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Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Eine Strasse vor dem Pallast.

Othello und Jago treten auf.

Jago. Denkt ihr das?

Othello. Ob ich's denke, Jago?

Jago. Wie, einander heimlich küssen?

Othello. Unauthorisierte Küsse?

Jago. Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und mehr Stunden, ohne was böses dabey zu meynen? Das sollte nicht möglich seyn? Eine Anspielung auf die berüchtigte Keuschheits-Probe des heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schönen jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Häßlichen gefährlich wäre.

Othello. Nakend im Bette, Jago, und nichts böses dabey meynen? Das heißt, den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie versuchen den Himmel.

Jago. Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine läßliche Sünde: Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe

Othello. Was dann?

Jago. Was dann? So gehört's ihr zu, Gnädiger Herr; und da es ihr zugehört, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben.

Othello. Ihre Ehre gehört auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben?

Jago. Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch

Othello. Beym Himmel! du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen hätte; du sagtest oh, es kommt über mein Gedächtniß wie ein Unglük-weissagender Rabe über ein verpestetes Haus er habe mein Schnupftuch.

Jago. Ja, und was ist's dann mehr?

Othello. Es ist nur zuviel.

Jago. Was wär' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen gesehen, daß er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm selbst gehört, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestüme Verfolgungen oder durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben, es unmöglich von sich selbst erhalten können nicht zu plaudern.)

Othello. Hat er dann etwas gesagt?

Jago. Das hat er, Gnädiger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was er nicht wieder läugnen und verschwören würde.

Othello. Was sagt' er denn?

Jago. Was? Er habe bey ihr ich weiß nicht was gethan

Othello. Was denn, was denn?

Jago. Gelegen.

Othello. Bey ihr?

Jago. Bey ihr, oder auf ihr was ihr wollt

Othello. Bey ihr! Auf ihr! Bey ihr gelegen! Das ist alles was man sagen kan: Das Schnupftuch Sein eigen Geständniß Das Schnupftuch! das Schnupftuch! Ich erschüttre vom blossen Gedanken Ohne eine grosse Ursache würde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten einhüllen. Es sind keine Worte, die mich so schütteln Nasen, Ohren und Lippen ist's möglich! Sein Geständniß! Ihr Schnupftuch! OTeufel!

(Er wird ohnmächtig.)

Jago. Würke du nur wohl, meine Mixtur, würke! So muß man leichtgläubige Narren fangen manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen. Wie, he! Gnädiger Herr! Hört ihr nicht? Othello! he!

Zweyte Scene.

Cassio tritt auf.

Jago. Wo kommt ihr her, Cassio?

Cassio. Was giebt's hier?

Jago. Der General ist von dem fallenden Weh überfallen worden; das ist nun der zweyte Anstoß; er hatte gestern den ersten.

Cassio. Reibt ihn um die Schläfe.

Jago. Nein, rührt ihn nicht an; man muß der Ohnmacht ihren ruhigen Gang lassen; oder, er fängt an zu schäumen, und bricht endlich völlig in die wildeste Tobsucht aus: Seht, er rührt sich; entfernt euch ein wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist, so möcht' ich über eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch sprechen können. (Cassio geht ab.) Wie steht's mit euch, Gnädiger Herr? Habt ihr den Kopf nicht angeschlagen?

Othello. Spottest du meiner noch?

Jago. Ich spotte, beym Himmel! nicht; aber ich wünschte, daß ihr euer Unglük wie ein Mann trüget.

Othello. Ein gehörnter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier.

Jago. Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Städten eine Menge Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer.

Othello. Er gestand's also selbst?

Jago. Liebster General, seyd ein Mann! denkt, es sind wenige bärtige Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen. Millionen Männer leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwüren, daß es ihnen eigen sey. Euer Fall ist doch noch besser. O, das ist des Teufels gröster Spaß, eine unzüchtige Meze in ein sichres Ehe-Bette zu legen, und sie für ein Tugendbild zu geben. Nein, besser ist's ich wisse's; wenn ich weiß, was ich bin, so weiß ich auch, was sie seyn soll.

Othello. O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiß.

Jago. Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein wenig Geduld. Während daß ihr hier von euerm Schmerz so unmännlich überwältigt laget, kam Cassio hieher. Ich erdachte gleich etwas, um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit ihm zu reden hätte. Er versprach mir's. Verbergt euch also nur irgendwo, wo ihr ihn sehen könnt; und beobachtet das schelmische, triumphierende Lächeln, die hönische Züge, die sichtbare Leichtfertigkeit, die sein Geheimniß in seinem ganzen Gesicht verrathen. Denn er soll mir seine Erzählung wieder von vorn anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich sage, gebt nur auf seine Mine Acht Ozum Henker, Geduld, oder ich muß endlich glauben, ihr seyd über und über lauter Galle, und habt nicht das mindeste von einem Mann.

Othello. Hörst du, Jago! Ich will dir zeigen, daß ich so lange geduldig scheinen kan, als es nöthig ist; aber eine blutige Rache soll mich davor schadlos halten.

Jago. Es läßt sich hören; aber nur alles zu rechter Zeit. Wollt ihr bey Seite gehen? (Othello verbirgt sich.) (- – Jago, ohne daß ihn Othello hören kan, fährt fort:) Nun will ich den Cassio nach seiner Bianca fragen, einem Weibsbild, das seine Reizungen verkauft, um sich Brod und Kleider davor anzuschaffen. Die Närrin ist sterblich in Cassio verliebt, und zur Straffe davor, daß sie schon so viele betrogen hat, wird sie izt von ihm betrogen; denn er kan sich, wenn er nur von ihr reden hört, des überlauten Lachens nicht verwehren. Da kommt er.

