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Das Countystädtchen Opelousas zählte zu der Zeit, in welche unsre Erzählung fällt, zwölf hölzerne Häuser, von denen die Mehrzahl aus gezimmerten Baumstämmen aufgeführt, einige jedoch mit Mörtel beworfen und grün übertüncht waren. Unter diesen letztern war das des Friedensrichters oder, wie er schlechtweg genannt wird, Squire.
Die plötzliche Veränderung, die im Haufen vorgegangen war, schien eben kein sehr günstiges Vorbedeutungszeichen für den guten Empfang von seiten der Magistratsperson zu sein, vor die der Jüngling, wie er wohl sah, geführt werden würde. Er hatte anfangs das Benehmen der buntscheckigen Hinterwäldler als die unzeitige Ausgeburt einer rohen Willkür betrachtet, die sich gern einen Scherz auf Kosten eines verirrten Reisenden erlaubt; aber der Ernst und die finstere Gravität, mit der sie hastig die Gasse, die noch größtenteils aus umzäunten Gartenstücken bestand, hinaufschritten, die verdächtigen Blicke, mit denen sie ihn maßen, und vorzüglich die Entfernung, in welcher sich jeder halten zu wollen schien, weissagten immer unangenehme Auftritte.
Als sie zwischen den ersten Häusern angekommen waren, wurde die Feldmusik hörbar, und gleich darauf kamen die zwei Kompagnien der roten, grünen, gelben, blauen und schwarzen Hinterwäldler im Sturmschritte, ernst und beinahe feierlich, durch den Kot angestolpert, die zwei Geiger eben den Yankee Doodle aufschnarrend. Einen Augenblick stutzte der Brite über den wirklich grotesken Aufzug, und dann schlug er ein lautes Gelächter auf. Niemand schien jedoch seine Lachlust zu teilen. Als sie dem Hause des Squire zukamen, schloß eben der Sprecher auf dem Baumstamme seine Rede, und die Zuhörer drängten sich nun mit den Exerzierenden heran, um die Ursache dieses Aufzugs zu hören. Ungeachtet des scheinbar tollen Treibens war jedoch nirgends Zügellosigkeit oder Roheit zu bemerken; im Gegenteil, es war eine Ordnung eigener Art sichtbar, die trotz der herrschenden Ungebundenheit überall hervorleuchtete.
Das ganze Städtchen war nun vor dem Hause des Squire versammelt, als der Constable die Türe öffnete und seinen Gefangenen zuerst einschreiten ließ. Die erwachte Neugierde fing nun an zu drängen, und die Zurückstehenden drückten so gewaltig auf ihre Vordermänner, daß das windig aussehende Framehaus so ziemlich in Gefahr kam, mit seinen Bewohnern weiter geschoben zu werden: sowie jedoch die Türe geöffnet war, rief der Constable dem Haufen zu: »Männer! der Squire sitzt beim Frühstück«, und die Menge wich augenblicklich zurück.
Auf unsern Briten schien dieses vereinte Vordringen und plötzliche Zurückweichen der derben Hinterwäldler wieder einen angenehmen Eindruck zu machen. Er hatte jede Regung und Bewegung des Haufens mit einer Aufmerksamkeit und Neugierde beobachtet, als wenn er, seiner eigenen Lage vergessend, nur auf diese bedacht gewesen wäre. Beinahe schien es, als ob er es sich zur Aufgabe gemacht hätte, zu sehen, was denn eigentlich aus Menschen geworden, die seines Landes gepriesenen Schutz von sich gestoßen und auf eigene Rechnung zu hausen angefangen hatten. Der Constable blieb mit den zwei Männern, die ihn zuerst entdeckt, in der Stube.
»Männer! wollt Ihr mit uns halten?« sprach der gebräunte, ältlich, aber kernhaft aussehende Friedensrichter.
»Diesem Fremdling da wird vielleicht Eure Einladung willkommen sein«, sprach der erste, der einen Sessel nahm und sich niederließ.
Die andern folgten seinem Beispiele.
