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Als Cölestine aus ihrer Betäubung erwachte und die Augen aufschlug, fand sie sich auf dem Sopha im Gartensalon von Schwalborn wieder. Ihre ersten Blicke begegneten denen Karl's, der mit verstörtem Gesichte ihr zu Häupten stand, während alle übrigen Mitglieder der Familie voll bekümmerter Theilnahme sie rings umgaben. Selbst Frau von Schwalborn hatte beim Anblick eines wirklichen Unglücks ihren alten Groll gegen Cölestine so weit vergessen, daß sie eigenhändig ihre Wunde verbunden. Der Schuß war durch das Fleisch des linken Oberarms des jungen Mädchens gedrungen; ihre Kleider waren von oben nach unten mit Blut bedeckt, aber Schmerzen fühlte Cölestine nicht, und eine Minute lang überflogen ihre Blicke ruhig den Raum, den jetzt die ersten Strahlen der hellen Morgensonne beleuchteten.
Um Gottes willen, Cölestine – erklären Sie – begann jetzt Karl, dessen Gesicht sich in dem Augenblicke freudig verklärt hatte, in welchem sie das Auge aufgeschlagen – erklären Sie –?
Diese Frage schien der Verwundeten plötzlich das Bewußtsein ihrer Lage ganz zurückzubringen. Indem sie halb den Oberkörper von ihrem Lager erhob, der Kreis ihrer Augen sich erweiterte und in ihren Zügen alle Zeichen des tiefsten Entsetzens aufblitzten – rief sie aus:
Um Gottes willen – kümmert Euch nicht um mich – flieht, flieht, flieht Alle, oder ihr seid verloren!
Ist sie wahnsinnig? brach Frau von Schwalborn aus.
Nein, nein, flieht nicht! sagte sie, matt zurücksinkend – es ist zu spät – o, es ist entsetzlich!
Karl ergriff ihre Hand.
Fassung, Fassung, Cölestine! flüsterte er – sag', erkläre, was dies Alles bedeutet!
Das junge Mädchen schlug mit einem Ausruf des tiefsten Schmerzes die Hände vor das Gesicht.
In diesem Augenblicke trat eine verstörte Gestalt mit leichenblassen Zügen hastig in den Salon. Es war der Verwalter.
Hast du etwas entdeckt? schrie ihm der alte Freiherr ängstlich entgegen.
Ja, Ew. Gnaden, sagte Tafelmacher, schlotternd vor Angst, – und bei Gott, nichts Gutes. Als ich mit den Knechten hinauslief, um zu sehen, wer auf die Demoiselle geschossen haben könne, stießen wir auf französische Soldaten. Sie legten die Karabiner auf uns an –
Franzosen! Wie ist das möglich?
Ja, ja, rief Cölestine, sich jetzt erhebend und vor den Marquis de la Roche tretend; und Sie sind es, den sie vor Allen suchen! Sie – den Emigré! Retten Sie sich oder Sie ziehen das ganze Haus mit ins Verderben!
Wir wollen die Scene des furchtbaren und herzzerreißenden Jammers nicht zu schildern versuchen, welcher den Worten Cölestinens folgte, Marianne sank ohnmächtig in die Arme ihres Gatten, über dessen Züge die Blässe der Todesangst sich ergoß. Karl allein hatte seine vollständige Fassung behauptet.
De la Roche muß fort, rief er aus – es muß ein Versteck, eine Verkleidung für ihn erfunden werden.
Die Mörder wollen das Haus anzünden und wir werden Alle ein Opfer der Flammen, wenn sie ihn nicht finden, sagte Cölestine.
Seid ruhig, flüsterte de la Roche mit leiser Stimme, da ihm der Athem versagte; ich will mich ihnen ausliefern: ich will nicht euch Alle mit mir in den Untergang reißen.
Es ist eine Hoffnung, eine schwache Hoffnung da, nahm Cölestine wieder das Wort. Es war auf dem Wege nach Rettung, daß ich verwundet wurde. Ich habe einen reitenden Boten zum nächsten österreichischen Posten gesendet. Vielleicht kommt Hülfe von dort!
Frau von Schwalborn fiel Cölestinen bei diesen Worten um den Hals, und Thränen näßten die Wangen des verwundeten Mädchens.
