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Wenn nur das erste Licht sich an dem Himmel zeigte, stieg ich schon aus meinem Bett und zürnte, daß jetzt die Tage kürzer würden und die Sonne später erschiene. Sobald es das Licht erlaubte, war ich schon an meiner Malerei, um Zeit zu gewinnen. An einem Fensterpfosten war mein Fernrohr angeschraubt, und sobald ich einen Wagen am rechten Ufer des Moores mittagwärts fahren sah, richtete ich das Rohr auf ihn, ob er die bekannten Braunen habe. Und hatte er sie, so warf ich Pinsel und Malerbrett weg und eilte auf meinem linken Moorufer in den Wald und begegnete ihr auf dem Waldwege. Unser Begegnen war immer gleich. Wir gingen in mäßigen Schritten gegeneinander. Und als wir uns trafen, richtete ich meine Augen gegen ihre großen feurigen Augen, die mich anblickten, grüßte sie ehrerbietig, sie neigte sich freundlich, und wir waren vorüber. Ich ging jetzt nie mehr auf der Straße, auf welcher ihr Wagen wartete, in mein Haus zurück, sondern erreichte auf einem Seitenpfade meinen Weg an meinem Moorufer und gelangte auf diesem in mein Haus zurück.

Eines Tages dauerte es sehr lange, bis der Wagen mit den Braunen auf der Straße an dem rechten Moorufer mittagwärts fuhr. Um zwei Stunden kam er später. Ich legte meine Geräte beiseite und ging in den Wald. Wir begegneten uns. Ich glaubte bei dem Begegnen zu bemerken, daß sie errötete.

Am andern Tage kam der Wagen um eine und eine halbe Stunde zu früh. Ich raffte mich auf, ging in den Wald, und wir begegneten uns, und ich glaubte wieder das Rot auf ihren Wangen zu sehen.

Von nun an kam der Wagen ganz regelmäßig um elf Uhr. Wir begegneten uns, grüßten uns, und ihre Augen wurden immer schöner und glänzender.

Keinmal, nicht ein einziges Mal tat Roderer seiner Tochter Erwähnung. Ich tat es auch nicht.

So kam der Bartholomäustag. In Lüpfing war am Vormittage feierlicher Gottesdienst, und der Wagen mit den Braunen fuhr nicht an dem rechten Gestade des Moores mittagwärts. Es war bereits drei Uhr geworden. Der Tag war mir unausstehlich. Ich machte mich auf und ging gegen Lüpfing hinaus. Es war ein langes Gehölze morgenwärts von Lüpfing, von dessen Rande man das Tal, die Wiesen, Felder und Gärten, in denen Lüpfing lag, übersehen konnte. Auch das Schloß Firnberg sah man von da aus. Ich richtete meinen Weg so ein, daß ich durch dieses Gehölz an seinen Rand und von da nach Lüpfing käme. Als ich an den Rand des Gehölzes herausgelangte, sah ich ein seltsames Bild vor mir. Auf dem Wiesenanger, der, sanft abwärts gehend, an das Gehölze stieß, und teilweise auch auf den abgeernteten Feldern waren Buden aufgeschlagen, waren Tische mit schmausenden Menschen, waren Kegelbahnen, Scheibenschießen, Schaukeln, Musikbühnen, Tanzplätze, und ich weiß nicht, was sonst noch, von Stangen mit wallenden Fahnen überragt und durchwimmelt von bunten Menschen aus Lüpfing, Kiring, Firnberg, Zanst und den weiteren und näheren Umgebungen. Ich blieb stehen und schaute über das Ding hin. Dann nahm ich mein Zeichnungsbuch heraus und beschloß, einen Abriß dieser Sache zu machen. Zwischen dem Gehölze und dem Anger war eine Steinmauer aus losen Steinen, an der auf der Seite des Angers ein Weg dahinging. Ich suchte auf meiner, nämlich der Waldseite der Mauer, eine gute Stelle zu gewinnen, an der ich, nicht gesehen, mein Buch auf die Mauer stützen und zeichnen konnte. Ich hatte die Stelle bald gefunden. Ein trockner Rasen, von Haselnußgesträuchen überschattet, ging gegen die Mauer, die hier niederer war, so daß ich, mit dem Körper unter dem Haselnußgesträuche liegend, das Zeichnungsbuch auf eine Emporragung stützen und mit meinem Haupte durch ein Scharte der Mauer hinaussehen konnte. Ich begann nun zu zeichnen; aber noch hatte ich nicht den zehnten Teil des Bildes vor mir flüchtig hingeworfen, als ich auf dem Wege jenseits der Mauer eine Gesellschaft längs der Mauer gegen mich herankommen sah. Roderer ging mit einer alten Frau an dem Arme auf dem Wege daher; die Frau hatte milde, schöne, sanfte Züge mit sehr großen braunen Augen. Es mußte Mathilde, Susannas Mutter, sein. Dann kam Susanna und zwei Mädchen, dann der Graf und jener Mann mit den schwarzen Haaren, der an meiner Malerstelle bei Susanna gewesen war, und dann noch einige junge Männer. Da sie genau an der Stelle vor mir angekommen waren, sagte Roderer: »Hier kann man das Treiben gut übersehen, und ein Maler könnte kaum einen bessern Platz wählen, wenn er es malen wollte. So etwas sieht man am lebendigsten in Holland.«

»Und hier ist für unsere Königin auch ein steinerner Thron, wie die alten heidnischen Völker steinerne Königssitze im Freien gehabt hatten«, sagte der blonde Graf, indem er Susanna an eine glatte Steinstelle, die auf der Mauer war, führte, auf die sie sich niedersetzte.