Dritte Scene.

Cassio (zu Jago.)

Jago. Je mehr er lachen wird, je mehr wird Othello rasen; sein Lächeln, seine Gebehrden, seine leichtsinnigen Manieren, seine kleinsten Bewegungen, werden durch die Auslegung, die der eifersüchtige Mohr davon macht, zu Verräthern an ihm werden Nun, wie geht's euch, Lieutenant?

Cassio. Desto schlimmer, weil ihr mir einen Charakter beylegt, dessen Beraubung mir das Leben zur Quaal macht.

Jago. Macht euch nur recht lebhaft an Desdemona, so kan's euch nicht fehlen. (leiser.) Gelt, wenn Bianca die Gewalt dazu hätte, wie schnell würdet ihr wieder hergestellt seyn.

Cassio (lachend.)
Wie kommt ihr auf diese arme Närrin?

Othello (vor sich.)
Seht, wie er schon lacht.

Jago. In meinem Leben hab' ich kein Weibsbild so verliebt in einen Mann gesehen.

Cassio. Der arme Tropf, ich denke, in der That, sie ist in mich verliebt.

Othello (vor sich.)
Izt läugnet er's so ganz kaltsinnig, und lacht hinten nach.

Jago. Hört ihr, Cassio?

Othello (vor sich)
Izt sezt er ihm zu, es ihm zu gestehen: Gut, gut, nur weiter!

Jago. Sie giebt aus, ihr wollt sie heurathen. Ist das eure Absicht?

Cassio. Ha, ha, ha!

Othello. Triumphierest du, Schurke? Triumphierest du?

Cassio. Ich, sie heurathen? Eine barmherzige Schwester? Ich bitte dich, erweise meiner Vernunft so viel Christliche Liebe, und glaube etwas bessers von ihr. Ha, ha, ha!

Othello (vor sich.)
So, so: Wer gewinnt, hat gut lachen.

Jago. In der That, die Rede geht, ihr werdet sie heurathen.

Cassio. Ich bitte dich, redst du im Ernst?

Jago. Ich will ein Schelm seyn, wenn es anderst ist.

Othello (vor sich.)
Hast du mein Maß genommen? Nun, wohl dann!

Cassio. Wenn das ist, so kommt es von dem Affen selbst. Sie hat sich's in den Kopf gesezt, daß ich sie heurathen werde, und das bloß, weil sie es wünscht, und nicht, weil ich ihr's versprochen hätte.

Othello. Izt fängt er die Historie an

Cassio. Sie war erst kürzlich hier; sie spükt mir nach, wo ich hingehe. Ich war neulich am Ufer, und sprach mit etlichen Venetianerinnen, da kommt die Närrin, und fällt mir so zärtlich um den Hals

Othello (bey Seite.)
Und ruft, o du allerliebstes Cassio, oder so was; seine Gebehrden sagen das.

Cassio. Hängt sich so an, und herzt und küßt mich, und weint auf mich, und schüttelt und drükt mich, so abscheulich zärtlich Ha, ha, ha!

Othello. Izt erzählt er, wie sie ihn in mein Schlafzimmer gezogen habe: O, ich sehe deine aufgestülpte Nase vor mir, aber ich seh' den Hund nicht, dem ich sie vorwerfen will.

Cassio. Gut, ich kan mich nicht länger hier aufhalten.

Jago. Wie es euch beliebt Aber da kommt sie ja selbst.

Vierte Scene.

Bianca zu den Vorigen.

Cassio. Was das für eine Meer-Kaze ist! Zum Henker, und sie riecht noch dazu nach Biesam: Was soll denn das bedeuten, daß ihr mir so nachlauft?

Bianca. Das mag der Teufel und seine Großmutter thun! Sagt mir einmal, was wolltet ihr mit dem Schnupftuch, das ihr mir vorhin gegeben habt? Ich war wol eine grosse Närrin, daß ich's annahm: Ich sollte die Arbeit absehen? Ein feines Stük Arbeit, daß ihr in euerm Schlafzimmer gefunden habt, und wißt nicht, wer es da verlohren haben mag. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn es nicht ein Geschenk von irgend einer ehrsamen Matrone ist; und ich soll die Arbeit dran absehen? Da, gebt es euerm Steken-Pferde: Woher ihr's auch haben mögt, ich will nichts daran absehen, ich.

Cassio. Nun, nun, meine schöne Bianca, sachte, sachte!

Othello (bey Seite.)
Beym Himmel, das wird wohl mein Schnupftuch seyn.

Bianca. Wenn ihr heute zu mir zum Nachtessen kommen wollt, so könnt ihr; wo nicht, so kommt nicht eher als bis man Anstalten auf euch gemacht hat.

(Sie geht ab.)

Jago. Lauft ihr nach, lauft ihr nach.

Cassio. Das muß ich, sonst fangt sie auf der Strasse einen Lermen an.

Jago. Wollt ihr bey ihr zu Nacht essen?

Cassio. Ja, ich hab es im Sinn.

Jago. Gut, vielleicht seh ich euch dort; denn ich möchte sehr gern mit euch reden.

