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Die Mönche verstummten, und gleich einer Herde Küchlein, in die ein Habicht hineinfährt, stoben sie zuerst auseinander und suchten nach verschiedenen Richtungen zu entfliehen, dann drängten sie sich, verzweifelnd an Rettung, um ihren neuen Abt. Er aber, mit dem gleichen unerschrocknen und festen Blicke, der während der ganzen feierlichen Handlung nicht von ihm gewichen war, stand auf der obersten Altarstufe, als wenn er sich des Platzes, der ihn zur Zielscheibe für die im Nahen begriffne Gefahr machte, in keinem Falle freiwillig begeben wolle, vielmehr seine Brüder durch die Gefährdung der eignen Person vor Gefahren zu schützen bedacht sei.
Unwillkürlich traten Magdalena Gräme und Roland Gräme von dem Platze, an dem sie bislang geweilt, hinweg und an den Altar heran, wie wenn ihre Herzen sie trieben, der Gefahren, denen die Brüder entgegengingen, teilhaftig zu werden. Beide neigten sich tief vor dem Abt, und während Magdalena das Wort nehmen wollte, legte Roland die Hand an den Dolch und richtete den Blick fest auf die Pforte, vor der jetzt der Lärm am meisten zu toben anfing.
Aber beiden gebot der Abt mit einer leichten Handbewegung Ruhe.
Mit jedem Augenblick schwoll jetzt das Getöse. Es wurden Stimmen laut, die ungeduldig Einlaß begehrten. Der Abt trat ruhig und würdevoll an die Pforte und forderte in strengem, Achtung gebietendem Tone, wer hierher gekommen sei, fromme Andacht zu stören, und in welchem Begehr? ... Eine kurze Weile trat draußen Ruhe ein. Dann aber erscholl schrilles Gelächter. Und endlich antwortete eine höhnische Stimme:
»Einlaß in die Kirche begehren wir, und wenn Ihr aufmacht, dann seht Ihr ja im Nu, wer wir sind.«
»Auf wessen Vollmacht fordert Ihr hier Einlaß?« fragte der Abt. –
»Der hochwürdige Herr Abt hat's also verfügt,« versetzte die Stimme von außen, und dem Gelächter nach zu schließen, das auf diese Worte folgte, mußte es ein ganz besondrer Ulk sein, der draußen sich der Menge zeigte.
»Ich verstehe den Sinn Eurer Worte nicht und will ihn nicht verstehen,« sagte darauf der Abt, »denn jedenfalls ist es etwas Ungeziemendes. Indessen geht in Gottes Namen und laßt seine Diener zufrieden! Und' wenn ich solches Euch künde, so geschieht es, weil ich Vollmacht besitze, hier zu befehlen.«
»Aufgemacht!« rief eine grobe Stimme, »wir wollen Eure Vollmacht mit der unsern vergleichen, mein liebes Mönchlein, denn auch wir gehorchen einem Oberhaupt das gewohnt ist, ersten Baß zu spielen.« »Brechstangen her!« rief ein dritter, »wenn der Kerl noch lange salbadert!« Ein wüstes Geschrei folgte auf die Worte. »Wir haben keine Lust, die schuftigen Mönche noch lange zu betteln, die uns bloß unsre Gerechtsame verkürzen!« rief ein vierter.
»Jawohl, unsre Gerechtsame!« johlte die Menge. »Schlagt die Türen ein! Rückt dem faulen Gesindel, die unserm Herrgott den Tag abstehlen, zu Leibe!«
Jetzt schlugen die Missetäter mit eisernen Hämmern gegen die Tore, und bei der Wut, mit der die Schläge geführt wurden, bestand keine Aussicht, daß die Tore lange sich halten würden. Der Abt sah ein, daß Widerstand müßig sein würde, und um die Kirchenstürmer nicht durch solchen Versuch noch zu stärkerer Wut zu reizen, bat er ernstlich um Ruhe, erlangte über nur mit Mühe Gehör.