Gott segne Sie dafür! sagte die Matrone. Sie haben mit eigener Lebensgefahr für uns gethan, was wir nicht um Sie verdient haben!
Der Posten ist weit, sagte Karl düster; er ist schwach,–
Aber es sind Kaiserliche – fiel der Freiherr seinem Sohne in die Rede – es sind kaiserliche Truppen – ich athme wieder auf!
Sie werden Verstärkungen heranziehen, Befehle ihres Generals einholen, ehe sie sich in Bewegung setzen – unterdeß sind wir drei Mal verloren, sagte jetzt seufzend der Domherr Desibod, der sich still in eine Ecke des Salons gesetzt hatte und sich gelobte, falls er dieser Gefahr entgehe, sich nie mehr mit einem Liebesgedichte oder einem Schäferspiele zu beschäftigen.
In diesem Augenblicke ertönte plötzlich durchdringend, markerschütternd der Schall einer Trompete auf dem Hofe. Den Unglücklichen, für welche dieses Schmettern eine so furchtbare Drohung enthielt, stand das Herz still bei dem ersten Tone, der durch die Wände und Mauern des Schlosses bis in den stillen Gartensalon drang. Die Thüre wurde weit aufgerissen und mit Gesichtern, auf welchen Furcht und Entsetzen sich spiegelten, drängte sich das Gesinde in den Raum:
Die Franzosen! Sie wollen Einlaß – die Brücke soll niedergelassen werden.
Tafelmacher richtete einen fragenden Blick auf seinen Herrn.
Noch nicht, noch nicht! Wir müssen Zeit gewinnen.
Was wird es helfen?! sagte der Marquis de la Roche mit raschem Entschluß; lassen Sie mich dem Unvermeidlichen entgegengehen.
Marianne schlug die Augen auf und umarmte ihren Gatten mit krampfhaftem Schluchzen.
Marianne – halte mich nicht – mach' mir das Opfer nicht doppelt schwer. Wenn du nicht wärst – o wie freudig brächt' ich es dann. Als ein armer, verlassener Flüchtling bin ich zu Euch gekommen: Ihr habt mich aufgenommen, habt mich mit Liebe überschüttet, habt mich unglücklich gemacht, weil ich nichts hatte, für so viel Glück zu danken. Jetzt kann ich es – ich kann Euch retten, indem ich den Blutdurst dieser Menschen befriedige.
Nein, nein, gehen Sie nicht, fiel Cölestine ein, indem sie den Marquis beim Arme ergriff und ihm den Weg vertrat. Ich will gehen!
Sie?
Ja, ich; wenn Einer hier etwas über ihn vermag, so bin ich es. Auf mir ruht sein Haß nicht, und so ist eine Hoffnung da, daß ich ihn erweiche –
Cölestine, von Wem reden Sie? Wem setzen Sie sich aus? rief Karl. Das leide ich nicht –
Wem sollte ich mich aussetzen? Mich wird diese Hyäne nicht tödten!
Noch einmal, von Wem reden Sie?
Cölestine antwortete nicht. Sie hatte das Gemach verlassen, und eilte durch das Haus über den Hof bis an den Schloßgraben, der sie von dem jenseits haltenden Haufen französischer Reiter trennte.
Die geängstete Familie war ihr bis in den vordern Theil des Gebäudes gefolgt, um von den Fenstern aus Zeuge der Unterredung zu sein. Aber nach wenig Augenblicken kehrte Cölestine zurück, den Ausdruck voller Verzweiflung in den Zügen.
Es war vergebens! sagte sie. Er ist zurückgeblieben und hat einen untergeordneten Offizier geschickt, der als ein unerbittliches Werkzeug seine Befehle ausführen wird.
Aber von Wem reden Sie nur, Cölestine? fragte ungeduldig der Freiherr.
Von Lambert, Ihrem ehemaligen Leibeigenen!
Der?
Ja! der führt diese französischen Reiter!
Der ist bei unsern Feinden? sagte Frau von Schwalborn, in Thränen ausbrechend. So sei Gott uns gnädig!
Marianne schlang bei Cölestinens Worten die Arme um den Hals ihres Vaters, mit einem erschütternden Aufschrei des Schmerzes.
Sie war von all diesen Unglücklichen die Unglücklichste geworden bei dieser Nachricht.
