenblick ist da, mich zu befrein,
Die Liebe soll den Rettungsweg mir bahnen.
All' meine Künste biet' ich auf – Entweder
Entdeck' ich sein Geheimniß oder schreck' ihn
Durch List aus diesen Mauern weg – Verhaßte!
Du sollst ihn nicht besitzen! Diesen Dienst
Will ich aus falschem Herzen dir noch leisten.
Mir selber dien' ich, süße Rache üb' ich,
Dein Herz zerreiß' ich, da ich deinem Stolz
Verräthrisch diene – ich durchschaute dich!
Du liebst ihn, aber darfst es nicht gestehn.
Du mußt ihn von dir stoßen und verwerfen,
Wider dich selber mußt du thöricht wüthen,
Den lächerlichen Ruhm dir zu bewahren;
Doch ewig bleibt der Pfeil in deiner Brust,
Ich kenn' ihn; nie vernarben seine Wunden.
– Dein Frieden ist vorbei! Du hast empfunden!
(Turandot erscheint im Hintergrund, auf Zelima gelehnt, welche beschäftigt ist, sie zu beruhigen.)
Sie kommt, sie ist's! Verzehrt von Scham und Wuth
Und von des Stolzes und der Liebe Streit!
Wie lab' ich mich an ihrer Seele Pein!
– Sie nähert sich – Laß hören, was sie spricht!
Turandot im Gespräch mit Zelima. Adelma, anfangs ungesehen.
Turandot. Hilf, rath mir, Zelima. Ich kann's nicht tragen,
Mich vor dem ganzen Divan überwunden
Zu geben! – Der Gedanke tödtet mich.
Zelima. Ist's möglich, Königin? Ein so edler Prinz
So liebeathmend und so liebenswerth,
Kann nichts als Haß und Abscheu –
Turandot. Abscheu! Haß! (Sie besinnt sich)
– Ich hass' ihn, ja. Abscheulich ist er mir!
Er hat im Divan meinen Ruhm vernichtet.
In allen Landen wird man meine Schande
Erfahren, meiner Niederlage spotten.
O, rette mich – In aller Frühe, will
Mein Vater, soll der Divan sich versammeln,
Und lös' ich nicht die aufgegebne Frage,
So soll in gleichem Augenblick das Band
Geflochten sein – – »Weß Stamms und Namen ist
»Der Prinz, der, um sein Leben zu erhalten,
»Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen
»Und Lasten um geringen Preis zu tragen;
»Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung
»Noch unglücksel'ger ist, als je zuvor?« –
– Daß dieser Prinz er selbst ist, seh' ich leicht.
Wie aber seinen Namen und Geschlecht
Entdecken, da ihn Niemand kennt, der Kaiser
Ihm selbst verstattet, unerkannt zu bleiben?
Geängstigt, wie ich war, geschreckt, gedrängt,
Ging ich die Wette unbedachtsam ein.
Ich wollte Frist gewinnen – Aber wo
Die Möglichkeit, es zu errathen? Sprich!
Wo eine Spur, die zu ihm leiten könnte?
Zelima. Es gibt hier kluge Frauen, Königin,
Die aus dem Thee- und Kaffeesatz wahrsagen –
Turandot. Du spottest meiner! Dahin kam's mit mir!
Zelima. Wozu auch überall der fremden Künste?
– O, seht ihn vor Euch stehn, den schönen Prinzen!
Wie rührend seine Klage war! Wie zärtlich
Er aus zerrißnem Herzen zu Euch flehte!
Wie edelmüthig er, sein selbst vergessen,
Zu Eures Vaters Füßen für Euch bat,
Für Euch, die kein Erbarmen mit ihm trug,
Zum zweitenmal sein kaum gerettet Leben
Darbot, um Eure Wünsche zu vergnügen!
Turandot (weggewendet). Still, still davon!
Zelima. Ihr kehrt Euch von mir ab!
Ihr seid gerührt! Ja, ja! Verbergt es nicht!
Und eine Thräne glänzt in Eurem Auge –
O, schämt Euch nicht der zarten Menschlichkeit!
Nie sah ich Euer Angesicht so schön.
O, macht ein Ende! Kommt – (Adelma ist im Begriff hervorzutreten.)
Turandot. Nichts mehr von ihm!
Er ist ein Mann. Ich hass' ihn, muß ihn hassen.