»Setzt Euch, Mann«, sprach der Friedensrichter zum Gefangenen, ohne jedoch von seinem Teller aufzublicken, der, mit Schinken und Eiern beladen, ihm allem Anschein nach volle Beschäftigung gab.
»Nehmt Euch – was auf dem Tische ist« – fuhr er fort. – »Altes Weib! eine Tasse.«
Das alte Weib, oder weniger hinterwäldlerisch zu sprechen, die Hausfrau, füllte eine Tasse mit Kaffee, und eine der Töchter legte ein Kuvert zurecht, das ein Negermädchen gebracht hatte. Alles ging so formell vor sich, und es herrschte eine Gravität, eine ursprüngliche Artigkeit in der Stube, die unsern jungen Mann allmählich mit einem gewissen Respekt für seine neuen Bekannten zu erfüllen begann, deren Außenseite zwar nichts weniger als poliert war, aber einen ruhig festen, männlichen und sich stets gleichbleibenden Sinn verriet. Als der Wirt seine Einladung wiederholt hatte, griff sein Gast mit einer leichten Verneigung zu.
»Nehmt Euch, was beliebt«, sprach der Squire zu den drei Männern, auf den Seitentisch weisend, auf dem mehrere Bouteillen mit Madeira, Port, Kognak und Whisky standen. Diese winkten lachend und füllten sich die Gläser, aus denen sie die Gesundheit des Squire, seiner Frau und Familie tranken, ohne die des jungen Mannes zu vergessen, den sie soeben in vielleicht unangenehme Verwicklungen zu bringen gekommen waren. Ein Fremder, der plötzlich eingetreten und die verschiedenen Personen ruhig mit ihren Frühstücken beschäftigt oder ihren Toddy trinken gesehen, dürfte schwerlich erraten haben, weshalb diese Menschen gekommen, so formell, langsam, bedächtig und gleichmütig waren die Bewegungen der verschiedenen Parteien.
Die Frau warf von Zeit zu Zeit einen flüchtigen Blick auf den jungen Mann herüber, dem das wirklich treffliche Frühstück wohl zu behagen schien, und zwei erwachsene, allerliebste Mädchen schienen die Makarellen auf ihren Tellern nicht mehr zu sehen; der Squire jedoch saß standhaft da und vollbrachte seine Morgenaufgabe mit einer Langsamkeit, die bewies, daß er jedem Geschäfte seine Zeit zumaß.
»Die Wahl ist doch noch nicht vorüber?« fragte er endlich.
»Nein«, sprach der Constable. »Mein Bruder hat soeben seine Anrede beschlossen.« Er begleitete seine Worte mit einem stechenden Seitenblicke, der verriet, daß er nichts weniger als zufrieden mit dem neuen Abenteuer sei, das seinem Bruder die Hälfte seiner Zuhörer entführt hatte.
Eine andere viertelstündige Pause erfolgte, und während dieser endete die Mahlzeit. Als der Tisch abgeräumt war, stand der Squire auf und, die Türe öffnend, ließ er so viele der Außenstehenden herein, als das Innere bequem fassen konnte.
»Und nun, Constable,« sprach er, indem er zugleich ein Korktintenfaß mit einem Buche Papier auf einem Seitentische zurechtlegte, »was gibt's nun wieder, und wer hat etwas anzubringen?«
»Diese zwei, Mister Joe Drum und Sam Slab,« sprach der Unterbeamte, »werden Euch das Nähere sagen, und zwar Mister Joe Drum als der erste, der den Gefangenen gesehen und angehalten.« Der werte, durch den Offizialen bezeichnete Mister, ohne sich einen Augenblick zu besinnen, nahm einen ungeheuern Klumpen Kautabak aus seinem viereckigen Munde, warf ihn in das Kaminfeuer und begann dann seinen schlichten ungekünstelten Vortrag: wie er auf den Fremdling aufmerksam geworden war, und wie dieser durch allerlei Wendungen ihm zu entwischen gesucht hatte.
Der Friedensrichter besah nun zum ersten Male den Angeklagten, der schweigend und gefaßt vor ihm stand und dessen Gesichtszüge sich nur zuweilen in ein unmerkliches Lächeln verzogen.