Cassio. Ich bitt euch, kommt; wollt ihr

Jago. Verlaßt euch darauf

(Cassio geht ab.)

Fünfte Scene.

Othello und Jago.

Othello. Was für eine Todesart soll ich ihm anthun, Jago?

Jago. Habt ihr gesehen, wie lustig er sich mit seinem Verbrechen machte?

Othello. Oh, Jago!

Jago. Und saht ihr das Schnupftuch?

Othello. War's das meinige?

Jago. Das eurige, auf meine Ehre! und habt ihr gesehen, wie viel er sich aus dem einfältigen Geschöpf, eurer Frau, macht? Sie gab es ihm und er verschenkt es an seine Hure!

Othello. Ich wollt, ich könnte neun Jahre lang an ihm morden eine so artige Frau! Eine so schöne Frau! Eine so anmuthsvolle Frau!

Jago. Nein, das müßt ihr nun vergessen!

Othello. O, laß sie verfaulen, verdorren und zur Hölle fahren, eh es wieder Tag wird! leben soll sie nicht! Nein, mein Herz ist zu Stein worden: ich schlage drauf, und die Hand schmerzt mich davon O, die ganze Welt hat keine reizendere Creatur! Sie hätte an eines Kaysers Seite ligen können, er würd' ihr Sclave gewesen seyn!

Jago. Nicht doch; das sind Gedanken, die gar nicht zur Sache taugen.

Othello. An den Galgen mit ihr, ich sage nur was sie ist eine so feine Arbeiterin mit der Nadel eine vortrefliche Musicantin Oh, sie würde die Wildheit aus einem Bären heraus singen so belebt, so wizig! So voller Geist!

Jago. Desto schlimmer ist sie um das alles.

Othello. O, tausend, tausendmal: Und dann von so einnehmender Gestalt!

Jago. Nur gar zu einnehmend.

Othello. Ja, das ist wahr. Aber doch ist es erbärmlich, Jago oh, Jago, es ist erbärmlich!

Jago. Wenn ihr so zärtlich gegen ihre Bosheiten seyd, so gebt ihr ein Patent, daß sie euch beleidigen darf wie sie will; wenn ihr gleichgültig dabey seyd, so hat sich niemand darum zu bekümmern.

Othello. Ich will sie in kleine Stükchen haken: Mich zum Hahnrey zu machen!

Jago. Es ist garstig an ihr!

Othello. Mit meinem Lieutenant!

Jago. Das ist noch garstiger!

Othello. Verschaffe mir eine Dose Gift bis auf die Nacht, Jago; ich will keinen Wortwechsel mit ihr haben ich darf meine Standhaftigkeit nicht an ihre Reizungen wagen Diese Nacht, Jago

Jago. Aber nicht durch Gift; erdrosselt sie in ihrem Bette, in dem Bette, das sie entweiht hat.

Othello. Gut, gut; dieses Mittel gefällt mir, weil es gerecht ist

Jago. Und was den Cassio betrift, den überlaßt mir; bis Mitternacht sollt ihr mehr hören.

(Eine Trompete hinter der Scene.)

Othello. Vortrefflich! Wie? Was bedeutet diese Trompete?

Jago. Vermuthlich etwas von Venedig Es ist Lodovico, vom Herzog abgeschikt: Au, seht, eure Gemahlin ist schon bey ihm.

Sechste Scene.

Lodovico, Desdemona, und Gefolge treten auf.

Lodovico. Seyd mir gegrüßt, würdiger General.

Othello. Ich erwiedre den Wunsch von ganzem Herzen, mein Herr.

Lodovico. Der Herzog und die Senatoren von Venedig grüssen euch. (Er überreicht ihm ein Schreiben.)

Othello. Ich küsse die Urkunde ihrer Befehle.

Desdemona. Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico?

Jago. Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern.

Lodovico. Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio?

Jago. Er lebt, mein Herr.

Desdemona. Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut machen.

Othello (vor sich.)
Seyd ihr dessen so gewiß?

Desdemona. Mein Gemahl?

Othello (ließt.)
»Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch«

Lodovico zu Desdemona.
Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft. Ist ein Mißverständnis zwischen dem General und Cassio?

Desdemona. Ein sehr unglükliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu vereinigen, so lieb ist mir Cassio.

Othello. Feuer und Schwefel! (vor sich.)

Desdemona. Mein Gemahl!

Othello. Seyd ihr bey Verstand?

Desdemona zu Lodovico.
Wie, ist er zornig?

Lodovico. Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht. Denn, wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm, sein Gouvernement dem Cassio zu überlassen.

Desdemona. Glaubt mir, es erfreut mich.

Othello. In der That! (vor sich.)

Desdemona. Mein Gemahl!

Othello. Ich bin erfreut, dich toll zu sehen. (vor sich.)

Desdemona. Wie, mein liebster Othello?

Othello (nach ihr schlagend.)
Teufel!

Desdemona. Das hab' ich nicht verdient.

Lodovico. Mein Herr, in Venedig würde das niemand glauben, wenn ich gleich schwüre, daß ichs gesehen habe. Es ist sehr viel; bittet ihr's ab; sie weint.

Othello. O Teufel! Teufel! Könnte die Erde von Weiberthränen geschwängert werden, jeder Tropfe, den sie weint, würde ein Crocodil werden: Aus meinem Gesicht

Desdemona (indem sie gehen will.)
Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist.

