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Seitdem es Christen und Türken auf der Erde gibt, hatte nie ein schöneres Mädchen, weder in der Ebene noch im Gebirge gelebt, als die reizende Mayanka. Sie glich dem Reh, wenn es in voller Jugendkraft über Hügel und Thäler fliegt, und ihre glockenhelle Stimme war die einer Lerche aus hoher Luft. Wenn sie im Sonntagsputz über Feld nach der Kirche ging, drängten sich die Männer, junge und alte, auf ihrem Wege zusammen, um von ihr umarmt und geküßt zu werden, wie jede ehrliche morlakkische Dirne es thut, wenn ihr ein Landsmann begegnet. Wohl war sie die Perle und die Krone ihrer Heimath, und Lust erfüllte alle Herzen, wenn sie erschien in ihrem Festtagshemde, gestickt mit rother Seide und Gold, in der faltigen Sadka, deren Scharlachsaum ihre schöne Wade umspielte, an der Stelle, wo die bunte Nasurka beginnt, die den wohlgeformten Fuß umschließt, wie die schillernde Haut einer Schlange; ihr Gürtel glänzte von bunten Glasperlen und silbernen Buckeln, ihr Halsgeschmeide strahlte von alten Römer- und Venetianermünzen, aber heller noch strahlte ihr klares Auge, überwölbt von niedlichen Brauen, von glatter Marmorstirne, worauf die Scharlachmütze kühn und stolz saß, wie die Haube einer Fürstin, umflattert vom jungfräulichen Schleier. Wohl war sie schön, und tausendmal schöner noch, wenn sie den Kolo tanzte, mit überraschender Gelenkigkeit ihrer Glieder, oder wenn sie die Lerchenstimme vermählte mit den wohlklingenden Tönen der Guzla. Und nicht ungerührt blieben die Jünglinge des morlakkischen Vaterlandes, und vor allen thaten sich zwei hervor, wetteifernd in Huldigung und Demuth vor der Geliebten.
Skander, der eine, versucht und erprobt im Gebirgskriege gegen die heidnischen Nachbarn, gedachte den Preis zu erringen, wie im Kampfe, so auch im Herzen der holden Mayanka. Der andere, Georg, schöner als Skander und lieblicher in seinen Geberden, war ein harmloser Hirt, friedlichen Beschäftigungen obliegend, aber muthig zugleich, wenn es galt, einen kecken Räuber zu verjagen, oder den gefräßigen Wolf zu erlegen. Wenn Skander einherschritt, die drohende Flinte auf der Schulter, den rothen Mantel darüber geworfen, ein kühner Mann, auf sich selbst vertrauend, und nach Mädchenherzen zielend, wie nach dem Habicht in den Wolken, saß Georg in sehnsüchtiger Träumerei versunken auf thymianbewachsenem Hügel, die Heerde lenkend, von der Geliebten singend, zu ihrem Lobe Lieder dichtend, und schnitzte mit kunstfertiger Hand den zierlichsten hölzernen Becher, woraus Mayanka an ihrem Hochzeitstage trinken sollte.
Er durfte sich nämlich schmeicheln, der Bräutigam bei dem Feste zu seyn. Mayanka zog ihn vor, sie weidete ihre bunten Ziegen neben Georgs Heerde, sie stickte für ihn mit fleißigem Finger eine prachtvolle Festtagsschärpe, wie der reichste Bey sie nicht hat; sie hatte ihm versprochen, sein Weib zu werden, und ihr reicher Vater war dafür gewonnen, weil unter freien morlakkischen Leuten der Reiche nicht selten dem Knecht sein schönstes Kind gibt, wenn der Knecht die schöne Beute verdient.
Das wußten die Leute im Lande, und sehnsüchtig warteten die Verlobten der Zeit, wo die gelben Stoppeln auf dem Felde stehen, denn alsdann sollte ihr Bund gesegnet werden. Aber auch Skander, der Nebenbuhler, wußte um die Verlobung, und grämte sich innerlich, weil sein Stolz schier noch mehr beleidigt war, als seine Liebe. Oft saß er im wilden Gebirg, wie ein auf Raub sinnender Bosniak, und dachte, wie er wohl das Unheil wenden möchte, so ihn bedrohte. Da war wohl seine Kühnheit bereit, die Braut zu entführen, ob nach den Wäldern, ob nach dem fernhintragenden Meere, aber nimmer hätte er den Schimpf geduldet, daß man von ihm sage: er hätte genommen, was man ihm nicht willig verliehen, und nimmer hätte auch Mayanka solche Schmach gelitten, denn die Töchter freier Morlakken weichen nicht an Stärke und Zorn dem verwegensten Manne. – Da war ferner auch Skanders scharfgeschliffenes Beil, benetzt von Türkenblute, das des Nebenbuhlers Schädel nicht gefehlt haben würde, und seine treue, hellgeputzte Flinte, die sicher in Georgs Herz getroffen hätte; aber nimmer hätte er das Beil gegen ihn geführt, nimmer das Gewehr auf ihn gerichtet, weil sie sich einst, Skander und Georg, am Fuße des Altars ewige Freundschaft geschworen, und das heilige Abendmahl auf einen Brüderbund genommen, den ein Morlakke niemals bricht.