»Meine Kinder,« redete er die Menge an, »ich will versuchen, ob es meinen Worten gelingen mag, Euch vor schwerer Sünde zu bewahren, die Ihr zu begehen Euch anschickt. Der Pförtner wird gleich zur Stelle sein, das Tor zu öffnen. Er ist auf dem Wege nach den Schlüsseln. Inzwischen geht mit Euch zu Rate, ob Ihr in einer Stimmung seid, wie sie vorhanden sein soll, um den Fuß über eine heilige Schwelle zu setzen.«
»Lirum larum mit Eurem Gewäsch!« wurde draußen geschrieen, »niemals war's den Mönchen so wohl, als wenn sie Brühsuppe aßen mit Kohl. Drum, hat Euer Pförtner nicht Zipperlein vom Bier und Wein und Branntewein, so bringt ihn trab trab auf die Schemelbein', kommandiert ihm ein bißchen Eile, sonst brechen wir ein sonder Weile! ... »Na, Jungens, war das nicht fein geredt?«
»Fein geredt!« brüllten draußen ein paar Dutzend Kehlen, »und so sein wie Eure Rede war, so sein wollen wir uns auch benehmen!«
Und wäre nicht im selben Augenblick der Pförtner mit den Schlüsseln gekommen, so hätte der Pöbel draußen ihn der Mühe des Aufschließens ganz sicher enthoben. Der Pförtner aber; kaum, daß er den Schlüssel herumgedreht hatte, flüchtete erschrocken wie ein Schleusenmeister, der das Wehr aufgezogen hat und von der hereinbrechenden Flut ereilt zu werden fürchtet. Die Mönche hatten sich, wie scheues Wild, hinter ihren Abt geflüchtet, der allein ein paar Schritte vorm Eingange dastand, ohne weder Bestürzung noch Furcht zu zeigen.
Ein lautes Gelächter brach aus, als die Pforte sich auftat, aber es flutete keine Schar wilder Frevler, wie Abt und Mönche erwartet hatten, in das Gotteshaus. Im Gegenteil dröhnte der Ruf über die Menge:
»Halt, Ihr Herren, halt! laßt den beiden ehrwürdigen Patres doch Zeit, sich zu beschnopern! Also geziemt es sich, und keiner verstoße dagegen!«
Ein wieherndes Gelächter folgte der Rede.
Es war ein wunderlicher Schwarm, dem diese Stimme Ruhe gebot, und abenteuerlich im höchsten Maße. Männer, Weiber, Kinder, in buntem Durcheinander und auf die possierlichste Weise herausgeputzt! Da war einer vorn mit einem Pferdekopf und hinten mit einem Pferdeschweif, in eine große Pferdedecke gehüllt, die ihm das Aussehen eines Pferdes geben sollte. Ein andrer war als Drache vermummt, mit mächtigen Flügeln aus Goldpapier und einem Rachen voll gräßlicher Zähne, zwischen denen eine spitzige, scharlachrote Zunge spielte. Der Drache schnappte nach einem Buben, der als Königin von Saba herausstaffiert war und mit langen Beinen vor ihm ausriß, und zwischen beide drängte sich ein martialischer Sankt-Georgsritter, statt eines Helms mit einem Punschnapfe auf dem Kopfe und statt der Lanze mit einem Bratspieß in der Faust. Dem Jungen aber gelang es, dem Drachen, und dem Drachen, dem Ritter zu entkommen. Dann kam ein Bär und ein Wolf und noch ein paar andre wilde Bestien, und alle suchten es dem Schneider Snug in Shakespeares Sommernachtstraum gleichzutun und waren die echten Muster von Vorsichtskommissarien, die durch den beschränkten Gebrauch ihrer künstlichen Hinterfüße niemand im geringsten Zweifel ließen darüber, daß sie nur armselige Zweifüßler waren. Dann kam eine Gruppe von Bösewichtern à la Robin dem Roten oder Kohlhaas, und das war entschieden die beste Gruppe in der ganzen tollen Gesellschaft, was übrigens insofern erklärlich war, als es dem Gewerbe nach zumeist Komödianten waren, die sie darstellten. Männer waren kostümiert als Weiber, und Weiber waren kostümiert als Männer, Kinder liefen als Greise an Krücken und mit Stöcken, in großen Flausröcken und mit wollnen Hauben auf den Flachsköpfen, während Großväter und Großmütter als kleine Kinder sich herausgeputzt hatten. Und wem die Mittel oder die Gedanken zu einem Kostüm gefehlt hatten, der hatte sich wenigstens Gesicht und Hände rot oder schwarz bemalt und das Futter seines Wamses nach außen gewandt, und so war mit einem Male die ganze Menschheit hier vor dem Kloster in einen Trupp der tollsten Maskerade verwandelt, die man sich selbst mit der buntesten Phantasie nicht bunter ausmalen konnte.