Das Antlitz Karl's wurde so weiß wie Kreide, als er den Namen Lambert's aussprechen hörte. Cölestinens Blicken entging dieser Eindruck nicht.
Wir müssen uns verbarrikadiren und uns zu halten suchen, so lange es irgend möglich, sagte der Freiherr von Schwalborn. Legen wir Alle Hand ans Werk!
Die Franzosen waren unterdeß nicht länger unthätig geblieben. Das Gelingen ihrer Unternehmung, welche sie den von dem Feinde eingenommenen Cantonnirungen und seinen Vorposten so nahe geführt, hing wesentlich von der Schnelligkeit ab, womit dieselbe durchgeführt wurde. Da sich die Zugbrücke vor dem Schlosse nicht senkte, umritten sie dasselbe und ein Theil drang in den Garten ein, durch eben dasselbe kleine Thor, welches früher Cölestinen auf ihrer Flucht Einlaß gewährt hatte. Das nahegelegene Gärtnerhaus, das der Schloßgraben vom Hauptgebäude trennte, wurde erbrochen und angezündet. Die Franzosen beriethen dann, auf welche Weise sie sich rasch und ohne große Anstrengung, trotz des Grabens, des Hauptgebäudes bemächtigen könnten, indem sie schwuren, eine blutige Rache für die Hartnäckigkeit nehmen zu wollen, womit man ihnen die Ausführung ihres Vorhabens erschwerte.
Die Rauchwolke, welche von der in Brand gesteckten Gärtnerwohnung nach kurzer Zeit aufstieg, erhob sich im frischen Morgenwinde höher und wurde allmälig in der Gegend sichtbar. Auch der Trupp Reiter bemerkte sie, welcher vor dem Dorfe, am Anfang der Allee, die von dort nach Schwalborn führte, hielt, eine Art Reserveschar, bei der Lambert geblieben. Er stand seitwärts an eine Eiche gelehnt, dem Anschein nach eifrig beschäftigt, mit seinem Sporn die Rinde einer hervortretenden Wurzel des Baums zu zerhacken, während sein Pferd an den Schößlingen der Stauden knupperte, welche im Schatten des Blätterdachs wucherten.
Ils sont à l'oeuvre, mon major! rief ihm einer der Unteroffiziere zu – ils brulent le château!
Bei dieser Nachricht traten plötzlich dicke Schweißtropfen auf die bleiche Stirn Lambert's. Eine krampfhafte Verzerrung ging über sein Gesicht. Im nächsten Augenblicke war es glatt und blaß wie zuvor, aber der Sporn an seinem Stiefel klirrte und ein Stück blieb zersprungen in der Wurzel sitzen.
Ces damnés aristocrates seront rôtis comme feu St. Laurence! rief lachend einer der Chasseure.
Lambert fuhr bei diesen Worten in die Höhe.
Tais-toi, chien de brigand! rief er mit dem Ausdrucke des furchtbarsten Zorns in seinen entstellten Zügen. Spreng' hinauf, fuhr er, zu seiner Ordonnanz gewendet, fort, wiederhole dem Lieutenant meinen Befehl: er soll Niemand tödten – als den Emigré; ich jage ihm eine Kugel durch den Kopf, wenn Jemand Anderm ein Haar gekrümmt wird.
Die Ordonnanz sprengte davon. Lambert war in einer schwer zu beschreibenden Aufregung. Das Maß von angeborener Ruchlosigkeit und der Erbitterung, die das Leben ihm eingeflößt, war erschöpft: es blieb unter der Höhe seiner jetzigen That zurück, und so erlag seine moralische Kraft dem Eindrucke, welchen sein eigenes Werk auf ihn machte. Er hatte in dem, was er jetzt erreicht, in der Rache an Denen, welche zuerst Schmerz und Galle in sein junges Dasein geworfen, eine Genugthuung, eine Heilung für seine Zerrissenheit zu finden gewähnt. Der Augenblick war seine Hoffnung gewesen seit vielen Tagen; er hatte sich danach gesehnt, wie der flüchtige, schweißtriefende Hirsch nach dem Strome, in den er sich stürzen möchte. Und jetzt? Jetzt hätte auch er sich in einen Strom stürzen mögen – da, wo er am tiefsten ist!