Nur zweierlei blieb ihm in solcher Wirrniß übrig. Entweder sich selbst zu tödten, und dann war seine Seligkeit verwirkt, oder den Freund durch Bitten zu bewegen, ihm das Gut zu überlassen, wonach er selber strebte. So trat er vor den Hirten einst, und sagte ihm: »Ohne Mayanka blüht mir keine Freude; überlasse sie mir, den sie vorgezogen haben würde, wärst Du nicht da gewesen. Du bist dazu verpflichtet, weil wir uns Freundschaft vor Gott und allen Heiligen gelobten.« – Aber Georg erwiederte nur: »Wird Mayanka nicht mein, so muß ich sterben, wie ein dorrender Baum. Wohl sind wir Freunde und Abendmahlsbrüder, und ich stehe bereit zu jedem andern Opfer. Aber weil wir uns eben Treue geschworen – warum gibst Du nicht freiwillig jeden Anspruch auf Mayanka auf? Ich habe schon manches für Dich gethan; vergelte mir's, und suche dann nach Belieben unter den Töchtern der Heimath ein Weib. Alle streben nach Dir, dem tapfern Kriegsmann; ich werde gerade nur von Mayanka geliebt.«
Da verfinsterte sich Skanders Angesicht, und er ging wieder, ohne ein Wort zu sagen, in die Berge zurück, und setzte sich auf eine hohe Felsenspitze, von da man das Land übersieht, über die weiße Stadt Zara hinweg, bis zu den Gestaden des blauen Meeres. So grübelte er, des Altarbruders Rechte erwägend, einen langen Tag hindurch, bis der Abendschimmer kam, und rings am Horizont die Wolken aufstanden, und über das Meer hinzogen wie blasse Gespenster. – Da erinnerte sich Skander, daß bei seiner Wiege einstens eine in allen Künsten erfahrene Hexe gestanden, die ihm seine treue Flinte geschenkt, und sodann eine geheimnißvolle Formel gelehrt, womit er sie rufen könne zur Zeit der Noth. Da seine Vernunft ihm keinen Ausweg zeigte in seiner Seele Bedrängniß, wollte er versuchen, was überirdische Kunst vermöchte.
Darum lud er seine Flinte mit einem guten Schuß, und zielte nach einem über ihm schwimmenden Adler, und rief losdrückend den Spruch, den ihm die Hexe gelehrt. Der Adler stürzte, und aus seinen Fängen fiel ein großes weißes Ei, und aus der Schale des Ei's sauste plötzlich die Gestalt der grauen Hexe empor.
»Guten Abend, mein Pathchen,« krächzte die Alte, und setzte sich vertraulich dem Manne gegenüber. »Schon weiß ich, was Du begehrst, und will Dir helfen, ohne daß Du Deine Pflichten verletzest. Der Hexenzauber ist groß, wenn kein mächtigerer Bann ihn stört. Willst Du, so mache ich, noch ehe die Sonne wieder aufgeht, den Georg todt, und Mayanka wird sich nicht weiter sträuben.«
»Ganz Recht; wie aber wird's um meine Seligkeit stehen, wenn ich meinen Altarbruder tödten lasse, ohne ihm beizuspringen?« fragte Skander nachdenklich und gepeinigten Gewissens.
»Sollst auch nichts davon wissen, liebes Pathchen. Nimm diese Flasche, trinke und schlafe; ich will für Dich handeln.«
Sie spannte zwei große Geierflügel aus, und flatterte davon, eine Gehülfin beim nächtlichen Werke zu suchen. Skander öffnete die Flasche, die sie zurückgelassen, beroch mir geübter Nase das Getränk, und erkannte es für köstlichen Maraschino. So trank er wohlgemuth, nippend und schlürfend, bis seine Sinne stumpf wurden, und er dahinsank in schweren Schlummer, der Welt vergessend, und nicht einmal dem Traume zugänglich. Als er die Augen schloß, war auch die Nacht stockfinster geworden.
