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(Hierzu Abbildungen Tafel XVI und XVII)
Die kristallinischen Gebirgsmassen, die sich dem Roten Meer parallel durch die östlichen Wüsten von Ägypten hinziehen, sind ungeachtet ihrer Metallarmut bereits in sehr frühen Epochen Gegenstand eines auf die primitivsten Hilfsmittel beschränkt gebliebenen Minenbetriebs gewesen. Man kennt durch E. Floyer'sEtude sur le Nord-Etbai. Le Caire 1893. Nachforschungen innerhalb des eigentlichen Ägyptens zwischen 23° und 25° n. Br. ungefähr zehn Stellen, wo teils Gold aus Quarz gewonnen, teils Smaragde, Berylle und Topase gegraben worden sind, während Linant de Bellefonds in den Wüsten Nubiens, im »Etbai« zwischen 21° und 23° n. Br. einige zwanzig Örtlichkeiten alter Goldgewinnung angegeben hat. Bei der hohen Entwicklung des altägyptischen Kunstgewerbes werden diese Gebirge außerdem von ihren hamitischen Bewohnern wohl seit den ältesten Zeiten nach allerhand Halbedel- und Schmucksteinen durchsucht worden sein, wie z. B. Lazurstein, Granat, grüner Feldspat, Onyx, Chalkedon, Achat, Jaspis, Bergkristall, Amethyst u. dergl. Die heutigen Ababde, die Ichthyophagen des Ptolemäus, sind den weiter südlich hausenden Bischarin nahe verwandt und mit diesen von den arabischen Geographen als »Bega« bezeichnet worden. Diese Völker nennen sich selbst »Bedaûye«, und neuere Funde des Prof. Flinders Petrie haben es für mich sehr wahrscheinlich gemacht, daß sie die Völkergruppe repräsentieren, die von den alten Ägyptern mit dem Namen »Med'a«, »Matoi« usw. bezeichnet worden sind. Maspero und andere Ägyptologen haben diesen Namen, aus dem in neueren Epochen der ägyptischen Geschichte die Bezeichnung »Mazai« für »Gendarmen« (nach Erman) hervorgegangen ist, der Gruppe der Libyschen Völker zugewiesen; allein die von Flinders Petrie bei Nagada gemachten Funde, namentlich die mit den heutigen Gefäßen der Ababde z. T. völlig identischen Talkschiefergeräte weisen auf die Ostseite des Nil, nicht auf die Libysche Wüste, wo die genannte Gesteinsart nirgends anzutreffen ist. Diese Urbewohner, die sich in großer Reinheit des Stammes und der Sitten bis auf den heutigen Tag in den südlichen Teilen der östlichen Wüste Ägyptens erhalten haben, sind von jeher mit der Verarbeitung der Gesteine vertraut gewesen, wie die erwähnten Gefäße beweisen, die sie noch heutigentags aus Speckstein, Chloritschiefer, Talkschiefer und ähnlichen Felsarten herzustellen wissen. Bei ihnen hat die Steinzeit gewissermaßen nie aufgehört, zu Recht zu bestehen.
Die Ägypter selbst scheinen von jeher mit den benachbarten Wüstenvölkern keine Gemeinschaft gehabt zu haben, und schwerlich werden echte Ägypter, selbst kaum als Angestellte und Aufseher, bei den durch Sklaven und Kriegsgefangene ausgebeuteten und durch fremdländische Truppenkörper überwachten Gruben Verwendung gefunden haben.
Daher darf uns auch die Seltenheit von Bauresten und Inschriften in diesen Einöden nicht überraschen. Die Granit- und Sandsteinmassen, deren die Ägypter zu ihren Tempelbauten bedurften, lagen im Bereich des Niltals, ja am Fluß selbst, ohne dessen Mithilfe die größten Stücke gar nicht fortzuschaffen gewesen wären. Auch die Alabasterbrüche waren sämtlich in geringer Entfernung vom Nil gelegen und in wenigen Stunden zu erreichen. Die einzige Ausnahme machten die auf der heutigen Keneh-Kosser-Straße gelegenen Brüche von Hammamat, weil dort allein jene feinkörnigen, harten und schwarzen Grauwackenhornsteine, Diorite oder Porphyre zu haben waren, die zur Herstellung der wertvollsten Bildsäulen dienten. Durch diesen an der schmalsten Stelle zwischen Nil und Meer gelegenen Wüstenstrich östlich von Theben führte zugleich der wahrscheinlich älteste Weg, der Ägypten mit der Außenwelt in Verbindung gesetzt hat; vielleicht ist es der nämliche, auf dem die erste Einwanderung sich vollzog, die das alte Kulturvolk dauernd an das Niltal knüpfte.
Vor der Wüste im allgemeinen und dem »Rotlande« (To-Scher oder Torsch) der östlichen Thebaïs müssen die alten Ägypter eine Art heiliger Scheu empfunden haben, wenn anders die Analogie nicht täuscht, die aus den Vorstellungen der ihnen doch so wesensgleichen heutigen Niltalbewohner erhellt. Die Schrecken jener Einsamkeit und Menschenleere, wie sie die Felswüsten des Ostens darbieten, die für uns eine beata solitudo und eine sola beatitudo (St. Benedict) gewähren würden, erfüllte das Gemüt des modernen Ägypters mit eigentümlicher Furcht, seine Einbildungskraft gestaltet die Wüstenöde zum Tummelplatz aller bösen Geister. Ob solcher Furchtsamkeit wird er nicht selten von den Beduinen verspottet. In diesen Sonnenländern weiß man nichts von den Nebeln der Gespensterdichtung unseres Nordens; vor Gräbern und dunklen Gewölben graut dem Ägypter nicht, aber um keinen Preis wäre er zu bewegen, allein die Nacht in einer abgeschiedenen Felshöhle der Wüste zu verbringen. Ich führe das an, weil die übertriebene Bewunderung und Verehrung, die im 4. und 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung den Anachoreten, jenen frommen Männern, zuteil wurde, die abgeschieden von aller Welt, in entlegenen Wüstentälern und, wie man glaubte, unter beständigem Ringen mit allen Anfechtungen der Dämonenwelt ihr Dasein verbrachten, in den angedeuteten Vorstellungen der Ägypter ihre Erklärung finden.
In den älteren Epochen scheinen die Ägypter, wenn man von dem durch das Uadi Gasus führenden absieht, den ich im Januar 1885 besuchte, nur einen Zugang zum Roten Meer gehabt zu haben, nämlich die vorhingenannte Straße, an der, im heutigen Tal von Hammamat, die Brüche gelegen waren, wo »der schwarze Stein von Ägypten« ausgebeutet wurde. In den Zeiten der elften und zwölften Dynastie, wie durch Inschriften und Papyrusrollen bezeugt ist, und wahrscheinlich in noch früheren Perioden bestand diese Straße, an der künstliche, aus dem Fels gehauene Brunnen das den Wanderern und Lasttieren erforderliche Trinkwasser lieferten.
Die aus dem arabischen Süden, aus To-Nuter, dem »Gottesland« oder dem »heiligen Land«, anlangenden Waren wurden im Albus portus des Claudius Ptolemäos, dem heutigen Kosser ausgeladen, auf Eseln nach Koptos übergeführt und hier auf die Nilschiffe verladen. Vielleicht ist auch die erwähnte Wüstenscheu des Ägypters daran schuld gewesen, daß die Alten nicht mehr direkte Wege von verschiedenen Punkten des Nil zum völkerverbindenden Meer erschlossen. Die dazu erforderlichen Brunnenanlagen, Fangdämme und ähnliche Wasserbauten hätten geeignete Aufgaben für ihren Unternehmungsgeist abgeben können. Das geschah aber erst unter den Ptolemäern infolge des mächtigen Impulses, den diese Herrscher dem überseeischen Handel angedeihen ließen. Als dann die Römer Herren des Landes geworden waren, begann nach allen Richtungen hin eine zunehmende Durchforschung der Wüste nach Metall- und Mineralschätzen. Neue Gesteinsarten gelangten in der Bildhauerei zur Verwendung. Marmor, Granit von Syene, Sandstein, Alabaster und der »schwarze Stein von Ägypten« genügten nicht mehr; die häufig wechselnde Geschmacksrichtung der Verfallzeit führte allerlei Versuche mit mehrfarbigem Material herbei und man begann bei mittelmäßigen Bildwerken durch Kostbarkeit und Seltenheit der Masse dasjenige zu ersetzen, was ihnen an wahrem Kunstwert abging.