Die Krone der Maskerade war aber der »Abt der Unvernunft«, eine Maske, die jetzt in vollem Kostüm ihren Aufzug nach dem Haupteingange der Klosterkirche hielt, und zwar als lebendiges Konterfei des wirklichen Oberhauptes, zu dessen Begrüßung sie an seinem Weihetage, in Gegenwart seiner Klosterbrüder und im Chore seiner Amtsbrüder, sich eingefunden hatten. Dieses Konterfei eines Prälaten war ein stämmiger, untersetzter Mensch, der sich einen echten Falstaffswanst ausgestopft hatte, eine Inful aus Leder trug, die vorn wie ein Grenadiershelm, mit allerhand verrückter Stickerei und Flitterwerk aus Blech verziert, aussah, die aber noch unendlich stark von einem Gesicht übertroffen wurde, dessen wichtigster Bestandteil die Nase war, die sich als ein »Lötkolben« von ganz ungewöhnlicher Größe erwies und reicher als der reichste Hals- und Kopfschmuck mit Rubinen besetzt war. Sein Chormatel war aus Wachsleinwand und das Meßgewand aus Segeltuch, mit seltsamer Malerei versehen und aufgeschlitzt. Auf der einen Schulter war das Bild einer Eule befestigt und in der rechten Hand trug er den Hirtenstab, in der linken aber einen kleinen Spiegel mit einem langen Griff, so daß er dem bekannten Hansnarren Eulenspiegel, und zwar solchem in der Kutte, glich.
Die Begleiter dieses Eulenspiegel-Prälaten trugen ihre eigne Tracht mit dem dazu passenden Zubehör und äfften auf die gleiche verrückte Weise die verschiedenen untern Klosterämter nach, wie ihr Führer den Klosterabt. Sie folgten demselben in langer Prozession, und die buntscheckigen Masken drangen nun hinter ihm her in die Kirche mit dem Geschrei: »Platz, Platz dem ehrwürdigen Pater Eulenspiegel, dem gelahrten Mönche Ohnezucht, dem hochwürdigen Abte der Unvernunft!«
Dazu stimmte die Kohorte ein wüstes Konzert an von allerhand Klängen und Tönen. Die Kinder quiekten und heulten, die Männer lachten und tobten, die Weiber kreischten und kicherten, die Bestien heulten, der Drache zischte, das Steckenpferd wieherte, bockte und schmiß, und alles hüpfte und tanzte durcheinander, stampfte mit den Nägelschuhen gegen die, Steinplatten, daß die Funken stoben, kurz es waren ein Tohuwabohu, wie man es sich toller und verrückter gar nicht denken konnte.