Ich weiß, daß alle Männer treulos sind,
Nichts lieben können als sich selbst; hinweg-
Geworfen ist an dies verräterische Geschlecht
Die schöne Neigung und die schöne Treue.
Geschmeid'ge Sklaven, wenn sie um uns werben,
Sind sie Tyrannen, gleich, wo sie besitzen.
Das blinde Wollen, den gereizten Stolz,
Das eigensinnig heftige Begehren,
Das nennen sie ihr Lieben und Verehren.
Das reißt sie blind zu unerhörter That,
Das treibt sie selber auf den Todespfad;
Das Weib allein kennt wahre Liebestreue.
– Nicht weiter, sag' ich dir. Gewinnt er morgen,
Ist mir der Tod nicht schrecklicher, als er.
Mich sah' die Welt, die mir gehässig ist,
Zu dem gemeinen Loos herabgewürdigt
An eines Mannes und Gebieters Hand!
Nein, nein! So tief soll Turandot nicht sinken!
– Ich seine Braut! Eh' in das offne Grab
Mich stürzen, als in eines Mannes Arme!
(Adelma hat sich wieder zurückgezogen.)
Zelima. Wohl mag's Euch kosten, Königin, ich glaub' es,
Von Eurer stolzen Höh' herabzusteigen,
Auf der die Welt Euch staunend hat gesehn.
Was ist der eitle Ruhm, wenn Liebe spricht?
Gesteht es, Eure Stunde ist gekommen!
Weg mit dem Stolze! Weicht der stärkeren
Gewalt – Ihr haßt ihn nicht, könnt ihn nicht hassen,
Warum dem eignen Herzen widerstreben?
Ergebt Euch dem geliebten Mann, und mag
Alsdann die Welt die Glückliche verhöhnen!
Adelma (ist horchend nach und nach näher gekommen und tritt jetzt hervor).
Wer von geringem Stand geboren ist,
Dem steht es an, wie Zelima zu denken.
Ein königliches Herz fühlt königlich.
– Vergib mir! Zelima! Dir ist es nicht gegeben,
An einer Fürstin Platz dich zu versetzen,
Die sich so hoch wie unsre Königin
Gestellt und jetzt, vor aller Menschen Augen,
Im Divan so herunter steigen soll,
Von einem schlechten Fremdling überwunden.
Mit meinen Augen sah ich den Triumph,
Den stolzen Hohn in aller Männer Blicken,
Als er die Rätsel unsrer Königin,
Als wären's Kinderfragen, spielend löste,
Der überlegnen Einsicht stolz bewußt.
O, in die Erde hätt' ich sinken mögen
Vor Scham und Wuth – Ich liebe meine schöne
Gebieterin; ihr Ruhm liegt mir am Herzen.
– Sie, die dem ganzen Volk der Männer Hohn
Gesprochen, dieses Mannes Frau!
Turandot. Erbittre mich
Nicht mehr!
Zelima. Das große Unglück, Frau zu werden!
Adelma. Schweig. Zelima! Man will von dir nicht wissen,
Wodurch ein edles Herz beleidigt wird.
Ich kann nicht schmeicheln. Grausam wär' es, hier
Zu schonen und die Wahrheit zu verhehlen.
Ist es schon hart genug, daß wir den Mann,
Den übermüthigen, zum Herrn uns geben,
So liegt doch Trost darin, daß wir uns selbst
Mit freier Wahl und Gunst an ihn verschenken,
Und seine Großmuth fesselt seinen Stolz.
Doch welches Loos trifft unsre Königin,
Wie hat sie selbst sich ihr Geschick verschlimmert!
Nicht ihrer freien Gunst und Zärtlichkeit,
Sich selbst nur, seinem siegenden Verstand
Wird sie der Stolze zu verdanken haben;
Als seine Beute führt er sie davon –
Wird er sie achten, Großmuth an ihr üben,
Die keine gegen ihn bewies, auf Tod
Und Leben ihn um sie zu kämpfen zwang,
Ihm nur als Preis des Sieges heimgefallen?
Wird er bescheiden seines Rechtes brauchen,
Das er nur seinem Recht verdankt?
Turandot (in der heftigsten Bewegung). Adelma, wisse!
Find' ich die Namen nicht, mitten im Tempel
Durchstoß' ich diese Brust mit einem Dolch.
Adelma. Faßt Muth, Gebieterin. Verzweifelt nicht!
Kunst oder List muß uns das Räthsel lösen.