Lodovico. Wahrhaftig, eine gehorsame Frau ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie zurük.

Othello. Madam

Desdemona. Mein Gemahl

Othello. Was wollt ihr mit ihr, mein Herr?

Lodovico. Wer, ich, mein Herr?

Othello. Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, daß sie sich wieder umdrehe. Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie ist eine Meisterin darinn. Und sie kan auch weinen, Herr, weinen; und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam weint ihr nur fort Was das anbetrift, mein Herr Odie Leidenschaften spielt sie vortreflich! Ich bin zurükberuffen (zu Desdemona.) Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken Mein Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig zurük kehren Weg, pake dich! (Desdemona geht ab.) Cassio soll meinen Plaz haben. Und ihr, mein Herr, werdet mir die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen. Ihr seyd willkommen in Cypern (vor sich.) Geissen, und Affen! [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.

(Er geht ab.)

Siebende Scene.

Lodovico und Jago bleiben zurük.

Lodovico. Ist diß der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles nennt? Ist diß das Gemüth, dessen standhafte Tugend keine Leidenschaft, kein Glük, kein Zufall erschüttern kan?

Jago. Er hat sich sehr verändert.

Lodovico. Ist er recht bey Sinnen? Leidet er etwann am Gehirn?

Jago. Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke. Ich wollte zu Gott, er wäre, was er seyn könnte, wenn er nicht ist, was er sollte.

Lodovico. Wie, seine Gemahlin schlagen!

Jago. In der That, es war nicht fein; und doch wünscht' ich, ich wißte, daß dieser Streich das ärgste wäre.

Lodovico. Ist er gemeiniglich so? oder würkte das Schreiben so stark auf sein Blut, daß er zum ersten mal sich selbst so ungleich war?

Jago. Es ist eine schlimme Sache, leider! Es wäre nicht anständig, wenn ich sagen wollte, was ich gesehen und gehört habe. Ihr werdet ihn durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn so charakterisieren, daß ich meine Worte sparen kan. Geht ihm nur nach, und seht, wie er fortfahren wird.

(Sie gehen ab.)

Achte Scene.

Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.

Othello und Aemilia treten auf.

Othello. Ihr habt also nichts gesehen?

Aemilia. Noch jemals was solches gehört, oder nur gemuthmasset.

Othello. Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen?

Aemilia. Aber da sah ich nichts böses, und ich hörte eine jede Sylbe, die sie mit einander redeten.

Othello. Wie, flüsterten sie niemals zusammen?

Aemilia. Niemals, Gnädiger Herr.

Othello. Und schikten sie euch niemals fort?

Aemilia. Niemals.

Othello. Etwann ihren Fächer, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu holen?

Aemilia. Niemals, Gnädiger Herr.

Othello. Das ist seltsam!

Aemilia. Ich dürfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnädiger Herr, daß sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen Gedanken, er betrügt euer Herz. Der Himmel vergelt' es dem Elenden, der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der Schlange! Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu ist, so giebt's keinen glüklichen Mann auf Erden; so ist die reinste ihrer Weiber so häßlich als Lästerung.

Othello. Geh, ruffe sie hieher. (Aemilia geht ab.) Sie sagt genug; allein sie ist eine einfältige Kupplerin, die nicht mehr sagen kan Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiß und doch kniet sie euch in ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen.

Neunte Scene.

Desdemona und Aemilia treten auf.

Desdemona. Was ist euer Wille, mein Gemahl?

Othello. Kommt näher, Hühnchen, wenn ich bitten darf.

Desdemona. Was beliebt euch?

Othello. Laßt mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht.

Desdemona. Was für eine entsezliche Einbildung kommt euch an?

Othello (Zu Aemilia.)
Ein Stük von euerm Amt, Madam; laßt die handelnden Personen allein, und schließt die Thüre zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt. Euer Geheimniß, euer Geheimniß nein, macht euch fort.

(Aemilia geht ab.)

Desdemona. Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen? Ich sehe wol, daß etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie dennoch nicht.

Othello. Wie? Was bist du?

Desdemona. Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib.

Othello. Komm, schwör mir das; sprich dir dein Urtheil selbst; sonst möchten, da du einem himmlischen Wesen so ähnlich bist, die Teufel sich scheuen Hand an dich zu legen. Zieh dir also eine zweyfache Verdammniß zu; schwöre, du seyest ehrlich.

Desdemona. Der Himmel weiß es.

Othello. Der Himmel weiß, daß du falsch wie die Hölle bist.

Desdemona. An wem, mein Gemahl? Mit wem? Wie bin ich falsch?

Othello (Er weint.)
Ach, Desdemona! Weg, weg, weg!

Desdemona. O des unglükseligen Tags! Warum weint ihr? Bin ich die Beweg-Ursach dieser Thränen, mein liebster Mann? Wenn ihr vielleicht meinen Vater in Verdacht habt, daß er an eurer Zurükberuffung Schuld habe, so laßt es doch mich nicht entgelten; wenn ihr ihn verlohren habt, so hab' ich ihn ja auch verlohren.