Um etwas noch nicht Dagewesenes und bei der Schwierigkeit seiner Beschaffung nur der Allgewalt des römischen Weltbeherrschers Zugängliches zur Schau stellen zu können, kam seit Claudius, wie Plinius bezeugt, der echte rote Porphyr in Aufnahme, eine Gesteinsart, die nur an einer, am gleichnamigen Berge der östlichen Wüste gelegenen und über 140 km vom Nil bei Keneh entfernten Stelle zu haben war. Zu dem Ende wurde am Porphyrberg, dem heutigen Gebel-ed-Duchan (d. i. »Berg des Rauches«) eine große Niederlassung gegründet, wo Tausende von Sklaven, wahrscheinlich Sträflinge oder Staatsgefangene, in harter Arbeit die gewaltigsten Blöcke abzusprengen und von den unzugänglichsten Höhen herab nach dem Tal zu schaffen hatten. Auf einer mit Stationshäusern und Brunnenanlagen besetzten StraßeOb der Seeweg über Myos Hormos, das nur 50 km entfernt war, benutzt werden konnte, ist bis jetzt nirgends nachzuweisen gewesen; auch weiß man nicht, ob der die beiden Meere miteinander verbindende Süßwasserkanal in jener Epoche zu diesem Zwecke verwendbar war. wurden alsdann die, wie viele noch heute in den Museen und Kirchen Italiens prangende Schaustücke dartun, oft Tausende von Zentnern schwere Massen vermittelst Rollen und Karren durch Ochsen fortbewegt, bis sie beim heutigen Keneh den nächsten Nil erreicht hatten. Wenn man allein die in O. Schneider'sVergl. seine »Naturwissenschaftliche Beiträge zur Geographie und Kulturgeschichte«, 1883, S. 96–110, wo ich meine eigenen an Ort und Stelle gemachten Beobachtungen veröffentlicht habe. Monographie angegebenen wichtigsten Porphyrwerke in Betracht zieht, einer langen Aufzählung der gegenwärtig bekannten und zugänglichen Stücke, so gewinnt man eine Vorstellung von den ungeheueren Massen dieses Materials, die am Porphyrberg von der zweiten Hälfte des ersten bis zum Schluß des vierten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung (sicher von Claudius bis zu Konstantin's Zeiten) zutage gefördert sein müssen.
In einem Abstände von ungefähr 50 km in SSO vom Porphyrites entstand in derselben Epoche, wahrscheinlich unter Claudius, wie der Name bezeugt, eine Steinbruchniederlassung am sogen. Mons Claudianus, dem heutigen Gebel Fatireh. In noch größerem Maßstab angelegt als die Niederlassung bei den Porphyrbrüchen, waren die Claudianischen ausschließlich der Bearbeitung einer Art hellgrauen Granits gewidmet, die im Bereich des Niltales und der Katarakte nirgends zutage tritt. Die Hauptniederlassung, das römische Kastell, lag in einem kleinen Seitental des Uadi Fatireh, das am Südabhang des gleichnamigen Berges nach WSW gerichtet, bei der alten Station es-Saqi die Porphyrstraße erreicht und nahe davon in das große von Norden herkommende Uadi Keneh einmündet. Die Entfernung vom Nil bis Keneh beträgt auf diesem Wege gegen 110 km, der zum Roten Meer bei Myos Hormos 55 km. Der Weg zum Nil verläuft auf der breiten Talsohle völlig eben, dagegen hat die entgegengesetzte Strecke zum Meer erhebliche Geländeschwierigkeiten zu überwinden.
Auf meinen zahlreichen Streifzügen durch die ostägyptischen Wüsten bin ich wiederholt zum Porphyrberg gelangt, am Mons Claudianus dagegen habe ich nur im Januar 1885 geweilt. Ich mache diese noch so ungenügend erforschte Örtlichkeit gerade deshalb zum Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen, weil sie außer von mir nur von wenigen Reisenden besucht worden ist.Von M. Burton und G. Wilkinson im Jahre 1823, von Lefèbvre 1837, von R. Lepsius 1845 und von E. Floyer 1886. Die einzige Beschreibung, die wir vom Mons Claudianus besitzen, rührt von Gardner Wilkinson her; denn R. Lepsius, der auf seinem Weg von den Steinbrüchen des Uadi Hammamat zum Porphyrberg hier durchkam, hat in seinen geistvollen Reisebriefen dieses Besuches nur mit wenigen Worten Erwähnung getan. Seine Reisegesellschaft befand sich gerade damals und an dieser Stelle in einer durch Wassermangel und Unkundigkeit der Führer sehr mißlichen Lage, es wurde am Mons Claudianus nicht einmal genächtigt; so wird unser großer Ägyptologe die alten Ruinen daselbst wohl nur flüchtig durchwandert haben können. Auch Beduinen, Ababde und Maase-Araber gelangen nur selten und vereinzelt in diese abgelegenen Täler, wenn es sich darum handelt, abhanden gekommene Kamele wieder einzufangen.
Der Gebel Fatireh, der mit seinem ungefähr 1300 m Meereshöhe erreichenden Hauptstock der kristallinischen Gebirgskette eingereiht ist, die sich, der Richtung der Meeresküste folgend, nach SSO erstreckt, besteht mit allen seinen Vorhügeln und Taleinschnitten ausschließlich aus Granit. Von den nackten, tiefgefurchten Bergmassen herab, die sich gotischen Domen gleich aus einer Unzahl übereinandergetürmter Verwitterungskegel aufbauen, schimmert hier der Felsen in allen Farbenstufen des Granits, vom zarten Aschgrau bis zum alpenglühenden Rot, das von den höchsten Zacken leuchtet. Bräunliche Gänge von Felsit durchsetzen diese Massen mit breiten Bändern. Alles strahlt hier wieder und glüht in der Lichtfülle des Sonnenlandes. Die kulissenartig ineinander geschobenen Berge und Hügel, die sich mit ihren langausgezogenen Umrißlinien, wären sie in Europa, durch ebensoviele Farbentöne perspektivisch gliedern und in blauen und violetten Abstufungen voneinander abheben würden, flimmern hier in einem unbestimmten Gemenge; nur die auffälligsten Gestalten, einige spitze Kegel und Zacken, selten einmal ein beschatteter Steilabsturz, unterbrechen dieses wüste Einerlei, und Konturen, die durch kilometerweise Abstände voneinander geschieden sind, fließen in eins zusammen, als gehörten sie zu ein und derselben Bergwand. Ganz anders freilich gestaltet sich das Bild, sobald während der Wintermonate Wolken am Himmel aufziehen; da werden urplötzlich Tausende bisher versteckter Gestalten lebendig und schwanken unstät und gespenstisch im beständigen Wechsel der Schatten durch das kaleidoskopartig wogende Berg- und Hügelmeer.
Die hellgraue Granitsorte, die hier zum Gegenstand der Ausbeutung geworden war, ist keineswegs von besonderer Güte und besteht aus einem ziemlich grobkörnigen Gemenge, in dem weißer Quarz und schwarzer Glimmer weit überwiegen. Letzterer macht die Masse wenig widerstandsfähig, so daß man mit dem Hammer sehr leicht große Stücke abschlagen kann, fast wie vom Zucker. Ich glaube, der weiße Granit von Como, der in Mailand so viel Verwendung findet, hat ungefähr das gleiche Gefüge und bietet bei der Verarbeitung dieselbe Leichtigkeit. In diesem weiß und schwarz gesprenkelten Granit vermutet man den von Plinius erwähnten Staarstein, den grau- oder weiß- und schwarzgesprenkelten »psaronius lapis« (nach anderer Lesart »psaranos«), der jedenfalls eine Granitsorte gewesen sein muß, wie aus der Zusammenstellung von ihm mit dem pyropoecilus (oder pyrrhopoikilos) und dem Syenit hervorgehtW. Brindley, der große englische Gesteinshändler, der von der ägyptischen Regierung eine Konzession zur Ausbeutung der alten Brüche am Porphyrberg erhalten hat, sprach in einem bei der Brit. Association 1887 gehaltenen Vortrag über ägyptische Bau- und Dekorationssteine die Ansicht aus (abgedruckt in »The Builder« Nr. 26, 1887), daß der Granit vom Mons Claudianus zur Herstellung des Forums Trajan's sowie der Monolithsäulen des Pantheons Verwendung gefunden hätte. Die betreffenden Granitsorten mögen ja ziemlich identisch sein und wohl auch die Bezeichnung »psaronius« verdienen; aber viele Granite Italiens haben das gleiche Aussehen, während von einer Verschiffung dieser Massen von Ägypten nach Italien bei keinem der älteren Schriftsteller die Rede ist. (Plin. XXXV 13. 43).
