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Das menschliche Unvermögen in Mäßigung und Beschränkung der Affekte nenne ich Unfreiheit. Denn der den Affekten unterworfene Mensch ist nicht in seiner eigenen Gewalt, sondern in der des Schicksals, unter dessen Herrschaft er sich dermaßen befindet, daß er oft, obschon er das Bessere sieht, dennoch dem Schlechteren nachzufolgen gezwungen wird. Die Ursache hiervon, und was die Affekte außerdem Gutes und Böses haben, will ich in diesem Teile auseinandersetzen. Bevor ich jedoch beginne, will ich einiges über Vollkommenheit und Unvollkommenheit und über das Gute und Böse vorausschicken.
Wer etwas zu tun sich vorgesetzt und es vollendet hat, der wird nicht bloß selbst, sondern auch jeder mit ihm, der den Geist des Urhebers von diesem Werke und seinen Zweck recht erkennt oder zu erkennen glaubt, wird sagen, daß es vollendet sei. Wenn z. B. jemand ein Werk (das ich als noch nicht vollendet voraussetze) gesehen hat und weiß, daß der Zweck des Urhebers jenes Werkes ist, ein Haus zu bauen, so wird er sagen, das Haus sei unvollendet, dagegen, es sei vollendet, sobald er das Werk zu dem Ende gebracht sieht, welches der Urheber desselben ihm zu geben sich vorgesetzt hatte. Wenn dagegen jemand ein Werk sieht, desgleichen er niemals gesehen hatte, und auch den Sinn des Werkmeisters nicht kennt, so kann er gewiß nicht wissen, ob dies Wert vollendet oder unvollendet ist. Dies scheint die erste Bedeutung dieser Wörter gewesen zu sein. Nachdem aber die Menschen begonnen hatten, allgemeine Ideen zu bilden, und sich von Häusern, Bauten, Türmen usw. Urbilder zu entwerfen, und die Urbilder einiger Dinge denen anderer vorzuziehen, nannte jeder das vollkommen, wovon er sah, daß es mit der allgemeinen Idee, die er sich von einem solchen Dinge gebildet hatte, übereinstimmte, dagegen das unvollkommen, wovon er sah, daß es mit seinem angenommenen Urbilde weniger übereinstimmte, wenn es auch nach der Ansicht des Werkmeisters vollkommen abgeschlossen war. Aus keinem anderen Grunde scheint man auch die Naturdinge, die nicht durch Menschenhand gemacht sind, gewöhnlich vollkommen oder unvollkommen zu nennen. Denn die Menschen pflegen sowohl von den natürlichen Dingen, als von den künstlichen allgemeine Ideen zu bilden, welche sie gleichsam für Urbilder der Dinge halten, von denen sie glauben, daß die Natur (die nach ihrer Meinung nichts ohne einen Zweck tut) sie vor Augen habe und sich als Urbilder vorhalte. Wenn sie daher in der Natur etwas geschehen sehen, was mit dem angenommenen Urbilde, welches sie von einem solchen Dinge haben, weniger übereinstimmt, so glauben sie, die Natur selbst habe hier gefehlt oder gesündigt und dieses Ding unvollendet gelassen. Wir sehen also, daß die Menschen mehr nach einem Vorurteile als nach der richtigen Erkenntnis der Dinge sich gewöhnt haben, die natürlichen Dinge vollkommen oder unvollkommen zu nennen. Denn wir haben in dem Anhange zum ersten Teile gezeigt, daß die Natur nicht um eines Zweckes willen handelt; denn jenes ewige und unendliche Seiende, welches wir Gott oder Natur nennen, handelt nach derselben Notwendigkeit, nach welcher es da ist, da wir (Lehrsatz 16, T. I) gezeigt haben, daß es nach derselben Notwendigkeit seiner Natur handelt, nach der es da ist. Der Grund also oder die Ursache, weshalb Gott oder die Natur handelt, und weshalb er da ist, ist ein und dasselbe. Wie er also um keines Zweckes willen da ist, so handelt er auch um keines Zweckes willen; denn wie für sein Dasein, so hat er auch für sein Handeln keinen Anfangsgrund und keinen Endzweck. Was man aber Zweckursache nennt, ist nichts als das menschliche Verlangen selbst, sofern es als der Anfangsgrund oder die primäre Ursache irgendeines Dinges betrachtet wird. Wenn wir z. B. sagen, das Bewohnen sei die Zweckursache dieses oder jenes Hauses gewesen, so verstehen wir gewiß dann nichts anderes darunter, als daß der Mensch durch die Vorstellung der Annehmlichkeiten des häuslichen Lebens das Verlangen bekommen hat, sich ein Haus zu bauen; daher ist das Bewohnen, sofern es als Zweckursache betrachtet wird, nichts als dieses einzelne Verlangen, welches in der Tat die wirkende Ursache ist, die als die erste betrachtet wird, weil die Menschen gewöhnlich die Ursache ihres Verlangens nicht kennen. Denn, wie ich schon oft gesagt habe, sie sind wohl ihrer Taten und ihres Verlangens sich bewußt, aber der Ursachen, durch welche sie etwas zu begehren bestimmt werden, unkundig. Was man außerdem gewöhnlich sagt, daß die Natur manchmal fehle oder sündige und unvollkommene Dinge hervorbringe, das rechne ich zu den Fiktionen, von denen ich im Anhange zum ersten Teile gehandelt habe. Vollkommenheit also und Unvollkommenheit sind wirklich nur Modi des Denkens, nämlich Begriffe, die wir dadurch zu bilden pflegen, daß wir Individuen derselben Art oder Gattung miteinander vergleichen, und aus diesem Grunde habe ich oben (Def. 6, T. 2) gesagt, daß ich unter Realität und Vollkommenheit dasselbe verstehe. Denn wir pflegen alle Individuen der Natur auf eine Gattung, welche die allgemeinste genannt wird, zurückzuführen, nämlich auf den Begriff des Seienden, der absolut allen Individuen in der Natur zukommt. Insofern wir daher die Individuen in der Natur auf diese Gattung zurückführen und miteinander vergleichen und wahrnehmen, daß einige mehr Sein oder Realität haben als andere, sagen wir, einige seien vollkommener als andere, und insofern wir ihnen etwas beilegen, was eine Verneinung in sich schließt wie Grenze, Ende, Unvermögen usw., insofern nennen wir sie unvollkommen, weil sie unsern Geist nicht ebenso affizieren wie die, welche wir vollkommen nennen, nicht aber weil ihnen etwas fehlt, was ihnen zukäme, oder weil die Natur gesündigt hätte. Denn nichts kommt der Natur eines Dinges zu, als was aus der Notwendigkeit der Natur der wirkenden Ursache folgt, und alles, was aus der Notwendigkeit der Natur der wirkenden Ursache folgt, das geschieht notwendig.
Was das Gute und Böse betrifft, so bedeutet auch dies nichts Positives in den Dingen, nämlich wenn man sie an sich betrachtet, sondern es sind nur Modi des Denkens oder Begriffe, die wir daraus bilden, daß wir die Dinge miteinander vergleichen. Denn ein und dasselbe Ding kann zu derselben Zeit gut und böse und auch indifferent sein. Die Musik z. B. ist für den Mißmutigen gut, für den Trauernden böse, für den Tauben aber weder gut noch böse. Obgleich sich aber die Sache so verhält, müssen wir doch diese Wörter beibehalten. Denn da wir die Idee des Menschen als Urbild der menschlichen Natur, das wir vor Augen haben, zu bilden suchen, so wird es uns nützlich sein, eben diese Wörter in dem erwähnten Sinne beizubehalten. Unter gut werde ich also in der Folge das verstehen, wovon wir gewiß wissen, daß es ein Mittel ist, uns dem Urbilde der menschlichen Natur, das wir uns vorsetzen, mehr und mehr zu nähern; unter böse aber das, wovon wir gewiß wissen, daß es uns hindert, eben diesem Urbild zu entsprechen. Ferner werden wir die Menschen vollkommener oder unvollkommener nennen, insofern sie sich diesem Urbilde mehr oder weniger nähern. Denn es ist vornehmlich zu bemerken, daß, wenn ich sage, jemand gehe von geringerer zu größerer Vollkommenheit über und umgekehrt, ich darunter nicht verstehe, daß er aus einem Wesen oder aus einer Form in eine andere verwandelt wird (denn ein Pferd z.B. wird ebensowohl vernichtet, wenn es in einen Menschen, als wenn es in ein Insekt verwandelt wird), sondern vielmehr, daß wir sein Tätigkeitsvermögen, insofern es aus seiner eigenen Natur erkannt wird, als vermehrt oder vermindert begreifen. Endlich werde ich, wie gesagt, unter Vollkommenheit, Realität im allgemeinen verstehen, das heißt, das Wesen jedes Dinges, insofern es auf gewisse Weise da ist und wirkt, ohne Rücksicht auf seine Dauer. Denn kein Einzelding kann deshalb vollkommener genannt werden, weil es längere Zeit im Dasein verharrt hat, da die Dauer der Dinge nicht aus ihrem Wesen bestimmt werden kann, da ja das Wesen der Dinge keine gewisse und bestimmte Zeit des Daseins in sich schließt, sondern jedes Ding, mag es mehr oder weniger vollkommen sein, wird immer mit derselben Kraft, mit der es da zu sein anfängt, im Dasein verharren können, so daß in dieser Hinsicht alle gleich sind.