Othello. Hätt' es dem Himmel gefallen, mich durch Trübsale zu prüfen, hätt' er alle Arten von Schmerzen und Demüthigungen auf mein naktes Haupt regnen, mich bis an die Lippen in Armuth versinken, mich ohne Hoffnung der Befreyung in Sclaverey gerathen lassen; so würd' ich noch in irgend einem Winkel meiner Seele einen Tropfen Geduld gefunden haben. Aber, ach! mich zu einem festen Ziel für den unbeweglichen Finger der spottenden Verachtung zu machen und doch auch das, auch das wollt' ich noch ertragen können. Aber da Man hat hier, einem herrschenden, obgleich an sich vielleicht ungerechten Vorurtheil zu gefallen, von dem buchstäblichen Sinn des Originals ein wenig abweichen müssen. , wo die Ruhe, der Trost, die Wonne meines Lebens lag, aus deinem Herzen vertrieben zu seyn, oder es als eine Cisterne, worinn unflätige Kröten zügeln, zu besizen: Hebe dich weg, Geduld, du junger, rosenwangichter Cherubin, Da seh' ich grimmig wie die Hölle aus.

Desdemona. Ich hoffe, mein edelmüthiger Mann kennt mich genugsam, mich für unschuldig zu halten.

Othello. O, ja, wie Sommerfliegen in Schlachthäusern, die von einem anwehenden Lüftchen lebendig werden. Odu giftiges Unkraut, warum bist du so lieblich anzusehen? Du riechst so gut, daß einem der Kopf davon weh thut. Ich wollte, du wärest nie gebohren worden!

Desdemona. Himmel! was für eine Sünde kan ich unwissender Weise begangen haben?

Othello. Wie, du fragst noch? Du fragst was du begangen habest? Begangen? Odu Nichtswürdige, ich würde meine Wangen zu Feuer-Essen machen, wo die Zucht zu Asche verbrennen müßte, wenn ich deine Thaten nennen wollte. Wie? was du begangen hast? Der Himmel stopft sich die Nase davor zu, und der Mond die Augen; der buhlerische Wind sogar, der alles küßt was ihm vorkommt, hat sich in die holen Minen der Erde verkrochen, und will es nicht anhören. Was du begangen hast? Unverschämte Meze!

Desdemona. Beym Himmel! ihr thut mir Unrecht.

Othello. Du bist keine Meze?

Desdemona. Nein, so wahr ich eine Christin bin. Wenn ein Weib, die sich für ihren Mann allein, und von jeder fremden, unkeuschen, unerlaubten Berührung rein bewahrt hat, keine Meze ist, so bin ich keine.

Othello. Wie, auch keine Hure?

Desdemona. Nein, so wahr ich selig zu werden wünsche!

Othello. Ists möglich?

Desdemona. O Himmel, sey uns gnädig!

Othello. So bitt' ich also um Vergebung. Ich sah euch für diese abgefeimte Hure von Venedig an, die den Othello heurathete

Zehnte Scene.

Aemilia zu den Vorigen.

Othello. Ihr, Frau Gelegenheits-Macherin, Ihr, ihr, ja ihr! Wir haben unsre Sachen gemacht. Hier ist Geld für eure Mühe; ich bitte euch, dreht den Schlüssel, und behaltet unser Geheimniß für euch.

(Er geht ab.)

Aemilia. Um's Himmels willen, was macht der Herr sich vor Gedanken! Wie befindet sich Eu. Gnaden? Wie steht's um meine liebste Gnädige Frau?

Desdemona (allein.)
Es ist billig, daß mir so mitgespielt wird, sehr billig; wie hab ich mich denn aufgeführt, daß er nur den Schatten eines Grundes zum allerkleinsten Mißtrauen gefunden haben soll?

Eilfte Scene.

Jago und Aemilia zu Desdemona.

Jago. Was ist zu Eu. Gnaden Befehl? Wie steht's?

Desdemona. Das kan ich nicht sagen; diejenigen, die eure Kinder ziehen, thun es mit Freundlichkeit, und legen ihnen nicht zuviel auf; er hätte mich ja mit Sanftmuth ausschelten können: Denn, die Wahrheit zu sagen, ich bin wie ein Kind wenn ich ausgescholten werde.

Jago. Wovon ist die Rede, Gnädige Frau?

Aemilia. Ach, Jago, der Gnädige Herr hat sie so behurt, ihr so schmählich begegnet, so garstige Namen über sie ausgegossen, daß ein ehrliches Herz es nicht ertragen kan.

Desdemona. Verdien' ich einen solchen Namen, Jago?

Jago. Was für einen Namen, Gnädige Frau?

Desdemona. Den, so sie sagte, daß mir mein Mann gegeben habe.

Aemilia. Er nannte sie eine Hure; ein betrunkner Bettler würde sich schämen, seinem Menschen einen solchen Namen zu geben.

Jago. Warum that er das?

Desdemona. Das weiß ich nicht; was ich weiß, ist, daß ich nichts solches bin.

Jago. Weinet nicht, weinet nicht; das ist ein leidiger Handel!

Aemilia. Hat sie so viele grosse Partheyen ausgeschlagen Hat sie ihren Vater, ihr Vaterland, ihre Freunde aufgeopfert um eine Hure geheissen zu werden? Sollte das einen nicht weinen machen?

Desdemona. Das ist nun mein Schiksal.

Jago. Ihr müßt es nicht von ihm leiden. Wie überfiel ihn denn dieser Anstoß?

Desdemona. Das weiß der Himmel.

Aemilia. Ich will mich hängen lassen, wenn nicht irgend ein höllischer Bube, irgend ein geschäftiger, raubsüchtiger Schurke, irgend ein glatter, lekender, Schlangen-züngigter Sclave, um sich ein Verdienst bey ihm zu machen, sie bey ihm verlästert hat; ich will mich hängen lassen, wenn es anders ist.

