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Siebentes Kapitel.

Treu seinem Entschlüsse und, um nicht Zeit zu verlieren, seinen Rosenkranz im Gehen betend, begann Aldrovand seine Runde in der Burg, sobald der erste Schimmer des Tageslichtes am östlichen Horizont sich zeigte. – Ein natürlicher Instinkt führte ihn zuerst zu den Ställen, welche, wäre die Festung hinlänglich für eine Belagerung verproviantiert worden, mit Vieh hätten gefüllt sein sollen. Und wie groß war sein Erstaunen, als er mehr wie zwanzig fette Kühe und junge Ochsen an dem Platze fand, der in der vorigen Nacht ganz leer war. Eins dieser Tiere war bereits zur Schlachtbank abgeführt, und einige Flamländer, welche bei dieser Gelegenheit die Schlächter spielten, waren beschäftigt, für den Koch das Tier zu zerlegen. Der gute Pater war nahe daran, laut Wunder umher zu schreien; aber um nicht voreilig zu sein, schränkte er sein Entzücken auf einen stillen Ausruf ein zum Preise unserer Frauen von Garde Douloureuse.

»Wer spricht von Mangel an Vorrat? – Wer spricht jetzt von Uebergabe?« sagte er, – »Hier ist genug, uns zu halten, bis Hugo de Lacy anlangt, und sollte er auch von Cypern herbeisegeln, uns zu befreien. Ich nahm mir vor, diesen Morgen zu fasten, sowohl um Lebensmittel zu sparen als aus Andacht; aber der Segen der Heiligen soll nicht verschmäht werden.– Herr Koch, laßt mir ein tüchtiges Stück gekochtes Rindfleisch zukommen; laßt den Bäcker mir ein Semmelbrot und den Kellerer mir ein Glas Wein schicken. Ich will im Herumgehen ein Frühstück auf den Zinnen zu mir nehmen.«

An diesem Orte, welcher ungezweifelt der schlechteste Punkt von Garde Douloureuse war, fand der gute Vater nun Wilkin Flammock, der recht angelegentlich hier die notwendigsten Verteidigungsanstalten übersah. Er grüßte ihn höflich, wünschte ihm Glück zu dem Vorrat an Lebensmitteln, womit die Burg während der Nacht versehen worden war, und fragte nach, wie es möglich gewesen sei, sie so glücklich mitten durch die wälschen Belagerer hereinzubringen, als Wilkin ihn unterbrach:

»Von allem diesen ein andermal, Vater, ein andermal. Jetzt aber wünsche ich, ehe wir etwas anders reden, Dich über eine Sache zu fragen, die mein Gewissen drückt und zugleich gar sehr mein irdisches Wohl betrifft.«

»Sag an, mein vortrefflicher Sohn!« sagte der Pater, welcher hoffte, so den Schlüssel zu Wilkins wahren Gesinnungen zu erhalten, »O, ein zartes Gewissen ist ein Juwel und dem, welcher nicht darauf hören will, wenn gesagt wird: »Schütte aus Deine Zweifel in das Ohr des Priesters!« wird dereinst sein schmerzliches Angstgeschrei Feuer und Schwefel ersticken. Du hattest immer ein zartes Gewissen, Sohn Wilkin, obwohl Dein Benehmen rauh und gemein ist,«

»Nun gut denn,« sagte Wilkin, »Ihr müßt wissen, guter Vater, ich habe da ein Geschäft gehabt mit meinem Nachbarn, Jan Vanwelt, meine Tochter Rose betreffend, und er hat mir einige Gulden gezahlt unter der Bedingung, daß ich sie ihm zur Frau gebe.«

»Pah, pah, mein guter Sohn,« sagte der getäuschte Beichtvater, »der Spaß kann beiseite gelegt werden. Jetzt ist nicht Zeit, zu freien oder freien Zu lassen, wenn wir alle in Gefahr sind, ermordet zu werden.«