Um dieses Gestein, das keine besonderen Vorzüge besaß, auszubeuten, sind Tausende von Menschen und Tiere in Bewegung gesetzt worden, und unwillkürlich drängt sich die Frage auf: zu welchem Zweck geschah dies? Der zur Fortschaffung der roten Porphyrmassen erforderlich gewesene Kraftaufwand wird in Anbetracht der Schönheit des Materials und der Einzigkeit seines Vorkommens erklärlich. Rätselhaft aber erscheint diese große Mühewaltung, die hier dem doch gewiß weitverbreiteten hellen Granit zuteil wurde, dessen Blöcke fünfundzwanzig Wegstunden weit über Land geschleppt werden sollten.
In anderem Licht erscheint die Frage, wenn man bei den großartigen Anlagen am Mons Claudianus den Zweck einer nutzbaren Granitgewinnung nicht als Hauptsache betrachtet, sondern nur als ein Mittel zur Verfolgung höherer Staatszwecke. Große Scharen von Staatsgefangenen, die sich nach Niederwerfung der häufigen Aufstände in Syrien, in Alexandria und anderwärts anhäuften, hatten die Präfekten Ägyptens zu beschäftigen, und es läßt sich annehmen, daß der gefährlichere Teil dieser »damnati in metallum« (Plin.) in den unzugänglichsten Felswüsten mit Herbeischaffung von Materialien zu allen möglichen und unmöglichen Bauten betraut und auf solche Art unschädlich gemacht werden sollte. Die zahlreichen Wächterhäuschen, die auf jedem vorspringenden Punkt und auf jeder Hügelspitze im Umkreis der Steinbrüche noch zu sehen sind, ebenso die feste Beschaffenheit des Kastells sprechen deutlich von der Sorgfalt, die kaiserliche Befehlshaber auf die Überwachung der ihnen anvertrauten gefährlichen Menge verwandt haben müssen.
Über den einen weit längeren Zeitraum umfassenden Betrieb der Porphyrbrüche und über das den daselbst beschäftigten Strafgefangenen zugefallene Los haben wir einige Angaben alter Schriftsteller,Vom Rhetor Aristides, vom Kirchengeschichtsschreiber Eusebius, der in seinem Werk über die Märtyrer Palästinas ein ergreifendes Bild von dem Schicksal christlicher Strafarbeiter in den Steinbrüchen der Thebaïs entwirft, schließlich von dem Verfasser oder den Verfassern der sogenannten Passio sanctorum quat. coron. Es ist wahrscheinlich, daß diese Legende aus der Verschmelzung zweier entstanden ist, von denen die eine Ägypten, die andere Ungarn zum Schauplatz hatte. Wie O. Schneider bereits gezeigt, sprechen verschiedene Punkte des Berichts dafür, daß es sich in der Tat um die Porphyrbrüche Ägyptens handelte, u. a. die Abwesenheit von ungarischen Porphyren unter den Bildwerken der Diokletianischen Epoche, die Erwähnung des »Feuerberges« (Gebel ed Duchan, Porphyrites), des Sonnentempels im Bergwerk u. dergl. die aber sämtlich zu einer Zeit verfaßt worden sind, als die Werke am Mons Claudianus nicht mehr in Tätigkeit waren. Man kann annehmen, daß die Opfer der großen Christenverfolgungen am hiergenannten Platz nie Verwendung gefunden haben, eher Juden von den unter Titus, Trajan und Hadrian unterdrückten Empörungen in Jerusalem und Alexandria, die uns Flavius Josephus geschildert hat.
Das nach WSW verlaufende Uadi Fatireh nimmt eine Anzahl kleiner Seitentäler von der linken Seite auf, und diese sind nach NW gerichtet. Auf der Nordseite eines dieser Seitentäler liegen, zwei km vom Hauptuadi, die noch wohlerhaltenen Trümmer des römischen Forts, das den Mittelpunkt dieser Anlagen bildete. Das Rinnsal des Seitentales liegt 700 m über dem Niveau des Meeres. Das Kastell selbst bildet ein nach den vier Himmelsrichtungen orientiertes regelmäßiges Quadrat von 70 m auf jeder Seite und ist von einer Ringmauer umgeben, an der fünf im Grundriß teils vierkantig, teils halbkreisförmig angelegte Türme vorspringen. Ein einziges Tor führt auf der Westseite in das Innere. Dieser genau in der Mitte der Westmauer befindliche Eingang wird von zwei halbrunden turmartigen Vorbauten flankiert, die eine Art Vorwehr darstellen.
Vielleicht ist nirgends in der Welt eine römische Niederlassung in so wohlerhaltenem Zustand auf die Nachwelt gelangt, wie die vom Mons Claudianus. Es gibt in Ägypten noch zahlreiche Burgen ähnlicher Art, deren Umfassungsmauern stehengeblieben sind, wie beispielsweise die zu Abydus, zu Eileithya (el-Kab), bei Kom-el-ahmar, zwischen Edfu und Esneh, in der Oase Chargeh u. a., aber nirgends wird uns ein ähnlicher Einblick in die inneren Einrichtungen geboten wie hier. Wäre Pompeji in solcher Verfassung an das Tageslicht gekommen, man hätte nicht nötig gehabt, auf spekulativem Wege Modelle von römischen Wohnhäusern zusammenzustellen; denn letztere lägen alsdann in Substanz vor. Leider aber waren in einer so abgeschiedenen Wüstenburg die Behausungen nur höchst ursprünglicher Art und jedes Schmuckes bar, sodaß hier nur wenig zum Verständnis der häuslichen Einrichtungen dargeboten erscheint. Immerhin gewahrt man neben gefängnisartigen dunklen Zellenlöchern auch geräumige Stuben, in denen zugehauene Säulen die Steinbalkenlagen der Decke tragen, steinerne Waschbecken und Wannen, leuchterartige Kandelaberfüße, Hausaltäre und anderes Hausgerät aus Stein umherliegen. Dies waren wohl die Behausungen der Vornehmeren, der Ingenieure und Werkführer bei den Sprengarbeiten, der Steinmetzen von Beruf. Alles ist hier aus Granit geformt, rohbehauene Platten und Balken sind als Tür- und Fenstereinfassung, als Türschwellen, als Sitze, als Gestelle zusammengetan. Bewurf und eigentliches Mauerwerk findet sich nur an den wenigen Luxusbauten, die sich außerhalb des Kastells vorfinden, nämlich am Tempel, am Wohnhause des Verwalters (oder Befehlshabers) und am Bade. Diese sind denn auch, da sie wahrscheinlich viele Holzteile enthielten, der Zerstörungswut der späteren Besucher nicht entgangen und befinden sich infolgedessen in ähnlichem Zustande, wie derartige Ruinen in anderen Gegenden Ägyptens auszusehen pflegen.