Die Mönche blickten mit Angst und Bangen auf ihren Abt, und der Abt schien selbst in großer Verlegenheit. Er fühlte zwar keine Furcht, hingegen konnte er sich nicht verhehlen, daß es in hohem Grade gefährlich werden konnte, wenn er oder einer seiner Mönche Unwillen laut werden liehen. Er gab mit der Hand ein Zeichen, als wolle er Ruhe gebieten, das jedoch im ersten Augenblick nur mit wieherndem Gelächter beantwortet wurde. Aber als die gleiche Handbewegung zum andern Male Stille gebot, da leisteten die unwirschen Patrone ohne weiteres Gehorsam, denn sie erhofften sich von einer Zwiesprach zwischen dem wirklichen Abte und dem von ihnen ausstaffierten Konterfei das größte Gaudium. Deshalb begannen sie jetzt zu schreien:
»Munter, munter, ihr Patres! flott ins Geschirr, Bruder Mönch! flott ins Geschirr, Pfaff Eulenspiegel! Abt gegen Abt ist kein übler Fall, und Vernunft gegen Unvernunft ein feiner Strauß!«
»Silentium, Kumpane!« rief Eulenspiegel-Abt, »sollen zwei wohlgelahrte Kirchenpatres sich nicht zusammen ausquatschen können, ohne daß Ihr dazwischen quakt wie die Frösche? Silentium, sage ich. Gönnt dem weisen Pater und mir Zeit und Weile, uns zu beraten über Dinge, die unser beiderseitiges Verhältnis und Ansehn betreffen.«
»Meine lieben Kinder,« hub Pater Ambrosius an.
»Dito, meine lieben Kinder, und meine Glückspilze von Kindern!« sagte sein Konterfei, »es läuft so manches Kindlein unter der Sonne herum und kennt seinen eignen Vater nicht, und da ist's wohl schön und gut, wenn sie die Auswahl haben zwischen zweien!«
»Ist Dir noch sonst etwas geblieben außer Spott und Hohn und Eulenspiegelei?« fragte der Kirchen-Abt, »dann laß mich, um Deines eignen Seelenheiles willen ein paar Worte sprechen zu diesen irre geleiteten Menschen!«
»Ob mir andres geblieben außer meiner Eulenspiegelei?« wiederholte der Abt der Unvernunft. »Ei, ei, würdiger Bruder in Christo, mir ist alles geblieben was der Mensch braucht, um Mensch zu sein, mein Rind- und Schweinefleisch, mein Bier und Schnaps, und andrer Leckerbissen gar nicht zu erwähnen, Kollega! ... Na, quatsch Dich nur aus, wir wollen uns messen, wie es Brauch ist zwischen ein Paar ehrlichen Streithengsten ... gleiche Kappen, gleiche Waffen!«
Der Zorn der Frau Gräme war auf den Höhepunkt gestiegen. Sie trat zu dem Abt und sprach mit leiser Stimme, aber in festem, entschiedenem Tone:
»Wachet auf und erhebet Euch, frommer Vater! Das Schwert des heiligen Petrus ruhet in Deiner Hand. Zieht es und rächet das Erbe Sankt Petrus'! Schlagt sie in Ketten, mit denen auch im Himmel gefesselt bleibt, wen die Kirche auf Erden in Fesseln gelegt hat!«
»Ruhe, Schwester!« sprach der Abt, »ihre Torheit soll uns nicht der Fassung berauben! sei still und laß mich meines Amtes walten! es ist das erste und mag vielleicht das letztemal sein, daß ich mich hierzu berufen fühle.«
»Nicht doch, mein frommer Bruder in Christo,« sagte darauf Eulenspiegel-Abt, »richte Dich doch nach den Worten der alten Madam. Ist doch noch kein Kloster gediehen ohne Weiberhilfe!«
»Sei still, Du Tor!« erwiderte der Kirchen-Abt, »und Ihr, meine Brüder –«
»Nicht doch,« fiel ihm Eulenspiegel-Abt in die Rede, »keinen Quatsch mit dem Laienvolk, als bis Ihr Euch mit Eurem Bruder mit der Schellenkappe besprochen und beraten habt. Ich schwör es bei Meßbuch und Glocke und Kerze, daß keiner von meiner Sippe Euch anhören soll. Also wendet Euch an mich mit Eurer Rede, denn mich findet Ihr bereit zu hören und Antwort zu geben.«
Abermals versuchte der Kirchen-Abt, an die Empfindungen bessrer Art zu appellieren, die einst unter den Gliedern dieses geistlichen Distrikts verbreitet waren, aber der Abt der Unvernunft brauchte nur seinen Schellenstab zu schwingen, und das Schreien und Toben der Menge nahm wieder überhand, daß es den Zungen der stärksten aller Stentorstimmen widerstanden hätte.