»Gut, aber doch hört mich an, guter Vater,« sagte der Flamländer, »diese Gewissenssache betrifft den gegenwärtigen Fall mehr, als Ihr glaubt, Ihr müßt wissen, ich habe gar nicht Lust, Rose diesem Vanwelt zu geben, der alt und von kränklicher Konstitution ist, und nun wollte ich von Euch wissen, ob ich gewissenhaft meine Einwilligung verweigern kann.«

»Wahrlich,« sagte Aldrovand, »Rose ist ein nettes Mädchen, wiewohl etwas zu heftig, und ich denke. Ihr könnt mit allen Ehren Eure Einwilligung zurücknehmen, aber in alle Wege nur, wenn Ihr die Gulden zurückzahlt, die Ihr empfangen habt.«

»Aber da liegt eben die Klemme, guter Vater,« sagte der Flamländer, »die Zurückzahlung dieses Geldes wird mich in die größte Armut stürzen. Die Walliser haben meinen Wohlstand zerstört, und diese Handvoll Geld ist alles, Gott helf mir! womit ich mein Leben von neuem anfangen muß.«

»Nichtsdestoweniger, Sohn Wilkin,« sagte Aldrovand, »Du mußt Dein Wort halten, – denn was sagt die Schrift? Quis habitatit in tabernacolo, quis requiescet in monte sancto? – Zu, zu, mein Sohn! brich nicht Dein verpfändetes Wort eines kleinen schmutzigen Gewinnes wegen. Besser ist ein leerer Magen und ein hungriges Herz mit einem reinen Gewissen, als ein fetter Ochs mit Ungerechtigkeit und Wortbruch. – Sahst Du nicht unsern verstorbenen edlen Herrn – (Seiner Seele gehe es ewig wohl!) – welcher lieber den Tod wählte im ungleichen Kampf, wie ein wackrer Ritter ihn einem Leben als Meineidiger vorzog, obgleich er nur ein rasches Wort zu einem Wälschen bei der Weinflasche gesprochen hatte.«

»Ach, das ist's,« sagte der Flamländer, »das habe ich eben gefürchtet. So müssen wir also das Schloß übergeben oder dem Wälschmann Jorworth das Vieh zurückstellen, vermittels dessen ich mir das Plänchen gemacht hatte, das Schloß zu verproviantieren und zu verteidigen.«

»Wie? Weshalb? Was meinst Du?« rief der Mönch voll Erstaunen. »Ich spreche mit Dir von Rose Flammock und Jan Van – Teufel, oder wie Ihr ihn da nennt, und Du erwiderst mir ein Geschwätz von Vieh und Feste und ich weiß nicht was.«

»Mit Eurer Erlaubnis, heiliger Vater! Ich sprach nur in Parabeln. Diese Burg war die Tochter, deren Uebergabe ich versprochen hatte – der Walliser ist Jan Vanwelt – und die Gulden waren das Vieh, das er hereingeschickt hat, vor der Hand als Zahlung auf Abschlag meines Lohnes.«

»Parabeln!« sagte der Mönch, rot vor Aerger über den ihm gespielten Streich. »Was hat ein Bauer, wie Du, mit Parabeln zu tun? – doch ich verzeih Dir – ich verzeih Dir.«

»So muß ich also dem Walliser das Schloß übergeben oder ihm sein Vieh zurückschicken?«

»Eher übergib Deine Seele dem Satan,« erwiderte der Mönch.

»Ich fürchte doch, eins von beiden wird sein müssen,« sagte der Flamländer. »Nach dem Beispiele Deines hochverehrten Herrn –«

»Das Beispiel eines hochverehrten Narren« – antwortete der Mönch, doch fügte er auf der Stelle hinzu: »Unsere Frau sei mit ihrem Knechte! Dieser Bauer mit dem holländischen Gehirn macht, daß ich alles vergesse, was ich sagen will.«

»Ja, und dann die heilige Schrift, welche Euer Hochwürden mir angeführt haben,« – fuhr der Flamländer fort.