Zelima. Gut. Wenn Adelma mehr versteht, als ich,
Und Euch so zugethan ist, wie sie sagt,
So helfe sie und schaffe Rath.
Turandot. Adelma!
Geliebte Freundin! Hilf mir, schaffe Rath!
Ich kenn' ihn nicht, weiß nicht, woher er kommt;
Wie kann ich sein Geschlecht und Namen wissen?
Adelma (nachsinnend). Laß sehn – Ich hab' es – hörte man ihn nicht
Im Divan sagen, hier in dieser Stadt,
In Peckin, lebe Jemand, der ihn kenne?
Man muß nachspüren, muß die ganze Stadt
Umkehren, weder Gold noch Schätze sparen –
Turandot. Nimm Gold und Edelsteine, spare nichts.
Kein Schatz ist mir zu groß, nur, daß ich's wisse!
Zelima. An wen uns damit wenden? Wo uns Raths
Erholen? – Und, gesetzt, wir fänden wirklich
Auf diesem Wege seinen Stand und Namen,
Wird es verborgen bleiben, daß Bestechung,
Nicht ihre Kunst das Räthsel uns verrathen?
Adelma. Wird Zelima wohl der Verräther sein?
Zelima. Das geht zu weit – Spart Euer Gold, Prinzessin!
Ich schwieg, ich hoffte Euer Herz zu rühren,
Euch zu bewegen, diesen würdigsten
Von allen Prinzen, den Ihr selbst nicht hasset,
Freiwillig zu belohnen – Doch Ihr wollt es!
So siege meine Pflicht und mein Gehorsam!
– Wißt also! Meine Mutter Skirina
War eben bei mir, war entzückt, zu hören,
Daß dieser Prinz die Räthsel aufgelöst,
Und von dem neuen Wettstreit noch nichts wissend,
Verrieth sie mir in ihrer ersten Freude,
Daß dieser Prinz in ihrem Haus geherbergt,
Daß Hassan ihn, ihr Gatte, sehr wohl kenne,
Wie seinen Herrn und lieben Freund ihn ehre.
Ich fragte nun nach seinem Stand und Namen;
Doch, dies sei noch ein Räthsel für sie selbst.
Spricht sie, das Hassan standhaft ihr verberge;
Doch hofft sie noch, es endlich zu ergründen.
– Verdien' ich es nun noch, so zweifle meine
Gebieterin an meiner Treu' und Liebe! (Geht ab mit Empfindlichkeit.)
Turandot (ihr nacheilend). Bleib, Zelima! Bist du beleidigt? – Bleib!
Vergib der Freundin!
Adelma (hält sie zurück). Lassen wir sie ziehen!
Prinzessin, auf die Spur hat Zelima
Geholfen; unsre Sache ist es nun,
Mit Klugheit die Entdeckung zu verfolgen.
Denn Thorheit war's, zu hoffen, daß uns Hassan
Gutwillig das Geheimniß beichten werde,
Nun er den ganzen Werth desselben kennt.
Verschlagne List, ja, wenn die List nicht hilft,
Gewalt muß das Geständniß ihm entreißen;
Drum schnell – Kein Augenblick ist zu verlieren.
Herbei mit diesem Hassan ins Serail,
Eh' er gewarnt sich unserm Arm entzieht.
Kommt! Wo sind Eure Sklaven?
Turandot (fällt ihr um den Hals). Wie du willst,
Adelma! Freundin! Ich genehm'ge Alles.
Nur daß der Fremde nicht den Sieg erhalte! (Geht ab.)
Adelma. Jetzt, Liebe, steh mir bei! Dich ruf' ich an,
Du Mächtige, die Alles kann bezwingen!
Laß mich entzückt der Sklaverei entspringen;
Der Stolz der Feindin öffne mir die Bahn!
Hilf die Verhaßte listig mir betrügen,
Den Freund gewinnen und mein Herz vergnügen! (Geht ab.)
Vorhalle des Palastes.
Kalaf und Barak kommen im Gespräch.
Kalaf. Wenn aber Niemand lebt in dieser Stadt,
Der Kundschaft von mir hat, als du allein,
Du treue Seele – Wenn mein väterliches Reich
Viel hundert Meilen weit von hier entlegen
Und schon acht Jahre lang verloren ist.
– Indessen, weißt du, lebten wir verborgen,
Und das Gerücht verbreitet unsern Tod –
Ach, Barak! Wer in Unglück fällt, verliert
Sich leicht aus der Erinnerung der Menschen!