»Und nun, Kumpane,« nahm der Abt der Unvernunft wieder das Wort, »haltet noch einmal die Mäuler, und laßt uns erproben, ob der Kampfhahn von Kennaqhueir kämpfen oder vom Kampfplatze fliehen wird.«
Wiederum trat eine Pause ein, die Pater Ambrosius wahrnahm, sich an den Gegner zu wenden, weil er keine andre Möglichkeit ersah, sich auf andre Weise Gehör zu schaffen.
»Armer Mann,« sagte er, »weißt Du keine bessre Anwendung für Deinen ungeschlachten Witz, als daß Du ihn nützest, diese verblendeten Menschen in den Abgrund der Finsternis zu führen?«
»Bruder in Christo,« versetzte mit Lachen der andre, »auf die Art kriegen wir die Karre nicht in Gang! Noch immer stehen wir einander nicht anders gegenüber, als daß Ihr aus einem Jux einen Sermon, und ich aus einem Sermon einen Jux mache.«
»Wollt Ihr denn wirklich dulden,« wandte der Kirchenabt sich wieder an die Menge, »daß ein von Gott abtrünniger Possenreißer Gottes Diener an heiliger Stätte verhöhne? So mancher von Euch hat unter meinen heiligen Vorgängern gelebt, vielleicht ihr alle! Unter meinen Vorgängern, die berufen waren zu herrschen dort, wo ich berufen sein soll zu leiden. und nennt Ihr weltliche Güter Euer eigen, so besitzt Ihr sie aus den Händen meiner Vorgänger; und standen Euch, sofern Ihr sie nicht verschmähtet, nicht jederzeit auch bessere Gaben zur Verfügung, wie die göttliche Gnade und die Vergebung der Sünden? Haben wir nicht, während Ihr fröhlich waret, gebetet für Euer Seelenheil? haben wir nicht für Euch gewacht, dieweil Ihr schliefet?«
»So haben wohl die Klostermuhmen immer gern gefaselt,« hub Eulenspiegel-Abt an, aber diesmal fand sein Spott nur mäßigen Beifall, und Pater Ambrosius nahm den Vorteil des Umschwungs in der Stimmung mit Eifer wahr.
»Geziemt es sich für Euch,« fuhr er fort, »ein Paar Greise mit Hohn zu überschütten, deren Vorgänger Euch und Euren Eltern und Ureltern immer nur Gutes erwiesen? die keinen andern Wunsch mehr hienieden haben, als in Ruhe und Frieden unter den Trümmern der Stätte zu sterben, die einst der Ruhm des Landes war? die täglich zu Gott ihrem Herrn bitten, sie früher abzurufen, als der letzte Funken verlöschen und dieses Land in Finsternis begraben wird? Wir haben die Schärfe des geistlichen Schwertes nicht gegen Euch gerichtet, als Ihr unsrer Ländereien uns beraubtet, als Ihr uns alles nahmt, was uns bisher den kargen leiblichen Unterhalt lieferte, den dieses Land uns spendete. Nein! bloß um das eine haben wir gebettelt, daß Ihr uns sterben lasset an der Stätte, da wir zu unserm Gott gebetet haben zeit unseres Lebens, daß Ihr uns auch weiter vergönnt, für Euer Seelenheil zu beten zu Gott und unsrer lieben Frau, auf daß uns und Euch die Sünde verziehen werde, die uns allen anhaftet! und dazu bitten wir heute noch, daß Ihr uns in unserm stillen Werke nicht stören möget durch solchen Mummenschanz und solches Possenspiel, das Gott nicht wohlgefällig, sondern ein Aergernis ist!«
Und so verschieden war diese Rede in ihrem Ton und ihrem Schlüsse von derjenigen, die die Menge hier zu vernehmen gerechnet hatte, daß sie eine Wirkung erzielte, die der Fortsetzung des possenreißerischen Treibens nicht günstig war. Die Tänzer mit den schwarzbemalten Gesichtern standen still, das Steckenpferd bockte nicht mehr. Pfeife und Trommel verstummten, und eine düstre Stille fing an, über das wilde Völkchen sich zu legen. Und der Kirchenabt stand mit zuversichtlicher Miene auf dem gleichen Plätze wie von Anbeginn und die frommen Brüder begannen wieder Mut zu fassen. Aber Eulenspiegel-Abt war nicht gewillt, seinen Plan so schnell fallen zu lassen.