Gewaltige Granitbalken überdecken den hohen Toreingang, durch den man in das Innere des Kastells eintritt. Zunächst öffnet sich eine enge Hauptstraße von Ost nach West, auf der zu beiden Seiten, in Nord und in Süd, je drei noch schmälere parallele Seitenstraßen folgen. Die Mauern der einzelnen Häuschen sind zum großen Teil eingestürzt, da die als Mörtel und zur inneren Auskleidung der Wände verwandte Lehmmasse längst durch gelegentliche Regengüsse hinweggespült worden ist, und infolge davon die aufeinandergeschichteten Bruchsteine oft ihren Halt verloren. Anderwärts sind zahlreiche Häuser unverändert stehengeblieben und ihre Innenräume noch unter Dach und Fach. Umfangreiche Platten und lange Balken von Granit bilden die Decke. Solche Wohnungsräume könnten heute noch ihren Zweck erfüllen. Ziegenmist rezenter Art, der sich stellenweise angehäuft hat, beweist in der Tat, daß Beduinen vorübergehend hier ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben. Das Innere des Kastells entbehrt der Freiplätze, eine Behausung lehnt unmittelbar an die folgende, und wahrscheinlich waren die dazwischen liegenden Gassen und Gäßchen zum Schutz gegen die Sonne mit Matten u. dergl. überdeckt. Die Wohnräume im Kastell tragen nicht den Charakter von Zellengefängnissen zur Schau, wie solche die Hydreuma-Stationen dieser Wüstenregion kennzeichnen: hier scheinen die Arbeiter und Sträflinge familienweise, aber verhältnismäßig frei und ungebunden einquartiert gewesen zu sein, was den Angaben entspricht, die zur Zeit des Antonius Pius, der weitgereiste Rhetor Aristides in seiner Abhandlung über Ägypten niederschrieb, und in der er das Leben der Steinbruchsträflinge, denen in der wasserlosen Gegend jede Möglichkeit des Entweichens benommen war, in entsprechender Weise geschildert hat. Bei längerem Nachsuchen und nach Hinwegräumung von Schutt und Steinen ließen sich im Innern dieser Niederlassung gewiß noch manche interessante Hausgeräte, vielleicht gar Reste von Schriften und Briefen (Diptycha, Ostraka, Papyrusstücke) ausfindig machen. Was mir bei flüchtiger Durchmusterung der Räume besonders in die Augen fiel, beschränkte sich auf Granitmörser zum Kornstampfen, auf Tonscherben, namentlich hellblaue, für die ältere römische Kaiserzeit in Ägypten so charakteristische Fayence, auf Glasfragmente, lange zweihenkelige Amphoren aus gebranntem Ton für Öl und Wein u. dergl. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß Tonscherben sich nirgends in größerer Menge angesammelt haben, aus welchem Umstand man auf die kurze Dauer des Bestehens dieser Niederlassung schließen darf.
Der eine Zugang, den der befestigte Platz aufweist, scheint hinlänglich den Zweck der hohen Ringmauer zu erklären. Die Befestigung richtete sich wohl mehr gegen die Insassen als gegen einen von außen her zu befürchtenden Feind. Der von Wilkinson gelesenen Tempelinschrift zufolge soll hier ein mit dem Titel Chiliarch angegebener Anführer von zilizischer Reiterei, und zwar einer Abteilung oder Rotte (speira) der ersten Flavia in Garnison gestanden haben. Es ist wohl nicht anzunehmen, daß das Kastell, falls es zur Beherbergung dieser Soldaten gedient hätte, die Reiter ohne die zugehörigen Pferde aufgenommen haben würde. Pferdestände aber sind, wie ich bezeugen kann, im Innern ganz sicher nicht vorhanden gewesen.
Aus der erwähnten, vom Jahr 119 n. Chr. datierten Inschrift geht hervor, daß außer dem an dritter Stelle aufgeführten Chiliarchen Avito bei den römischen Niederlassungen noch zwei hervorragende Persönlichkeiten in Tätigkeit waren, erstens der Unternehmer der Brüche Epaphroditus Sigerianus, ein Sklave dse Kaisers, und der Aufseher oder Verwalter der Brüche Chresimus, ein Freigelassener des Augustus. Der Unternehmer wird in Person wohl nicht dauernd am Platz anwesend gewesen sein. Über die uns inbetreff der Verwaltung der Steinbrüche und über den alten Minenbetrieb überkommenen Nachrichten hat uns E. Schiaparelli belehrt.
Beim Hinaustreten aus dem Kastell hat man zunächst linker Hand eine große Amtsstube (»Diwan« der heutigen Ägypter) mit längs den Wänden verlaufenden Steinbänken. Darauf folgen im Westen zwei von Mauern in Gestalt länglicher Vierecke umfriedigte Räume, die der Bauflucht des Kastells parallel mit der Längsseite aufeinanderstoßen und gegen die Talmitte Front machen. Sie messen je 50x20 und 50x40 m. Der auf der Südseite gelegene Raum stößt mit seiner Längsfront unmittelbar an das Kiesrinnsal der Talmitte und weist gegen dreißig in fünf Reihen geordnete vierkantige Pilaster auf, die aus geschichteten Steinscheiben errichtet, dazu bestimmt gewesen sein müssen, ein großes wohl mit Stroh, Palmenblättern oder Matten belegtes Sonnendach zu tragen. Die nördliche Abteilung war ohne Sonnendach und enthielt zwei ihre ganze Länge einnehmende Steinbänke mit Trögen, an denen offenbar die Zugstiere, vielleicht auch Reittiere oder Pferde gefüttert, wohl auch abgetränkt wurden, obgleich für den letztgenannten Zweck anderwärts Vorsorge getroffen war. An den Futterbänken war Platz für 400 Tiere. Die Größe dieser Anlage spricht von der großen Zahl der Tiere, die hier, aber wahrscheinlich nur während der Wintermonate, zur Verwendung kamen, ganz abgesehen von den Kamelen, für die man weder ein Schattendach noch eigene Futterbänke herzustellen nötig gehabt haben würde.
Der mit dem Sonnendach versehene Raum bot Platz zur Unterbringung von mindestens 350 Ochsen. Vielleicht waren hier die sehr fraglichen Stallungen der zilizischen Reiterei; die Halle konnte auch zur Speisung von Strafarbeitern Verwendung gefunden haben.
Im Innern des Kastells fand ich nur zwei zu Zisternen verwandte Becken. Dagegen ist eine tiefe Grube ohne sichtbare Steinauskleidung am Ostende des Viehhofs befindlich. Ein großer Steintrog steht noch da. Diese Grube enthielt gewiß einen Brunnen, der höchstwahrscheinlich zur Aufnahme des bei gelegentlichen Regengüssen auf der Talsohle zusammenfließenden Wassers gedient hat. Die eigentliche Wasserstation lag in einer Seitenschlucht auf der Südseite des Nebenuadis (Tal des römischen Forts), 1 km vom Kastell entfernt, in bedeutend höherer Lage, so daß eine Röhrenleitung wohl zu diesem hinunterführen konnte. Indes, um die Bedürfnisse einer so großen Niederlassung zu befriedigen, wo sich noch obendrein die Vornehmen den Luxus von Bädern gestatten durften, hätten diese Wasserwerke für sich allein nicht genügt. Jedenfalls waren beständig Hunderte von Kamelen auf den Beinen, die Tagereisen weit, sei es vom Nil, sei es von den natürlichen und künstlichen Zisternen der Gebirge (am Gebel Um-Enab), Wasser in größeren Mengen herbeizuschaffen hatten.
Der Westseite des Kastells entlang steigt eine von zwei Steinmauern flankierte Straße bergan, die in den Tempel ausläuft. Bevor man diesen erreicht hat, gelangt man rechter Hand, der Nordwestecke des Kastells gegenüber, zu einem aus gebrannten Ziegelsteinen hergestellten Bau, dessen Dach gleichfalls ein Ziegelgewölbe darstellt. Offenbar beherbergte dieser vor allen übrigen Wohnungen bevorzugte Bau die vornehmste Persönlichkeit der Niederlassung, vielleicht den kaiserlichen Prokurator oder Verwalter der Brüche. Ein Bassin mit runden halbkreisförmigen Treppenstufen und zwei Tröge von Granit sind noch erhalten und tun den Zweck dieses für die Verhältnisse luxuriösen Baues kund, nämlich einer Badeanlage, wenn auch von sehr bescheidenen Verhältnissen. Nach Wilkinson, der hier 62 Jahre vor mir vieles in besser erhaltenem Zustande sehen konnte, enthielt dieses Bad auch einen nach Art der Sudatoria gewölbten Raum, der, nach Vitruvius (lib. V. c. 10), mit Hilfe einer von der Decke herabhängenden Öllampe erhitzt werden konnte. Törichte Epigonen haben den Fußboden durchbrochen und ein tiefes Loch ausgehöhlt auf der Suche nach vermeintlichen Schätzen. Die Wände tragen noch Bewurf von fester Mörtelmasse und zeigen eine apsisartige Nische. Ein merkwürdiges vierkantiges, oben offenes Granitgefäß mit sonderbarer Öffnung zur Einfügung von Metallröhren fand sich daselbst vor. Auf dem Mörtelbewurf der Apsis im Bade ist der Name eingekratzt: Rosa, 1812 Camillo.