Der zweite der Hinterwäldler entledigte seinen Mund eines ähnlichen Tabakklumpens und bekräftigte die Aussage des erstern so schnell, als die Schwere seiner Zunge es nur immer zuließ.
»Sam,« sprach der Friedensrichter zwischen hinein. »Ihr seid wieder so arg besoffen als je, und noch gestern, als ich Euch aus dem Alligatorsumpfe herauszog, verspracht Ihr mir fest und teuer, die nächsten sechs Wochen keinen Whisky mehr anzuschauen.«
»Und verdammt, wenn ich mein Wort gebrochen«, versetzte der Erzzecher. »Ich habe meine Augen zugedrückt, fragt einmal Joe Drum, und so solltet Ihr tun, zum Teufel! Aber diese Fips und Levies«, sprach er, indem er einen schmutzigen Lederbeutel mit kleiner Münze auf den Tisch warf und schnell wieder zu sich steckte, »müssen noch wandern, daß die Britischen ihn mit gelben Füchsen wieder füllen.«
»Ja, die werden Euch etwas münzen«, sprach der Friedensrichter. »Unter anderm laßt Euer gotteslästerliches Fluchen bleiben, sonst büß ich Euch.«
»Ihr mich büßen?« grinste Sam. »So mögt Ihr, und dürftet dabei reich werden, ja, und eine Kugel nebenbei in Euern Wanst kriegen.« »Nicht so vorschnell, Sam! Ihr werdet mich nicht erschrecken«, sprach der Friedensrichter ernst und scharf, das »mich« besonders betonend. »Wenn ich Euch nochmals fluchen höre, so büß ich Euch.«
Die dritte der Hauptpersonen, nämlich der Constable, schien nun gesonnen, seinen Beitrag zur Bekräftigung der Aussagen zu liefern; doch von mehrern Seiten war zu hören: »Ehrlich Spiel, Dick! Ihr seid zuletzt gekommen und wißt vom ganzen Vorfall gerade so viel wie des Squires Katze.«
»Ich bin aber Constable und meine« –
»So seid Ihr,« unterbrachen ihn mehrere Stimmen, »und als solcher habt Ihr Eure Pflicht getan; mehr müßt Ihr aber nicht tun wollen.«
Des Friedensrichters Miene hatte allmählich den Ausdruck von Zweifel und Verlegenheit angenommen, den man allenfalls einem Manne zugute halten kann, der, gewohnt, sein tägliches Geschäft langsam und methodisch zu vollbringen, sich nun auf einmal bemüßigt findet, einen Gegenstand von weit größerer Wichtigkeit zu verhandeln, als ihm noch je vorgekommen sein mochte. Es schien, als ob er unschlüssig sei, was er aus dem jungen Abenteurer machen solle. Die indianischen Kleidungsfragmente ausgenommen, hatte er nichts an sich, das ihn verdächtigte. Zwar kannte er den Gefangenen nicht näher; aber was er an ihm sah, war nicht von der Art, die Vermutungen zu bekräftigen, die sein Aufgreifen und seine Verkleidung veranlaßt hatte. Er lachte heiter und sorglos, blickte fröhlich umher und musterte die Hinterwäldler vom Kopf zu den Füßen mit einer Neugierde, die nur zuweilen in Spott übergehen zu wollen schien. Dabei hatte sein Äußeres, ungeachtet der nichts weniger als zierlichen Metamorphose, einen Anstand, der vorteilhaft für ihn sprach. Freilich konnte seine Unbefangenheit auch erkünstelt sein, und eben hinter diesem Anstand etwas nur um so Gefährlicheres stecken; dies schien jedoch bei seiner Jugend nicht wahrscheinlich. Aber solche Fälle gab es doch, vielleicht waren sie dem Friedensrichter selbst in einem Lande vorgekommen, das seit den letzten zehn Jahren gewissermaßen der Sammelplatz von Abenteurern allerart geworden war.