Jago. Fy, es lebt kein solcher Mann, es ist unmöglich.

Desdemona. Wenn ein solcher Mann ist, so vergeb ihm der Himmel!

Aemilia. Ein Strik vergeb ihm! Und der Teufel nag' ihm seine verdammten Knochen ab! Warum soll er sie eine Hure heissen? Wer soll denn ihr Buhler seyn? Wo? wann? wie? Wo ist auch nur eine Wahrscheinlichkeit davon? Der Mohr ist durch irgend einen galgenbübischen Schurken, irgend einen elenden nichtswürdigen Erzlotterbuben belogen worden. OHimmel, daß du doch solche Gesellen an's Taglicht ziehen, und in jede ehrliche Hand eine Geisel steken möchtest, um den Raker nakend durch die ganze Welt zu peitschen, von einem Ende der Welt bis zum andern!

Jago. Schreyt nur nicht so laut.

Aemilia. O fy, die garstigen Kerls! Gerad ein solcher Schuft wars, der euch einst den Kopf auf die unrechte Seite stellte, und euch weis machte, daß ich mit dem Mohren in heimlichem Verständniß sey.

Jago. Du bist nicht klug; geh, geh.

Desdemona. Ach, Jago, sage mir, was soll ich thun um meinen Gemahl wieder zu gewinnen? Mein guter Freund, geh, rede du mit ihm; bey diesem Licht des Himmels, ich weiß nicht, wie ich sein Herz verlohren habe. Hier knie ich; (sie kniet.) Wenn jemals mein Wille in Worten, Gedanken oder in würklicher That sich gegen seine Pflicht aufgelehnt hat; oder wenn jemals meine Augen, meine Ohren oder irgend einer meiner Sinne sich an einem andern Gegenstand ergözt haben; oder wenn ich ihn nicht immer liebe, geliebt habe, und sollt' er mich auch als eine Bettlerin von sich verstossen, aufs zärtlichste lieben werde, so komme kein Trost in meine Seele! Unzärtlichkeit kan viel thun, sie kan mich ums Leben bringen, aber meine Liebe kan sie nicht vermindern. Ich kan nicht sagen, Hure; es graut mir, da ich izt das Wort ausgesprochen habe; aber das zu thun, was er bezeichnet, könnte mich die Welt mit ihrer ganzen Masse von Eitelkeit nicht bewegen.

Jago. Ich bitte euch, gebt euch zufrieden; es ist nur eine Laune von ihm; die Staats-Angelegenheiten gehen ihm im Kopf herum, er ist mißvergnügt darüber, und da muß nun sein Unmuth über euch ausbrechen.

Desdemona. Wenn es nur dieses wäre

Jago. Es ist nichts anders, ich stehe dafür. (Trompeten.) Horcht, diese Trompeten ruffen zum Nacht-Essen. Der Abgeordnete von Venedig bleibt bey der Tafel; geht hinein und weint nicht; es wird alles wieder gut werden.

(Desdemona und Aemilia gehen ab.)

Zwölfte Scene.

Rodrigo (zu Jago.)

Jago. Ha, wo kommt ihr her, Rodrigo?

Rodrigo. Ich finde nicht, daß du ehrlich mit mir zu Werke gehst.

Jago. Wie findt ihr das?

Rodrigo. Jeden Tag machst du mir irgend einen Dunst vor die Augen, Jago; und ich fange endlich an zu sehen, daß du, anstatt mich nur um einen Schritt meinen Hoffnungen näher gebracht zu haben, mich weiter zurükgesezt hast, als ich jemals war. Ich will es nicht länger dulden; und bin auch gar nicht der Meynung so ruhig einzusteken, was ich närrischer Weise bereits gelitten habe.

Jago. Wollt ihr mich anhören, Rodrigo?

Rodrigo. Meiner Treue, ich habe nur zuviel angehört; eure Worte und eure Thaten haben gar keine Gemeinschaft mit einander.

Jago. Ihr beschuldiget mich mit gröstem Unrecht.

Rodrigo. Ich sage die lautre Wahrheit: Ihr habt mich um mein ganzes Vermögen gebracht. Die Juwelen, die ihr von mir bekommen habt, um sie Desdemonen zu überliefern, hätten eine Vestalin verführen sollen. Ihr sagtet mir, sie habe sie empfangen, und brachtet mir die tröstlichsten Versicherungen von ihrer guten Würkung; aber ich finde keine.

Jago. Gut, nur weiter; sehr gut.

Rodrigo. Sehr gut, nur weiter; ich kan nicht weiter, Herr, und es ist nicht sehr gut; nein, ich denke, es ist boshaft, und ich fange an zu merken, daß man mich nur am Narren-Seil herumführt.

Jago. Sehr gut.

Rodrigo. Ich sag euch, es ist nicht sehr gut. Ich will mich Desdemonen selbst entdeken; wenn sie mir meine Juwelen wieder geben will, so will ich klug seyn und ihr mit meiner Bewerbung nicht mehr beschwerlich fallen: Wo nicht, so versichr' ich euch, ich will meine Schadloshaltung an euch suchen.

Jago. Ihr habt nun geredt

Rodrigo. Ja, und nichts, als was ich, meiner Seel! zu thun im Sinn habe.