Barak. Nein, es war unbedacht gehandelt, Prinz.
Vergebt mir. Der Unglückliche muß auch
Unmöglichs fürchten. Gegen ihn erheben
Die stummen Steine selber sich als Zeugen;
Die Wand hat Ohren, Mauern sind Verräther.
Ich kann, ich kann mich nicht zufrieden geben.
Das Glück begünstigt Euch, das schönste Weib
Gewinnt Ihr wider Hoffen und Erwarten,
Gewinnt mit ihr ein großes Königreich,
Und Eure weib'sche Zärtlichkeit raubt Euch
Auf einmal Alles wieder!
Kalaf. Hättest du
Ihr Leiden, ihren wilden Schmerz gesehn!
Barak. Auf Eurer Eltern Schmerz, die Ihr zu Berlas
Trostlos verlassen, hättet Ihr, und nicht
Auf eines Weibes Thränen achten sollen!
Kalaf. Schilt meine Liebe nicht! Ich wollt' ihr gerne
Gefällig sein. – Vielleicht, daß meine Großmuth
Sie rührt, daß Dankbarkeit in ihrem Herzen –
Barak. Im Herzen dieser Schlange Dankbarkeit?
Das hoffet nie.
Kalaf. Entgehn kann sie mir nicht.
Wie fände sie mein Räthsel aus? Du, Barak,
Nicht wahr? Du hast mich nicht verrathen? Nicht?
Vielleicht, daß du im Stillen deinem Weibe
Vertraut hast, wer ich sei?
Barak. Ich? Keine Silbe.
Barak weiß Euren Winken zu gehorchen;
Doch weiß ich nicht, welch schwarze Ahnung mir
Den Sinn umnachtet und das Herz beklemmt!
Die Vorigen. Pantalon. Tartaglia und Brigella mit Soldaten.
Pantalon. Sieh, sieh! Da ist er ja! Potz Element,
Wo steckt Ihr, Prinz? Was habt Ihr hier zu schaffen?
(Den Barak mit den Augen musternd.)
Und wer ist dieser Mann, mit dem Ihr schwatzt?
Barak (für sich). Weh' uns! Was wird das?
Tartaglia. Sprecht! Wer ist der Mann?
Kalaf. Ich kenn' ihn nicht. Ich fand ihn hier nur so
Von ohngefähr, und weil ich müßig war,
Fragt' ich ihn um die Stadt und ihre Bräuche.
Tartaglia. Haltet zu Gnaden, Prinz! Ihr seid zu grad
Für diese falsche Welt; das gute Herz
Rennt mit dem Kopf davon – Heut früh im Divan!
Wie Teufel kamt Ihr zu dem Narrenstreich,
Den Vogel wieder aus der Hand zu lassen!
Pantalon. Laßt' s gut sein. Was geschehn ist, ist geschehn.
Ihr wißt nicht, lieber junger Prinz, wie tief Ihr
Im Wasser steht, wie Euch von allen Seiten
Betrug umlauert und Verrätherstricke
Umgeben – Lassen wir Euch aus den Augen,
So richtet man Euch ab, wie einen Staar. (Zu Barak)
Herr Nachbar Naseweis, steckt Eure Nase
Wo anders hin – Beliebt es Eurer Hoheit
Ins Haus herein zu gehn – He da, Soldaten!
Nehmt ihn in eure Mitte! – Ihr, Brigella,
Wißt Eure Pflicht – Bewachet seine Thür
Bis morgen frühe zu des Divans Stunde.
Kein Mensch darf zu ihm ein! So will's der Kaiser. (Zu Kalaf.)
Merkt Ihr? Er ist verliebt in Euch und fürchtet,
Es möchte noch ein Unheil zwischen kommen.
Seid Ihr bis morgen nicht sein Schwiegersohn,
So, fürcht' ich, tragen wir den alten Herrn
Zu Grabe – Nichts für ungut, Prinz! Doch das
Von heute Morgen war – mit Eurer Gunst –
Ein Narrenstreich! – Ums Himmelswillen! Gebt Euch
Nicht bloß, laßt Euch den Namen nicht entlocken! (Ihm ins Ohr zutraulich.)
Doch wollt Ihr ihn dem alten Pantalon
Ganz sachtchen, sachtchen in die Ohren wispern,
So wird er sich gar schön dafür bedanken.