»Und die Mutter der Königin muß wohl als Vasallin an ihrer linken Seite und tiefer sitzen«, sagte Roderer, indem er Mathilde zu einem tieferen Steine an der Seite Susannas führte, auf den sie sich niederließ.

Sie sagte: »Das Alte sucht auch niederere Stellen, weil es sich auf hohe nicht mehr schwingen mag.«

»Und die Vasallen sitzen noch tiefer als die Vasallinnen«, sagte Roderer, indem er sich tiefer als seine Gemahlin wahrscheinlich auf einen Stein setzte.

»Und die Ritter müssen zu den Füßen der Königin sein«, sagte der Graf, indem er sich auf das Gras niederwarf. Die andern Männer taten desgleichen. Die Mädchen setzten sich auch auf tiefere Stellen, aber an der Mauer.

Mathilde war gerade vor meinem Haupte; ich konnte aber von ihr nur Nacken und Hinterhaupt sehen. Von Roderer und den Männern sah ich gar nichts, von den Mädchen nur die Hinterteile ihrer Hütchen. Susanna saß etwas rechts von meinem Kopfe, aber halb gegen mich und ihre Mutter gewendet. Weil sie auf der Steinmauer saß, sah ich ihren ganzen Rücken.

Ich war in einer sehr unangenehmen Lage. Soll ich in mein Gebüsch zurückkriechen? Dann mache ich vielleicht ein Geräusch und richte alle Angesichter gegen mich. Die Musik, obwohl man sie nur gedämpft bis hierher hörte, schwieg jetzt auch überall. Soll ich aufstehen und die Gesellschaft grüßen? Das ganz und gar nicht. Die Tanzmusik und dann die schmetternde Musik an dem Schießstande muß beginnen, und dann ziehe ich mich zurück. Bisher hatte mich niemand gesehen, denn die Blicke waren stets auf das Volksfest vor mir gerichtet gewesen.

Die Musik begann aber nicht, dafür hörte ich die Worte der lauten Stimme des Grafen: »Weil Sie schon, hochverehrter Herr, sagten, daß der Anblick vor uns gemalt werden könnte, wie in Holland solche Dinge lebendig sind und wie Holländer sie von jeher sehr zierlich zu malen verstanden haben, so hätte man ja den Maler aus der Lüpfschenke holen lassen sollen, damit er die Sache flüchtig mit Farben entwerfe und dann später das Bild ausführe.«

»Der geht nicht zu euch Leichtsinnköpfen heraus«, sagte Roderer.

»Versteht sich«, erwiderte der Graf, »der Kauz hat sich in ein Uhunest gesetzt.«

»Er wendet seine Kraft an sein Unternehmen«, sagte Roderer.

»Da hat er ein Blockhaus gebaut, um das Moor zu belagern«, entgegnete der Graf.

»Wer weiß, ob er die Kräfte besäße, so ein buntbewegtes Leben zu malen, wie wir es hier sehen«, sagte der Mann mit den schwarzen Haaren.

»Ob er es kann oder nicht, weiß ich nicht«, erwiderte der Graf, »aber der größte Narr ist es, den ich je gesehen habe: der Kiebitz auf der Lüpf, der Blockhausfrosch am Rohrdommelmoor! Das spricht auch wenig für seine Kunst. Jedoch ein Stümper und ein Narr ist jeder auf seine eigene Gefahr, und wir können nichts dawider haben. Wenn es aber wahr ist, was ich hörte, daß er seine Augen auf die schöne Susanna richtet, dann muß der Tropf gezüchtigt werden.«

Ich weiß nicht, hatte Susanna mich schon früher einmal gesehen oder nicht; bei diesen Worten aber warf sie einen Blick auf mich; es war nur ein einziger kurzer Blick, sie mußte gleich wieder wegsehen, um nichts zu verraten, aber es war ein namenlos wunderbarer Anblick. Ich sah in wahnsinnigem Zorne und in wahnsinniger Liebe gegen ihre Augen. Ihre liebe Hand tastete jenseits der Mauer hinab, und als sie mein Haupt erreichte, von dem ich die Bedeckung bei dem Beginn des Zeichnens in das Gras gelegt hatte, hielt sie die Hand auf meinen Scheitel und drückte mich sanft nieder.

Ich atmete nicht in diesem Augenblicke. Dann stand sie auf und sagte: »Wir müssen doch das Bild auch von einer andern Seite betrachten.«

Und sie tat einen Schritt vorwärts und zögerte dann, um zu sehen, ob man ihr nachfolge. Da sie Anstalten gesehen haben mußte, daß man sich erheben wolle, ging sie wieder einige Schritte weiter, das Angesicht immer gegen die Menschenmenge gerichtet. Roderer erhob sich, nahm seine Gattin an dem Arme und ging mit ihr längs der Steinmauer weiter. Die Mädchen waren aufgestanden, die Männer waren aufgesprungen, und alle jungen Leute folgten Susanna.

Ich drückte mich jetzt in mein Haselgebüsch zurück, steckte mein Zeichnungsbuch in die Tasche, nahm meinen Hut, erhob mich hinter dem Gebüsche von dem Boden, ging das Gehölze zurück und aus demselben auf dem Wege, den ich gekommen, in mein Blockhaus.

Ich schlief in der kommenden Nacht keinen Augenblick und malte des andern Morgens nicht.