»Ei, ei, Kumpane,« rief er lustig, »heißt das spielen, wie es sich gehört? habt Ihr mich darum, zum Abte der Unvernunft erwählt, weil Ihr vernünftiger Rede Gehör geben wollt? Bin ich darum durch Euer feierliches Kapitel im Martinschen Leihhause zum Abte der Unvernunft gekürt worden? Spielt das Spiel zu Ende, und helft mir jeden Wortvergessnen unsers Ordens mit Sang und Klang unters Wehr zu tauchen!«
Der Pöbel, wie immer wetterwenderisch, ließ ein lautes Hurra erschallen, und der ganze Hexensabbat hub von neuem an. Aber es wäre dem Abte Ambrosius ohne Zweifel noch einmal gelungen, durch seine Reden und Bitten den Sieg zu gewinnen, hätte nicht Frau Magdalena Gräme sich verleiten lassen, dem Unwillen Raum zu geben, der so lange in ihrer Brust schon tobte.
»Ihr Spötter! Ihr Gotteslästerer, Ihr Belialskinder!« eiferte sie.
»Ruhe, Schwester, ich befehle es Euch, ich bitt Euch darum,« sagte der Kirchenabt, »lasset mich meine Pflicht tun und, störet mich in der Ausübung meines Berufs nicht durch selbstwilligen Eingriff!«
Aber die Gräme fuhr fort zu eifern und zu wettern, bis der Abt der Unvernunft das Wort nahm und unter Lachen rief:
»Kumpane! auch nicht eine einzige verständliche Silbe hat die alte Dame über ihre Lippen gebracht: drum mag sie nach dem Gesetze unsers Ordens freigesprochen werden von jeglicher Schuld! Aber was sie gequatscht hat, war vernünftig gemeint, drum soll sie erklären, daß es Quatsch gewesen, wenn sie nicht Bekanntschaft machen will mit dem Wehr. So steht's in den Statuten unsers Ordens, und also wollen wir's halten! ... Darum, mein frommes Madamchen, ob Ihr nun Pilgerin seid oder Aebtissin, Küchen- oder andre Nonne, laß ab von Deinem Faschingsquatsch, oder nimm Dich vorm Wehr in acht! Wir brauchen in unserm Sprengel der Unvernunft weder geistliche noch weltliche Schimpfmäuler.«
Mit diesen Worten streckte er die Hand aus nach der Greisin, und seine Kumpane schrieen:
»Vor den Schöppenstuhl mit ihr! vor den Schöppenstuhl!«
Aber als sich Eulenspiegel-Abt anschickte, dem Begehr der Menge zu folgen, da ereignete sich plötzlich ein Vorfall, der ihn unfähig dazu machte. Roland Gräme, dem schon lange die Hand juckte, geriet außer sich über diese seiner bejahrten Verwandten angetane Schmach und stieß, indem er sich der angebornen Heftigkeit seines Temperaments überließ, dem Eulenspiegel-Abt den Dolch in den Bauch, daß der Dickwanst wie ein Klotz zu Boden niederschlug.