Der gute Mann war in sichtlicher Verlegenheit und kratzte sich zu wiederholten Malen hinter den Ohren. Einige Male hatte er einen Pack gedruckter Papiere aufgegriffen, sie aber unwillig wieder auf den Tisch geworfen.
Endlich sprach er: »Fremdling, könnt Ihr etwas zu Eurer Verteidigung sagen?« Sein Auge fiel bei diesen Worten ermunternd auf den Jüngling.
»Ich weiß nicht, worin die Anklage besteht.«
»Ihr habt sie gehört,« versetzte der Friedensrichter etwas schnell, »ich will sie Euch aber wiederholen. Diese zwei Männer da und der Constable im Namen des Staates sagen, daß Ihr ein Spion seid, verkleidet, und gekommen, um das Land auszuspähen und die Rothäute gegen uns aufzuhetzen.«
Der junge Mann warf einen unwilligen Blick auf die beiden Ankläger, aber er schien nicht überrascht oder verlegen. »Das ist eine verdammte« – platzte er heraus, ohne jedoch das letzte Wort aussprechen zu können, denn der Squire, der aufmerksam in seinem Gesichte gelesen hatte, fiel ihm mit einem donnernden »Halt!« in die Rede.
»Ich habe nicht Lust, mein Haus in einen Tummelplatz verwandelt zu sehen. Ihr müßt Eure Zunge in acht nehmen, junger Mann, wenn Ihr mit amerikanischen Bürgern redet, das sind keine Briten. Wenn Ihr Euch gehörig ausweisen könnt, wer Ihr seid, und wie Ihr zu Euern indianischen Kleidungsstücken gekommen, dann wohl; wenn nicht, so muß ich Euch ins Hauptquartier oder auf das nächste Depot senden.«
»Der alte Hickory läßt ihn die erste Stunde baumeln«, meinte einer. »Verflucht, alter Hickory; wollte, er wäre bereits wieder, wo er hergekommen«, fiel ein zweiter ein.
»Mag ich erschossen werden, wenn der alte Hickory nicht mehr ehrliches Blut im kleinen Finger hat, als ein Pferd schwemmen würde«, schwor ein dritter.
»Haltet Eure Mäuler,« sprach der Friedensrichter, »und laßt mal hören, was der Junge da zu sagen hat. Also, pro primo, wer seid Ihr, und was seid Ihr?«
»Ein Engländer; mein Name, James Hodges, Midshipman auf der Fregatte der ›Donnerer‹.«
»Ein Brite, James Hodges, Midshipman auf dem ›Donnerer‹«, murmelten alle.
Der Friedensrichter maß den Midshipman mit einem besorgten Blicke und schüttelte den Kopf.
»Wohl«, sprach er, nachdem er die Aussage zu Papier gebracht hatte.
»Wie seid Ihr aber nahe an dreihundert Meilen tief ins Land gekommen? Doch nicht wie der Fliegende Holländer auf Eurer Fregatte?«
»Nein«, versetzte der junge Mann lachend, »aber unser Kapitän, mit der Sondierung der Mississippimündungen beauftragt, hatte einigen von uns die Erlaubnis zu einer Schildkrötenjagd gegeben. Auf dieser und dem Austernfange waren wir begriffen, als der Seeräuber von Barataria uns überfiel und in sein Fort schleppte. Ich habe mich zur Nachtzeit gerettet. Was aus meinen Gefährten geworden, weiß ich nicht.«
»Vom Seeräuber von Barataria gefangengenommen«, riefen wieder zwanzig Stimmen.
Der Name des Seeräubers von Barataria, der die Küste seit so langer Zeit her unsicher gemacht, erregte ein allgemeines Verlangen, etwas mehr von ihm zu hören.
»Laßt mal etwas von dem Kerl hören«, rief einer.
»Halt's Maul, sage ich Euch!« rief wieder der Friedensrichter. »Wir haben keine Zeit, Geschichten anzuhören, gibt mir diese Kopfzerbrechens genug. – Und kommt Ihr von der Insel Barataria gerade herauf in diese Gegend?« fragte er.