Als ich den Wagen mit den Braunen an dem rechten Ufer des Moores mittagwärts fahren sah, flog ich mit klopfendem Herzen auf meinen Pfad. Auf dem Waldwege sah ich Susanna daherwandeln. Mit stürmender Brust ging ich gegen sie. Als sie nahe war und als ich sie sah und als ich sah, daß sie heute blasser sei, rief ich: »Susanna, Susanna!«

Sie sah mich liebend an und reichte mir beide Hände hin.

Ich ergriff die Hände, riß das Mädchen gegen mich und schloß es an meine Brust. Unsere Arme umschlangen sich, und ihr heißer Mund glühte auf dem meinen.

Der Mund, der immer stolz gewesen war, hatte mich geküßt.

Und als sich die Arme gelöst hatten und als ich sie wieder ansah, sah ich, daß sie das schönste Geschöpf ist, welches die Erde getragen und welches Gott je erschaffen hat.

Ich legte wieder meinen Arm um ihre Schulter, nahm sie bei der Hand und sagte: »Susanna! Auf ewig –.«

»Auf ewig«, antwortete sie.

»Du geliebtes, du teueres Wesen«, sagte ich.

»Du lieber, du einziger Mann«, antwortete sie, »der sein All auf einen Gedanken setzt, gegen sie, die kein All haben und keinen Gedanken, es an ihn zu setzen –!«

»Du bist meinetwegen den Waldweg gegangen, Susanna?« fragte ich.

»Ich bin deinetwegen gegangen«, erwiderte sie. »Und du?«

»Ich bin nur gekommen, dich zu sehen«, sagte ich.

»Ich wußte es«, entgegnete sie, »aber sage, wie heiß ich dich denn?«

»Heiße mich Friedrich«, sagte ich.

»Höre, Friedrich«, sagte sie, »du mußt deine Gewalt, die ich an dir sehe, auf irgend etwas Großes wenden und es erreichen, dann lieb ich dich grenzenlos.«

»Und ich liebe dich grenzenlos, weil du bist, wie du bist«, sagte ich, »und ich werde tun, was ich kann, oder untergehen.«

»Ich weiß es, ich weiß es«, sagte sie.

»Welch ein Glück, das wir so schnell gefunden«, sagte ich.

»Ein Glück vom Himmel«, antwortete sie.

Sie schwieg ein Weilchen, dann sagte sie: »Du hast gestern meine erste Bitte erfüllt, Friedrich, erfülle heute meine zweite.«

»So sprich«, sagte ich.

»Du wirst den erbärmlichen Grafen zur Verantwortung ziehen?« fragte sie.

»Ja«, sagte ich.

»Tue es nicht«, antwortete sie, »er hat nichts Schlechtes, nur Unverstand von dir gesagt, und es war kein Zeuge. Du kämest mir beschimpft vor, wenn du mit ihm strittest.«

»Und wenn er Streit mit mir beginnt?« fragte ich.

»Das wird er nicht«, antwortete sie. »Als wir allein waren, sagte ich zu ihm, wenn je ein Mann dadurch, daß er die Augen auf mich richtet, meinen Unwillen erregt, so soll er mein Kämpfer gegen diesen Mann sein. Wenn ich aber eines Mannes Augen auf mich richten lasse, diesen Mann müsse er aufs höchste ehren.«

»Nun?« fragte ich.

»Er ging es ein«, antwortete sie, »wie er immer huldigt.«

»Sie sagten ja, er sei dein Bräutigam?« fragte ich.

»Er versichert mich«, antwortete sie, »daß ich die Schönste auf der Welt bin, daß ich eine Göttin bin, daß ich eine Königin bin und daß ich ihn zum glücklichsten Menschen machen könnte, wenn ich mein Los mit ihm teilte. Ich habe ihm geantwortet, daß ich nicht die Gefühle hege, sein Weib zu werden, und daß ich es nie werden könne. Er hat eine schöne Farbe seines Angesichtes, schöne Augen und einen schönen Bart, hat schöne Pferde, mit denen er hin- und herfährt und die er selber erzieht, und hat mehrere Güter. Sonst ist er gutmütig. Er hat seine Anträge stets scherzend gehalten, und ich habe meine Ablehnung scherzend gemacht. Wenn er sieht, daß du mein Bräutigam bist – denn ich will meine Liebe nicht geheim halten, sage sie dem Vater, sage sie der Mutter, sage sie, wem du willst – und wenn er sieht, daß du mein Bräutigam bist, so wird er sich fügen und irgend einmal eine andere heimführen.«

»Wenn er aber doch gegen mich auftritt?« fragte ich.

»So handle nach deinem Ermessen«, sagte sie.

»So sei es«, antwortete ich, »möge der erste Tag unseres Bundes Friede sein.«

Ich reichte ihr die Hand, und sie empfing dieselbe.

Dann nahm ich sie an dem Arme und führte sie den Weg zurück, den sie hergekommen war. Wir gingen nun langsam Arm in Arm den Weg in sanftem Gespräche, den wir so oft schweigend gegeneinander und aneinander vorüber gewandelt waren. Ich führte sie zu ihrem Wagen. Dort reichten wir uns die Hand zum Abschiede, ich half ihr in den Wagen, ihr Kutscher fuhr sie die Straße an dem rechten Ufer des Moores mitternachtwärts, ich ging den langen Weg durch den Wald und dann den Pfad an dem linken Moorufer in mein Blockhaus.

Mit wallendem Herzen ging ich in mein Zimmer. Dort schaute mich ruhig von seinem Gerüste mein großes Bild an.