Lambert war ein Mensch, wie die Revolutionen ihrer so viele emportragen, eine Zeitlang auf der Höhe halten und dann zerschmettern. Sie gehen aus von irgend einer einseitigen Auffassung großer politischer oder socialer Wahrheiten. Die Erinnerung an persönliches Dulden unter dem Vorurtheil stachelt sie auf ihrem Wege, treibt sie in die Extreme und fügt zu ihrem Glaubensbekenntniß die Erbitterung und den Fanatismus. Der Fanatismus raubt ihnen das Urtheil und verleitet sie zum Frevel im Dienste ihrer Ueberzeugung; und von diesem Augenblicke an sind sie dem Teufel verfallen. Sie haben jetzt nur noch die Wahl, sich vom Fanatismus bis an die äußersten Grenzen führen zu lassen und dort das Schicksal alles Aeußersten, die Vernichtung, zu finden: oder zurückzutreten und – sich den Frevel einzugestehen. Aber vor einem solchen Bekenntniß am Richterstuhl des eigenen Ich schaudert die Menschennatur, und lieber geht sie immer weiter und weiter auf der furchtbaren Bahn. Die Partei umgibt solche Menschen zudem wie eine Phalanx und reißt sie mit fort und der große Haufe brüllt ihnen betäubende Huldigungen zu. In seiner Studirstube wird Niemand ein Robespierre!
Das eben war Lambert's Unglück – oder Glück, daß er sich der blutigen Partei, der er in Paris angehört hatte, entrissen und ins Feld gezogen war, wo er der Lüge, welche seine Exaltation gehetzt, der hirnverbrannten Theorie, welche seinen Kopf verschroben hatte, entrückt wurde. So hatte Alles, was in seinem Innern gekocht und immer höher gesiedet, nach und nach sich niederschlagen und beruhigen können. Wie von einem eisigen Winde war es jetzt gekühlt, seitdem seines Vaters Auge auf ihm geruht hatte, so ernst und mahnend wie ein unerschütterlicher ewiger Gottesgedanke, wie eine jener Wahrheiten, welche seit Jahrtausenden, wie Leuchtthürme die Wogen, die Irrsale des Menschengeschlechts überragen.
Ja, er fühlte es jetzt: sein Herz war kalt und seine Seele zitterte, in demselben Augenblicke, in welchem er eine verschmähte Liebe und einen mit Füßen getretenen Ehrgeiz rächen konnte, so voll, so blutig, wie es ihm nur immer gelüstete!
Während Lambert in seine düstern Gedanken versunken war und nicht wußte, woher irgend einen Zauber nehmen, mit dem er den Kampf seines Innern beschwichtigen, oder eine Hoffnung für seine Zukunft, eine Aussicht für sein trostloses Dasein gewinnen könne, hörte er plötzlich rasch nach einander mehrere Schüsse fallen.
Sollten sie Widerstand leisten? Die Unglücklichen! sie wären rettungslos verloren! sagte er halblaut und sich aufrichtend.
Eine vollständige Musketensalve folgte. Man schlägt sich! rief einer seiner Reiter neben ihm.
Lambert war im nächsten Augenblicke im Sattel.
En Avant!
Die Schwadron sprengte im Galopp an den Ort des Kampfes.
Lambert ritt langsamer hinter seiner Schar.
So soll ich sie doch sehen – flüsterte er; es ist gut, wir können uns an einander spiegeln – wir sind Beide garstig geworden: sie aus einem edlen Weibe eine ehrvergessene Theaterprinzessin, und ich aus einem ehrlichen Burschen – ein Schuft! Es wäre Unrecht, Signora, wolltest du klagen!
Das Geklirr der Schwadron und der Hufschlag der Pferde, die immer rascher ausgriffen, je lebhafter das Flintengeknall von dem Schlosse her wurde, füllten die Allee der alten und dichtwipfeligen Eichen aus; aber plötzlich schien es Lambert, als habe dieser Hufschlag und dies Waffenrasseln hinter seinem Rücken ein seltsam kräftiges Echo gefunden. Er wandte den Kopf – er zog die Zügel seines Pferdes mit heftigem Ruck, daß es sich hoch aufbäumte, und ein donnerndes:
Halt! erscholl von seinen Lippen.
Seine Reiter hörten ihn nicht.