1. Unter gut verstehe ich das, wovon wir gewiß wissen, daß es uns nützlich ist.
2. Unter schlecht aber das, wovon wir gewiß wissen, daß es uns hindert, irgendeines Guten teilhaftig zu werden. Siehe hierüber die vorstehende Vorrede gegen Ende.
3. Die Einzeldinge nenne ich zufällig, sofern wir, wenn wir bloß ihr Wesen beachten, nichts finden, was ihr Dasein notwendig setzt, oder was dieses notwendig ausschließt.
4. Eben diese Einzeldinge nenne ich möglich, sofern wir auf die Ursachen achten, durch die sie hervorgebracht werden müssen und nicht wissen, ob diese bestimmt sind, sie hervorzubringen.
In der Anmerkung 1 zu Lehrsatz 33, Teil 1 habe ich keinen Unterschied zwischen möglich und zufällig gemacht, weil es dort nicht nötig war, dies genau zu unterscheiden.
5. Unter entgegengesetzten Affekten werde ich im folgenden diejenigen verstehen, welche den Menschen nach verschiedenen Richtungen hinziehen, obgleich sie derselben Gattung angehören, wie Schwelgerei und Geiz, welche Arten der Liebe sind, und nicht von Natur, sondern zufällig entgegengesetzt sind.
6. Was ich unter Affekt gegen ein zukünftiges, gegenwärtiges und vergangenes Ding verstehe, habe ich Anmerkung 1 und 2 zu Lehrsatz 18, Teil 3 entwickelt, siehe daselbst.
Hier müssen wir aber noch bemerken, daß wir den Abstand des Orts wie der Zeit uns nur bis zu einer gewissen Grenze deutlich vorstellen können; d. h. ebenso wie wir uns vorzustellen pflegen, daß alle jene Objekte, die über zweihundert Fuß von uns entfernt sind, oder deren Abstand von dem Ort, an welchem wir uns befinden, über den Abstand hinausgeht, den wir uns deutlich vorstellen, gleichweit von uns entfernt und in derselben Fläche sind; ebenso stellen wir uns auch vor, daß die Objekte, deren Zeit, als sie da waren, wir uns in einem längeren Zwischenraum von der jetzigen entfernt vorstellen, als wir uns deutlich vorzustellen pflegen, alle gleichweit von der Gegenwart sind, und so beziehen sie sich gleichsam nur auf einen Zeitmoment.
7. Unter Zweck, um dessentwillen wir etwas tun, verstehe ich das Verlangen danach.
8. Unter Tugend und Vermögen verstehe ich dasselbe, d. h. (nach Lehrsatz 7, T. 3) die Tugend, sofern sie sich auf den Menschen bezieht, ist das eigentliche Wesen oder die Natur des Menschen, insofern er die Macht hat, einiges zu bewirken, was durch die bloßen Gesetze seiner Natur eingesehen werden kann.
Es gibt in der Natur kein Einzelding, das nicht von einem anderen stärkeren und mächtigeren übertroffen würde; es gibt vielmehr immer noch ein anderes mächtigeres als das gegebene, von welchem jenes Gegebene zerstört werden kann.
Lehrsatz I. Nichts von dem, was eine falsche Idee Positives enthält, wird durch die Gegenwart des Wahren, insofern es wahr ist, aufgehoben.
Beweis. Die Falschheit besteht in dem bloßen Mangel der Erkenntnis, welchen die inadäquaten Ideen in sich schließen (nach Lehrsatz 35, T. 2), und sie selbst haben nichts Positives, um dessentwillen man sie falsche nennt (nach Lehrsatz 33, T. 2), sondern sind im Gegenteil, sofern sie auf Gott bezogen sind, wahr (nach Lehrsatz 32, T. 2). Wenn daher das, was die falsche Idee Positives hat, durch die Gegenwart des Wahren, insofern es wahr ist, aufgehoben würde, dann würde also die wahre Idee durch sich selbst aufgehoben. Dies ist (nach Lehrsatz 4, T. 3) widersinnig. Also wird durch die Gegenwart des Wahren usw. W. z. b. w.
Anmerkung. Dieser Lehrsatz erhellt noch deutlicher aus Folgesatz 2 zu Lehrsatz 16, Teil 2. Denn die Vorstellung ist eine Idee, welche mehr den gegenwärtigen Zustand des menschlichen Körpers als die Natur des äußeren Körpers anzeigt, zwar nicht deutlich, aber verworren; daher sagt man, der Geist irre. Wenn wir z. B. die Sonne betrachten, stellen wir uns vor, daß sie ungefähr zweihundert Fuß von uns entfernt ist, und hierin täuschen wir uns so lange, als wir ihren wahren Abstand nicht kennen. Durch die Erkenntnis ihres Abstandes wird zwar der Irrtum aufgehoben, nicht aber die Vorstellung, d. h. die Idee der Sonne, welche ihre Natur nur insofern ausdrückt, als der Körper von ihr affiziert wird, und folglich werden wir, wenn wir auch ihren wahren Abstand kennen, sie uns dennoch nahe vorstellen. Denn wie wir in der Anmerkung zu Lehrsatz 35, Teil 2 gesagt haben, nicht deshalb stellen wir uns die Sonne so nahe vor, weil wir ihren wahren Abstand nicht kennen, sondern weil der Geist insofern die Größe der Sonne begreift, als der Körper von ihr affiziert wird. So, wenn die auf die Oberfläche des Wassers fallenden Strahlen der Sonne auf unsere Augen zurückprallen, so stellen wir sie uns dadurch als im Wasser seiend vor, obgleich wir ihren wahren Ort kennen. Und so sind die übrigen Vorstellungen, durch welche der Geist sich täuscht, mögen sie den natürlichen Zustand des Körpers anzeigen, oder daß sein Tätigkeitsvermögen vermehrt oder vermindert werde, dem Wahren nicht entgegengesetzt, noch verschwinden sie durch die Gegenwart des Wahren. Zwar trifft es sich, daß, wenn wir fälschlich ein Übel besorgen, diese Besorgnis verschwindet, sobald wir den wahren Sachverhalt gehört haben, umgekehrt geschieht es aber auch, wenn wir das Übel, das sicher eintreffen wird, fürchten, die Furcht auch dann verschwindet, wenn eine falsche Nachricht eintrifft, und folglich verschwinden die Vorstellungen nicht durch die Gegenwart des Wahren, insofern es wahr ist, sondern weil ihnen andere, die stärker sind als sie, entgegentreten, welche das gegenwärtige Dasein der Dinge, die wir uns vorstellen, ausschließen, wie wir Lehrsatz 17, Teil 2 gezeigt haben.
Lehrsatz 2. Wir leiden insofern, als wir ein Teil der Natur sind, welcher aus sich ohne andere nicht begriffen werden kann.
Beweis. Man sagt alsdann, wir leiden, wenn in uns etwas entsteht, dessen Ursache wir nur teilweise sind (nach Def. 2, T. 3), d. h. (nach Def. 1, T. 3) etwas, was aus den bloßen Gesetzen unserer Natur nicht abgeleitet werden kann. Wir leiden daher, insofern wir ein Teil der Natur sind, welcher aus sich ohne andere nicht begriffen werden kann. W. z. b. w.