Nachmittags malte ich nicht mehr.

Als ich abends mit Roderer an dem Apfelbaume saß, sagte ich zu ihm: »Ich bitte Sie für den morgigen Tag um eine Unterredung, die mir sehr wichtig ist; mögen Sie mir dieselbe gestatten, wenn es Ihnen Ihre Zeit erlaubt.«

»Meine Zeit erlaubt es mir immer«, sagte er, »und ich bitte Sie, wählen Sie die Stunde selber.«

»Wenn ich die Stunde selber wählen darf«, sagte ich, »so wähle ich, daß nicht viel Zeit vor der Eröffnung verfließe, die neunte Stunde morgens.«

»Es wird ein Wagen nach acht Uhr bei dem Willigitter unter diesem Hügel auf sie warten, um Sie in mein Haus Firnberg zu bringen«, sagte er.

»Ich nehme es dankbar an«, entgegnete ich.

Am nächsten Morgen kleidete ich mich, wie man sich in Wien kleidet, wenn man einen Vormittagsbesuch macht. Die Wirtin richtete große Augen auf mich, als sie mich in diesen Kleidern ohne Malergeräte den Hügel hinabgehen sah.

Der Wagen wartete an dem Willigitter, er hatte Roderers Pferde, die täglich abends dort warteten, ich stieg ein, und nach einer Fahrt von kaum einer halben Stunde war ich in dem Schlosse Firnberg. Man führte mich in Roderers Empfangsstube. Es war dies ein sehr anständiges, eingerichtetes Gemach, das durch einfache Schönheit mild umfing. Roderer war zum Empfange eines Besuches gekleidet. Er saß auf einem Rohrstuhle an einem Schreibtische. Als ich eingetreten war, stand er auf, ging mir entgegen, reichte mir die Hand, führte mich zu einem Sitze an dem großen Tisch, der in der Stube stand, setzte sich an meine Linke und fragte, ob er mir in etwas dienlich sein könne.

Ich war ein wenig bewegt und sagte die Worte: »Hochverehrter Herr Roderer! Ich bin nicht gekommen, einen Dienst von Ihnen zu verlangen; sondern es ist etwas geschehen, was jemanden Ihrer Angehörigen betrifft, und ich halte es für meine Pflicht, Ihnen die Sache zu enthüllen. Ihre Tochter Susanna und ich haben eine Neigung zueinander gefaßt und sie lange schweigend gehegt. So lange nicht eines zu dem andern ein Wort gesprochen hatte, hielt ich mich nicht für verbunden, mit Ihnen davon zu reden, weil Gedanken nach außen nichts bewegen; aber gestern haben wir gesprochen und haben gesagt, daß es unser beider Wunsch wäre, uns auf ewig anzugehören, und jetzt bin ich gekommen, es Ihnen zu sagen, damit Sie handeln, wie Sie es für Ihre Pflicht halten. Ich heiße Friedrich Roderer, gerade Roderer wie Sie, und bin jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Mein Vater lebt in Wien und hat Liegenschaften in Niederösterreich und Ungarn. Meine Mutter lebt auch noch. Ich habe eine Schwester, eine Großmutter und zwei Oheime, Brüder des Vaters. Ob wir mit Ihnen und Ihren Roderern verwandt sind, weiß ich nicht, ich habe mich nie gekümmert, ob noch entfernte Verwandte von uns in der Welt sind. Ich selber besitze ein Vermögen, daß eine Gattin und zahlreiche Nachkommenschaft versorgt werden kann, wie wohlhabende Leute die Ihrigen zu versorgen pflegen. Ich verschwende nichts, Sie selber haben mein einfaches Leben gesehen, und so ist es immer, und so ist meine Habe gewachsen. Ich habe bis jetzt eine ehrlose Handlung nicht begangen und bin meines Willens gewiß, sie auch in Zukunft nicht zu begehen. Meine Fehler suche ich zu verbessern, wenn sie mir bekannt werden. Was davon noch da ist, mögen meine Freunde aus Liebe ertragen und bessern. Irgendein Mädchen habe ich bisher noch nicht beachtet, weil ich nur ein einziges, alles andere verdunkelndes Bestreben hatte, die Kunst. Ich habe geglaubt, daß ich nie eine eheliche Verbindung eingehen werde, Susanna liebe ich, wie ich nie irgendein Wesen auf der Welt geliebt habe. Wie und warum weiß ich nicht. Ich habe sie sehr oft stumm angeblickt, sie mich auch, und wir liebten uns und haben es plötzlich gesagt. Über meine äußeren Verhältnisse kann ich Ihnen die Beweise vorlegen, wenn sie angekommen sein werden, über mein Wesen nur meine Worte. Susanna werde ich ewig lieben, und ich glaube von ihr, sie mich auch. Was sonst sein wird, weiß ich nicht. Jetzt habe ich Ihnen alles gesagt.«

Er schwieg ein Weilchen, dann sprach er: »Sie haben in dieser Sache ehrenhaft gehandelt, und ich glaube fest, daß Sie einer unehrenhaften Handlung nicht fähig sind. Ich habe gewußt, daß meine Tochter im Lüpfwalde spazieren geht, ich habe gewußt, daß Sie dieselben Wege gehen. Meine Tochter hat unser Vertrauen, und Ihnen schenke ich es auch. Hätten Sie nicht gesprochen, so hätte Susanna gesprochen, und dann hätte es mir um Sie leid getan. Ich ahnte, was geschehen würde, und Mathilde und ich sprachen keine Mißbilligung aus. Um das Vermögen des Gatten Susannas fragen wir nicht, nur um seine Person. Ich kenne Sie nur einige Monate und achte Sie mehr, als Sie vielleicht wissen. Ob aber sonst Ihr Wesen zu dem Susannas passe oder Susanna zu Ihrem, kann jetzt niemand wissen. Schließen Sie sich an uns an, und wenn die Zeit, die nötig ist, daß sich die Zusammenstimmung kläre oder die Mißstimmung eröffne, um ist, dann geschehe, was eben diese Zeit gereift. Ist Ihnen diese Antwort entsprechend?«