Jago. Wie, nun seh ich doch daß du Feuer im Leibe hast; und von diesem Augenblik an hab' ich eine grössere Meynung von dir als jemals. Gieb mir deine Hand, Rodrigo; du hast alle Ursache gehabt, mir Vorwürfe zu machen, aber ich schwöre dir, daß ich in der ganzen Sache redlich an dir gewesen bin.

Rodrigo. Es hat sich nicht gezeigt.

Jago. Ich muß es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne Wahrscheinlichkeit. Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne, Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht. Wenn du in der nächstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen wirst, so halte mich für einen Verräther, und schaffe mich aus der Welt wie du willst.

Rodrigo. Gut, was ist es? Ist es etwas, das sich vernünftiger Weise unternehmen läßt?

Jago. Wisset, mein Herr, daß eine Special-Commißion von Venedig eingetroffen ist, um den Cassio an Othello's Stelle einzusezen.

Rodrigo. Ist das wahr? Nun, so kehren Othello und Desdemona wieder nach Venedig zurück.

Jago. O nein; er geht nach Mauritanien, und nimmt seine schöne Desdemona mit sich; das geschieht unfehlbar, es müßte denn etwas begegnen, wodurch sein hiesiger Aufenthalt verlängert würde: Und das könnte durch nichts gewisser erhalten werden, als wenn Cassio auf die Seite geschaft würde.

Rodrigo. Was nennt ihr, den Cassio auf die Seite schaffen?

Jago. Das versteht sich von selbst; ihn unfähig machen, in Othello's Stelle einzutreten, mit einem Wort, ihm den Hals zu brechen.

Rodrigo. Und ihr wollt, daß ich das thun soll?

Jago. Ja, wenn ihr das Herz habt euch selbst Gutes zu thun. Er ißt heute bey einer Courtisane zu Nacht; und ich will ihm dort Gesellschaft leisten. Er weiß noch nichts von seiner Beförderung; wenn ihr dann nur aufpassen wollt, bis er dort weggeht, (und ich will schon dafür sorgen, daß es zwischen zwölf und ein Uhr geschehen soll:) So könnt ihr ihn mit der grösten Bequemlichkeit überraschen. Ich will in der Nähe seyn, euern Angriff zu unterstüzen, und wir wollen ihn zwischen zwey Feuer kriegen. Kommt, steht nicht so bestürzt da; kommt mit mir; wir wollen von der Sache reden. Ich will euch zeigen, daß sein Tod so unumgänglich nothwendig ist, daß ihr euch verbunden sehen werdet, ihn zu befördern. Es ist izt bald Nacht-Essens-Zeit, und die Nacht nimmt überhand Wir müssen gehen.

Rodrigo. Ich muß mehr Licht in dieser Sache haben

Jago. Das sollt ihr bekommen.

(Sie gehen ab.)

Dreyzehnte Scene.

Othello, Lodovico, Desdemona, Aemilia und Gefolge.

Lodovico. Ich bitte euch, mein Herr, bemüht euch nicht weiter.

Othello. Oh, ich bitte um Vergebung; die Bewegung wird mir wohl bekommen.

Lodovico. Madam, gute Nacht; ich danke Eu. Gnaden unterthänig.

Desdemona. Ihr werdet allezeit willkommen seyn, mein Herr.

Othello. Wollt ihr gehen, mein Herr? o, Desdemona!

Desdemona. Mein Gemahl

Othello. Geht sogleich zu Bette, ich werde bald wieder zurük kommen; schikt eure Bedienung hier fort; thut, was ich euch sage.

Desdemona. Ich will, mein Gemahl.

(Lodovico und Othello gehen ab.)

Aemilia. Wie geht es nun? Er sieht freundlicher aus als diesen Abend.

Desdemona. Er sagt, er wolle gleich zurük kommen, und hat mir befohlen zu Bette zu gehen, und euch wegzuschiken.

Aemilia. Mich wegzuschiken?

Desdemona. Das war sein Befehl; also, meine gute Aemilia, gieb mir mein Nacht-Zeug, und gute Nacht. Wir müssen ihm keinen Verdruß machen.

Aemilia. Ich wollte, ihr hättet ihn nie gesehen!

Desdemona. Das wollt' ich nicht; meine Liebe ist so wol mit ihm zufrieden, daß sogar sein mürrisches Bezeugen, sein Schelten und Zürnen, eine Art von Anmuth in meinen Augen hat. Ich bitte dich, steke mir mein Kopfzeug ab

Aemilia. Ich habe die Laken, die ihr mir sagtet, auf euer Bette gelegt.

Desdemona. Es ist all eins: Guter Himmel! Was für alberne Geschöpfe sind wir nicht! Wenn ich vor dir sterbe, so mache mir, ich bitte dich, aus einem dieser Tücher mein Todten-Hemde.

Aemilia. Kommt, kommt; wie ihr redt!

Desdemona. Meine Mutter hatte ein Kammer-Mädchen, die Barbara hieß; das arme Ding war in jemand verliebt, der sie nicht wieder lieben wollte, und da wurde sie zulezt närrisch; sie hatte ein Lied, das sich immer mit Weide endigte, es war ein altes Ding, aber es schikte sich auf ihre Umstände, und sie sang es bis in den lezten Augenblik ihres Lebens. Ich kan mir dieses Lied diese ganze Nacht durch nicht aus dem Sinn bringen; es braucht alles, daß ich mich erwehre, den Kopf auf eine Seite zu hängen, und es zu singen, wie die arme Barbara. Ich bitte dich, mach' daß du fertig wirst.