Lehrsatz 3. Die Kraft, durch welche der Mensch in seinem Dasein beharrt, ist eine begrenzte, und wird von dem Vermögen äußerer Ursachen unendlich übertroffen.
Beweis. Dieser erhellt aus dem Axiom dieses Teils. Denn ist der Mensch gegeben, so gibt es etwas anderes, etwa A, das mächtiger ist, und wenn A angenommen wird, gibt es ferner ein anderes, etwa B, das mächtiger ist als A selbst, und so ins Unendliche. Und hiernach wird das Vermögen des Menschen durch das Vermögen eines anderen Dinges begrenzt und von dem Vermögen äußerer Ursachen unendlich übertroffen. W. z. b. w.
Lehrsatz 4. Es ist unmöglich, daß der Mensch nicht ein Teil der Natur ist und daß er nur Veränderungen erleiden kann, welche aus seiner Natur allein verstanden werden können, und deren adäquate Ursache er ist.
Beweis. Das Vermögen, wodurch die Einzeldinge und folglich der Mensch sein Sein erhält, ist das eigentliche Vermögen Gottes oder der Natur (nach Folgesatz zu Lehrsatz 24, T. 1), nicht insofern sie unendlich ist, sondern insofern sie durch das wirkliche Wesen des Menschen ausgedrückt werden kann (nach Lehrsatz 7, T. 3). Das Vermögen des Menschen ist daher, insofern es durch sein wirkliches Wesen ausgedrückt wird, ein Teil des unendlichen Vermögens Gottes oder der Natur, d. h. (nach Lehrsatz 34, T. 1) seines Wesens. Dies war das erste. Ferner, wenn es möglich wäre, daß der Mensch nur Veränderungen erleiden könnte, welche allein aus der Natur des Menschen selbst verstanden werden könnten, so würde daraus folgen (nach Lehrsatz 4 und 6, T. 3), daß er nicht vergehen könnte, sondern daß er stets notwendig da wäre; und dies müßte aus einer Ursache folgen, deren Vermögen endlich oder unendlich wäre, nämlich entweder aus dem bloßen Vermögen des Menschen, der dann die übrigen aus äußeren Ursachen entspringenden Veränderungen von sich zu entfernen vermöchte; oder aus dem unendlichen Vermögen der Natur, durch welche alles einzelne so gelenkt würde, daß der Mensch nur die Veränderungen erleiden könnte, welche zu seiner Erhaltung dienen. Das erstere ist aber widersinnig (nach dem vorigen Lehrsatz, dessen Beweis allgemein ist und auf alle Einzeldinge angewendet werden kann). Wenn es also möglich wäre, daß der Mensch nur Veränderungen erlitte, welche bloß aus der Natur des Menschen selbst verstanden werden könnten, und daß er folglich (wie wir schon gezeigt haben) immer notwendig da wäre, so müßte dies aus dem unendlichen Vermögen Gottes folgen, und folglich (nach Lehrsatz 16, T. 1) müßte aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur, sofern sie als durch die Idee irgendeines Menschen affiziert betrachtet wird, die Ordnung der ganzen Natur, sofern sie unter den Attributen der Ausdehnung und des Denkens begriffen wird, abgeleitet werden. Demnach würde (nach Lehrsatz 21, T. 1) folgen, daß der Mensch unendlich wäre, dies ist aber (nach dem ersten Teil dieses Beweises) widersinnig. Es ist daher unmöglich, daß der Mensch nur Veränderungen erleiden sollte, deren adäquate Ursache er selbst ist. W. z. b. w.
Folgesatz. Hieraus folgt, daß der Mensch notwendig immer den Leidenschaften unterworfen ist und der gemeinsamen Ordnung der Natur folgt und gehorcht, und sich ihr, so weit es die Natur der Dinge erheischt, anbequemt.
Lehrsatz 5. Macht und Wachstum einer jeden Leidenschaft und ihr Beharren im Dasein wird nicht aus dem Vermögen erklärt, durch welches wir im Dasein zu beharren streben, sondern aus dem mit dem unsrigen verglichenen Vermögen einer äußeren Ursache.
Beweis. Das Wesen der Leidenschaft kann nicht durch unser Wesen allein erklärt werden (nach Def. 1 und 2, T. 3), d. h. (nach Lehrsatz 7, T. 3) das Vermögen der Leidenschaft kann nicht aus dem Vermögen erklärt werden, wodurch wir streben in unserem Sein zu beharren, sondern (wie Lehrsatz 16, T. 2 gezeigt worden) es muß notwendig aus dem mit dem unsrigen verglichenen Vermögen einer äußeren Ursache erklärt werden. W. z. b. w.
Lehrsatz 6. Die Macht irgendeiner Leidenschaft oder eines Affekts kann die übrigen Handlungen oder das Vermögen eines Menschen so übertreffen, daß der Affekt hartnäckig an dem Menschen haftet.
Beweis. Die Macht und das Wachstum jeder Leidenschaft und ihr Beharren im Dasein wird aus dem Vermögen der äußeren Ursache verglichen mit dem unsrigen erklärt (nach dem vorigen Satz) und kann also (nach Lehrsatz 3 dieses Teils) das Vermögen des Menschen übertreffen usw. W. z. b. w.
Lehrsatz 7. Ein Affekt kann nur durch einen Affekt, der entgegengesetzt und stärker als der einzuschränkende Affekt ist, eingeschränkt und aufgehoben werden.
Beweis. Ein Affekt, sofern man ihn auf den Geist bezieht, ist eine Idee, durch welche der Geist eine größere oder geringere Daseinskraft seines Körpers bejaht als vorher (nach der allgemeinen Definition der Affekte, die man am Ende des dritten Teils findet). Wenn aber der Geist von irgendeinem Affekt bestürmt wird, so wird der Körper zugleich von einer Affektion erregt, durch welche sein Tätigkeitsvermögen vermehrt oder vermindert wird. Ferner erhält diese Affektion des Körpers (nach Lehrsatz 5 dieses Teils) die Macht, in ihrem Sein zu beharren, von ihrer Ursache, die demnach nur von einer körperlichen Ursache eingeschränkt und aufgehoben werden kann (nach Lehrsatz 6, T. 2), welche den Körper mit einer jener entgegengesetzten Affektionen erregt (nach Lehrsatz 5, T. 3, die stärker ist (nach dem Axiom dieses Teils). Also wird, (nach Lehrsatz 12, T. 2) der Geist durch die Idee einer stärkeren und der ersten entgegengesetzten Affektion erregt, d. h. (nach der allgemeinen Definition der Affekte) der Geist wird von einem stärkeren und dem ersteren entgegengesetzten Affekt erregt werden, welcher nämlich das Dasein des ersteren ausschließen oder aufheben wird, und folglich kann ein Affekt nur durch einen entgegengesetzten und stärkeren Affekt aufgehoben und eingeschränkt werden. W. z. b. w.
Folgesatz. Der Affekt, sofern man ihn auf den Geist bezieht, kann nur durch die Idee einer entgegengesetzten Erregung des Körpers, die stärker ist als die Erregung, durch die wir leiden, eingeschränkt und aufgehoben werden. Denn der Affekt, durch welchen wir leiden, kann nur durch einen stärkeren und ihm entgegengesetzten Affekt eingeschränkt und aufgehoben werden (nach dem obigen Lehrsatz), d. h. (nach der allgemeinen Definition der Affekte) nur durch die Idee einer stärkeren Erregung des Körpers, die derjenigen entgegengesetzt ist, durch die wir leiden.
Lehrsatz 8. Die Erkenntnis des Guten und Bösen ist nichts anderes als der Affekt der Lust oder Unlust, sofern wir uns desselben bewußt sind.
Beweis. Wir nennen das gut oder böse, was zur Erhaltung unseres Seins nützt oder schadet (nach Def. 1 und 2 dieses Teils), d. h. (nach Lehrsatz 7, T. 3) was unser Tätigkeitsvermögen vermehrt oder vermindert, erweitert oder einschränkt. Sofern wir daher wahrnehmen (nach der Def. der Lust und Unlust, siehe die Anm. zu Lehrsatz 11, T. 3), daß ein Ding uns mit Lust oder Unlust affiziert, nennen wir es gut oder böse; und folglich ist die Erkenntnis des Guten und Bösen nichts anderes als die Idee der Lust oder Unlust, welche notwendig aus dem eigentlichen Affekt der Lust oder Unlust erfolgt (nach Lehrsatz 22, T. 3). Diese Idee ist aber auf dieselbe Weise mit dem Affekt vereint, wie der Geist mit dem Körper vereint ist (nach Lehrsatz 21, T. 2), d. h. (wie in der Anmerkung zu jenem Lehrsatze gezeigt worden ist) diese Idee unterscheidet sich in Wirklichkeit durch nichts vom Affekt selbst oder (nach der allgemeinen Definition der Affekte) von der Idee der Erregung des Körpers, als durch den bloßen Begriff; also ist diese Erkenntnis des Guten und Bösen nichts anderes als der Affekt selbst, insofern wir uns desselben bewußt sind. W. z. b. w.