»So herrlich, wie ich Sie von Ihnen gedacht, den ich verehren gelernt habe«, sagte ich, »Sie müssen es gesehen haben.«

»Ich hab es«, antwortete er, »und ich bin auch nicht, mein lieber junger Freund, immer nur des Glases Bier wegen auf den Lüpfhügel gestiegen. Sie haben mir allein Ihre Bilder gezeigt, und ich habe Ihnen Roderergeschichten erzählt, in denen Närrisches genug vorkommt, Sie haben sich nicht an uns gedrängt, und ich habe Sie nicht nach Ihrem Namen gefragt. Aber sagen Sie, warum haben Sie mir denn nicht eröffnet, daß Sie Roderer heißen?«

»Recht genau weiß ich es nicht«, antwortete ich, »aber nach meinem Vermuten war es anfangs Schüchternheit, und dann, als ich die Roderergeschichten kennengelernt hatte, mochte es die Scheu gewesen sein, vorzeitig in Verwandtschaftsforschungen hineingezogen zu werden, was mir Herz und Stimmung für meine jetzige Arbeit gedrückt hätte. Für den Winter aber dachte ich mir, da ich an dem Lüpfbilde nicht arbeiten würde, könnte ich Ihnen die Sache sagen, wir könnten forschen und Sie vielleicht einen anderen Roderer sehen.«

Er lächelte und sagte: »So stammen Sie schon von dem nämlichen Friedrich Roderer her, der sich den langen Bart hat wachsen lassen, und dann ist jener Sohn nicht von den Wölfen gefressen worden. Ich werde mich mit Ihrem Vater und seinen Brüdern in Verbindung setzen und die Sache herausbringen. Ob Sie ein anderer aus den Roderern sind, muß sich erst zeigen, wenn das Siegel auf die Handfeste gedrückt ist. Das ist merkwürdig. Gehen wir zu meinem Frauenvolke, das uns erwartet.«

Er stand auf und führte mich durch mehrere Zimmer, in denen ich selbst in der Flüchtigkeit schöne Bilder sah, in das Wohnzimmer seiner Gemahlin. Es waren eigentlich zwei. In dem ersten größeren saß sie, und Susanna stand neben ihr. Sie schienen nicht gerade beschäftigt zu sein und mochten uns eben erwartet haben. Daß die Zimmer würdig waren, sah ich, forschte aber nicht weiter. Mathilde stand auf, da wir kamen, ich grüßte sie ehrerbietig, sie dankte freundlich. Gegen Susanna neigte ich mich, sie sich auch gegen mich, und unsere Augen mochten für einen Augenblick gleichsam ihre Lichter getauscht haben.

»Da bringe ich dir nun meinen jungen Freund aus der Lüpf, Mathilde«, sagte Roderer, »setzet euch nur alle um den großen Tisch, ich muß euch wichtige Geschichten erzählen.«

Er drängte uns gegen den Tisch, wies uns die Plätze an, und da wir uns gesetzt hatten, sagte er: »Ich komme letzterer Zeit gar nicht aus den Roderer-Begebenheiten hinaus und bringe wieder eine. Ich habe schon große Angst gehabt, daß meine Tochter Susanna aus der Art der Roderer schlage, so ruhig, so vernünftig, so bescheiden, so einfach regelmäßig und so fast ohne Fehler war ihre Lebensweise. Ich schüttelte fast den Kopf. Aber jetzt ist es anders. Statt aus den Söhnen des Landes, die das ihrige beieinander haben, die leben, wie junge Leute leben, die achtbare Verwandte haben, die sich gut kleiden und schmucke Gebärden zeigen, einen Bräutigam zu wählen, erkieset sie sich einen Geliebten, den niemand kennt, dessen Namen sie gar nicht weiß, der nur einen runden Hut und graue Leinwandkleider trägt, der gar nicht so außerordentlich schön ist, als daß er braune Haare und braune Augen hat, den unsere Umwohner hier zu den reisenden Schauspielern zählen, der ein Narr ist und sich auf dem Lüpfhügel ein Blockhaus baut, um den Sumpf zu malen, der keinem Menschen ein Bild zeigt, der sich um niemand kümmert und mit niemandem umgeht und der zuletzt und endlich auch noch ein Roderer ist. Staunt nur, ein Roderer ist es, der bewirkt hat, daß meine Tochter zeigt, daß sie nicht aus dem Stamme der Roderer geschlagen ist.«

»Aber Vater«, sagte Susanna hierauf, »du hast selber von dem Manne auf dem Lüpfhügel erzählt und bist zu ihm hinausgegangen, und da ist es ja natürlich, daß ich ihn angeschaut habe, als er mir begegnete.«

»Angeschaut«, entgegnete Roderer, »und dann?«

»Du wirst schon sehen, Vater, daß er recht ist«, sagte sie, »wenn du der andern gedenkst, wie sie sind.«