»Nein,« erwiderte der Gefangene, »ich entkam in einem Boote, das ein starker, südöstlicher Wind tief in den mexikanischen Busen führte.«
»Und da kommt Ihr her?« fragte der Squire kopfschüttelnd. »Doch, woher diese indianische Kleidung?«
»Ich traf auf einen indianischen Stamm, der mich damit versehen.«
»Und von diesem habt Ihr Euch auf den Weg her auf den Atchafalaya zu gemacht?« fragte der Squire wieder, noch immer kopfschüttelnd.
»So habe ich«, war die Antwort.
»Ich will es niederschreiben, lieber Mann,« sprach der Friedensrichter, »obwohl ich Euch versichern mag, daß unter Millionen nicht zehn es glauben werden. Hört einmal. So viele Ihr unten am Balize seid, und wäret Ihr Hunderttausend, so hat keiner von Euch so viel noch gelernt, um von der mexikanischen Grenze oder einem Indianerstamme den Weg herzufinden. Hört Ihr, da sind keine Fahrstraßen und Meilenzeiger zu sehen. Da steckt etwas anderes dahinter; zudem, diese indianische Kleidung ist so schlecht nicht. Ich kenne keinen Stamm, der so etwas wegzugeben reich genug wäre. Wie heißen die Indianer, bei denen Ihr Euch aufgehalten habt?«
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte der Jüngling.
»Das müssen wir aber wissen«, versicherte der Friedensrichter.
»Ich kann es nicht sagen; es gibt so viele Stämme, Coshattaes, Sabiner und wie sie heißen.«
Alle horchten hoch auf.
»Ihr wißt den Namen der Coshattaes und Sabiner und nicht derjenigen, bei denen Ihr Euch aufgehalten habt?« fragte der Friedensrichter. »Das ist sonderbar; und diese Indianer sollten Euch eine Kleidung gegeben haben, die zum wenigsten zehn Dollar wert ist? Hört, das ist eine kitzlige Geschichte, ich versichere Euch. Die Coshattaes und Sabiner, wenn sie alle ihre Habseligkeiten zusammennehmen, sind nicht imstande, Euch zu geben, was Ihr am Leibe habt. Eure Geschichte mag gut genug sein, um bei Euch zu passieren; aber hier bringt die Anklage, die daraus hervorgeht, Euern Kopf in Gefahr.«
»Seid so gut, lieber Friedensrichter,« sprach der Brite lächelnd, »so schnell als möglich meinen Fall im Hauptquartier anzuzeigen. Das übrige wird sich dann finden.«
»Im Hauptquartier?« wiederholte der Friedensrichter, der den jungen Mann verwundert angesehen hatte. »Hört einmal. Ihr stellt Euch das ein wenig leicht vor; aber wenn Ihr wüßtet, wer darin befehligt, dann würdet Ihr wahrscheinlich nicht so vorschnell sein. Der haust mit den Kreolen«, brummte er seitwärts, »als wenn sie seine Neger wären; was wird er erst mit Fremden tun! Und sonst« – fragte er, sich nochmals an den Gefangenen wendend – »habt Ihr nichts vorzubringen?«
»Bloß,« versetzte der Brite lachend, »daß ich nicht, wie meine zwei Ankläger angegeben, verdächtig in der Nähe Eurer Stadt umhergeschlichen und von ihnen während meines Spionierens gefangengenommen worden bin. Man ist eben nicht in einem Zustande, andere zu fangen, wenn man selbst nicht auf den Beinen stehen kann. Ich habe mich freiwillig gestellt.«
»Und wahr ist's auch noch,« schrie der erste Ankläger; »ich hab' einmal zu viel geladen, das ist ganz richtig. Laßt'n laufen, Squire; ein Spion mehr oder weniger wird keinen Unterschied machen; laßt sie nur kommen die Rotröcke, wir wollen ihnen die Felle gerben, daß sie's Heimgehn vergessen sollen.« »Ei und die Proklamation des Generals,« erwiderte der zweite, »die da sagt, daß jede verdächtige Person angehalten und an die Militärbehörde eingeliefert werden soll!«