Aemilia. Soll ich gehn und euern Schlaf-Rok holen?

Desdemona. Nein, steke mich hier ab; dieser Lodovico ist ein recht artiger Mann.

Aemilia. Ein sehr hübscher Mann.

Desdemona. Er spricht gut.

Aemilia. Ich kenn' eine Dame in Venedig, die um einen Druk von seiner Unterlippe eine Wallfahrt ins Gelobte Land gemacht hätte.

Desdemona (singt.)
Das arme Ding, sie saß und sang, an einem Baum saß sie,
Singt alle, grüne Weide;
Die Hand gelegt auf ihre Brust, den Kopf auf ihrem Knie,
Singt Weide, Weide, Weide;
Der Bach, der murmelt neben ihr, in ihre Seufzer ein,
Singt Weide, Weide, Weide;
Und ihrer Thränen heisse Fluth erweichte Kieselstein;
Singt Weide, Weide, Weide;
Weide, Weide, Weide etc.

Ich bitte dich, mache hurtig, er wird alle Augenblike wiederkommen.

Singt all', ein grünes Weiden-Zweig , das muß mein Kränzchen seyn.

        *     *     *

O! tadelt nicht sein hartes Herz, mein Herz verzeiht ihm gern;
Nein, das folgt noch nicht Horch was klopft so?

Aemilia. Es ist nur der Wind.

Desdemona (singt.)
Ich nannte meinen Liebsten falsch; was sagt' er denn dazu?
Singt Weide, Weide, Weide;
Ich thu mit andern Weibern schön, mit andern Männern du.

So, geh du izt, gute Nacht; meine Augen brennen mich; bedeutet das Weinen?

Aemilia. Das wollen wir nicht hoffen.

Desdemona. Ich hab' es sagen gehört; o diese Männer, diese Männer! Sag mir einmal, Aemilia, glaubst du in deinem Gewissen, daß es Weiber giebt, die ihre Männer auf eine so grobe Art hintergehen?

Aemilia. Es giebt solche, das ist nur keine Frage.

Desdemona. Wolltest du um die ganze Welt so was thun?

Aemilia. Wie, thätet ihr's nicht?

Desdemona. Nein, bey diesem himmlischen Licht!

Aemilia. Ich bey diesem himmlischen Licht auch nicht; es liesse sich eben so gut im Dunkeln thun.

Desdemona. Wolltest du eine solche That um die ganze Welt thun?

Aemilia. Die ganze Welt ist gleichwol ein hübsches ansehnliches Ding, es wär' ein feiner Preis für ein so kleines Verbrechen.

Desdemona. Bey meiner Treu, ich denke, du thätest es nicht.

Aemilia. Und bey meiner Treu, ich denk', ich thät' es; mit dem Vorbehalt, daß es das erste und lezte mal seyn sollte. Wahrhaftig, ich thäte so was nicht um einen Finger-Ring, noch für ein paar Ellen Kammer-Tuch, noch für einen neuen Unterrok, oder eine Kappe, oder so was armseliges; aber für die ganze Welt! Welches Weib wollte ihren Mann nicht zu einem Hahnrey machen, damit er Herr von der ganzen Welt würde? Dafür wollt' ich noch wol das Fegfeuer wagen.

Desdemona. Ich will des Todes seyn, wenn ich so was Unrechtes um die ganze Welt thun wollte.

Aemilia. Wie, das Unrecht ist nur ein Unrecht in der Welt; und da ihr die Welt für eure Mühe bekämet, so wär' es ein Unrecht in eurer Welt, und ihr könntet es bald recht machen.

Desdemona. Ich kan nicht glauben, daß es ein solches Weib giebt.

Aemilia. O Ja, wohl ein duzend und so viele oben drein, daß sie die Welt, um die sie spielten, bevölkern könnten. Allein, ich denke, der Fehler ligt an den Männern, wenn ihre Weiber fallen; gesezt, sie vergessen ihre Pflichten gegen uns, und verschwenden an andre, was uns gehört; oder sie brechen in eine verdrießliche Eifersucht aus, und belegen uns mit sclavischem Zwang; oder sie schlagen uns, oder sie bringen uns unser Vermögen durch; wahrhaftig, wir haben auch Galle, und so sanft wir sind, so rächen wir uns doch gerne, wenn wir beleidigt werden. Unsre Herren Männer sollen wissen, daß ihre Weiber so gut Empfindlichkeit haben als sie; sie sehen, und riechen, und haben einen Geschmak für süß und sauer, so gut wie ihre Männer. Was thun sie, wenn sie uns mit andern vertauschen? Ist es Spaß? Ich will es glauben: Geschieht es aus Leidenschaft? Ich will es glauben: Ist es eine menschliche Schwachheit? es mag auch seyn. Und haben wir nicht auch Leidenschaften? Lieben wir den Zeitvertreib nicht auch? Sind wir nicht so gebrechlich als sie? Sie mögen uns also nur wohl begegnen; oder sie sollen wissen, daß wenn wir sündigen, sie unsre Lehrmeister gewesen sind.

Desdemona. Gute Nacht, gute Nacht; der Himmel gebe mir Gnade, anstatt Böses mit Bösem zu vertreiben, das Böse gut zu machen!

(Sie gehen ab.)


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