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Sie tanzen gern, sie tanzen bald,
Wo nur ein Dudelsack erschallt.
Und wer sie richtig nehmen kann,
Der lenkt sie wie den Hampelmann.
A. S.
In erster Morgenfrühe kletterte der Wagen des Fremdlings jenen steilen Weg empor, der am Spezialat seinen Anfang nahm. Schon war er jetzt hoch über der Stadt. Verschlafen und mürrisch hatte ihn der Torwart hinausgelassen.
Über dem Nebelgewoge ringsum spürte man die nahe Sonne, wie sie die kühle Frühluft unter sich trat und ins Tal drückte.
Mit geschürzten Mantelschößen schritt der Lenker neben seinem Gespann. Belebtheit, Frische lag über dem Manne. Manchmal tätschelte seine sonnverbrannte Hand den feuchten Gaulshals oder streichelte den Affen, der auf dem Pferderücken saß und sein schauerndes Frieren über dem Schmausen von Nüssen zu vergessen suchte. Die Schalen warf er dem Mann auf Kopf und Rücken.
»Maja,« tadelte lachend der Getroffene, 124 »immer menschlicher wirst du. Schon lohnst du jede Guttat mit Frechheiten.«
Der Schreitende sah zurück. Dicht und dichter sank das Nebelwogen über die Talstadt. Sie war jetzt wie eingeschluckt von dem Schlund zwischen den Bergen, eine weiße Weite war die Brücke zur jenseitigen Hochfläche.
Dort drüben lag schon erster Sonnenglanz, und der Weg, den vor Tagen der Fahrende herwärts genommen hatte, grüßte herüber.
»Schau, Maja,« murmelte der Mann, »nun sieht es aus, als sei nichts gewesen. Dort kamen wir, hier gehen wir, dazwischen wogt nur Nebel.«
Der Affe verdrehte die Augen und schlug mit der Pfote nach seinem Herrn.
Der nahm ihn auf den Arm. »Es hat nicht deinen Beifall, was ich sagte? – Du willst, ich soll die Stadt und was ich dort erlebte, wichtig nehmen? Sei's drum! Die Kunst meiner Kunst ist, daß ich immer das tue, was jeder Affe von mir erwartet.«
Das Tier machte sich los und sprang behend auf seinen alten Platz zurück. Dort reckte es die Zunge.
»Aha,« lachte der Mann, »in der Ehre gekränkt? Ich soll dich nicht mit anderen Affen in einem Atem nennen? –« 125
Die Steile des schlechten Weges ließ jetzt nach. Eine freie, weite Hochebene mit leichten Hügelwellen, mit Ackerland und fernem Wald tat sich auf und glänzte in der Morgensonne.
Der Gaul, dessen Flanken leise dampften, wieherte laut auf, und wie ein Echo dahinter her stieß der Affe Freudenlaute aus. Das Gespann zog langsam dahin, als wollten die drei den Genuß in die Länge ziehen.
Unfern von einem Stück jungen Waldes lenkte der Mann vom Wege ab und in eine blühende Heide hinein, die in unberührter Herrlichkeit weithin den dunklen Boden deckte. Es dampfte hier von Wärme, von Erdgeruch, von heimlicher Schönheit. Die Bienen waren summend an ihrem Werk, und stille kleine Schmetterlinge gaukelten vorüber.
Der Mann verhielt den Gaul und löste ihm die Stränge. Dann setzte er sich ins warme, feuchte Heidegestrüpp. Der Affe sprang vom Pferderücken und hockte sich seinem Herrn gegenüber, ihm halb frech, halb zutraulich ins Gesicht sehend.
Der nickte ihm zu. »Es ist gut, daß du wieder versöhnt bist. Ich habe Ernsthaftes mit dir zu besprechen.«
Der Affe leckte die Lippen. »Nein,« murmelte 126 leise lachend der Mann, »nicht vom Fressen; es gibt auch sonst noch Ernsthaftes.«
Er schlug den Mantelflügel zurück und streckte sein Bein aus.
»Sage selbst, Maja, ist es nicht wohlgeformt und voll Kraft? Straft mein Körper nicht meine Jahre Lügen? – Du brauchst nicht die Zähne zu fletschen, als frage da ein eitler Laffe lächerliche Dinge. Es geht um mehr.«
Er legte sich zurück ins Heidekraut und schaute lang hinauf in die unendliche Himmelstiefe.
Langsam kam jetzt der Affe herzu und setzte sich ihm mitten auf die Brust.
Des Mannes braune Hand streichelte zärtlich das weiche Fell. »Du glaubst an mich,« murmelte er, »du und Prometheus. Euch bin ich der Herrgott. Aber soweit möchte ich's bringen, daß Menschen von mir glauben, daß ich der Mensch sei.«
Das Äfflein saß unbeweglich und ließ seine gläsernen Augen in die Ferne wandern.
