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Vorwort

Eines Abends saß ich mit einem literarischen Freunde im Cafe Austria in Berlin und erzählte ihm von meinem neuen Buch, das im Kreislauf eines Jahres den Kreislauf eines Menschenlebens, seine Entwicklung durch fünfundzwanzig Jahre zeigt.

»Wie sind Sie darauf gekommen?« fragte er.

»Seit zehn und mehr Jahren habe ich die Veränderungen der Jahreszeiten festgehalten, sie nachgezeichnet auf allen meinen Spaziergängen, die Mannigfaltigkeit der Luftstimmungen, den Nebel, die Stürme, die tausendfachen Verschiedenheiten, die ein Stück Land annimmt während eines Jahres ... Als ich diese Blätter zusammenlegte, fand ich erstaunt, daß sie ein Buch formten, ein Tagebuch der Natur. Ich dachte daran, die Geschichte eines Bauernknaben einzuflechten, um dem Ganzen einen stofflichen Inhalt zu geben, allein sie schien mir nicht bedeutend genug. Dann plante ich Schilderungen aus meinem Dorfe und der nächsten Kleinstadt mit den Naturbildern zu verbinden – aber dies gab mir keine Einheit.

Da kam ein wundervoller Herbst. Ich hatte täglich stundenlang gejagt. Das Umherschweifen über die Fluren weckt eine herrliche Freiheit des Empfindens, man fühlt sich reich, groß, stark. An einem Herbstnachmittag saß ich unter den gelben Ahornbäumen im Garten und schrieb berauscht vom Duft der welkenden Blätter:

›So schön wie dies Jahr war der Herbst vor fünfundzwanzig Jahren ...‹ Da packte es mich wie ein Taumel, und ich wußte mit einem Male: jetzt hast du den Inhalt für dein Tagebuch der Natur gefunden – – dieser Inhalt ist dein eigenes Leben, frei umgeschaffen von der dichtenden Phantasie – – – Und ich schrieb wie in einem Rausch fünfzig bis sechzig Seiten im Tage. – Doch während ich so schrieb, erwuchs mir unter den Händen ein anderes größeres Bild als das meines Lebens. Im Hintergrunde zeigte sich die verrottete Gesellschaftsschicht der höheren Stände um die Wende des XX. Jahrhunderts, die bis dahin in einem leichtfertigen Gesellschaftstreiben ihren Lebenszweck gefunden und nun zu ihrem ethischen Heil durch höhere Gewalten und den Umbruch einer Weltanschauung in das Zeitalter der Arbeit und des sozialen Mitfühlens hinein getrieben wurde!‹

»Sagen Sie die Entstehung des Buches in einem Vorwort –« riet mein Freund, »– sie scheint mir merkwürdig.«

Maria Stona

Schloß Trebowitz.
1935


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