Georg hatte die Heerde heimgetrieben, und bereitete sich zur nächtlichen Ruhe in seiner Hütte. Da klopfte es an seine Thüre, und wie er öffnete, stand Mayanka davor, und führte einen Franziskanermönch an der Hand herein. »Behalte diesen frommen Mann bei Dir,« sagte sie mit ihrer weichen Stimme, »er hat sich verirrt, und in meines Vaters Hause ist kein Platz für ihn. Pfleg ihn recht gut, lieber Georg, weil wir in den Johannisnächten sind, wo gefährlicher Spuck sein Wesen treibt, und die Geister öfters kommen, uns zu schaden. Schlafe dann wohl neben dem frommen Priester, und auf Wiedersehen morgen.«
Georg war bereit. Nach dem Verschwinden der schönen Braut machte der Hirt Feuer auf seinem Heerde an, bewirthete den Gast mit leckern gebratenen Käsen, und bettete ihn, in einen dunkeln Winkel der Hütte verborgen, auf weichem Lager. Zur Stunde, als die Eulen ausflogen, schlief schon der Mönch, und Georg streckte sich am Herde nieder, die Hände faltend zum Abendgebet. – Da hörte er von fern ein Lied, gesungen von zarter Stimme, und begleitet von leisem Saitenklang und die Stimme schien Mayanka's zu seyn, und er lauschte dem Gesange so eifrig, daß er einschlief, ohne das Nachtgebet gesprochen, ja selbst ohne die drei Kreuze gemacht zu haben, die den Schlummer beschützen.
Als in der Hütte alles ruhig geworden – auf Zara's weißen Thürmen hatte schon die eilfte Stunde geschlagen, und das Feuer des Herdes war zur glimmenden Kohle geworden – schoßen durch die Lücken des Daches drei Hexen herein auf windschneller Fahrt, und setzten sich, anzuschauen wie bärtige Nachtvögel, um den schlafenden Hirten her.
Nachdem sie eine dumpfe Weise gesungen, sagte die eine:«Frisch an's Werk, ich habe mein Messer gewetzt.« – Die andere: »Wo ist der Flederwisch? Ich will dem Schläfer die Augen kühlen, daß er nicht erwacht.« – Die dritte: »Wo ist der Blasbalg? Ich will die Flamme wecken auf dem Herde.«
Während die Dritte das Feuer anfachte mit geschäftiger Hast, die Zweite mit dem Flederwisch fächelte, schnitt die Dritte mit blinkendem Messer des Schläfers linke Seite auf, und nahm sein Herz heraus, das sofort von den andern empfangen, und auf Kohlen gelegt wurde, weil sie es rösten und als Speise verzehren wollten. Georg schlief indessen ruhig fort.
Nicht so der ehrwürdige Franziskanermönch, der stets um Mitternacht zu erwachen pflegte, um sein Gebet zu verrichten. Als er die Augen aufschlug, sah er unverweilt, was wahrend seines Schlummers verübt, und am Herde Ungeheuerliches getrieben wurde. Die Hexen verspürten jedoch seine Gegenwart nicht. »Wie wird er sich wundern, wenn er ohne Herz erwacht?« spottete die Erste. – »Wie freu' ich mich auf die leckere Mahlzeit!« lachte die Zweite, und die Dritte setzte kichernd hinzu: »Er ist verwelkt, ehe die Sonne heraufkommt.«
Da erhob sich schnell der Mönch mit einem donnernden Bannspruche, und weil dadurch der Zauber gebrochen wurde, erwachte auch Georg unter großen Schmerzen, und die Hexen erschraken sehr vor dem frommen Priester, salbten sich geschwinde mit Oel, und fuhren heulend zum Dache hinaus, die gräßliche Mahlzeit zurücklassend. – Georg stammelte aber: »Was ist mir widerfahren? Wie thut mir das Herz so weh, und dennoch fühl' ich's nicht mehr schlagen, und muß fürchten, daß ein Zauberer mir's aus dem Leibe gezogen.«
»So ist's auch mein Sohn,« versetzte der Mönch mit feierlicher Stimme: »Danke jedoch der heiligen Dreifaltigkeit und dem würdigsten Apostel Johannes, daß die Gefahr über Deinem Haupte ohne Schaden vorübergeht. Geschwinde, bereite Dich, Dein Herz zu speisen, und empfange wieder dadurch neues Leben. Ein andermal vergiß aber nicht, Dein Nachtgebet zu verrichten, und das Kreuz zu machen, wie es einem guten Christen zusteht.« – Somit gab er dem schluchzenden und reuigen Georg das geröstete Herz zu essen, und flugs wurde der Jüngling gesund, und ging noch selbigen Tag mit Mayanka zur Kirche, um den heiligen Engeln und den Fürsprechern im Paradiese zu danken.
Skander kehrte aber nie wieder von den Gebirgen heim. Als er noch dalag in dumpfer Betäubung – die Sonne stieg herauf, und die Hexe weckte ihn nicht, weil sie sich schämte, unverrichteter Sache vor ihm zu erscheinen – ging ein Heiduck einsam und beutegierig an dem Schlafenden vorüber. »Welch' schöne Flinte! Welch schöner Gürtel, geziert mit Zechinen und goldenen Fransen! Ich könnte sie besser brauchen, als der betrunkene Dieb, der hier den Tag verschläft!« So sprach er, setzte sein eigen Gewehr auf Skander's Stirne, drückte ab, und stieg dann, mit der köstlichen Beute beladen, hinunter vom Felsen, um auf dem Markte von Spalatro Aufsehen zu machen und sein Liebchen zum Tanze zu führen.