Lehrsatz 9. Der Affekt, dessen Ursache wir uns als jetzt gegenwärtig vorstellen, ist stärker, als wenn wir diese Ursache als nicht gegenwärtig vorstellen.
Beweis. Die Vorstellung ist eine Idee, durch welche der Geist ein Ding als gegenwärtig betrachtet (siehe die Def. derselben in der Anm. zu Lehrsatz 17, T. 2), die jedoch mehr den Zustand des menschlichen Körpers als die Natur des äußeren Dinges anzeigt (nach Folgesatz 2 zu Lehrsatz 16, T. 2). Der Affekt ist also (nach der allgemeinen Definition der Affekte) eine Vorstellung, insofern sie den Zustand des Körpers bezeichnet. Die Vorstellung ist aber (nach Lehrsatz 17, T. 2) intensiver, solange wir uns nichts vorstellen, was das gegenwärtige Dasein des äußeren Dinges ausschließt; also ist auch der Affekt, dessen Ursache wir uns als jetzt gegenwärtig vorstellen, intensiver, oder stärker, als wenn wir uns diese Ursache als nicht gegenwärtig vorstellen. W. z. b. w.
Anmerkung. Als ich oben Lehrsatz 18, Teil 3 sagte, daß wir durch die Vorstellung eines künftigen oder vergangenen Dinges mit demselben Affekt erregt würden, als wenn das vorgestellte Ding gegenwärtig wäre, bemerkte ich ausdrücklich, daß dies wahr ist, sofern wir nur auf die Vorstellung des Dinges selbst achten; denn diese ist derselben Natur, wir mögen die Dinge uns vorgestellt haben oder nicht. Ich habe aber nicht bestritten, daß sie schwächer werde, wenn wir andere Dinge als uns gegenwärtig betrachten, welche das gegenwärtige Dasein des künftigen Dinges ausschließen; dies habe ich damals zu bemerken unterlassen, weil ich mir vorgesetzt hatte, in diesem Teile von der Macht der Affekte zu handeln.
Folgesatz. Die Vorstellung eines künftigen oder vergangenen Dinges, d. h. eines Dinges, welches wir mit Beziehung auf die Zukunft oder Vergangenheit mit Ausschluß der Gegenwart betrachten, ist bei sonst gleichen Umständen schwächer als die Vorstellung eines gegenwärtigen Dinges, und folglich ist der Affekt gegen ein künftiges oder vergangenes Ding bei sonst gleichen Umständen minder stark als der Affekt gegen ein gegenwärtiges Ding.
Lehrsatz 10. Gegen ein künftiges Ding, welches wir uns als bald bevorstehend vorstellen, werden wir intensiver affiziert, als wenn wir uns vorstellten, daß die Zeit seines Daseins weiter von der Gegenwart entfernt sei, und durch das Andenken an ein Ding, welches wir uns als noch nicht lange vergangen vorstellen, werden wir auch intensiver affiziert, als wenn wir uns dasselbe als lange vergangen vorstellen.
Beweis. Denn sofern wir uns vorstellen, daß ein Ding bald bevorstehe oder noch nicht lange vergangen sei, stellen wir uns eben dadurch etwas vor, was die Gegenwart des Dinges weniger ausschließt, als wenn wir uns die künftige Zeit seines Daseins weiter von der gegenwärtigen entfernt, oder als schon lange vergangen vorstellen (wie an sich offenbar ist). Also werden wir (nach dem vorigen Lehrsatz) insofern intensiver gegen dasselbe affiziert werden. W. z. b. w.
Anmerkung. Aus dem, was wir bei Definition 6 dieses Teils bemerkt haben, folgt, daß wir gegen Gegenstände, die in einem zu weiten Zwischenraum von der Gegenwart abstehen, um diese Zeit durch das Vorstellen bestimmen zu können, wenn wir auch einsehen, daß sie selbst voneinander in einem weiten Zwischenraum der Zeit entfernt sind, wir doch in gleicher Weise minder stark affiziert werden.
Lehrsatz 11. Der Affekt gegen ein Ding, welches wir uns als notwendig vorstellen, ist, bei sonst gleichen Umständen, intensiver als gegen ein mögliches oder zufälliges, d. h. nicht notwendiges.
Beweis. Insofern wir uns ein Ding als notwendig vorstellen, insofern bejahen wir sein Dasein, dagegen verneinen wir das Dasein des Dinges, insofern wir es uns als nicht notwendig vorstellen (nach Anm. 1 zu Lehrsatz 33, T. 1), und daher ist (nach Lehrsatz 9 dieses Teils) der Affekt gegen ein notwendiges Ding, bei sonst gleichen Umständen, intensiver als gegen ein nicht notwendiges. W. z. b. w.
Lehrsatz 12. Der Affekt gegen ein Ding, von dem wir wissen, daß es gegenwärtig nicht vorhanden ist, und das wir uns als möglich vorstellen, ist, bei sonst gleichen Umständen, intensiver als gegen ein zufälliges.
Beweis. Insofern wir uns ein Ding als zufällig vorstellen, werden wir durch keine Vorstellung eines anderen Dinges affiziert, welche das Dasein des Dinges setzte (nach Def. 3 dieses Teils), sondern wir stellen uns vielmehr (nach der Voraussetzung) einiges vor, was das gegenwärtige Dasein desselben ausschließt. Insofern wir uns aber ein Ding als in der Zukunft möglich vorstellen, insofern stellen wir uns einiges vor, was das Dasein des Dinges setzt (nach Def. 4 dieses Teils), d. h. (nach Lehrsatz 18, T. 3) was Hoffnung oder Furcht nährt, und folglich ist der Affekt gegen ein mögliches Ding heftiger. W. z. b. w.
Folgesatz. Der Affekt gegen ein Ding, von dem wir wissen, daß es gegenwärtig nicht vorhanden ist, und das wir uns als zufällig vorstellen, ist viel schwächer, als wenn wir uns das Ding als jetzt vor uns gegenwärtig vorstellten.
Beweis. Der Affekt gegen ein Ding, welches wir uns als gegenwärtig vorhanden vorstellen, ist intensiver, als wenn wir dasselbe uns als zukünftig vorstellten (nach Folgesatz zu Lehrsatz 9 dieses Teils), und ist viel heftiger, wenn wir uns vorstellen, daß die Zukunft sehr weit entfernt von der Gegenwart ist (nach Lehrsatz 10 dieses Teils). Der Affekt gegen ein Ding, dessen Daseinszeit wir uns als weit von der Gegenwart entfernt vorstellen, ist daher viel schwächer, als wenn wir es als gegenwärtig vorstellten, und dennoch ist er (nach dem obigen Lehrsatz) intensiver, als wenn wir uns das Ding als zufällig vorstellten, und folglich wird der Affekt gegen ein zufälliges Ding viel schwächer sein, als wenn wir uns das Ding als jetzt vor uns gegenwärtig vorstellten. W. z. b. w.
Lehrsatz 13. Der Affekt gegen ein zufälliges Ding, von dem wir wissen, daß es gegenwärtig nicht vorhanden ist, ist bei sonst gleichen Umständen schwächer als der Affekt gegen ein vergangenes Ding.
Beweis. Insofern wir uns ein Ding als zufällig vorstellen, werden wir durch keine Vorstellung eines anderen Dinges affiziert, welche das Dasein des Dinges setzte (nach Def. 3 dieses Teils). Dagegen stellen wir uns aber (nach der Voraussetzung) einiges vor, was das gegenwärtige Dasein des Dinges ausschließt. Insofern wir es aber mit Beziehung auf die Vergangenheit vorstellen, insofern wird angenommen, daß wir etwas vorstellen, was es ins Gedächtnis bringt, oder was die Vorstellung des Dinges aufregt (siehe Lehrsatz 18, T. 2 mit der Anm.) und folglich insofern macht, daß wir es betrachten, als ob es gegenwärtig wäre (nach Folgesatz zu Lehrsatz 17, T. 2). Und folglich ist (nach Lehrsatz 9 dieses Teils) der Affekt gegen ein zufälliges Ding, von dem wir wissen, daß es gegenwärtig nicht vorhanden ist, bei sonst gleichen Umständen schwächer als der Affekt gegen ein vergangenes Ding. W. z. b. w.