»Geht uns nichts an«, versetzten mehrere Stimmen. »Sie ist vom General ausgegeben, und der hat einen Quark im Staate und freien Männern zu sagen, die nur den von ihrer Legislatur gegebenen Gesetzen gehorchen sollen; was meint Ihr, Squire?«
»Gewiß,« versetzte dieser, »der General hat hier nichts zu befehlen; aber die Konstitution selbst hat für den Fall gesorgt. Es bleibt nichts weiter übrig,« sprach er leiser zu den Seinigen, »als den Jungen hinüberzusenden. Es tut mir leid, daß ich mithelfen soll, ihn in die Pfütze hineinzustoßen; er sieht wahrlich so wacker aus wie irgendeiner, der in seinen eigenen Schuhen steht.«
»Junger Mann,« wandte er sich zum Gefangenen, »Ihr seid innerhalb der Linien unserer Armee in einer Verkleidung aufgegriffen worden, die allerdings verdächtig ist. Ihr seid, nach Euerm eigenen Geständnisse, zur Flotte gehörig; beides zwingt mich, Euch unsern Militärbehörden zu überantworten. Es ist ein hartes Gesetz für ein freies Land, aber es ist nur in Kriegszeiten. Wäret Ihr kein Brite, dann möchte ich durch die Finger sehen. Und setzt Euch nun nieder und helft Euch zu einem Glas Wein oder Rum, was Euch beliebt.«
Der Brite dankte mit einer leichten Verbeugung, trat zum Schenktische und trank auf die Gesundheit seiner neuen Bekannten. Sein ganzes Benehmen bezeugte, daß er mit seiner Behandlung sehr zufrieden war. Und wirklich war in der Prozedur des Friedensrichters, ungeachtet des starken Beigeschmacks hinterwäldischer Manieren, eine Offenheit und Biederkeit, die nicht fehlen konnten, ihm Vertrauen zu seinen neuen Bekannten einzuflößen. Er schien sich gewissermaßen zu Hause zu fühlen; die Menschen um ihn herum waren so natürlich, so ungekünstelt und dabei so vollkommen gesetzlich und über ihre Interessen aufgeklärt; sie schämten sich ihrer Blößen so wenig, daß sie notwendig dem Unbefangenen in vorteilhaftem Lichte erscheinen mußten. Er hatte vielleicht einen arroganten Pöbelwitz und rohe Schimpfworte befürchtet; statt dieser war ihm eine Behandlung zuteil geworden, die zwar nicht ohne ihre derben Nuancen, aber im Grunde so angemessen war, wie er sie nur in seiner unangenehmen Lage wünschen konnte. Es war viel Rauhes, aber nichts Pöbelhaftes zu sehen gewesen. Zwar konnte er noch immer das Lachen nicht verbeißen, wenn er an die militärische Promenade dachte; aber der starre, republikanische Ernst, der selbst in diesem grotesken Spektakelaufzuge vorherrschte, und die männlich gebräunten Gesichter, in denen wahrhaft kriegerischer Zorn blitzte, gaben ihrem ganzen Wesen einen ganz eigentümlichen Anstrich, der durch eine formelle und ihrer Würde bewußte Gravität und ihre scharf gezeichneten Physiognomien sehr gehoben wurde. Der erste Anblick ganz freier und trotz ihrer Rauheit innerhalb der Gesetzlichkeit verbleibender Menschen machte ihn augenscheinlich stutzen, indem er ihn allmählich das innere Wesen republikanischen Lebens ahnen zu lassen schien.
Der zeitweilige Verwahrungsort des Gefangenen wurde nun zwischen dem Friedensrichter und dem Constable der Gegenstand der Unterhaltung. Der Scherif war abwesend, und das Countygefängnis, in dem zuletzt ein Sklave gesessen, der entwischt war, ohne Schloß und Riegel. Der Squire endete die Untersuchung mit der Zusicherung, daß er für die Sicherheit des Gefangenen Sorge tragen wolle. Und als die Männer dieses gehört, so räumten sie die Stube.