Dicht unter dem Fuß der nördlichen Talwand war auf einer ansteigenden Felsstufe der in seinem Neubau unvollendet gebliebene Sonnentempel errichtet, wie jener in der benachbarten Porphyrstadt, dem Helios Serapis geweiht. Eine breite Rampe führt hinan, bei dem Wohnhaus und Bad des Verwalters vorbei, und läuft in eine Treppe von zwanzig Stufen aus. Diese führen zu einer Plattform, auf der die Trümmer eines kubisch gestalteten Altarsteins liegen, dessen Inschrift besagt, daß der Präfekt von Ägypten, Sulpicius Simius, ihn im zwölften Jahr der Regierung des Trajan (110 n. Chr.) errichten ließ. Dieser Stein war schon zu Wilkinson's Zeiten zerbrochen. In neuerer Zeit sind, wie die mangelnde Patinierung erweist, noch von den Ecken und Kanten mutwillig Stücke abgeschlagen worden, aber die Inschrift ist erhalten. Ein Stück, das wahrscheinlich als Piedestal zum Altar gedient hatte, lag beiseits. Dieser Altarstein, der sich am vorderen Rande der Plattform in offenbar verrückter Stellung schief aufgestellt vorfand, hat vielleicht zu dem älteren Tempel gehört, der unter Hadrian erneuert werden sollte. Hinter der quadratischen Plattform mit den Trümmern des alten Altars folgt ein mit zwei Säulen, von denen nur die Füße vorhanden sind, rechts und links besetzter Vorraum. Ein prachtvoll ausgeführtes, mit Schnecken an den vier Ecken versehenes Blätterkapitell, das einzige vollendete und zum Neubau des Tempels bestimmte Stück, das mir hier vor die Augen kam, liegt an dieser Stelle. Der eigentliche innere Tempelraum, quadratisch von Gestalt, wird vom Vorraum aus durch ein Tor betreten, das zu beiden Seiten je eine Mauernische hat, wo etwa Bildsäulen zur Aufstellung gelangen sollten; eine kleinere Eingangstür ist außerdem auf der rechten Seite angebracht. Der in der hintersten Abteilung des Tempels befindlich gewesene Altar war zu Wilkinson's Zeit noch vorhanden, aber umgestürzt und trug auf der vollendeten Seite eine Weihinschrift des Annius Rufus von der XV. Legion Apollinaris, dem Vorgesetzten der Steinbrüche unter Trajan.
Das von Wilkinson erwähnte, zum Tempelneubau bestimmte Architravstück mit der vom zweiten Jahr der Regierung Hadrian's (119 n. Chr.) datierten Inschrift habe ich nicht ausfindig machen können.E. Floyer fand 1886 im Innern des Forts, unweit der Nordwestecke ein mit einer griechischen Weihinschrift zu Ehren Trajan's versehenes Steinfragment von Granit, auf dem der Anfang der drei ersten Zeilen erhalten war. Diesen Stein sah ich in Kairo, wo er später verloren gegangen ist. Aus diesem Grunde sei die damals von mir hergestellte Kopie hier beigefügt. Trotz des gleichlautenden Textes kann diese Inschrift nicht die von Wilkinson angeführte sein, die ich nicht aufzufinden vermochte, denn der Stein, der sie enthielt, war kein Architravstück, sondern von stelenartiger Gestalt und gehörte wohl zu einem kleinen Heiligtum oder Altar im Fort. Auch war hier die mit dem Namen Trajan beginnende Zeile nicht die zweite der Inschrift, sondern die dritte. Der Steinbalken muß von späteren Reisenden oder von Arabern verschleppt worden sein. Vielleicht taucht er einst noch in einem Museum auf. Vollendete Säulen hat auch Wilkinson hier nicht vorgefunden. Für die Örtlichkeit hat die erwähnte Inschrift aus dem Grunde eine ganz besondere Bedeutung, weil sie ausdrücklich die »Werke des (Berges) oder am Claudianus« namhaft macht. Hierbei darf nicht unerwähnt bleiben, daß die Möglichkeit vorliegt, unter diesem Namen sei nicht bloß ein einzelner Berg, sondern der gesamte Gebirgsstock, den Porphyrites mit inbegriffen, verstanden worden. Da die Porphyrgewinnung unter Claudius ihren Anfang nahm, so hat die Annahme eines solchen Kollektivbegriffes immerhin vieles für sich.
Wenn man von der Hauptniederlassung talabwärts geht, so gelangt man sehr bald zur Austrittsstelle eines kleinen Seitentales, das von Süden her auf der linken Seite des Tals des römischen Forts einmündet. Bei ½ km oberhalb erreicht man in diesem Seitental am östlichen Fuß der Bergwand einen umfangreichen Bau nach Art der »Hydreuma« genannten Wasserstationen der östlichen Thebaïs. Der Hauptbau (in der Abbildg. unten) hat das Tor auf der Ostseite, lehnt an der Bergwand und besteht aus zwölf gleich großen, in zwei Reihen angeordneten Kammern, deren Türen jederseits in einen Gang münden, der auf das Eingangstor ausläuft. Rechts neben letzterem, eine Felsstufe tiefer, stößt man in einer eigenen Umfriedigung, die aber an den Hauptbau anlehnt, auf ein geräumiges zementiertes Becken, das 5,5 x 4,3 m mißt, einige Nebenräume und vorn, außen am Eingang, noch auf ein zweites kleineres, ebenfalls mit Zementmasse ägyptischer Art ausgeschmiertes Wasserbecken, dem zur Seite ein steinerner ovaler Trog angebracht ist. Zwei gemauerte Wassertröge, ein langer und ein kürzerer, erstrecken sich außerhalb des Eingangs zur Talsohle hin von West nach Ost. Diese Tröge stehen auf freiem Gelände und waren den Tieren zugänglich. Viele Reste von zerfallenen Häuschen und Kammern umgeben den Bau. War dies etwa das von Letronne erwähnte Hydreuma des Trajan? Das vorhin beschriebene Kastell konnte doch nicht ein Hydreuma genannt werden, dessen Bedeutung nach Plinius eine Wasseranlage betraf, eine aquatio in genere, also Quelle, Brunnen, Zisterne, Wasserstation.
Geht man von dem Hydreuma südwärts über eine kleine, von zwei gegenüberstehenden Wächterhäuschen gekrönte Anhöhe und Wasserscheide hinüber zum nächsten Talsystem, so gelangt man nach ½ km zu einem niedrigen und schmalen Steindamm, dessen Überbleibsel sich in sanfter Neigung talabwärts und in geraden Linien zuerst nach SW und zuletzt nach W wenden. Diese sind auf einer Strecke von 1 km zu sehen und ohne sichtbare Mörtelreste aus lose aufeinander geschichteten Steinlagen gebildet. Da dieser Steindamm talabwärts und zum Teil im Rinnsal selbst verläuft, kann er nicht als Fangarm gedient haben. Man wird aber an ihm auch keiner zementierten Rinne gewahr, von der, falls eine je vorhanden gewesen, doch gewiß Überreste erhalten geblieben wären. Von einer Tonröhrenleitung hätten gleichfalls nicht zu verkennende Trümmer oder Scherben übrig bleiben müssen. Dagegen hat die Annahme, daß der Steindamm einer Bleiröhrenleitung als Unterlage gedient hat, große Wahrscheinlichkeit für sich. Das wertvolle Metall wurde beim Aufgeben der Niederlassung entfernt oder gestohlen. Um zu einer befriedigenden Deutung dieser Dammreste zu gelangen, erübrigt nur, dem Widerspruch zu begegnen, der zwischen der Lage des Hydreuma auf der Höhe und der in einer der Hauptniederlassung im Tal entgegengesetzten Richtung talabwärts führenden Leitung zu bestehen scheint. Zu dem Ende führe ich den Leser eine Strecke weiter talabwärts in westlicher Richtung, wo wir in einem Abstande von noch nicht 2 km vom Hydreuma bei einer sonderbaren Bauanlage Halt machen, die mitten auf der Tahlsohle in die Augen fällt. Es ist eine quadratische Mauereinfassung, die 30 X 30 m mißt und einen kreisrunden Brunnenschacht in sich schließt, dessen Wandungen aufs sorgfältigste mit gebrannten und mörtelverbundenen Ziegeln ausgekleidet sind. Die Tiefe des Brunnens muß eine beträchtliche gewesen sein, denn noch heute mißt der leere Raum des zum großen Teil verschütteten Schachtes 10 m.