Lehrsatz 14. Die wahre Erkenntnis des Guten und Bösen kann, insofern sie wahr ist, keinen Affekt einschränken, sondern nur, insofern sie als Affekt betrachtet wird.
Beweis. Der Affekt ist (nach der allgemeinen Definition der Affekte) eine Idee, durch welche der Geist eine größere oder geringere Daseinskraft seines Körpers als vorher bejaht und folglich (nach Lehrsatz 1 dieses Teils) nichts Positives, was durch die Gegenwart des Wahren aufgehoben werden könnte, und folglich kann die wahre Erkenntnis des Guten und Bösen, insofern sie wahr ist, keinen Affekt einschränken. Insofern sie aber Affekt ist (siehe Lehrsatz 8 dieses Teils), wenn sie stärker ist als die einzuschränkenden Affekte, kann sie nur insofern (nach Lehrsatz 7 dieses Teils) den Affekt einschränken. W. z. b. w.
Lehrsatz 15. Die Begierde, welche aus der wahren Erkenntnis des Guten und Bösen entspringt, kann durch viele andere Begierden, welche aus Affekten, die uns bestürmen, entspringen, erstickt oder eingeschränkt werden.
Beweis. Aus der wahren Erkenntnis des Guten und Bösen, insofern diese (nach Lehrsatz 8 dieses Teils) Affekt ist, entspringt notwendig Begierde (nach Def. 1 der Affekts, die um so größer ist, je größer der Affekt ist, aus dem sie entspringt (nach Lehrsatz 37 T. 3). Weil aber diese Begierde (nach der Voraussetzung) daraus entspringt, daß wir etwas wahrhaft erkennen, folgt sie also in uns, insofern wir tätig sind (nach Lehrsatz 1, T. 3), und muß also aus unserem Wesen allein erkannt werden (nach Def. 2, T. 3), und folglich (nach Lehrsatz 7, T. 3) muß ihre Macht und ihr Wachstum aus dem menschlichen Vermögen allein erklärt werden. Die Begierden ferner, die aus den Affekten, die uns bestürmen, entspringen, sind auch um so größer, je heftiger diese Affekte sind. Folglich muß ihre Macht und ihr Wachstum (nach Lehrsatz 5 dieses Teils) aus dem Vermögen der äußeren Ursachen erklärt werden, welches mit dem unsrigen verglichen unser Vermögen unbestimmt übertrifft (nach Lehrsatz 3 dieses Teils). Also können die Begierden, welche aus ähnlichen Affekten entspringen, heftiger sein als diejenige, welche aus der wahren Erkenntnis des Guten und Bösen entspringt, und werden diese daher (nach Lehrsatz 7 dieses Teils) einschränken oder ersticken können. W. z. b. w.
Lehrsatz 16. Die Begierde, welche aus der Erkenntnis des Guten und Bösen entspringt, sofern diese Erkenntnis sich auf die Zukunft bezieht, kann leichter durch die Begierde zu den in der Gegenwart angenehmen Dingen eingeschränkt oder erstickt werden.
Beweis. Der Affekt gegen ein Ding, das wir uns als zukünftig vorstellen, ist schwächer als gegen ein gegenwärtiges (nach Folgesatz zu Lehrsatz 9 dieses Teils). Die Begierde aber, welche aus der wahren Erkenntnis des Guten und Bösen entspringt, kann auch, wenn diese Erkenntnis sich auf Dinge bezieht, die in der Gegenwart gut sind, durch irgendeine rein zufällige Begierde erstickt oder eingeschränkt werden (nach dem vorigen Lehrsatz, dessen Beweis allgemein ist). Also wird die Begierde, welche aus derselben Erkenntnis entspringt, insofern diese sich auf die Zukunft bezieht, leichter eingeschränkt oder erstickt werden können usw. W. z. b. w.
Lehrsatz 17. Die Begierde, welche aus der wahren Erkenntnis des Guten oder Bösen entspringt, insofern diese auf zufällige Dinge geht, kann noch viel leichter durch die Begierde nach Dingen, welche gegenwärtig sind, eingeschränkt werden.
Beweis. Dieser Lehrsatz wird auf dieselbe Weise wie der vorhergehende bewiesen aus Folgesatz zu Lehrsatz 12 dieses Teils.
Anmerkung. Hiermit glaube ich die Ursache aufgezeigt zu haben, weshalb die Menschen sich mehr von der Meinung als von der wahren Vernunft bewegen lassen, und weshalb die wahre Erkenntnis des Guten und Bösen Unruhe in der Seele erweckt und häufig von der Sinnenlust jeder Art besiegt wird, woher jener Ausspruch des Dichters entstand:
Ich erkenn' und lobe das Bessre,
Schlechterem folge ich nach.Ovid, Metamorphosen, B. 7, V. 20 u. 21.
Dasselbe scheint auch der Prediger im Sinne gehabt zu haben, wenn er sagt: Wer das Wissen mehret, mehret den Schmerz.Prediger Kap. I, V. 18. Dies sage ich aber nicht zu dem Zweck, um daraus zu schließen, daß es vorzüglicher ist, nicht zu wissen, als zu wissen, oder daß in der Mäßigung der Affekte kein Unterschied zwischen den Toren und den Einsichtsvollen ist, sondern deshalb, weil es notwendig ist, sowohl die Ohnmacht wie das Vermögen unserer Natur zu erkennen, um bestimmen zu können, was die Vernunft in der Mäßigung der Affekte vermag und nicht vermag, und ich habe gesagt, daß ich in diesem Teile nur von dem menschlichen Unvermögen handeln werde. Denn von der Macht der Vernunft über die Affekte habe ich mir vorgesetzt, besonders zu sprechen.
Lehrsatz 18. Die Begierde, welche aus der Lust entspringt, ist, bei sonst gleichen Umständen, stärker als die Begierde, welche aus der Unlust entspringt.
Beweis. Die Begierde ist das eigentliche Wesen des Menschen (nach Def. 1 der Affekte), d. h. (nach Lehrsatz 7, T. 3) das Streben, wodurch der Mensch in seinem Sein zu beharren strebt. Deshalb wird die Begierde, welche aus der Lust entspringt, durch den Affekt der Lust an sich erweitert oder vermehrt (nach der Def. der Lust in der Anm. zu Lehrsatz 11, T. 3); dagegen wird die aus der Unlust entspringende Begierde durch den Affekt der Unlust an sich (nach derselben Anmerkung) vermindert oder eingeschränkt. Folglich muß die Macht der Begierde, welche aus der Lust entspringt, aus dem menschlichen Vermögen in Verbindung mit dem Vermögen einer äußeren Ursache erklärt werden, die aus der Unlust entspringende Begierde aber allein aus dem menschlichen Vermögen. Und folglich ist jene stärker als diese. W. z. b. w.