Bekommt er diese Recompens?
Kalaf. Wie, Alter?
Gehorcht Ihr so dem Kaiser, Euerm Herrn?
Pantalon. Bravo! Scharmant! – Nun marsch! Voran, Brigella!
Habt Ihr's gehört? Was steht Ihr hier und gaffet?
Brigella. Beliebet nur das Plaudern einzustellen,
So werd' ich thun, was meines Amtes ist.
Tartaglia. Paßt ja wohl auf! Der Kopf steht drauf, Brigella.
Brigella. Ich habe meinen Kopf so lieb, als Ihr
Den Euren, Herr! 's braucht der Ermahnung nicht.
Tartaglia. Es juckt und brennt mich nach dem Namen – Uh!
Geruhtet Ihr, ihn mir zu sagen, Hoheit,
Recht wie ein Kleinod wollt' ich ihn bei mir
Vergraben und bewahren – Ja, das wollt' ich!
Kalaf. Umsonst versucht Ihr mich. Am nächsten Morgen
Erfahrt Ihr ihn. erfährt ihn alle Welt.
Tartaglia. Bravo! Bravissimo! Hol' mich der Teufel!
Pantalon. Nun, Gott befohlen, Prinz! (Zu Barak) Und Ihr, Herr Schlingel!
Ihr thätet besser, Eurer Arbeit nach
Zu gehn, als im Palast hier aufzupassen,
Versteht Ihr mich? (Geht ab.)
Tartaglia (sieht ihn scheel an). Ja wohl! Ja wohl! Ihr habt mir
So ein gewisses Ansehn – eine Miene,
Die mir nicht außerordentlich gefällt.
Ich rath' Euch Gutes, geht! (Folgt dem Pantalon.)
Brigella (zu Kalaf). Erlaubt mir, Prinz,
Daß ich Dem, der befehlen kann, gehorche.
Laßt's Euch gefallen, in dies Haus zu gehn.
Kalaf. Das will ich gerne. (Zu Barak leise.) Freund, auf Wiedersehn!
Zu besserer Gelegenheit! Leb wohl!
Barak. Herr, ich bin Euer Sklav!
Brigella. Nur fort! Nur fort!
Und macht den Ceremonien ein Ende!
(Kalaf folgt den Soldaten, die ihn in ihre Mitte nehmen, Timur tritt von der entgegengesetzten Seite auf, bemerkt ihn und macht Geberden des Schreckens und Erstaunens.)
Barak (ihm nachsehend). Der Himmel steh' dir bei, treuherz'ge Unschuld!
Was mich betrifft, ich hüte meine Zunge.
Timur, ein Greis in dürftiger Kleidung. Barak.
Timur (entsetzt, für sich). Weh mir! Mein Sohn! Soldaten führen ihn
Gefangen fort! Sie führen ihn zum Tode!
Gewiß, gewiß, daß der Tyrann von Tefflis,
Der Räuber meines Reichs, ihn bis nach Peckin
Verfolgen ließ und seine Rache sättigt!
Doch mit ihm will ich sterben! (Eilt ihm nach und ruft laut.)
Kalaf! Kalaf!
Barak (tritt ihm in den Weg und hält ihm das Schwert auf die Brust).
Halt ein, Unglücklicher! Du bist des Todes!
(Pause. Beide sehen einander erstaunt an. Unterdessen hat sich Kalaf mit den Soldaten entfernt.)
Wer bist du, Alter? Woher kommst du? Sprich!
Daß du den Namen dieses Jünglings weißt?
Timur. Was seh' ich? Gott! Du, Barak? Du in Peckin?
Du sein Verräther? Ein Rebell? Und zückst
Das Schwert auf deinen König?
Barak (läßt erstaunt das Schwert sinken). Große Götter!
Ist's möglich? – Timur?
Timur. Ja, Verräther!
Ich bin es, dein unglücklicher Monarch,
Von aller Welt, nun auch von dir verrathen!
Was zögerst du? Nimm dieses Leben hin!
Verhaßt ist mir's, da ich die treusten Diener
Um schnöden Vortheils willen undankbar
Und meinen Sohn dem Tod geopfert sehe!
Barak. Herr! – Herr! O Gott! Das ist mein Fürst, mein König!
Er ist's! Nur allzuwohl erkenn' ich ihn. (Fällt ihm zu Füßen.)
In diesem Staub! In dieser Niedrigkeit!