Nicht lange, so erhob sich der Lärm von neuem. Zur alten Geige und türkischen Trommel hatten sie eine schottische Pfeife gesellt, und mit dieser ohrzerreißenden Musik paradierten sie nun truppweise die Straße hinab so ernsthaft, so steif und stattlich, als wenn es gerade auf den Feind losginge.
»Hol der Henker das verdammte Schreibwerk«, schrie plötzlich der seiner, Samuel gegebenen Warnung vergessende Squire. »Da soll ich nun schreiben! und so wahr ich lebe, ich weiß nicht, wie ich die Worte zu stellen habe, um dem armen Jungen nicht wehe zu tun. Höre einmal, ich wollte wetten, Ihr könnt mit dem Gänsekiel so wohl umgehen, als einer; wie wär's, wenn Ihr den Plunder aufsetztet?«
»Welchen meint Ihr, Squire?«
»Je nun, die Evidenz wegen Eurer Gefangennehmung.«
»Ihr meint den Casus apprehensionis, den Fall des Ergreifens«, versetzte der Brite, über die sonderbare Zumutung laut lachend, nun noch sein eigener Gerichtsschreiber zu werden.
»Ihr habt Zeit,« sprach der Mann, »setzt Euch just nieder, hier ist Tinte, Feder und Papier und schreibt klar und verständlich und denkt daran, daß es um Euern Kopf geht.«
»Glaubt Ihr«, versetzte der junge Mann lachend, »sie würden es wagen, einem Briten zu nahe zu treten, wenn eine britische Armee vor ihren Toren steht?«
»Nein! hört einmal den Jungen,« sprach der Squire, »das kommt mir spaßhaft vor; wagen, einem Briten zu nahe zu treten! Höre, wenn du der General en Chef Eurer Armee selbst wärest, um so eher hingest du, versteht sich von selbst, wenn der Verdacht, in dem du stehst, gegründet befunden würde. Nein, junger Mann, du kennst uns nicht, das sehe ich wohl; und manchmal werde ich selbst irre an dem besessenen Geist, der in den Unsrigen steckt und der sich bald an unsern Herrgott selbst wagen wird. Es nicht wagen!« rief er wieder kopfschüttelnd. »Die wagen sich an mehr als an dich, armer Junge! und wenn sie Euerm dummen, britischen Stolze einen Hieb versetzen können, so wird sie nichts abhalten, ihn zu führen, und das so kräftig als möglich. Und warum, Junge? weil wir das freieste und folglich das erste Volk der Welt sind und alle auslachen mögen. – Halt's Maul, altes Weib«, brummte er seiner Ehehälfte zu, die mit bittenden Gebärden ihm zur Seite stand und ihn auf mildere Gedanken zu lenken versuchte. »Diese deine Quersprünge gehen hier nicht; du weißt, daß wir die Feinde überm Hals haben, da gilt kein Spaßen. Nein! nein!« fuhr er zum jungen Mann gewendet fort: »Ich bitte Euch, seid klug, und kurzweilt ja nicht, sonst möchte sich der unten mit Euerm Kopf eine Kurzweil schaffen; das käm' ihm gerade gelegen.«
Und mit diesen Worten verließ er die Stube.
Der junge Mann schickte sich an, sein Geschäft zu beginnen.
»Aber was, ums Himmels willen, hat Euch gerade da hergebracht?« fing nun die Ehehälfte an, nachdem ihr Mann den Rücken gekehrt hatte. »Seid Ihr Briten denn gar so dumm? Wenn Ihr Eure Augen und Ohren nur ein wenig offen gehabt hättet, müßtet Ihr gesehen haben, daß Ihr in die Wolfsgrube rennt. Sie werden Euch hängen, verlaßt Euch darauf; das ist ein grimmiger alter Mann, der General.«
Die Aussicht war nicht sehr trostreich, aber der Gefangene schien sich kein graues Haar wachsen lassen zu wollen. »Habt keine Sorge um mich, gute Frau«, sprach er lächelnd. »Man hängt nicht, am wenigsten wegen Spionierens, wo der bloße Gedanke Unsinn ist.«
»Wohl, wohl, wollen 's beste hoffen; am gescheitesten wär's jedoch« –
»Weib«; brummte ihr Mann zur halb geöffneten Türe herein. »Scher' dich von dem Jungen weg, ich sage dir's.«
»Laß ihn reden,« sprach sie, »und wenn Käthe ihren neuen Rock fertig hat, so wollen wir schauen, ob wir dich darin nicht hinüber zum Bill praktizieren können.« Sie nickte pfiffig.
