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Vor dem Hause hielt auf einem hochbeinigen, mageren Gaul, dessen fliegende Weichen und müde herabhängender Kopf auf einen langen und schnellen Ritt schließen ließen, ein junger Mann, welcher den zum Rufen geöffneten übergroßen Mund bei dem Erscheinen Katharine's zuzumachen vergaß. Das lange, semmelblonde Haar hing in nassen Strähnen unter dem großen, dreieckigen Hut auf die schmalen Schultern; der Schweiß lief über sein mit Sommersprossen übersätes langes bleiches Gesicht, und die nicht eben klugen wasserblauen Augen hatten einen so ängstlichen Ausdruck, daß Katharine erschrocken rief:
»Um Gott, was giebt es?«
»Wo ist er?« lallte der auf dem Pferde, und ließ seine Augen nach allen Himmelsrichtungen umherschweifen.
»Du suchst Lambert Sternberg?« sagte Katharine.
Der Reiter nickte.
»Ich will ihn rufen: steig unterdeß ab und ruh' Dich einen Augenblick aus; ich komme bald zurück;« sagte Katharine.
Der Reiter that sofort, wie ihn das junge Mädchen geheißen. Er kletterte mühsam aus dem hohen Sattel und band das Pferd an den eisernen Ring. Katharine wandte sich eilends zu gehen, da kam Lambert um das Haus herum. Er führte den Hans am Halfter, und rief, als er den Reiter erblickte: »Gott zum Gruß, Adam Bellinger! ei, was bringt Dich hierher!«
»Die Franzosen sind da!« erwiederte Adam.
Lambert stutzte, und sein Blick flog zu Katharine, die ihrerseits die großen Augen fragend auf ihn gerichtet hielt.
»Was soll das heißen?« sagte Lambert; »wo sind sie? was weißt Du, Adam? zum Tausend, Mann, rede!«
»Ich weiß nichts,« sagte Adam; »der Vater hat mich geschickt.«
»Wozu? was soll's?«
»Ich war auf dem Felde,« sagte Adam; »da kam der Vater herzugelaufen, ich solle die Liese ausspannen und satteln, und der Herckheimer sei eben da gewesen und die Franzosen seien im Anmarsch, und ich soll es überall ansagen und heute Nachmittag sollten Alle nach seinem Hause kommen und wollten da Rath halten, was zu thun sei.«
»Nun, so kann es auch noch so schlimm nicht stehen,« sagte Lambert, aufathmend. »Der Herckheimer ist ein verständiger Mann und würde uns nicht auffordern, nach seinem Hause zu kommen, wenn die Gefahr für unsere eigenen Häuser so gar dringend wäre. Aber wie hattest Du erfahren, daß ich zurück bin?«
»Ich war bei Base Ursel, die hat mich hergeschickt, und läßt Dir sagen, sie ginge auch zur Versammlung und wenn Du das junge Frauenzimmer, das ja wohl Deine Braut ist, nicht allein lassen wolltest, solltest Du sie doch mitnehmen und unterwegs bei Eisenlords absetzen, wo die Weiber zu Hause bleiben, oder bei Volz, oder bei uns.«
»Es ist gut,« sagte Lambert, indem er Katharine, die bleich und still neben ihm stand, bei der Hand nahm. »Und nun komm herein, Adam Bellinger, und nimm einen Bissen und einen Schluck: es scheint, daß Du es brauchst, und die Liese auch, das arme Thier. Wir sind in zehn Minuten fertig.«
Lambert rückte geschäftig die fliegende Krippe heran, während Katharine in das Haus eilte und ein Brod brachte, welches Adam für seinen Gaul in Stücke schnitt. Dann gingen sie Alle hinein, und setzten sich zu dem schnell bereiteten Mahl, dem Adam so herzhaft zusprach, daß er wenig Zeit hatte, Lamberts mannigfache Fragen zu beantworten. Dennoch erfuhr Katharine, die still zuhörte, genug, um sich ein Bild von der Lage der Dinge machen zu können. Den Nikolaus Herckheimer hatte sie schon öfters von Lambert erwähnen hören, als einen der reichsten und bravsten deutschen Ansiedler, der da, wo der Canada-Creek in den Mohawk mündet, eine große Farm und ein wohlbefestigtes Haus besaß. Er hatte sich schon im vergangenen Jahr bei Belletre's Raubzug große Verdienste um die Ansiedlungen erworben: der Gouverneur hatte ihm seitdem Capitänsrang verliehen und ihn für die Zukunft mit der Vertheidigung der deutschen Grenzdistricte betraut.