Noch einmal, als ob er die Brust zersprengen wollte, schrie er sein Commandowort. Umsonst! sie flogen in ihrer Kampflust dahin und ahnten nicht, daß hinter ihnen, schon dicht an ihren Fersen der Arm sich hob, dessen Schlag sie zu vernichten drohte.
Ein Geschwader österreichischer Cuirassiere kam in festgeschlossenen Reihen hinter ihnen die Allee heraufgesprengt.
Lambert setzte jetzt sein Pferd in Carrière, um seine Schwadron zu erreichen. Als er bei ihr anlangte, hatte sie soeben von selbst Halt gemacht. Das Detachement, welches bestimmt gewesen war, den Emigré aufzuheben, war ihnen entgegengekommen. Es wollte sich mit mehren Verwundeten auf die Reserve zurückziehen; denn es war plötzlich von einem überlegenen Commando österreichischer Jäger angegriffen worden, welche zuerst die Chasseurs mit einem Tirailleurfeuer begrüßt und dann aus den Umgebungen des Schlosses vertrieben hatten.
Lambert hatte kaum Zeit, die nöthigen Befehle zu geben, um den neu herankommenden Feind geordnet empfangen lassen zu können.
Schlagt euch durch oder verkauft euer Leben, so theuer ihr könnt! rief er, indem sein kriegerischer Muth in Wuthblicken, die etwas Erschreckendes, Tigerartiges hatten, aufblitzte. Was mich betrifft, ich lasse mich in Stücken hauen, ehe ich weiche.
Die heranstürmende Cuirassierabtheilung war nicht stärker an Zahl als die Chasseurs unter dem Befehle Lambert's. Aber es ist wol kaum je vorgekommen, daß eine deutsche Truppe von einer französischen geschlagen worden, ist sie an Zahl gleich und gut geführt gewesen; nur Napoleon's Genie hat französischen Truppen eine Zeitlang eine gewisse Ueberlegenheit gegeben.
Auch hier zeigte sich die Bestätigung dieser Erfahrung, welche die Geschichte der Kriege des siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts auf jeder Seite lehrt. Die Chasseurs widerstanden den Pallaschhieben der deutschen Cuirassiere, welche sich mit einer Art Wollust in den Kampf stürzten, wie ein Schwimmer in sein frisches Flußbad, nur kurze Zeit. Freilich wäre langer Widerstand thöricht gewesen, da sie sich zwischen zwei Feuern befanden; nachdem ein halbes Dutzend gefallen, suchten die Andern querfeldein in der Flucht eine Rettung, welche die meisten fanden, da die schweren österreichischen Reiter darauf verzichten mußten, ihre leichter gerüsteten Feinde einzuholen. Nur Lambert verschmähte es, zu fliehen. Er hieb wie ein Rasender um sich, rings von einer dichten Gruppe Feinde umgeben.
Ergib dich! rief ein alter breitschultriger Wachtmeister, indem er den Hahn seiner Sattelpistole spannte.
Nimmermehr! schrie Lambert und schlug mit seinem Säbel dem alten Reiter die Waffe aus der Hand.
Ein Deutscher! keinen Pardon dem Hund!
Ein Reiter hatte seine Klinge im Rücken Lambert's hoch aufgehoben: dieser gewahrte ihn nicht – im nächsten Augenblicke mußte sein Schädel gespalten sein.
Halt ein – halt ein – tödtet ihn nicht! schrie in diesem Augenblicke eine helle Frauenstimme und eine zarte Hand streckte sich mitten in das Getümmel der Kämpfenden, um den Arm zu fassen, welcher eben den Todesstreich führen wollte.
Zwei Reiterinnen in dunkeln langhinflutenden Gewändern hatten sich furchtlos zwischen die Streitenden geworfen.
Bianca! rief Lambert aus, und seine Hand ließ schlaff den Säbel sinken.
Bianca Tondini hielt vor ihm. Die Waffen hatten sich vor ihr gesenkt. Neben ihr hielt, ebenfalls zu Pferde, von der Anstrengung geröthet und muthig flammenden Blicks, wie eine zornige Kriegsgöttin, die Fürstin K.
Lambert wurde gefangen genommen und entwaffnet. Er versuchte keinen Widerstand mehr und gab apathisch seine Waffen ab. Zwei Cuirassiere nahmen ihn zwischen sich und führten ihn mit sich fort.
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