»Ja, der Rechte ist immer der Rechte«, sagte Roderer, »und du hast dich mit der Mutter verschworen, daß ich sagen soll: ,Liebt euch ewig'; denn, nicht wahr, ewig, habt ihr gesagt, werdet ihr euch lieben? Nun, es wird schon recht sein.«

»Mein Gatte hat mir von Ihnen erzählt«, sagte Mathilde, »gestern haben wir von Ihnen gesprochen. Der Wille meines Gatten ist in allen Dingen immer der meinige gewesen und ist es auch in diesen. Sie haben ihn und er hat Sie diesen Sommer kennengelernt, wenn Sie nun auch uns ein wenig näher wollen kennenlernen, so wird es recht gut sein.«

»Ich bin für diese Güte recht dankbar«, antwortete ich, »was ich bereits kenne, hat mir Verehrung eingeflößt, und ich glaube die Hoffnung aussprechen zu können, daß mein Benehmen Sie Ihre Freundlichkeit nicht wird bereuen lassen.«

»Gewiß nicht, gewiß nicht«, sagte sie, »sonst hätte Sie Roderer nicht hierher geführt. Und wenn Sie Susannas Herz beglücken und Susanna Ihr Herz beglückt, so werde ich meinen Segen dem Tage geben, der Sie in dies Haus geführt.«

»Möge dieser Segen bald erscheinen«, sagte ich, »und der Segen Gottes bald umschweben, was wir wünschen, wenn wir es verdienen. Ich bitte Sie in diesem Augenblicke, hochverehrte Frau, um die Erlaubnis, zum erstenmale Ihre mütterliche Hand küssen zu dürfen.«

Sie reichte mir ihre weiße, feine und milde Hand, ließ sich aber dieselbe nicht küssen, sondern drückte die meine freundlich und sah mich mit den großen braunen Augen an, von denen mir Roderer erzählt hatte, daß sie ihn beglückten, und in denen ich Susannas Augen erkannte, die mich beglücken werden.

»Wenn Sie Roderer heißen«, sagte sie, »so ist es gut, die Roderer sind fast immer gut, und Susanna ist sehr gut.«

»Das wußte ich, als ich ihre Augen gesehen hatte«, sagte ich, »und ich werde ewig gut und mild mit ihr sein.«

»Amen«, sagte sie.

Wir sprachen nun von gleichgültigeren Dingen. Susanna setzte sich zu mir und legte ihre Hand auf die meine. Ich glaubte dann, daß dieser erste feierliche Besuch abzubrechen sei, und erhob mich. Ich verabschiedete mich von Mathilde, von Roderer und Susanna. Roderer geleitete mich zu dem Wagen, der mich wieder an den Lüpfhügel zurückbrachte.

Nun begann ein eigenes Leben. Des frühen Morgens schon malte ich und malte den größten Teil des Tages mit einem Eifer und mit einem Feuer, die ich früher gar nicht gekannt hatte, alles gelang besser, und oft, oft war es mir schon deutlich, ich müsse es erfassen können, daß der unnachahmliche Duft und die unerreichbare Farbe der Natur auf meine Leinwand käme. Die Waldspaziergänge waren eingestellt. Wenn es aber Nachmittag wurde, dann legte ich alles weg, kleidete mich um und ging zu Roderer. Und wenn ich nicht dorthin ging, so ging ich weit und breit spazieren, selbst in Ortschaften hinaus und saß abends mit ihm am Apfelbaume oder in der Stube des Wirtes.

Die Wirtin sagte zu mir: »Es ist doch gut, daß Ihr mir gefolgt habt. Wäret Ihr auch zu dem Jubelfest nach Lüpfing gegangen, so hättet Ihr Euch sehr erheitert. Es war prachtvoll auf den Wiesen und Stoppelfeldern an dem Wührholze. Der hochgeborene Herr Roderer und seine hochgeborene Frau Gemahlin und Susanna und ihr Bräutigam und andere vornehme Leute und Fräulein waren zugegen und ergötzten sich sehr. Ich habe es Euch ja gesagt, daß es Euch in dem Schlosse Firnberg sehr gefallen wird. Jetzt geht Ihr hin. Geht nur auch öfter hinaus und geht nur auch recht unter die Leute. Ihr seid schon jünger und viel schöner seit der Zeit geworden, und Eure Augen sind ganz lustig. Und wenn Susanna Hochzeit macht, müßt Ihr zugegen sein, müßt fröhlich sein und einen Segen trinken, wenn Euch dann auch Herr Roderer nach Hause fahren lassen müßte. Einmal ist keinmal. Folgt mir in Zukunft nun in allen Dingen recht ordentlich.«

Ich sagte, daß ich sehr bestrebt sein werde, es zu tun.

Ich kam bei Roderer mit dem Grafen Sternberg und mit anderen jungen Männern zusammen. Was Susanna vorausgesagt hatte, traf ein. Ich behandelte sie, wie in großen Städten sich die besseren Stände behandeln, und sie zeigten mir Ehrerbietung.

Roderer hatte nicht viele, aber außerordentliche Gemälde. Von den besten Niederländern und Italienern war etwas da. Deutsches war noch weniger, alles war von der alten Schule. Ich brachte viel Zeit im Anschauen dieser Dinge zu. In seiner Büchersammlung war das Beste fast aller Sprachen, besonders Dichter. Die Heldendichter waren alle vorhanden. Und so wurde viel und sehr gut vorgelesen. Sein Forstwart las ausgezeichnet; am besten aber immer Herr Roderer selbst. Es dürften da noch Erinnerungen aus seinen Jugendbestrebungen hineingespielt haben. Sehr oft gingen wir in den Liegenschaften und Anstalten herum und betrachteten, was eben geschah. Auch mich besuchten sie zuweilen, und ich zeigte Mathilden und Susannen meine Malereien bereitwillig. Anderen Menschen aber nie. Die Zeit unseres Zusammenseins schien zu entsprechen. Immer schöner wurde Susanna, sie schaute mich immer freundlicher an, und ich liebte sie immer mehr.