Ihr Götter, muß mein Auge dies erleben!
– Verzeiht, Gebieter, meiner blinden Wuth!
Die Liebe ist's zu Eurem Sohn, die Angst,
Die treue Sorge, die mich hingerissen.
So lieb Euch Eures Sohnes Heil, so komme
Der Name Kalaf nie aus Eurem Munde!
– Ich nenne mich hier Hassan. nicht mehr Barak –
– Ach, weh mir! Wenn uns Jemand hier behorchte! –
Sagt, ob Elmaze, meine Königin,
Sich auch mit Euch in dieser Stadt befindet?
Timur. Still, Barak – still! O, sprich mir nicht von ihr!
In unserm traur'gen Aufenthalt zu Berlas
Verzehrte sie der Gram um unsern Sohn,
– Sie starb in diesen lebensmüden Armen.
Barak. O die Bejammernswürdige!
Timur. Ich floh!
Ich konnt' es, einsam, dort nicht mehr ertragen.
Des Sohnes Spuren folgend, frag' ich mich
Von Land zu Land, von einer Stadt zur andern.
Und jetzt, da mich nach langem Irren endlich
Der Götter Hand hieher geleitet, ist
Mein erster Anblick der gefangne Sohn,
Den man zum Tode führt.
Barak. Kommt, kommt, mein König!
Befürchtet nichts für Euren Sohn! Vielleicht
Daß ihn, eh noch der nächste Tag verlaufen,
Das höchste Glück belohnt und Euch mit ihm!
Nur, daß sein Name nicht, noch auch der Eure
Von Euern Lippen komme – Merkt Euch das!
Ich nenne mich hier Hassan, nicht mehr Barak.
Timur. Was für Geheimnisse – Erklär' mir doch!
Barak. Kommt! Hier ist nicht der Ort, davon zu reden!
Folgt mir nach meiner Wohnung – Doch, was seh' ich?
(Skirina tritt aus dem Palast.)
Mein Weib aus dem Serail! O wehe mir!
Wir sind entdeckt! (Zu Skirina heftig.) Was hast du hier zu suchen?
Unglückliche! Wo kommst du her?
Skirina zu den Vorigen.
Skirina. Nun! Nun!
Aus dem Serail komm' ich, von meiner Tochter.
Die Freude trieb mich hin, daß unser Gast,
Der fremde Prinz, den Sieg davon getragen.
Die Neugier auch – Nun ja – Ich wollte sehn,
Wie dieser männerscheuen Unholdin
Der Brautstand läßt – und freute mich darüber
Mit meiner Tochter Zelima.
Barak. Dacht' ich's doch!
Weib! Weib! Du weißt nicht Alles, und geschwätzig
Wie eine Elster läufst du ins Serail;
Ich suchte dich, es dir zu untersagen.
Umsonst! Zu spät! Des Weibes Unverstand
Rennt immer vor des Mannes weisem Rath
Voraus – Was ist nicht alles dort getratscht,
Geplaudert worden! Nur heraus! Mir ist,
Ich höre dich in deiner albernen
Entzückung sagen: Dieser Unbekannte
Ist unser Gast; er wohnt bei uns; mein Mann
Kennt ihn und hält ihn hoch in Ehren – Sprich,
Hast du's gesagt?
Skirina. Und wenn ich nun? Was wär's?
Barak. Nein, nein, gesteh es nur! Hast du's gesagt?
Skirina. Ich hab's gesagt. Warum sollt' ich's verbergen?
Sie wollten auch den Namen von mir wissen,
Und – daß ich's nur gestehe, ich versprach's.
Barak. Weh mir! Wir sind verloren! – Rasende! – (Zu Timur sich wendend.)
Wir müssen fort! Wir müssen fliehn!
Timur. So sag' mir doch, was für Geheimnisse –
Barak. Fort! Fort aus Peckin! Keine Zeit verloren!
(Truffaldin zeigt sich im Hintergrund mit seinen Schwarzen.)
– Weh uns! Es ist zu spät. Sie kommen schon!
Sie suchen mich, die Schwarzen, die Verschnittnen
Der fürchterlichen Turandot – Sinnlose!
In welchen Jammer stürzt uns deine Zunge!
(Truffaldin hat ihn bemerkt und bedeutet den Verschnittenen durch Geberden, daß sie sich seiner bemächtigen sollen.)
Ich kann nicht mehr entfliehen – Fliehe du,
Verbirg dich, rette dich und diesen Alten!