In die Ostecke der Mauereinfriedigung des Brunnenplatzes ist ein zylindrischer Turm eingefügt, dessen Überbleibsel 8 m Höhe erreichen. Das Mauerwerk des Turmes besteht aus einem durch Tonerde verbundenen Gefüge von Bruchsteinen. Im Innern ist der Turm jetzt hohl und leer. In der Höhe ist eine quadratische Fensteröffnung erhalten, die nach dem Brunnen zu Front macht. Dieses Bauwerk, von dem E. Floyer vermutet, daß es zur Bewachung des Brunnens errichtet worden sei, erklärt meines Erachtens die Anlage der bergan zum Hydreuma führenden Leitung. Ich stelle mir vor, daß der Turm ein Wasserbecken getragen hat, das vermittelst eines Pumpwerks aus dem Brunnen gefüllt werden konnte, um das Wasser alsdann nach dem Hydreuma abfließen zu lassen, denn die Bassinhöhe mag die übrigens durch Pumpen zu überwindende Höhe des Anstieges übertroffen haben. Bei Annahme eines Pumpwerks hätte man zugleich eine Erklärung für das Vorhandengewesensein und die Notwendigkeit metallener Röhren. Es ist wenig von den in jenen Zeiten gebräuchlichen Pumpwerken bekannt, die nicht mit den »cochleae« oder Schneckenschöpfwalzen zu verwechseln sind, die man heute Turbinen nennt und die in einer ursprünglichen Form seit den ältesten Zeiten in Unter-Ägypten gebräuchlich sind, wo sie heute »tabût« heißen, und hinsichtlich der eine Notiz in Diodor es mir wahrscheinlich erscheinen läßt, daß sie Archimedes, als er Ägypten besuchte, die erste Idee zu seiner Schraube gegeben haben.
Für »Pumpe« in unserem Sinn scheint ein Ausdruck aus der klassischen Periode überhaupt nicht vorhanden zu sein; denn auch Plinius umschreibt die Erfindung des Alexandriners Ktesibios, der um 135 v. Chr. lebte, als »pneumatische und hydraulische Werkzeuge«. Schöpfräder nach ägyptischer Art konnten an der erwähnten Stelle nicht angebracht gewesen sein, und da der Brunnen einen sehr engen Schacht hat, noch weniger Turbinen, Schnecken, die falls man sie nicht in sehr großen Abmessungen ausführt, nur für ganz geringe Höhenunterschiede ausreichen. Es ist aber immerhin auch an eine direkte Füllung des auf dem Turm angebrachten Behälters durch Hinaufwinden von Schläuchen und Krügen zu denken, da es an Arbeitskräften nicht gefehlt haben kann und diese, ohne Unterlaß in Tätigkeit, sehr wohl das Hydreuma auf der Höhe mit genügenden Vorräten an Wasser zur Tränkung der Tiere und zur Weiterleitung nach der Hauptniederlassung zu versorgen imstande waren. In Anbetracht der Geländeverhältnisse könnte zur Erklärung des Turms auch noch die Vermutung auftauchen, als handelte es sich hier um einen jener Wassertürme, die sogen. Suterazy-Peiler der Türkei, wie sie bereits die Alten namentlich in Kleinasien zur Ausgleichung der Druckdifferenzen in all den Fällen in Anwendung gebracht haben, wo man sich statt eines kostbaren Aquädukts mit einer einfachen über Berg und Tal geführten Röhrenleitung zu begnügen hatte. Es haben sich aber weder drüben auf der Westseite des Tals noch anderwärts Überreste des vorhin beschriebenen Steindammes verfolgen lassen. Auch würde unter Annahme einer ausgedehnteren Wasserleitung die Sorgfalt befremden, die auf die Brunnenanlage verwandt worden ist.
Wenden wir uns jetzt dem Hauptgegenstand dieser Wüstenniederlassung, den Steinbrüchen zu, so werden wir gewahr, daß sowohl ihre räumliche Beschränkung auf ein einziges Tal als auch die geringe Ausdehnung der durch Sprengen wirklich in Angriff genommenen Blöcke und Felswände von einer nur kurzen Dauer des Betriebs Zeugnis ablegen. Soviel ich wahrzunehmen Gelegenheit hatte, beschränkten sich die Arbeiten auf ein kleines und gewundenes Seitental, das nördlich von der Niederlassung und in einer Länge von nicht viel über 1 km von Osten nach Westen verläuft und das ich das »Säulental« genannt habe.Eine ausführliche Karte der Umgegend der Niederlassung bei den Steinbrüchen habe ich meinem ursprünglichen Aufsatz über diesen Gegenstand in der Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII beigegeben. Der aus einigen breiten Kegeln zusammengesetzte Höhenzug, der das Säulental vom Haupttal des römischen Forts trennt, gipfelt, wie die übrigen in der nächsten Umgebung des letztgenannten in Höhen, die 100 bis 150 m über der Talsohle (letztere 700 m) betragen. Höhere Kegel steigen weiter in N an, sowie in NO und in O.
In geringer Entfernung von der Austrittsstelle des Säulentals finden sich oberhalb, auf der Nordseite, vier Säulen aufgestapelt, die nebeneinander auf einer 2 m hohen, aus geschichteten Steinen aufgemauerten quadratischen Rampe gelagert sind, die offenbar zum Verladen der Säulen auf Wagen (laut Procop. de aed. Just. V. 6), die von 40 Stieren gezogenen »plaustra« angelegt worden ist. An der Austrittsstelle des Uadi Omsidr in die Küstenfläche, östlich von der alten Niederlassung am Porphyrites, habe ich eine ganz ähnliche, gleichfalls 2 m hohe Steinrampe konstatiert. Die Längenmaße dieser Säulenschäfte waren 6,1, 6,12, 6,2 und 9,1 m. Im Durchmesser maßen alle vier 1 m. Die Steinbrüche selbst beginnen im oberen Teil des Säulentals genau im Norden vom alten Kastell. Wie in den völlig analogen Steinbrüchen auf dem Felsberg an der Bergstraße (Großherz. Hessen) und bei Assuan hatten die Leiter der Sprengarbeiten (die Ergodotai) es nach Möglichkeit vermieden, dem anstehenden Gestein zu Leibe zu gehen und Felswände abzuteufen, vielmehr begnügte man sich zunächst, diejenigen Massen in Angriff zu nehmen, die von Natur bereits zu größeren Blöcken abgesondert waren, deren dauernder Zusammenhalt sich gleichsam bewährt hatte und deren Gefüge eine Prüfung von allen Seiten ermöglichte. Nur die großen Säulenschäfte wurden von dem anstehenden Fels abgelöst, indem man sich derselben Reihen von Keillöchern bediente, die nicht nur am Porphyrberg und bei Assuan, sondern auch bei den römischen Granitbrüchen am Rhein überall zu sehen sind, und deren Handhabung bei den öffentlichen Arbeiten in der »Déscription de l'Egypte« und der Schrift von A. v. Cohausen und E. Wörner über die römischen Steinbrüche auf dem Felsberg, ausführlich erörtert worden sind.
In einer Entfernung von ½ km im Osten von dem ersten Steinbruch erhebt sich eine ansehnliche Kegelmasse, an der das Säulental seinen Ursprung nimmt. Am Nordabfall dieses Berges lag der Schwerpunkt der Steinbruchsarbeit in dieser Gegend. Hier sind viele Blöcke von Natur bereits isoliert und brauchen nur vermittelst Hebel abgelöst und später zugehauen zu werden. Von da aus ziehen sich nach zwei Richtungen wohlgeebnete breite Rampen und Wege talabwärts, die zur Fortschaffung der gewonnenen Massen angelegt worden sind. Der eine Weg verläuft nach Westen und folgt dem Säulental, der andere geht in vielfachen Windungen nach SW und gewinnt die Tiefe des Tales etwas oberhalb des alten Kastells. Diese letztere Strecke ist mit besonderem Aufwand von Kunst und Berechnung zur Ausführung gebracht worden.