»Ja, fern ist das, ganz fern! Den Herrgott, ihren Herrgott kennen sie bis aufs Hemd. Aber vom Menschen wissen sie nichts – – nichts,« wiederholte er schwer.
Es blieb lange still. Dann klang es wieder: »Allein kann ich nicht zum Ziele kommen, so 127 ruhelos ich wandere. Sie müssen mir ihren Glauben leihen, sonst bleibe ich zuletzt am Wege liegen. Lache mich nicht aus, Maja! Ich sage dir: auch der Unnennbare selbst braucht den Glauben aller Welten, um zu sein und um zu wirken.«
Ein Schmetterling umgaukelte den Affen und schwang sich dann hoch hinauf in die blaue Luft.
Der Fahrende deckte die Hand über die Augen. »Wär alles Gaukelwerk und Traum, der mir zerrinnen muß? Ein Spiel der Schmetterlinge, eh der Winter kommt?«
Der Affe drehte sich auf seinem Platz, als sei ihm nun der Sitz entleidet. »Du hast recht,« sagte der Mann und ließ die Hand sinken, »wie kann ich Glauben fordern, wenn ich selber zweifle!«
Er richtete sich so hastig auf, daß der Affe mit erschrockenem Satz zur Erde sprang.
»Du,« rief er, »darum fragte ich, ob dir mein Bein gefalle und ob mein Körper meinen Jahren trotze, weil ich immer wieder wissen muß, daß ich mehr bin, weit mehr als ein williger Betrüger der Toren, die betrogen sein wollen.«
Der Gaul, der im warmen Heidekraut schnupperte, wieherte leise, fast zärtlich.
»Ja, alter Kerl,« raunte ihm der Mann zu, »auch du fristest deine Jahre von meiner Kunst, 128 sonst hätte dich längst der Schindanger. Bei der unvernünftigen Kreatur und bei den Armen im Geiste muß ich mir Freunde machen mit dem ungerechten Mammon, damit wenn ich einst darbe –«
Er schwieg und legte sich zurück, und der Affe kletterte ihm wieder auf die Brust und unter die streichelnde Hand.
»Darbe ich denn nicht längst, nicht immer? –« klang es leise und schwer. Jetzt fing eine Grille in nächster Nähe überlaut zu zirpen an. »Zuspruch?« murmelte, trüb lächelnd, der Mann und drehte ein wenig den Kopf. – Der Affe gähnte.
»Ja, ja, dich langweilt immer, wenn meine Seele ihren Noten nachgeht. Affen wollen nur Sprünge machen. Wohlan, so mache diesen Sprung: der Bürgermeister ist vielleicht der Gesuchte.« Der Affe drehte sich langsam um und kehrte dem Sprechenden den Rücken zu.
»Du glaubst es nicht? Du meinst, ich irre mich, wie schon manchmal, seit ich auf dieser jammervoll dünnen Fährte gehe? Nenne mich einen Stümper, wenn ich mich auch diesmal wieder täusche!«
Der Mann sah einem Bussard zu, der hoch im Blauen kreiste. Sein dunkles Gesicht war von weicher Zärtlichkeit überflogen. Dann lachte er leise auf. »Wenn er es wirklich und wahrhaftig sein 129 sollte – was meinst du, Maja, wie würde es der Bürgermeister aufnehmen, wenn ich ihm sagen wollte: die Mutter Euer Gnaden kannte ich wohl? – Er würde den Kopf schütteln, denkst du! Ich aber würde fortfahren: Sie war so jung und schön und süß wie ein strahlender Maienmorgen. Zornig würde er auffahren: wie kann Er das wissen! Dann ich: das kann ich sehr wohl wissen, denn – Aber mehr würde ich nicht sagen, Maja, weil alles Wortwerden der Anfang eines Sterbens ist. Und jenes Holdselige soll mir nicht sterben.«
Er schlug mit der Hand ins Heidekraut. »Ich werde schweigen, ich werde schweigen! Schweigen und wissen, wissen und schweigen, das ist aller Kraft Anfang. Es ist der Brauch des Unnennbaren, den er sich nicht entwinden läßt. Ein wenig nachäffen mögen wir ihn.«
Reglos, abgewandt, wie verachtend, saß der Affe. Sein Herr griff in die Tasche und zog eine kleine Birne hervor. »Komm, Maja, versöhne dich mit mir! Laß deinen Groll um diese Birne fahren! Ich trage so schwer daran, wenn man mir grollt. – Du willst nicht? Du glaubst mir nicht? Ach, wenn du wüßtest! Wenn du wüßtest, wie arm und klein, wie müd und wie verlassen dein Herr sich fühlt, wenn man sich von ihm wendet!« 130
Der Affe sprang ins Heidekraut und fing an, Bienen zu fangen. Der Fahrende steckte die Birne wieder ein. »Unversöhnlich wie ein gekränkter Fürst.« Er hob die Arme in die Höhe, als wolle er in den Himmel greifen. Das Lächeln auf seinem Gesicht schwand langsam dahin. »Immer allein,« murmelte er, »man ist immer allein. Wie soll's nun weitergehen? Ich komme mir vor wie ein guter Hund, der wohl das Wild verbellen darf, aber niemals die Zähne in den Bissen schlagen. Was soll werden, wenn ich mich diesmal nicht täusche? Das Auf-Fährte-Gehen war mir so viele Jahre Sinn des Lebens. Schlimm, wenn nach erfülltem Sinn nur Sinnlosigkeit hergrinst! –«
Er schloß die Augen wie schlafend. Dann richtete er sich auf. »Maja, man muß essen, man muß sich kleiden, man muß helfen, wo man kann, man muß immerzu lernen – sollte das nicht ausreichen? Sollte das nicht auch nachher Sinn genug sein, um allerlei Unsinn nebenher zu rechtfertigen?«
Aus der unsichtbaren Tiefe, wo die Stadt lag, kam Glockenton. Er horchte, und das dunkle Gesicht war schärfste Spannung. Dann griff er sich langsam an die Stirne, und seine Augen schienen ins Leere zu gehen.