»In Miß Käthes Röckchen,« lachte der Brite hell auf, »das fehlt noch.«
»Ei, werden da lange fragen«, fuhr sie fort. »Das Mädchen hat nur noch die Ärmel einzusetzen«; und somit wackelte sie der Küche zu.
Der Gefangene begann nun im Ernste sich über seinen nicht ganz angenehmen Casus apprehensionis zu machen. Lange konnte er mit sich nicht eins werden; endlich glaubte er im reinen zu sein und fing an, seine Gedanken aufs Papier zu werfen. Er hatte sein Abenteuer, mit Auslassung der Indianer, so natürlich als möglich erzählt und zugleich umständlichen Bericht über seine Dienstverhältnisse gegeben, die nach seiner Meinung nicht fehlen konnten, seine schleunige Befreiung zu bewirken. Als er geendet hatte, kam der Squire zurück, dem er das Papier reichte.
»Das hast du gut gemacht, Junge!« sprach dieser, als er den Aufsatz gelesen hatte. »Und nun, Dicki, ruf' mir einmal die Männer zur Unterschrift.«
»Ei, das ist aber nicht Eure Handschrift, Squire«, brach der Constable aus, der mit den übrigen wieder gekommen war.
»Und wenn sie's nicht ist, wen geht das was an? Dieser Junge da hat mir mehr Kopfzerbrechen verursacht, als ein Dutzend Galgenschwengel. Es ist bloß billig, daß er einen Teil der Mühe auf sich lade.«
»Ei und so ist's«; fielen alle ein. »Und da Ihr eine so gute Hand führt,« sprach einer, »so mögt Ihr uns ebensowohl die Mühe ersparen. Schreibt da auf diesen Fetzen Papier den Namen Mike Broom und darunter Isaak Wells.«
An die zwanzig kamen nun der Reihe nach herangeschritten. Jeder blinzelte dem Squire zu und riß ein Stück Papier von seinem Vorrate ab. »Wohl,« lachte dieser, »da mögt Ihr gleich Eure Kanzlei auch aufschlagen, sie werden Euch bald Arbeit genug finden. Bürg' Euch dafür.«
»Ja und das wollen wir«, riefen noch zwanzig Stimmen mehr, die nun zur Türe hereinbrüllten und sich anschickten, ihre Vorgänger abzulösen.
»Das soll wohl eine Wahl sein?« fragte der Brite. »Ja, das ist's, Mann, und Ihr sollt es nicht umsonst getan haben«, sprach der Hinterwäldler, der nun mit seinem Wahlzettel die Stube verließ, bald aber wieder mit einer gefüllten Bouteille zurückkam. »Da trinkt einmal,« rief er ihm zu, »aufs Wohl der Staaten und das Verderben der verdammten Briten.«
»Nein, das lasse ich bleiben«; erwiderte der Gefangene trocken.
»Wie Ihr wollt,« meinte der Hinterwäldler, »werdet es aber bereuen. Johnny hat in seinem Leben keinen so guten Monongehala gegeben.«
Und mit diesen Worten leerte er ein volles Bierglas und füllte ein zweites, das die Bouteille leerte. Der Brite hatte eine Weile den heillosen Zecher angesehen, verwundert über die ungeheure Quantität, die dieser, ohne auszusetzen, hinabgestürzt hatte, und fuhr dann fort, den Wählern ihre Stimmzettel zu schreiben, von denen einige Hundert angestiegen kamen; eine Beschäftigung, die, wenn auch nicht sehr angenehm, wenigstens den Vorteil hatte, ihn in seiner fröhlichen Stimmung zu erhalten.