Die Felsmassen des Hauptsteinbruchs gewähren an manchen Stellen einen Einblick in die bei der Auswahl der Stellen befolgte Methode. Man sieht deutlich wie die durch die langen Reihen geschlagener Keillöcher erzielten Spaltrichtungen stellenweise nicht dem angestrebten Zweck entsprochen haben. Wiederholt sind da große Stücke in langen Scheiben abgesprengt worden. Dann begann man mit den Keilen in einer anderen Richtung vorzugehen. Stößt man doch auf sich kreuzende Keilreihen, die offenbar nur zur Prüfung der lokalen Gesteinsmassen angelegt worden sind. Außerdem sah ich bei dem Bruch im Säulental 30 cm tiefe Furchen, die in den Fels eingehauen waren, zur Freilegung von Säulenschäften nach der in den oben zitierten Werken beschriebenen Methode. Die von mir beobachteten Keillöcher messen in der Länge 10 cm im Grunde und 11,5 cm am äußeren Rand, 7,25 bis 11,5 cm in der Tiefe. Hinsichtlich der Dicke der Keile läßt sich mit Sicherheit ein Maß nicht feststellen, da man an den abgesprengten Flächen immer nur die halbe Dicke oder vielleicht nur ein Drittel von ihnen wahrzunehmen vermag. Ich nehme an, daß die Dicke zwischen 3,5 und 4 cm betragen haben wird. Es ist nicht erwiesen, ob zu diesen Keilen Metall und von welcher Art Verwendung gefunden hat, da man bisher keine Keile in Substanz in den alten Steinbrüchen aufgefunden hat. Die Annahme einer Verwendung von Holzkeilen, ie durch Anfeuchtung zum Quellen gebracht wurden, läßt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen, zumal die Größe gewisser Keillöcher, die sich in anderen Brüchen vorfanden, eher für die Anwendung von Holz als von Metall zu sprechen scheint. Am Porphyrites maß ich beispielsweise Sprengnarben, die Keile von 20 cm Breite, 7,5 cm Tiefe und 4 cm Dicke verrieten. Die Keilnarben am Felsberg entsprechen hinsichtlich ihrer Abmessungen denen der Claudianischen Werke.
Überall in der Nähe großer Säulen und bearbeiteter Blöcke finden sich zahlreiche Überbleibsel von Holzkohle und Schlacken. Diese stammen von den Metallwerkzeugen, die hier hergestellt (gegossen?) oder erneuert (umgeschmiedet?) werden mußten. Proben dieser Schlacken habe ich im hiesigen Museum für Naturkunde niedergelegt.Über das Härten der Eisenwerkzeuge hat ein mittelalterlicher Autor, der Presbyter Theophilus Schedula, berichtet, übersetzt von A. Ilg, Wien 1874.
Das sehenswürdigste Stück von allem, was in diesen alten Steinbrüchen hergestellt worden und heute noch zu sehen ist, bildet ein kolossaler Säulenschaft, der in der Länge 18 m und im Durchmesser 2,6 m mißt (nach G. Wilkinson 59' 3'' und 8' 6''). Diese Säule ist um 12 m kürzer als der Schaft der Alexander-Säule in St. Petersburg, des größten Säulen-Monoliths der Welt (die Gesamthöhe des Denkmals erreicht eine Höhe von 46,8 m); sie übertrifft aber die »Riesensäule« auf dem Felsberg um 8 m. Von dieser Säule hat sich der dritte Teil mit einem durchgehenden Riß, der vielleicht erst infolge ihrer Fortschaffung entstand, abgelöst; indes hält die ganze Masse noch zusammen. Diese Säule liegt im NO 450 m vom Kastell entfernt. Dicht neben dem gewaltigen Monolith liegt ein kurzes Säulenfragment, das aber die gleiche Dicke aufweist. Es sei hier gleich darauf aufmerksam gemacht, daß alle hier zur Weiterbeförderung vorbereiteten oder auf dem Transport mißglückten Säulenschäfte eine zylindrische Gestalt haben, und daß ihren Umrißlinien erst später, am Bauplatz selbst, die endgültige, anschwellende Kurve zuerteilt werden sollte. Zum Schutz der Endflächen waren beiderseits 85 cm breite und 15 cm hoch hervortretende abakusartige Verdickungswülste angebracht. Bei der soeben erwähnten Riesensäule sind zu beiden Seiten noch andere mit je zwei tiefen Löchern versehene Wülste aus der Masse ausgespart, die den bei ihrer Fortschaffung angewandten Klammern als Haltepunkt zu dienen hatten, ohne die Masse des Schaftes zu beeinträchtigen. Solcher schildzapfenartiger, ovalgestalteter Wülste finden sich drei, und zwar war auf der einen Seite einer in der Mitte des Schaftes, auf der anderen dagegen nebeneinander zwei im oberen Fünftel von ihm angebracht. Von den beiden letzteren zeigt der eine Zapfen eine gewaltsame Beschädigung. Die gegenseitige Stellung dieser Teile verrät, daß der Säulenschaft behufs Überwindung der verschiedenen Kurven der Rampe in einer auf die Wegrichtung schrägen Lage fortgeschafft worden ist. Auf einer der Endflächen sieht man mit roter Farbe die beifolgenden Zeichen vermerkt:
Vielleicht gelingt es einmal, den Tempelbau ausfindig zu machen, zu dem diese großen Säulen bestimmt gewesen sein mögen; jedenfalls handelte es sich um ein Werk erster Größe, denn seine Höhe hätte den Säulen entsprechend zwischen 35 und 40 m betragen müssen. Es ist mir unbekannt, welche Angaben Herr W. Brindley (in »the Builder«) benutzt hat, um die Behauptung aufzustellen, der Mons Claudianus hätte Säulen zum Bau des Pantheons geliefert. Die Säulen des Vorbaues am Pantheon sind um 6 Meter kürzer als der große Schaft, von dem soeben die Rede war.
Ein 6 m langer Säulenschaft liegt transportfertig beim Hauptsteinbruch am Nordabfall des Bergkegels, und an der SO-Ecke des Kastells, außerhalb, am Rande des Rinnsals, gerade an der Stelle, wo der alte Weg vom Steinbruch ins Tal ausläuft, stößt man auf einen anderen von 8,81 m Länge. In der Nähe des letzteren finden sich drei roh zugehauene vierkantige Säulenfüße oder Abakus-Stücke mit zugehörigem Kapitellblock, die 2,24 m im Quadrat messen.
Noch muß eines kleinen Steinbruchs gedacht werden, der in NW vom Kastell an einer sich amphitheatralisch öffnenden Bucht der Bergwand angelegt war. Hier fand sich eine sonderbare Inschrift, die eine auf die Anzahl vollendeter Stücke bezügliche Notiz vorzustellen scheint. Ähnliche Zeichen und Ziffern finden sich an den zur Fortschaffung fertiggestellten Rohblöcken. So notierte ich im Hauptsteinbruch an dreien dieser Blöcke die fortlaufenden Nummern XIII, XIV und XV.
Die großen Rohblöcke (schlechtweg »marmor« genannt), die von den »artifices metallici« bereits freigelegt waren, wurden zur leichteren Fortbewegung zunächst auf Füße von kleinen Steinen gesetzt. Dann wurden sie mit der betreffenden Ziffer versehen. Jedem Strafarbeiter war wahrscheinlich eine bestimmte Anzahl herzustellender Blöcke zugewiesen, vielleicht auch entsprach eine gewisse Zahl dem abzubüßenden Strafmaß des Staatsgefangenen.
Obgleich die baulichen Einrichtungen der beschriebenen Niederlassung auf einen weit größeren Maßstab im Betrieb der Arbeiter schließen lassen, als ihn der Porphyrberg vor die Augen führt, so scheint doch die Annahme gerechtfertigt, daß die Werke am Mons Claudianus, bezw. am Gebel Fatireh nur während der Regierung Trajans und Hadrians in Tätigkeit gewesen sind und dann für immer liegen gelassen wurden. Der Porphyrites zeigt vor allem ein weit entwickelteres Netz von geebneten Wegen und aufgemauerten Rampengehängen mit Zickzackwindungen hin und her in die Höhe streben.