So war endlich der Winter gekommen, nachdem uns ein ungewöhnlich langer und schöner Herbst beglückt hatte. Erst acht Tage vor der heiligen Weihnacht fiel der erste Schnee. Er stellte mir das Malen ein. Das große Bild war bis auf das letzte Feilen fertig. Eine unsägliche Zeit und Glut hatte ich in dieses Bild hineingemalt.

Als harter Schnee auf den Fluren lag und Schlittenbahn war, verabschiedete ich mich, um nach Wien zu gehen und meinen Eltern genaueren Bericht über meine Erlebnisse abzustatten, als ich es durch Briefe hatte tun können.

Roderer kam auch nach Wien und besuchte meinen Vater. Da kam es nun zutage, daß wir leibhaftig zu Roderers Roderern gehörten. Das wußte mein Vater sehr gut, daß er von einem Roderer herstamme, der Friedrich geheißen habe und Obrist gewesen sei. Er soll auf einem Schlosse gehaust haben und sehr reich gewesen sein. Er soll vier Brüder gehabt haben, die alle vier aus Geiz nicht geheiratet hätten und mit denen er im Unfrieden gelebt habe. Das sind nun genau die vier Roderer Peter Buben. Das ist ganz klar, und der reiche Obrist ist der räudige Friedrich, der fünfte Roderer Peter Bub. Mein Vater wußte ferner, daß ein Sohn dieses Obristen namens Friedrich, der einen Bruder in dem deutschen Orden hatte und der Großvater meines Vaters gewesen war, einer schönen Jüdin zulieb nach Rußland gegangen war. Die Jüdin aber ist ein nichtsnutziges Ding gewesen, und Friedrich hat später die Tochter eines gemeinen Russen, der ihn von Wölfen gerettet und gepflegt hatte, geheiratet. Da ist nun etwas unklar. Entweder mußte er flüchten, oder er hat das Mädchen entführt, weil sie eine Leibeigene war. Kurz, mein Vater konnte nichts herausbekommen, weil sein Vater selber nichts Genaues wußte. Verfolgungen, Elend und dergleichen habe es gegeben. Aber die Ehe mußte anerkannt worden sein, weil Friedrich später wieder in Rußland war und durch Leitung von Bergwerken Vermögen erwarb. Es sind zwei gelbe Briefe vorhanden, welche an diesen Großvater meines Vaters von seinem Bruder Joseph Roderer geschrieben waren, in deren erstem Joseph seine Vermählung anzeigte und in deren zweitem Joseph um Angabe des Aufenthaltsortes Friedrichs bat. Meines Vaters Vater, auch Friedrich geheißen, war in Siebenbürgen und hatte dort Liegenschaften. Mein Vater, der wieder Friedrich heißt, verkaufte dieselben und übersiedelte nach Wien. Daß in Holland Nachkommen von Peter Roderer, einem anderen Sohne des Obersten, sein sollen, wußte er auch. Sonach ist der Stammbaum nun aus den Erinnerungen meines Vaters und Roderers völlig aufgestellt worden. Wir, die Friedrich Roderer, sind der ältere Zweig von dem Obristen, und die Peter Roderer sind der jüngere. Da der deutsche Herr keine Kinder haben konnte und die Nachkommenschaft Josephs ausgestorben ist, so sind diese beiden Zweige nun die einzigen Rodererzweige.

Es war großer Jubel über diese Enthüllungen, all unsere Roderer kamen herzu, nämlich meine zwei Oheime mit ihren fünf Söhnen, und es wurde ein Mahl veranstaltet. Meine Großmutter war glücklich, daß sich die Roderer nun wieder mit einem Schlage ausgedehnt hatten. Sie war die lebendige Handfeste unseres Zweiges, und wie so in der alten Geschichte geforscht wurde, kamen ihr immer mehr Erinnerungen zu, und von ihren Lippen erfolgte Erzählung auf Erzählung, die erst mächtig die Klarheit förderten.

Peter Roderer reiste wieder heim, und im Frühlinge kamen nach Verabredung alle Roderer in Firnberg zusammen und brachten auch alle ihre weiblichen Angehörigen mit. Es war nun da Peter Roderer mit seinem Sohne, der auch wieder Peter hieß und von England gekommen war; es waren da seine drei Brüder mit ihren Gattinnen, sieben Söhnen und drei Töchtern; es war da mein achtundachtzigjähriger Großvater mit unserer achtzigjährigen Großmutter und vier Töchtern, meinen Tanten; es war mein Vater mit mir und meiner Schwester, und es waren da meine zwei Oheime mit ihren Gattinnen und fünf Söhnen, wozu ich nun noch Mathilde, des älteren Peter Roderers Gattin, und Susanna, meine Braut, nennen muß. Es wurde die Stammesverbrüderung gefeiert, und Peter Roderer gab mehrere Feste. Alle männlichen Roderer hatten den kurzen Vollbart, außer denen, welchen er erst wachsen mußte, und alle Bärte waren braun, nur der meines Vaters war schon gemischt weiß, so wie es die der drei Brüder des älteren Peter waren. Der des älteren Peter war weiß und der meines Großvaters war schneeweiß. In dieser Versammlung wurde mir auch Susanna endgültig zugesprochen. Die Hochzeit sollte am Petrus-Paulustage sein. In dieser Versammlung sprachen auch mein Vater und mein künftiger Schwiegervater den Wunsch aus, daß ich von jetzt an bis zu dem Hochzeitstage einen Flug durch die Länder Holland, Belgien, Frankreich und Italien machen möchte. Ich sah den Grund nicht ein; aber in meinem Glücke wollte ich mich gegen nichts auflehnen und willigte ein. Als die Roderer sich trennten, fuhr ich auf der Straße gegen Holland. Ich war schon geraume Zeit vor dem Petrustage wieder zurück und hatte aus eigenem Antrieb noch ein Land hinzugefügt, nämlich die Schweiz.

