|
Es ist genug! So nimm denn meine Seele,
Die müde Seele nimm zu dir.
Du weißt, wie ich die Augenblicke zähle,
Du kennst dieß bange Herz in mir,
Das oft, getäuscht, dem Tod entgegenschlug:
Es ist genug!
Mich lockt nicht mehr die bunte Pracht der Erde,
Gold ist mir Staub und Ehre Tand;
Der frechen Lust einladende Gebehrde,
Der Stolz im strahlenden Gewand,
Des Schwelgers Tisch, vom süßen Gifte schwer,
Lockt mich nicht mehr.
Die Thorheit geht der Weisheit hier zur Seite,
Und bei der Wahrheit steht der Wahn;
Die Künste sind nicht mehr der reinen Freude,
Sie sind der Wollust unterthan:
Die Tugend klagt; in schwarzen Klausen weint
Der Menschenfreund.
Selbst der Natur unschuldigstes Vergnügen
Wird oft durch's Schmerzgefühl entweiht,
Daß unter Blumen Menschenbeine liegen
Und daß der Thron der Eitelkeit
Vom sanften West und Todtenduft beweht
Auf Schädeln steht.
Der junge Mai, verstrickt in Rosenfesseln,
Stirbt, wie der Käfer, den er nährt;
Die Lilie verwelkt mit rauhen Nesseln,
Die Rose wird vom Wurm versehrt;
Die Blüthe fällt; des goldnen Abends Pracht
Verschlingt die Nacht.
Sprich, Gott, wie lang' ich noch im Schauerthale
Als ein Gebundner schmachten soll?
Ist's bald genug? Und ist die Leidensschale
Nicht bald von meinen Thränen voll?
Sind Seufzer, tief ins Herzblut eingetaucht,
Nicht bald verhaucht?
Es ist genug! Entrück mich den Gefahren,
Den Aengsten meiner Lebenszeit!
Bin ich denn nicht, wie meine Väter waren,
Ein Wurm, ein Spiel der Eitelkeit.
O Vater, dessen Ruthe mich zerschlug:
Es ist genug!
Zur Ewigkeit, ich fühl's, bin ich geboren;
Hier bin ich Wandrer, Bürger nicht!
Mein Erbe ist, du Gott! hast es geschworen;
Mein ewig Erbe ist im Licht.
Ist's Sünde denn, wenn meine Seele schreyt
Nach Ewigkeit?
Genug, genug! Es ist genug gejammert;
Genug hab' ich die bleiche Hand
Ins Gitter meines Kerkers eingeklammert,
Und Seufzer himmelan gesandt.
Genug hab' ich die Fessel rasseln hören,
Die ein verworfner Bruder trug!
Gott! sprich einmal: Versiegt sind deine Zähren,
Es ist genug! |