Die Wege, die auf die Höhe führen, haben am Mons Claudianus durch die im Lauf von mindestens vierzehn Jahrhunderten erfolgten winterlichen Regengüsse (man kann annehmen 150 bis 200 an Zahl) einen weit höheren Grad der Zerstörung erfahren, als die des Porphyrgebirges, denn der Granitschutt löst sich weit leichter in seine einzelnen Bestandteile auf als die scharfkantigen fast nur zum spaltenden Zerfall und zur Zerstückelung befähigten Porphyrsplitter. Am vollkommensten ist die von der Ostseite des Kastells aus ansteigende Rampe erhalten, an der man namentlich die sie sichernden hohen Stützmauern aufgeschichteter Blöcke bewundern kann. Hier gewahrt man auch eine Einrichtung, die sich in den europäischen Steinbrüchen aus der Römerzeit bis jetzt nicht hat nachweisen lassen. In Abständen von 8 bis 10 m sind nämlich zu beiden Seiten der Rampe je zwei sehr fest und sorgfältig gefügte und 2 m hohe Steinhaufen errichtet. Diese haben die Gestalt einer halben Tonne, oder können als abgestutzte Kegel bezeichnet werden, mit im Längsschnitt etwas konvex gebogenen Umrißlinien der Außenfläche. In Ermangelung von anstehenden Felsen mußten diese Steinhaufen als feste Stützpunkte zur Anbringung der Winden, Flaschenzüge (trochleae, chamulci), Schrauben und dergl. dienen, vermittelst derer die abgesprengten Massen talabwärts fortbewegt werden konnten. G. Wilkinson hat solche Stützen auch am Porphyrites wahrgenommen, wo sie mir entgangen sind. Er gibt die Abstände der Steinhaufenpaare voneinander zu 12 Schritt an, also in Übereinstimmung mit dem von mir notierten Maß.
In dem hinten gegebenen Bilde, das die Reduktion eines größeren Holzschnittes darstellt, der in No. 40 der »Gartenlaube« von 1885 zum Abdruck gelangt ist, hat man das Tal mit der römischen Niederlassung vor sich, von einer es um 116 m (816 m Meereshöhe) überragenden Granitkuppe aus betrachtet, die in SO vom Kastell sich unmittelbar über dem Talrinnsal und auf dessen Südseite erhebt. Auf der linken Seite der Zeichnung gewahrt man die ansteigende Steinbruchstraße, besetzt mit den halbtonnenförmigen Steinhaufen und der 18 m langen Riesensäule, vor der außerdem noch einer der zur Fortschaffung bereitgestellten und auf Steinfüßen ruhenden Rohblöcke zur Darstellung gebracht ist. In Wirklichkeit gehören diese Gegenstände und die ansteigende Straße auf die gegenüberliegende Talseite rechts im Bilde und in NO vom Kastell. Man wird auch aus der vorhin gegebenen Beschreibung das alte Kastell mit dem links daranstoßenden Viehhof sowie die Anhöhe mit dem unvollendeten Tempelbau hinter dem Kastell wiedererkennen.
Der höchste Berg im Hintergrund der Ansicht bildet die Hauptmasse des vom römischen Kastell ungefähr in N bis NNW und in einem Abstand von 7 km gelegenen 1500 m Meereshöhe erreichenden Gebel Fatireh.In den Jahren 1903–1905 sind die Gebirge der östlichen Wüste von sachkundigen Goldsuchern (»Prospektoren«) vielfach durchzogen worden. In den Quarzgängen des Granits fand sich häufig Gold und auch am Gebel Fatireh stieß man auf alte Werke von Minenbetrieb. Unter Oberaufsicht des unermüdlichen Bergingenieurs C.J. Alford bildete sich, als eine der in jenen Jahren konzessionierten englischen 25 Gesellschaften die » Fatira Exploration Company Lim.«, die aber, wie die große Mehrzahl, wegen zu geringer Goldquelle mehr den Weg der Börsenspekulation als den ernstlicher Förderung verfolgte und wohl auch schon längst in Vergessenheit geraten ist. (Siehe Kap. XI.) Dem Auge des Beschauers bietet sich hier ein für die Granitregion der östlichen Wüste, das »Rotland« der alten, (von dem auch das Rote Meer seinen Namen hat), sehr charakteristisches Bergpanorama dar. Einem erstarrten Strom vergleichbar, wie die »fiuminari« von Sizilien und Kalabrien, zieht sich zu seinen Füßen die makadamartig geebnete Talsohle hin, mit ihrem feinen, helleuchtenden Geröll. Das Rinnsal geht in einem Bogen durch die bald in Gestalt breiter Kegel und Kuppen, bald als dachförmige Rücken auftretenden Vorhügel hindurch; im Hintergrund zeigt sich die Einmündungsstelle des Haupttals. Obgleich hier und da durch eigentümlich gestaltete Einzelberge unterbrochen, verschmelzen doch für gewöhnlich alle diese Vorhügel, wenn man Gelegenheit hat von den Hauptbergen auf sie herabzublicken, zu einem endlosen Gewirr, einem förmlichen Hügelbrei, und erst gegen Abend, wenn die Schatten plötzlich lang werden, entwickelt sich das Bild der Erdoberfläche zu jener Reliefkarte, die unsere Gebirgspanoramen den Blicken darbieten.
Das Hügelgewirr weit überragend, starren in stolzem Aufbau, aus tausend und abertausend Zacken und Kegeln gebildet, die großen Massen des Zentralstocks der ägyptischen Kordillere in die Lüfte; es sind die Wirbelglieder des eigentlichen Gebirgsrückgrats. Wie aus dem Häusermeer einer großen Stadt die gotischen Dome, so überragen hier die Götterburgen alle die kleineren Schöpfungen der Geotektonik, die den menschlichen Verhältnissen näher gerückt sind. Unsere europäischen Bergländer bieten nur selten Beispiele einer derartig ausgeprägten Gebirgsaristokratie.
Zum Schluß sei noch einer modernen Bezeichnung der Örtlichkeit gedacht, die ich dem Bericht von E. Floyer und der ihm beigefügten Karte (Proceedings R. Geogr. Soc. 1887) entnehme. Dieser um die Kenntnis der östlichen Thebaïs so hochverdiente Erforscher nennt die Stelle der römischen Niederlassung am Mons Claudianus »Um-digal« und gibt als Etymologie des Namens »Mutter der Säulen« an. E. Floyer hatte in seiner Begleitung Ababde-Beduinen, und von diesen wird er wohl den alten hamitischen Namen erfahren haben, der mir entgangen ist. Meine Karawane war von Maase-Arabern geleitet, und gerade hier hatte ich die mir für die Dauer der Durchschreitung ihres Gebietes beigegebenen Ababde entlassen. Der Gebel Fatireh liegt nämlich bereits diesseits des den Maase zuerkannten Gebietsanteils der östlichen Wüste. Prof. Leo Reinisch hat in seinem vortrefflichen und zum Verständnis der Ortsnamen in diesen Gegenden ganz unersetzlichen Wörterbuch der Bedauye-Sprache das Wort »dagel« als »Mastbaum« verzeichnet. Seiner gütigen Mitteilung verdanke ich außerdem die Angabe, daß das Wort »deqel, diqla« im Aramäischen die eigentliche Bezeichnung der Dattelpalme ausmacht, und daß diese im Arabischen durch »nachl« verdrängt worden sei. Daß jenes Wort im Semitischen sehr alt sei, bezeuge das griechiche »daktylos«. Im übertragenen Sinn aber werde das Wort daqal im Arabischen auch für Palmenschaft, Mastbaum usw. gebraucht. Um-digâl könne im vorliegenden Falle daher sehr wohl die Bedeutung haben: »Mutter (oder ›Platz mit den‹) der Säulen«. Ich füge hinzu, daß ein großes Tal im Süden von Kairo, dasselbe, das auf den älteren Karten als Uadi-el-tih oder Vallée de l'égarement verzeichnet ist, gleichfalls Uadi Diqla heißt.