Anmerkung. Mit diesem Wenigen habe ich die Ursachen des menschlichen Unvermögens und Unbestandes, und weshalb die Menschen die Vorschriften der Vernunft nicht befolgen, erklärt. Es ist nun noch zu zeigen, was das ist, was die Vernunft uns vorschreibt und welche Affekte mit den Regeln der menschlichen Vernunft übereinkommen, und welche andererseits ihnen entgegengesetzt sind. Ehe ich aber dies in unserer ausführlichen geometrischen Ordnung zu beweisen anfange, will ich die eigentlichen Vorschriften der Vernunft hier vorher kurz anzeigen, damit jeder das, was ich meine, leichter begreift. – Da die Vernunft nichts gegen die Natur verlangt, verlangt sie also selbst, daß jeder sich liebt, seinen Nutzen, das was ihm wahrhaft nützlich ist, sucht, und alles was den Menschen wahrhaft zu größerer Vollkommenheit leitet, erstrebt und überhaupt, daß jeder sein Sein so viel an ihm liegt zu erhalten strebt. Dies ist so notwendig wahr, als daß das Ganze größer ist als sein Teil (siehe Lehrsatz 4, T. 3). Da seiner Tugend (nach Def. 8 dieses Teils) nichts anderes ist, als nach den Gesetzen der eigenen Natur handeln, und jeder sein Sein (nach Lehrsatz 7, T. 3) nur nach den Gesetzen seiner eigenen Natur zu erhalten strebt, so folgt hieraus erstens: daß die Grundlage der Tugend eben das Bestreben ist, das eigene Sein zu erhalten, und daß das Glück darin besteht, daß der Mensch sein Sein erhalten kann. Zweitens folgt, daß die Tugend um ihrer selbst willen zu begehren ist, und daß es nichts gibt, was vortrefflicher oder nützlicher für uns wäre als sie, um dessentwillen sie begehrt werden müßte. Endlich folgt drittens, daß die Selbstmörder geistesohnmächtig sind und gänzlich von äußeren, ihrer Natur widerstrebenden Ursachen besiegt werden. Außerdem folgt aus Postulat 4, Teil 2, daß wir nie bewirken können, daß wir zur Erhaltung unseres Seins nichts außer uns selbst bedürfen und so leben, daß wir keinen Verkehr mit den Dingen, welche außer uns sind, haben, und daß, wenn wir überdies auf unseren Geist sehen, unser Verstand sicherlich unvollkommener wäre, wenn der Geist allein wäre und außer sich selbst nichts erkennte. Es gibt daher vieles außer uns, was uns nützlich und was deshalb zu begehren ist. Unter diesen kann nichts Vorzüglicheres erdacht werden als das, was gänzlich mit unserer Natur übereinkommt. Denn wenn z. B. zwei Individuen ganz gleicher Natur miteinander verbunden werden, so bilden sie ein Individuum, das doppelt so mächtig ist als ein einzelnes. Es ist daher dem Menschen nichts nützlicher als der Mensch; nichts Besseres, wiederhole ich, können sich die Menschen zur Erhaltung ihres Seins wünschen, als daß alle in allem so übereinstimmen, daß die Geister und Körper aller gleichsam einen Geist und einen Körper bilden und alle zugleich, soviel sie vermögen, ihr Sein zu erhalten streben und alle zugleich den gemeinschaftlichen Nutzen aller für sich suchen. Hieraus folgt, daß die Menschen, welche von der Vernunft geleitet werden, d. h. die Menschen, welche nach der Leitung der Vernunft ihren Nutzen suchen, nichts für sich begehren, was sie nicht auch für die übrigen Menschen wünschten, und daß sie also gerecht, treu und ehrenhaft sind.
Dies sind die Vorschriften der Vernunft, die ich hier kurz darzustellen mir vorgesetzt hatte, bevor ich damit anfange, sie weitläufig der Reihe nach zu beweisen; ich habe dies deshalb getan, um mir womöglich die Aufmerksamkeit derer zu verschaffen, welche glauben, dieses Prinzip, daß nämlich jeder gehalten ist, das ihm Nützliche zu suchen, sei die Grundlage des Lasters und nicht vielmehr die der Tugend und Frömmigkeit. Nachdem ich nun kurz gezeigt habe, daß die Sache sich umgekehrt verhält, fahre ich fort, dies auf demselben Wege zu beweisen, auf dem wir bisher fortgeschritten sind.
Lehrsatz 19. Jeder verlangt oder meidet notwendig den Gesetzen seiner Natur gemäß das, was er für gut oder böse hält.
Beweis. Die Erkenntnis des Guten und Bösen ist (nach Lehrsatz 8 dieses Teils) eben der Affekt der Lust oder Unlust, insofern wir uns desselben bewußt sind, und also verlangt (nach Lehrsatz 28, T. 3) jeder notwendig das, was er für gut, und meidet dagegen, was er für böse hält. Dieses Verlangen ist aber nichts anderes als eben das Wesen oder die Natur des Menschen (nach der Def. des Verlangens in der Anm. zu Lehrsatz 9, T. 3 und Def. 1 der Affekte). Also verlangt oder meidet notwendig jeder den Gesetzen seiner Natur gemäß usw. W. z. b. w.
Lehrsatz 20. Je mehr jemand strebt und vermag das ihm Nützliche zu suchen, d. h. sein Sein zu erhalten, um so mehr ist er mit Tugend begabt, und dagegen insofern jemand das ihm Nützliche zu suchen, d. h. sein Sein zu erhalten unterläßt, insoweit ist er unvermögend.
Beweis. Tugend ist das menschliche Vermögen selbst, welches aus dem Wesen des Menschen allein erklärt wird (nach Def. 8 dieses Teils), d. h. (nach Lehrsatz 7, T. 3), welches allein aus dem Streben erklärt wird, nach welchem der Mensch in seinem Sein zu beharren strebt. Je mehr daher jemand sein Sein zu erhalten strebt und vermag, um so mehr ist er mit Tugend begabt, und folglich (nach Lehrsatz 4 und 6, T. 3) insofern jemand sein Sein zu erhalten unterläßt, insofern ist er unvermögend. W. z. b. w.
Anmerkung. Niemand unterläßt also, wenn er nicht von äußeren und seiner Natur entgegengesetzten Ursachen besiegt wird, das ihm Nützliche zu verlangen oder sein Sein zu erhalten. Niemand, sage ich, meidet das Essen oder mordet sich selber der Notwendigkeit seiner Natur gemäß, sondern von äußeren Ursachen gezwungen. Dies kann auf viele Weisen geschehen; der eine mordet sich selbst von einem anderen gezwungen, der ihm die rechte Hand, in welcher er zufällig ein Schwert hält, umdreht und ihn zwingt, die Spitze gegen seine eigene Brust zu kehren; ein anderer wird durch den Befehl eines Tyrannen gezwungen, wie Seneca, seine Adern zu öffnen, d. h. er will einem größeren Übel durch ein kleineres entgehen; oder endlich, wenn unbekannte äußere Ursachen seine Vorstellungen so disponieren und seinen Körper so affizieren, daß dieser eine andere der früheren entgegengesetzte Natur annimmt, von der es im Geiste keine Idee geben kann (nach Lehrsatz 10, T. 3). Aber daß der Mensch gemäß der Notwendigkeit seiner Natur streben sollte, nicht da zu sein, oder in eine andere Gestalt verwandelt zu werden, ist genau so unmöglich, wie daß aus nichts etwas werde, wie jeder mit wenigem Nachdenken einsehen kann.
Lehrsatz 21. Niemand kann begehren glücklich zu sein, gut zu handeln und gut zu leben, der nicht zugleich zu sein, zu handeln und zu leben, d. h. wirklich da zu sein begehrt.
Beweis. Der Beweis dieses Lehrsatzes oder vielmehr die Sache selbst ist an sich klar und ergibt sich auch aus der Definition der Begierde. Denn die Begierde (nach Def. 1 der Affekte), glücklich oder gut zu leben, zu handeln usw. ist eben das Wesen des Menschen, d. h. nach Lehrsatz 7, T. 3) das Streben, wonach ein jeder sein Sein zu erhalten strebt. Also kann niemand die Begierde haben usw. W. z. b. w.
Lehrsatz 22. Keine Tugend kann früher als diese (nämlich als das Bestreben, sich zu erhalten) begriffen werden.
Beweis. Das Bestreben, sich zu erhalten, ist eben das Wesen des Dinges (nach Lehrsatz 7, T. 3). Wenn daher eine Tugend früher als diese, nämlich als dies Streben, begriffen werden könnte, so würde also (nach Def. 8 dieses Teils) das Wesen des Dinges selbst früher als es selbst begriffen werden, was (wie an sich klar) widersinnig ist. Also kann keine Tugend usw. W. z. b. w.
Folgesatz. Das Streben, sich zu erhalten, ist die erste und einzige Grundlage der Tugend. Denn früher als dies Prinzip kann kein anderes gedacht werden (nach dem vorigen Lehrsatz) und ohne dasselbe (nach Lehrsatz 21 dieses Teils) kann keine Tugend gedacht werden.