»So geh doch,« sagte der Mönch, »was bildest Du Dir ein, über die heilige Schrift nachdenken zu können? – Weißt Du nicht, daß der Buchstabe der Schrift tötet, aber die Deutung macht lebendig. – Bist Du nicht dem gleich, der zu einem Arzte kommt, aber ihm die Hälfte der Symptome der Krankheit verschweigt? – Ich sage Dir, Du närrischer Flamländer, die Schrift redet nur von Versprechungen unter Christen, und in den Rubriken Lat. rubrica heißen die Anweisungen, besonders in den liturgischen Büchern, die ursprünglich mit roter Tinte bezeichnet waren. befindet sich eine ganz eigene Ausnahme für die Versprechungen, die den Wälschen geleistet werden.« Bei diesen Worten grinste der Flamländer mit so offenem Munde, daß er seinen ganzen Kasten voll breiter, starker, weißer Zähne zeigte. Auch Pater Aldrovand grinste aus Sympathie mit, und fuhr dann fort: »Kommt, kommt, ich sehe schon, wie es steht. Du hast Dir eine kleine Rache ersonnen, weil ich Deine Treue bezweifelte, und wahrlich! Du hast das witzig genug gemacht. Aber warum hast Du mich nicht gleich ins Geheimnis gezogen? Ich sag's Dir, ich hatte bösen Argwohn gegen Dich.«

»Wie?« sagte der Flamländer, »war es möglich, daß ich daran denken konnte, Ew. Hochwürden in ein kleines Stück von Betrug zu verwickeln? Dazu hat mir wahrlich der Himmel zu viel Sitten und Anstand gegeben, – Horch! ich höre Jorworths Horn am Tore!« –

»Er bläst wie ein städtischer Schweinhirt!« sagte Aldrovand verächtlich.

»Also Ew. Hochwürden befehlen nicht, daß ich ihm das Vieh zurückgebe?« sagte Flammock.

»Ja, so ungefähr. Ich bitte Dich, schicke ihm geradewegs über die Mauern einen solchen Zuber siedendes Wasser, daß es seinem Ziegenfellmann die Haare abbrüht. Und höre Du, versuche Du zuerst die Temperatur des Kessels mit Deinem Zeigefinger, und das soll Deine Buße für den Streich sein, den Du mir gespielt hast.«

Der Flamländer antwortete wieder mit einem breiten Grinsen, und sie begaben sich nach dem äußern Tore, dem sich Jorworth allein genähert hatte, Wilkin Flammock stellte sich an das Pförtchen, welches er jedoch sorgfältig verriegelt hielt, und durch eine kleine Oeffnung sprechend, welche zu solchem Behufe sich dort befand, fragte er den Walliser, was sein Begehren sei?

»Deinem Versprechen gemäß, die Uebergabe der Burg zu fordern,« sagte Jorworth.

»Ei, und zu solchem Geschäfte bist Du ganz allein gekommen?« sagte Wilkin.

»Nein, wahrlich nicht,« sagte Jorworth, »ich habe einige Dutzend Mann hinter jene Büsche versteckt.«

»Dann tust Du am besten, sie schnell abzuführen,« antwortete Wilkin, »ehe unsere Schützen ein Bündel Pfeile unter sie schicken.«

»Wie, Schurke, denkst Du nicht, Dein Versprechen zu halten?« sagte der Walliser.

»Ich gab Dir keines,« sagte der Flamländer, »ich versprach Dir bloß, das zu erwägen, was Du sagtest. Das habe ich getan, habe mich auch mit meinem Beichtvater beraten, und der will schlechterdings nichts davon hören, daß ich Deine Vorschläge eingehe.«

»Und Du willst,« sagte Jorworth, »das Vieh behalten, welches ich so ehrlich auf den Glauben an unsere Abmachung in die Burg schickte?« »Ich will ihn in den Bann tun und dem Satan übergeben,« sagte der Mönch, der die phlegmatische, zögernde Antwort des Flamländers nicht abwarten konnte, »wenn er nur ein Horn, Klaue oder Haar von ihnen einem solchen unbeschnittenen Philister überantwortet, als Du und Dein Herr es sind.«

