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»Das ist die Geschichte eines Menschen, der toll ist vor Eifersucht oder auf dem besten Weg ist, es zu werden«, so sagte Paul, als Anatol geendet hatte.
»Aber Wahres steckt viel drin«, meinte Fred. »Wir haben uns nur hineingewöhnt, in die erbärmliche Rolle, die wir spielen, – aber sie ist zweifellos höchst erbärmlich.«
»Die wir wann spielen?« fragte Paul.
»Nun, wenn wir geliebt werden. Denn für die Feinfühligen ist es ja doch klar, daß wir im Grunde nicht als Individualitäten, sondern als ein Prinzip verehrt werden, und darin liegt etwas Beschämendes.«
»Unwahr«, sagte Paul. »Es gibt Frauen, die den richtigen finden.«
»Einbildung. Wäre Romeo nicht geboren worden, so hätte Julia einen andern geliebt.«
»Sehr richtig«, warf Anatol ein, »und ich möchte es sogar kühnlich behaupten: Die Weiber lieben den in uns, der gekommen wäre, wenn wir nicht gekommen wären.«
»Nun, ist er nicht toll?« rief Paul aus.
»Ich bin es durchaus nicht, sondern ich gehe in meiner Auffassung der individuellen Liebe nur an die äußersten Konsequenzen, und da komme ich eben zu dem Resultat, daß Liebe selbst in ihrer heiligsten und unverratensten Form eine stete Eifersucht sein muß. Man muß immer nur denken: Und wenn ich nicht auf der Welt wäre? Oder noch besser: Wenn irgendein anderer auf der Welt wäre?...«
»Kurz«, rief Paul aus, »du bist nicht allein auf sämtliche Männer eifersüchtig, die sind und waren, sondern überdies auf alle die ungezählten Millionen, die existieren könnten.«
»Gewiß. Und ich gestehe, daß ich mir manchen dieser Fälle ganz klar vorstelle. Ich denke zum Beispiel: Vor zwanzig Jahren, in einer holden Frühlingsnacht haben sich zwei Verliebte im Park ein Stelldichein gegeben. Einer von beiden aber kann nicht kommen, oder sie werden verscheucht, – kurz, statt sich anzugehören, wie sie wollten und sollten, bleiben sie einander fern. In dieser Nacht aber hätten sie ein Kind gezeugt, ein Kind der Liebe. Es wäre ein Knabe gewesen. Nach zwanzig Jahren – heute also – wäre er dem Mädchen, das ich liebe, begegnet, sie hätte sich in ihn verliebt – auch auf diesen bin ich eifersüchtig.«
»Toll – unerhört!« rief Paul aus. »Du bist krank, mein Freund – so denkt ein normaler Mensch nicht! Solchen Phantastereien gibt man sich nicht hin!«
»Man...« wiederholte Anatol. »Im übrigen, um dich zu beruhigen: dieser Frühlingsnachtgeborene, der nicht auf die Welt kam, wäre einer von denen, über die ich mich trösten könnte. Es ist eine große Liebenswürdigkeit von diesen gefährlichen Jünglingen, daß sie zuweilen, wie meine Erörterung lehrt, gar nicht existieren. Aber für lächerlich halte ich meine Ideen über die Eifersucht durchaus nicht, und wer die Frauen kennt... Ihr habt wohl die Novelle von Mendès gelesen, ›Le troisième oreillier‹?... Nein?... nun, ich rate sie euch an... Das ist die Geschichte von dem dritten Polster, der unsichtbar neben den zwei Polstern liegt, auf welchen die zwei Häupter der Liebenden ruhen.«
»Ja, aber um Himmels willen«, rief Paul aus. »Das gilt doch nicht für alle Fälle? Man wird doch zuweilen selbst geliebt, nicht als ein anderer, auch nicht als Prinzip, sondern persönlich: als Anatol, als Fred...«
»Als Paul...«
Paul wurde plötzlich melancholisch. »Nein«, sagte er, »als Paul wird man nie geliebt.«
Und das Gespräch war nicht mehr in Gang zu bringen.