Lehrsatz 23. Sofern der Mensch dadurch bestimmt wird, etwas zu tun, daß er inadäquate Ideen hat, kann man von ihm nicht absolut sagen, daß er tugendhaft handelt, sondern nur insofern er durch das bestimmt wird, was er erkennt. Beweis. Insofern der Mensch dadurch zum Tun bestimmt wird, daß er inadäquate Ideen hat, insofern leidet er (nach Lehrsatz 1,T.3), d. h. (nach Def. 1 und 2, T. 3) er tut etwas, was aus seinem bloßen Wesen nicht aufgefaßt werden kann, d. h. (nach Def. 8 dieses Teils) was nicht vermöge seiner Tugend erfolgt. Insofern er aber durch das, was er erkennt, bestimmt wird, etwas zu tun, insofern ist er (nach demselben Lehrsatz 1,T. 3) tätig, d. h. (nach Def. 2, T. 3) er tut etwas, was aus seinem bloßen Wesen aufgefaßt wird, oder (nach Def. 8 dieses Teils) was aus seiner Tugend adäquat erfolgt. W. z. b. w.
Lehrsatz 24. Absolut tugendhaft handeln ist nichts anderes in uns, als nach der Leitung der Vernunft handeln, leben, sein Sein erhalten (diese drei bedeuten dasselbe) aus dem Grunde, daß man seinen eigenen Nutzen sucht.
Beweis. Absolut tugendhaft handeln ist nichts anderes (nach Def. 8 dieses Teils), als nach den Gesetzen seiner eigenen Natur handeln. Wir handeln aber nur insofern, als wir erkennen (nach Lehrsatz 3, T. 3). Also ist tugendhaft handeln nichts anderes in uns, als nach der Leitung der Vernunft handeln, leben, sein Sein erhalten, und zwar (nach Folgesatz zu Lehrsatz 22 dieses Teils) aus dem Grunde, daß man seinen eigenen Nutzen sucht. W. z. b. w.
Lehrsatz 25. Niemand strebt sein Sein um eines anderen Dinges wegen zu erhalten.
Beweis. Das Streben, wonach jedes Ding in seinem Sein zu beharren strebt, wird allein aus dem Wesen des Dinges selbst erklärt (nach Lehrsatz 7, T. 3), und nur daraus, daß dies gegeben ist, nicht aber aus dem Wesen eines anderen Dinges folgt notwendig (nach Lehrsatz 6, T. 3), daß jeder sein Sein zu erhalten strebt. Dieser Lehrsatz erhellt außerdem aus dem Folgesatz zu Lehrsatz 22 dieses Teils. Denn wenn der Mensch danach strebte, um eines anderen Dinges willen sein Sein zu erhalten, dann wäre dieses Ding die erste Grundlage der Tugend (wie sich von selbst versteht), was (nach dem angeführten Folgesatz) widersinnig ist. Also strebt niemand sein Sein usw. W. z. b. w.
Lehrsatz 26. Alles das, wonach wir der Vernunft gemäß streben, ist nichts anderes als das Erkennen, und der Geist hält, sofern er die Vernunft anwendet, nur das für ihn nützlich, was zum Erkennen führt.
Beweis. Das Streben, sich zu erhalten, ist nichts als das Wesen des Dinges selbst (nach Lehrsatz 7, T. 3), welches, sofern es als solches da ist, im Besitze der Kraft gedacht wird, in seinem Dasein zu beharren (nach Lehrsatz 6, T. 3) und das zu tun, was aus seiner gegebenen Natur notwendig folgt (siehe die Def. des Verlangens in der Anm. zu Lehrsatz 9, T. 3). Das Wesen der Vernunft ist aber nichts anderes als unser Geist, insofern er klar und deutlich erkennt (siehe die Def. in der Anm. 2 zu Lehrsatz 40, T. 2). Also ist (nach Lehrsatz 40, T. 2) alles das, was wir der Vernunft gemäß erstreben, nichts anderes als Erkennen. Ferner, da dies Streben des Geistes, wonach der Geist, sofern er vernunftmäßig verfährt, sein Sein zu erhalten strebt, nichts anderes als Erkennen ist (nach dem ersten Teil dieses Lehrsatzes), so ist also dies Streben nach Einsicht (nach dem Folgesatz zu Lehrsatz 22 dieses Teils) die erste und einzige Grundlage der Tugend, und wir werden nicht um irgendeines Zweckes willen (nach Lehrsatz 25 dieses Teils) die Dinge zu erkennen streben, sondern vielmehr der Geist wird, insofern er vernunftmäßig verfährt, bloß das als für ihn gut begreifen können, was zum Erkennen führt (nach Def. 1 dieses Teils). W. z. b. w.
Lehrsatz 27. Wir wissen von nichts gewiß, daß es gut oder böse ist, als von dem, was uns wirklich zur Erkenntnis führt, oder was uns an der Erkenntnis hindern kann.
Beweis. Der Geist begehrt, insofern er vernunftgemäß verfährt, nichts anderes als das Erkennen, und hält nichts anderes für ihn nützlich als das, was zur Erkenntnis führt (nach dem vorigen Lehrsatz). Der Geist hat aber (nach Lehrsatz 41 und 43, T. 2 nebst der Anm.) nur Gewißheit über die Dinge, insofern er adäquate Ideen hat, oder (was nach Anm. zu Lehrsatz 40, T. 2 dasselbe ist) insofern er vernunftgemäß verfährt. Also wissen wir nur von dem gewiß, daß es gut ist, was uns wirklich zur Erkenntnis führt, und dagegen von demjenigen, daß es böse ist, was uns an der Erkenntnis hindern kann. W. z. b. w.
Lehrsatz 28. Das höchste Gut des Geistes ist die Erkenntnis Gottes, und die höchste Tugend des Geistes ist, Gott zu erkennen.
Beweis. Das Höchste, was der Geist erkennen kann, ist Gott, d. h. (nach Def. 6, T. 1) das absolut unendliche Seiende, ohne welches (nach Lehrsatz 15, T. 1) nichts sein noch begriffen werden kann; folglich ist (nach Lehrsatz 26 und 27 dieses Teils) das höchste Nützliche für den Geist oder (nach Def. 1 dieses Teils) das höchste Gut die Erkenntnis Gottes. Ferner handelt der Geist nur insofern, inwiefern er erkennt (nach Lehrsatz 1 und 3, T. 3), und nur insofern kann man (nach Lehrsatz 23 dieses Teils) von ihm absolut sagen, daß er tugendhaft handelt. Die absolute Tugend des Geistes ist daher das Erkennen. Das Höchste aber, was der Geist erkennen kann, ist Gott (wie eben bewiesen). Also ist die höchste Tugend des Geistes, Gott zu erkennen oder einzusehen. W. z. b. w.
Lehrsatz 29. Jedes Einzelding, dessen Natur von der unsrigen durchaus verschieden ist, kann unser Tätigkeitsvermögen weder erweitern noch einschränken, und überhaupt kann kein Ding für uns gut oder schlecht sein, wenn es nicht etwas Gemeinsames mit uns hat.
Beweis. Das Vermögen jedes Einzeldinges, und folglich (nach Folgesatz zu Lehrsatz 10, T. 2) des Menschen, durch welches er da ist und wirkt, wird nur von einem anderen Einzeldinge bestimmt (nach Lehrsatz 28, T. 1), dessen Natur (nach Lehrsatz 6, T. 2) aus demselben Attribut verstanden werden muß, aus welchem die menschliche Natur begriffen wird. Unser Tätigkeitsvermögen kann also, wie es auch begriffen wird, zwar durch das Vermögen eines anderen Einzeldinges, welches etwas Gemeinsames mit uns hat, bestimmt und folglich erweitert oder eingeschränkt werden, nicht aber durch das Vermögen eines Dinges, dessen Natur von der unsrigen durchaus verschieden ist. Und weil wir das gut oder schlecht nennen, was die Ursache der Lust oder Unlust ist (nach Lehrsatz 8 dieses Teils), d. h. (nach Anm. zu Lehrsatz 11, T. 3) was unser Tätigkeitsvermögen vermehrt oder vermindert, erweitert oder einschränkt; so kann also ein Ding, dessen Natur von der unsrigen durchaus verschieden ist, für uns weder gut noch schlecht sein. W. z. b. w.
Lehrsatz 30. Kein Ding kann durch das, was es mit unserer Natur gemein hat, schlecht sein, sondern insofern es für uns schlecht ist, insofern ist es uns entgegengesetzt.
