Rudolf Steiner
Die Pforte der Einweihung
Rudolf Steiner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Bild

Dieselbe Gegend wie im zweiten Bild. (Johannes; später Maria.)

(Es tönt aus Felsen und Quellen: O Mensch, erlebe dich!)

Johannes:
O Mensch, erlebe dich!
Ich habe sie drei Jahre lang gesucht,
Die mutbeschwingte Seelenkraft,
Die Wahrheit gibt dem Worte,
Durch das der Merssch, sich selbst befreiend, siegen
Und sich besiegend, Freiheit finden kann:
O Mensch, erlebe dich!
(Aus Felsen und Quellen tönt: O Mensch, erlebe dich!)
Sie kündigt sich im Innern an,
Nur leise fühlbar meinem Geistgehör.
Sie birgt in sich die Hoffnung,
Dass wachsend sie den Menschengeist
Aus engem Sein in Weltenfernen führt,
So wie geheimnisvoll sich weitet
Das kleine Samenkorn
Zum stolzen Leib der Rieseneiche.-
Es kann der Geist in sich beleben,
Was in der Luft und was im Wasser webt
Und was den Erdengrund gefestigt.
Es kann der Mensch ergreifen,
Was in den Elementen,
In Seelen und in Geistern,
In Zeitenlauf und Ewigkeit
Des Daseins sich bemächtigt hat.
Es lebt das ganze Weltenwesen in dem Seelensein,
Wenn solche Kraft im Geiste wurzelt,
Die Wahrheit gibt dem Worte:
O Mensch, erlebe dich!
(Aus Felsen und Quellen tönt: O Mensch, erlebe dich!)
Ich fühle – wie es tönt in meiner Seele,
Sich regend kraftverleihend.
Es lebt in mir das Licht,
Es spricht um mich die Helligkeit,
Es keimt in mir das Seelenlicht,
Es schafft in mir die Weltenhelle:
O Mensch, erlebe dich!
(Aus Felsen und Quellen tönt: O Mensch, erlebe dich!)
Ich finde mich gesichert überall,
Wohin mir folgt des Wortes Kraft.
Sie wird mir leuchten in der Sinnesdunkelheit
Und mich erhalten in den Geisteshöhen.
Sie wird mich mit dem Seelensein erfüllen
Für alle Zeitenfolgen.
Ich fühle Weltensein in mir,
Und finden muss ich mich in allen Welten.
Ich schau' mein Seelenwesen
Durch Eigenkraft belebt in mir.
Ich ruhe in mir selber.
Ich blicke nach den Felsen und den Quellen;
Sie sprechen meiner Seele eigne Sprache.
Ich finde mich in jenem Wesen wieder,
Das ich in bittre Not gebracht.
Heraus aus ihm ruf' ich mir selber zu:
»Du musst mich wieder finden
Und mir die Schmerzen lindern.«
Das Geisteslicht, es wird mir Stärke geben,
Das andre Selbst im eignen Selbst zu leben.
O hoffnungsvolles Wort,
Du strömst mir Kraft aus allen Welten zu:
O Mensch, erlebe dich!
(Aus Felsen und Quellen tönt: O Mensch, erlebe dich!)
Du lässt mich meine Schwachheit fühlen
Und stellst mich neben hohe Gottesziele;
Und selig fühle ich
Des hohen Zieles Schöpfermacht
In meinem schwachen Erdenmenschen.
Und offenbaren soll sich aus mir selbst,
Wozu der Keim in mir geborgen ist.
Ich will der Welt mich geben
Durch Leben meines eignen Wesens.
Empfinden will ich alle Macht des Wortes,
Das mir erst leise klingt;
Es soll mir wie belebend Feuer sein
In meinen Seelenkräften,
Auf meinen Geisteswegen.
Ich fühle, wie mein Denken dringt
In tief verborgne Weltengründe;
Und wie es leuchtend sie durchstrahlt.
So wirkt die Keimkraft dieses Wortes:
O Mensch, erlebe dich!
(Aus Quellen und Felsen: O Mensch, erlebe dich!)
Aus lichten Höhen leuchtet mir ein Wesen,
Ich fühle Schwingen,
Zu ihm mich zu erheben.
Ich will mich selbst befrei'n
Wie alle Wesen, die sich selbst besiegt.

(Aus Quellen und Felsen: O Mensch, erlebe dich!)
Ich schaue jenes Wesen,
Ich will ihm gleich in Zukunftzeiten werden.
Der Geist in mir wird sich befrei'n
Durch dich, erhabnes Ziel.
Ich will dir folgen.
(Maria kommt hinzu.)
Das Seelenauge haben mir erweckt
Die Geisteswesen, die mich aufgenommen.
Und sehend in den Geisteswelten
Erfühle ich in meinem Selbst die Kraft:
O Mensch, erlebe dich!
(Aus Quellen und Felsen: O Mensch, erlebe dich!)
O meine Freundin, du bist hier!

Maria:
Mich trieb meine Seele hierher.
Ich konnte deinen Stern erschauen.
Er strahlt in voller Kraft.

Johannes:
Erleben kann ich diese Kraft in mir.

Maria:
So eng sind wir verbunden,
Dass deiner Seele Leben
Sein Licht in meiner Seele leuchten lässt.

Johannes:
O Maria, so ist dir bewusst,
Was sich mir eben offenbarte?
Mir ist des Menschen erste Zuversicht,
Mir ist die Wesenssicherheit gewonnen.
Ich fühle ja des Wortes Kraft,
Die überall mich leiten kann:
O Mensch, erlebe dich!
(Aus Felsen und Quellen: O Mensch, erlebe dich!)

(Vorhang fällt.)


 << zurück weiter >>