Timur. So sag' mir doch!
Barak. Fort! Keine Widerrede!
Ich bin entdeckt! – Verschlossen wie das Grab
Sei Euer Mund! Nie komme Euer Name,
Nie, nie der seine über Eure Lippen!
– Und du, Unglückliche, wenn du das Uebel,
Das deine Zunge über uns gebracht,
Gut machen willst, verbirg dich, nicht in deiner,
In einer fremden Wohnung! Halte diesen
Verborgen, bis der nächste Tag zur Hälfte
Verstrichen ist –
Skirina. Willst du mir denn nicht sagen?
Timur. Willst du nicht mit uns fliehn?
Barak. Thut, was ich sage!
Werde mit mir, was will, wenn Ihr Euch rettet.
Skirina. Sprich, Hassan! Worin hab' ich denn gefehlt?
Timur. Erklär' mir diese Räthsel.
Barak (heftig). Welche Marter!
Um aller Götter willen, fort, und fragt
Nicht weiter! Sie umringen uns; es ist
Zu spät, und alle Flucht ist jetzt vergebens.
– Die Namen, alter Mann, die Namen nur
Verschweigt, und Alles kann noch glücklich enden!
Vorige. Truffaldin mit den Verschnittenen.
Truffaldin (ist nach und nach näher gekommen, hat die Ausgänge besetzt und tritt nun hervor, mit übertriebenen Geberden dem Barak den Degen auf die Brust haltend).
Halt an und steht! Nicht von der Stelle! Nicht
Gemuckst! Der ist des Todes, der sich rührt.
Skirina. O wehe mir!
Barak. Ich weiß, Ihr sucht den Hassan.
Hier bin ich, führt mich fort.
Truffaldin. Bst! Keinen Lärmen!
's ist gut gemeint. Es soll Euch eine ganz
Absonderliche Gnad' und Ehr' geschehn.
Barak. Ja, ins Serail wollt Ihr mich führen, kommt!
Truffaldin. Gemach! Gemach! Ei, seht doch, welche Gunst
Euch widerfährt! Ins Harem! ins Serail
Der Königin – Ihr glückliche Person!
's kommt keine Fliege ins Serail, sie wird
Erst wohl besichtigt und beschaut, ob sie
Ein Männchen oder Weib, und ist's ein Männchen,
Wird's ohne Gnad' gekreuzigt und gepfählt.
– Wer ist der Alte da?
Barak. Ein armer Bettler,
Den ich nicht kenne – Kommt und laßt uns gehn.
Truffaldin (betrachtet den Timur mit lächerlicher Genauigkeit).
Gemach! Gemach! Ein armer Bettler! Ei!
– Wir haben uns großmüthig vorgesetzt,
Auch dieses armen Bettlers Glück zu machen.
(Bemerkt und betrachtet die Skirina.)
– Wer ist die Weibsperson?
Barak. Was zögerst du?
Ich weiß, daß deine Königin mich erwartet.
Laß diesen Greis! Das Weibsbild kenn' ich nicht,
Hab's nie gesehn und weiß nicht, wer sie ist.
Truffaldin (zornig). Du kennst sie nicht? Du hast sie nie gesehn?
Verdammte Lüge! Was! Kenn' ich sie nicht
Als deine Frau und als die Mutter nicht
Der Sklavin Zelima? Hab' ich sie nicht
Zu hundert Malen im Serail gesehn,
Wenn sie der Tochter weiße Wäsche brachte?
(Mit komischer Gravität zu den Verschnittenen.)
Merkt, Sklaven, den Befehl. den ich euch gebe!
Die drei Personen hier nehmt in Verwahrung,
Bewacht sie wohl, hört ihr, laßt sie mit keiner
Lebend'gen Seele reden, und bei Nacht,
Sobald es still ist, führt sie ins Serail!
Timur. O Gott! Was wird aus mir!
Skirina. Ich fass' es nicht.
Barak (zu Timur). Was aus dir werden soll, und was aus mir?
Ich werde Alles leiden. Leid' auch du!
Vergiß nicht, was ich dir empfahl – und, was
Dir auch begegne, hüte deine Zunge!
– Jetzt hast du, thöricht Weib, was du gewollt.
Skirina. Gott steh uns bei!
Truffaldin (zu den Schwarzen). Ergreift sie! Fort mit ihnen! (Gehen ab.)