»Er wird seinen Plan schon fertig haben,« sagte Lambert. »Freilich, wir hier am Creek werden wohl für uns selber sorgen müssen, wir sind zu weit vorgeschoben; aber an uns soll es nicht fehlen, wenn ich auch nicht gedacht hätte, daß wir sobald die Mordbrenner wieder hier haben würden.«
Aus Lamberts ganzem Wesen sprach der gefestete Muth eines Mannes, der sich der Gefahr, welche hereindroht, wohl bewußt, aber auch entschlossen ist, ihr zu trotzen, komme, was da wolle. Seine Blicke suchten Katharine's, die geräuschlos ab- und zuging und die Männer bediente und deren große, glänzende Augen sagten: Du siehst, Geliebter, ich bin wie Du ruhig und gefaßt.
Adam schien alle seine Angst über dem Essen und Trinken vergessen zu haben. Er hatte nur aufgeblickt, um Katharine, wenn sie seinen Teller von neuem füllte, mit freundlichem Grinsen zuzunicken. Jetzt legte er Messer und Gabel zögernd nieder, und schaute so vergnüglich um sich, als ob er sagen wollte: Das sitzt sich hier doch ein gut Theil besser, als auf dem verdammten hohen Sattel der Liese, die mich bei jedem Tritt von der einen auf die andere Seite wirft.
»Bist Du bereit, Adam?« fragte Lambert, der aufgestanden war und seine Büchse umgehangen hatte.
»Ich wohl,« erwiederte Adam, die langen Beine von sich streckend, »aber die Liese schwerlich; das arme Vieh ist an so etwas nicht gewöhnt.«
»Ich werde ihr Wasser geben, und den Hans satteln;« sagte Lambert.
Katharine folgte ihm vor die Thür. Lambert ergriff ihre Hand und sagte: »Katharine, ich danke Dir, danke Dir von ganzem Herzen. Ich weiß jetzt, daß ich mir keine Vorwürfe mehr zu machen brauche.«
»Du hättest Dir nie welche machen sollen,« sagte Katharine, »Deine Sache ist meine Sache, Dein Loos ist mein Loos. Ich lebe und sterbe mit Dir.«
»Und so will ich jeden Blutstropfen für Dich hingeben,« sagte Lambert; »aber ich hoffe zu Gott, daß uns noch viele gute Tage beschieden sind. Für diesmal hat es gewiß noch nichts zu bedeuten. Konrad, der eine Woche draußen war, und nach der Seite, von welcher sie kommen müssen, weiß sicher mehr von unseren Feinden, als irgend ein Anderer, und er hat mir gesagt, daß vorläufig wenigstens keine Gefahr sei.«
»So denke auch ich,« sagte Katharine; »und da will ich Dich gleich um Eines bitten, Lambert. Du hast um meinethalben ein wenig Deine Pflicht vernachlässigt. Du hättest, wärest Du allein zurückgekommen, gestern schon alle Deine Freunde gesehen und gesprochen, denn Du würdest den Weg durchs Thal genommen haben, anstatt durch den Wald. Heute ist es wieder ein Zufall, daß Dein Freund Adam uns gefunden hat, und so hättest Du leicht da fehlen können, wo Du hingehörst. Das ist nicht recht, und liegt mir auf der Seele. Nun hast Du einen langen Ritt; der Hans kann uns Beide tragen, ich weiß es wohl: aber er läuft doch besser, wenn Du allein reitest. Und dann: was sollte daraus werden, wollte Jeder bei einer solchen Gelegenheit die Weiber mit sich schleppen? Die Andern bleiben ja auch zu Hause; nicht wahr, Lambert, Du läßt mich hier?«
»Nun wird's aber Zeit,« sagte Adam Bellinger zur Thür herauskommend.
Lambert stand unschlüssig da: er sah keine Gefahr darin, Katharine allein zu lassen: dennoch kam es ihm so schwer an, sich gerade jetzt von ihr trennen zu sollen.
»Und gewiß kommt auch Konrad zu Mittag zurück,« sagte Katharine; »und findet dann das Haus leer. Es ist wahrlich besser, Lambert, ich bleibe hier.«
»Nun, wie Du willst,« sagte Lambert.
Er schnallte das Reitkissen, das er eben dem Hans aufgelegt hatte, wieder ab.
»Kommt die Jungfer nicht mit?« fragte Adam, der schon aufgesessen war.
Lambert antwortete nicht.
»Nun denn Adjes, Jungfer,« sagte Adam, »und schönsten Dank. Hot, Liese.«
Er wandte sein Pferd, das sich nur widerwillig von der Krippe trennte.
Katharine flog in Lamberts Arme.
»Leb' wohl, Geliebter. Du zürnst mir nicht?«
»Ich Dir?« sagte Lambert.
Seine Lippen bebten: er preßte Katharine stumm an seine Brust; dann riß er sich mit einem gewaltsamen Entschluß los, schwang sich auf den Hans, und ritt im Galopp seinem Gefährten nach, der auf seinem langbeinigen Gaul voraustrabte und bei jedem Schritt des Thieres hoch in die Luft schnellte, während er die spitzen Ellbogen wie Flügel auf und nieder bewegte.