Da ich meine zukünftigen Angehörigen in Firnberg begrüßt hatte, ging ich in mein Blockhaus.

Dort blieb ich zwei Tage vor meinem Bilde sitzen. Dann ging ich zu Susanna, bat sie um eine Unterredung und sagte zu ihr: »Meine geliebte Braut, du höchstes Gut meines Herzens hienieden! Höre mich an. Mein großes Bild, welches bis auf Kleinigkeiten fertig ist, kann die Düsterheit, die Einfachheit und Erhabenheit des Moores nicht darstellen. Ich habe mit der Inbrunst gemalt, die mir deine Liebe eingab, und werde nie mehr so malen können. Darum muß dieses Bild vernichtet werden, und keines kann mehr aus meiner Hand hervorgehen. Wenn du sagst, ich werde dich verlieren, wenn ich mein Streben aufgebe, so muß ich dich mit dem ungeheuren Schmerze verlieren, aber meinen Entschluß ausführen. Jetzt rede.«

»Nein, du verlierst mich nicht«, antwortete sie, »mein Vater hat mich von Kindheit an im Kennen von Bildern geübt. Deine Bilder sind außerordentlich schön; wenn aber deine Gedanken höher sind und du dich durch deine Hervorbringung gedemütigt fühlst, vertilge sie. Ich liebe dich noch mehr. Wir werden unsere Herzen verbinden, sie werden etwas vollführen, und klein und niedrig und unerheblich wird es nicht sein.«

Und wir schlossen uns in die Arme und drückten die heißen Lippen aneinander und drückten sie noch einmal aneinander, dann schüttelte ich ihr die Hand und sagte: »Erzähle deinem Vater, was ich dir gesagt habe. Ich gehe jetzt in das Blockhaus.«

Wir trennten uns.

Im Blockhause nahm ich das Bild aus dem Rahmen, zerlegte den Rahmen und verpackte ihn in seine Kiste. Dann schnitt ich die Leinwand des Bildes aus ihren Hölzern, zerschnitt sie in kleine Teile und verbrannte diese Teile langsam im Ofen. Dann zerlegte ich die Hölzer und verbrannte auch sie. Dann verbrannte ich alle meine Entwürfe und zuletzt die Farben, die Pinsel und die Malerbrette. Was sonst noch an Geräten war, bestimmte ich späterer Zerteilung. Daß in dieser Sommerzeit Rauch aus meinem Rauchfange ging, befremdete meine Nachbarn, die Wirtsleute, nicht; denn ich hatte öfter im vergangenen Sommer zu meinen Zwecken Feuer in meinem Ofen gehabt.

Ich fühlte nun eine Freiheit, Fröhlichkeit und Größe in meinem Herzen wie in einem hell erleuchteten Weltall.

Ich reiste nach Wien zu Vorbereitungen.

Am Peter-Paulustage war die Hochzeit. Sie wurde in Firnberg gefeiert. Alle Roderer, die im Frühlinge an dieser Stelle gewesen waren, kamen noch einmal, um die Feier mitzufeiern und die Stammesgefühle noch fester zu binden. Die Trauung geschah in Lüpfing unter großem Zusammenlaufe von Menschen. Meine Wirtin schlug die Hände zusammen, als sie sah, daß ich Susanna heirate. Ihr Mann Christian trug einen großen Blumenstrauß von der Lüpf nach Firnberg. Als wir bei dem Mahle saßen, stand Peter Roderer, mein Schwiegervater, mit dem Rheinweinglase auf und sprach: »Der hier anwesende Friedrich Roderer, der Jüngste dieses Namens, hat in der letzten Zeit gezeigt, daß er ein ganzer Roderer ist. Meine Tochter Susanna hat auch nicht ermangelt, sich als Rodererin darzutun; heute haben wir beide ehelich zusammengefügt, es muß also von ihnen noch Rodererischeres kommen als von den andern Roderern –, möge es so groß sein, wie nie ein Roderer etwas zuwege gebracht hat, und möge es mir erlaubt sein, ihr Wohl auf grenzenlose Zeit hinaus auszubringen.«

»Das Doppel-Rodererwohl auf grenzenlose Zeit!« riefen mehrere Gäste; alle aber standen auf und stießen an.

Wir dankten auf das verbindlichste.

Und es war an diesem Tage auch große Fröhlichkeit in Firnberg. Die Roderer tranken, als müßten sie wahr machen, was mir die Wirtin weisgesagt hat, wenn ich auf Susannas Hochzeit mit dem Grafen wäre, und als müßte sie Peter Roderer endlich klärlich auf dem Wagen nach Hause bringen lassen.


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