Beweis. Wir nennen das schlecht, was Ursache der Unlust ist (nach Lehrsatz 8 dieses Teils), d. h. (nach der Def. derselben in der Anm. zu Lehrsatz 11, T. 3) was unser Tätigkeitsvermögen vermindert oder einschränkt. Wenn daher ein Ding durch das, was es mit uns gemein hat, für uns schlecht wäre, so könnte also dieses Ding eben das, was es mit uns gemein hat, vermindern oder einschränken. Dies ist (nach Lehrsatz 4, T. 3) widersinnig. Kein Ding kann daher durch das, was es mit uns gemeinsam hat, für uns schlecht sein, sondern umgekehrt, insofern es schlecht ist, d. h. (wie eben gezeigt) insofern es unser Tätigkeitsvermögen vermindern oder einschränken kann, insofern ist es (nach Lehrsatz 5, T. 3) uns entgegengesetzt. W. z. b. w.
Lehrsatz 31. Insofern ein Ding mit unserer Natur übereinstimmt, insofern ist es notwendig gut.
Beweis. Denn insofern ein Ding mit unserer Natur übereinstimmt, kann es (nach dem vorigen Lehrsatz) nicht schlecht sein, es wird also notwendig entweder gut oder indifferent sein; gesetzt, es wäre das letztere, nämlich weder gut noch schlecht, so wird also (nach der Def. 1 dieses Teils) aus seiner Natur nichts erfolgen, was zur Erhaltung unserer Natur dient, d. h. (nach her Voraussetzung) was zur Erhaltung der Natur des Dinges an sich dient. Dieses ist aber (nach Lehrsatz 6, T. 3) widersinnig, es wird daher, insofern es mit unserer Natur übereinstimmt, notwendig gut sein. W. z. b. w.
Folgesatz. Hieraus folgt, daß ein Ding für uns um so nützlicher oder um so besser ist, je mehr es mit unserer Natur übereinstimmt, und andererseits, je nützlicher uns ein Ding ist, um so mehr stimmt es insofern mit unserer Natur überein. Denn sofern es mit unserer Natur nicht übereinstimmt, wird es notwendig von unserer Natur verschieden oder ihr entgegengesetzt sein; wenn verschieden, dann kann es (nach Lehrsatz 29 dieses Teils) weder gut noch schlecht sein; wenn aber entgegengesetzt, so wird es auch dem entgegengesetzt sein, was mit unserer Natur übereinstimmt, d. h. (nach dem vorigen Lehrsatz) es wird dem Guten entgegengesetzt oder schlecht sein. Es kann also nichts auf eine andere Weise gut sein, als insofern es mit unserer Natur übereinstimmt, und folglich, je mehr ein Ding mit unserer Natur übereinstimmt, um so nützlicher ist es und umgekehrt. W. z. b. w.
Lehrsatz 32. Insofern die Menschen den Leidenschaften unterworfen sind, sofern kann man nicht sagen, daß sie von Natur übereinstimmen.
Beweis. Wenn man von etwas sagt, daß es von Natur übereinstimmt, versteht man darunter, daß es durch sein Vermögen übereinstimme (nach Lehrsatz 7, T. 3), nicht aber durch sein Unvermögen oder seine Negation, und folglich (siehe Anm. zu Lehrsatz 3, T. 3) auch nicht durch Leidenschaft. Deshalb kann man von den Menschen, insofern sie den Leidenschaften unterworfen sind, nicht sagen, daß sie von Natur übereinstimmen. W. z. b. w.
Anmerkung. Die Sache ist auch für sich offenbar. Denn wer sagt, daß weiß und schwarz nur darin übereinstimmen, daß keines von beiden rot ist, der behauptet absolut, daß weiß und schwarz in keiner Hinsicht übereinstimmen. So auch wenn jemand sagt, daß Stein und Mensch nur darin übereinstimmen, daß beide begrenzt, unvermögend, oder daß sie nicht vermöge der Notwendigkeit ihrer Natur da sind, oder endlich, daß sie von der Macht der äußeren Ursachen unendlich übertreffen werden, so behauptet dieser überhaupt, daß Stein und Mensch in keiner Hinsicht übereinstimmen; denn Dinge, die in der bloßen Negation, oder in dem, was sie nicht haben, übereinstimmen, stimmen in keiner Hinsicht wirklich überein.
Lehrsatz 33. Die Menschen können von Natur voneinander verschieden sein, insofern sie von Affekten, welche Leidenschaften sind, bestürmt werden, und insofern ist ein und derselbe Mensch sich ungleich und unbeständig.
Beweis. Die Natur oder das Wesen der Affekte kann nicht durch unser Wesen oder durch unsere Natur allein ausgedrückt werden (nach Def. 1 und 2, T. 3); sondern muß aus dem Vermögen, d. h. (nach Lehrsatz 7, T. 3) aus der Natur der äußeren Ursachen verglichen mit der unsrigen erklärt werden. Daher kommt es, daß es so viele Arten von jedem Affekt gibt, als es Arten der Objekte gibt, von denen wir affiziert werden (siehe Lehrsatz 56, T. 3), und daß die Menschen von einem und demselben Objekte verschiedenartig affiziert werden (siehe Lehrsatz 51, T. 3) und insofern von Natur verschieden sind, und endlich, daß ein und derselbe Mensch (nach demselben Lehrsatz 51, T. 3) gegen dasselbe Objekt verschiedenartig affiziert wird und insofern unbeständig ist usw. W. z. b. w.
Lehrsatz 34. Insofern die Menschen von Affekten, welche Leidenschaften sind, bestürmt werden, können sie einander entgegengesetzt sein.
Beweis. Ein Mensch, z. B. der Peter, kann die Ursache sein, daß der Paul Unlust empfindet, weil er Ähnlichkeit mit einem Dinge hat, das Paul haßt (nach Lehrsatz 16, T. 3), oder weil der Peter allein ein Ding besitzt, welches Paul selbst auch liebt (siehe Lehrsatz 32, T. 3 mit der Anm.), oder aus anderen Ursachen (die wichtigsten davon siehe in der Anm. zu Lehrsatz 55, T. 3). Daher wird es kommen (nach Def. 7 der Affekte), daß Paul den Peter haßt, und folglich ist es leicht möglich (nach Lehrsatz 40, T. 3 mit der Anm.), daß Peter den Paul wieder haßt, und daß sie also (nach Lehrsatz 39, T. 3) einander Übles zuzufügen streben, d. h. (nach Lehrsatz 30 dieses Teils), daß sie einander entgegen sind. Der Affekt der Unlust ist aber immer eine Leidenschaft (nach Lehrsatz 59, T. 3). Also können die Menschen, sofern sie von Affekten, welche Leidenschaften sind, bestürmt werden, einander entgegengesetzt sein. W. z. b. w.
Anmerkung. Ich habe gesagt, Paul hasse den Peter, weil er sich vorstellt, dieser besitze das, was Paul selbst auch liebt. Hieraus scheint beim ersten Anblicke zu folgen, daß diese beiden dadurch, daß sie dasselbe lieben, und folglich dadurch, daß sie von Natur übereinstimmen einander zum Schaden gereichen, und sonach wenn dies wahr wäre, müßten Lehrsatz 30 und 31 dieses Teils falsch sein. Wenn wir aber die Sache gehörig erwägen wollen, so werden wir sehen, daß dies alles vollständig übereinstimmt. Denn diese beiden sind einander nicht lästig, sofern sie von Natur übereinstimmen, d. h. insofern beide dasselbe lieben, sondern insofern sie voneinander abweichen. Denn insofern beide dasselbe lieben, wird eben dadurch die Liebe beider genährt (nach Lehrsatz 31, T. 3), d. h. (nach Def. 6 der Affekte) eben dadurch wird die Lust beider genährt. Weit entfernt daher, daß beide einander lästig sind, insofern sie dasselbe lieben und von Natur übereinstimmen, ist vielmehr die Ursache hiervon, wie gesagt, keine andere, als daß man annimmt, daß sie von Natur voneinander abweichen. Denn wir nehmen an, Peter habe die Idee eines geliebten Gegenstandes, den er jetzt in Besitz hat, und Paul dagegen die Idee eines geliebten Gegenstandes, den er verloren hat. Daher kommt es, daß dieser von Unlust, jener dagegen von Lust affiziert wird, und sie insofern einander entgegengesetzt sind. Auf diese Weise können wir leicht zeigen, daß die übrigen Ursachen des Hasses davon allein abhängen, daß die Menschen von Natur verschieden sind, nicht aber darin, worin sie übereinstimmen.