»Schon gut, Du geschorener Pfaffe,« antwortete Jorworth im höchsten Zorn. »Aber versteh mich, hoffe nicht, daß Deine Kutte Dich auslösen soll. Wenn Gwenwyn diese Burg eingenommen hat, die nicht lange ein solches Paar treuloser Verräter beschützen wird, so will ich sehen, wie ein jeder von Euch, eingenäht in die Haut einer dieser Kühe, derentwillen Euer Beichtkind meineidig geworden ist, dahin geworfen wird, wo Wolf und Adler Eure einzige Gesellschaft sein werden,«

»Du magst Deinen Willen ins Werk setzen, wenn Deine Macht ihm gleich kommt,« erwiderte gelassen der Niederländer.

»Falscher Wälscher, wir trotzen Dir in Deine Zähne!« antwortete in einem Atem mit ihm der reizbare Mönch. »Ich hoffe, es noch zu sehen, daß die Hunde eher an Deinen Gliedern nagen, bevor der Tag kommt, von welchem Du prahlerisch sprichst.«

Beiden zugleich Antwort zu erteilen, zog Jorworth den Arm mit seinem eingelegten Wurfspieß zurück, und den Schaft schüttelnd, bis er eine schwingende Bewegung erhielt, schleuderte er ihn mit gleicher Kraft und Gewandtheit gegen die Oeffnung in dem Pförtchen. Er zischte durch die Oeffnung, auf welche er gezielt ward, und flog, wiewohl unschädlich, zwischen den Köpfen des Mönchs und des Flamländers hindurch. Der erste fuhr zurück, während der andere mit einem Blick auf den Wurfspieß, der in der Tür der Wachstube noch zitternd steckte, sagte: »Das war gut gezielt und glücklich gefehlt.«

Jorworth eilte, sobald er seinen Spieß geworfen hatte, zu seinem Hinterhalt, und gab seinen Mannen Zeichen und Beispiel zu einem schnellen Rückzug, den Hügel hinab. Pater Aldrovand wollte ihnen gern einen Pfeilregen nachschicken lassen, aber der Flamländer bemerkte, daß ihre Munition zu kostbar sei, um sie an wenige Flüchtlinge zu verschwenden. Vielleicht erinnerte er sich, daß sie einigermaßen auf sein Wort hin in die Gefahr einer solchen Begrüßung geraten waren.

Als das Geräusch des eiligen Rückzugs Jorworths und seiner Gefährten sich ganz verloren hatte, folgte eine Totenstille, wohl übereinstimmend mit der Kühle und Ruhe einer frühen Morgenstunde.

»Das wird nicht lange dauern,« sagte Wilkin in einem Tone ahnungsvollen Ernstes, welcher in des Paters Brust ein Echo fand.

»Es wird nicht und kann nicht,« antwortete Aldrovand, »wir müssen einen wilden Angriff erwarten, den ich weniger achten würde, wäre nicht ihre Zahl so groß und die unsrige klein, die Ausdehnung der Mauern so beträchtlich und die Hartnäckigkeit dieser wälschen Teufel fast ihrer Wut gleich. Aber wir wollen unser Bestes tun. Ich eile zur Lady Eveline – sie muß sich selbst auf den Zinnen zeigen. Sie ist schöner, als einem Manne meines Standes geziemt, davon zu sprechen, und sie hat daneben einen Anhauch von ihres Vaters stolzem Geist. Blick und Wort einer solchen Frau gibt einem Manne doppelte Kraft in der Stunde der Not.«

»Das kann wohl sein,« sagte der Flamländer, »aber ich will doch gehen und sehen, daß das gute Frühstück, welches ich bestellt habe, jetzt aufgetragen werde; meinen Flamländern wird das mehr Kraft geben als der Anblick der zehntausend Jungfrauen – möge ihre Hilfe um und bei uns sein! – wären sie alle auf freiem Felde aufgestellt.«


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