Wie erwachend wandte er sich jetzt an den Affen. 131 »Sagte ich nicht, Maja, dies Tal sei eine Mäusefalle. Ich muß zurück. Ich bin noch nicht fertig da unten.«
Das Tierchen sprang herzu und winselte. Eine der emsigen Waldbienen mochte es gestochen haben.
Der Fahrende nahm es auf den Arm. »Du hast mit dir zu tun; ich darf dich nicht schelten, als seiest du ohne Teilnahme. Der Schmerz in deiner Pfote hindert dich, mich zu verstehen, wenn ich sage:›ich kann noch nicht aus diesem Tal‹. Es bannen jeden seine eigenen Schmerzen in einen engen Kreis, und so ist jeder einsam.«
Er schritt dem Gaul zu, ihn wieder einzuschirren. Den Affen setzte er sorglich auf den Wagen.
»Euch beide bringe ich hier oben in Sicherheit,« murmelte er, »es ist genug, wenn für mich die Mausfalle ist.«
Das Glockenläuten wurde deutlicher, und es schien auch über die Höhe aus fernen Weilern oder Dörfern zu kommen. Ein Ruf der Angst antwortete dem anderen.
Der Fahrende blickte über die sonnige Weite hin, auf den funkelnden Tau und die leuchtenden Farben. Aber seine Augen blieben dunkel und ernst, als grüble er über Schweres und sehe den Glanz der Morgenfrühe nicht.
Bedächtig zog jetzt das Gespann weiter. Das 132 Gewirr des Ginsters, das voll reifer schwärzlicher Schoten hing, begleitete den schmalen Weg, und drüben über der Heide stand dunkel der Jungwald. Über eine Blöße kamen sie, auf der die Stümpfe abgehauener Tannen moderten und Brombeeren den feuchten Boden deckten. Mitten darin tauchte ein Brünnlein auf. Aus dünner hölzerner Röhre gluckste leise ein Wasserstrahl.
Eng aneinandergekauert, als müßten sie sich gegenseitig den Mut stärken oder sich wärmen, saßen zwei Gestalten neben der Quelle. Ein Schleifstein stand unfern im Gras.
Des Fahrenden Blick umfaßte die Gruppe und nahm dann jenes Gleichgültige, Undurchsichtige an, das er wie einen Vorhang über sein Inneres zu breiten wußte.
Ein Mann und ein Weib schauten großäugig und erschreckt dem Gespann entgegen, als nahe da eine Gefahr.
Hellhaarig und derb von Gesicht und Gestalt war der Mann, dunkel und klein das Weib. Beide sahen sie erhitzt aus, als seien sie nach angestrengtem Lauf hier zur Rast zusammengesunken und könnten nicht weiter.
Die Morgenkühle und -stille schien für sie nicht da zu sein. 133
»Woher?« rief kurz, fast herrisch der Fahrende.
Der Mann setzte sich aufrecht. Mit weit ausholender Gebärde wies er in die Ferne.
»Dort drüben herauf. Sie kommen hinter uns.«
Der Fahrende horchte und besann sich. Dann schüttelte er ungläubig den Kopf.
»Jawohl,« rief da fast gellend das Weib, »man hört Lärm und Knallen. Gut tausend Musketen, die Welschen sind's.«
Wieder horchte der Fahrende nach den fernen dunklen, endlosen Wäldern hin, die sich nach unsichtbaren engen Tälern senkten. Nichts war zu hören als das leise Rieseln und Glucksen des Brünnleins und das Summen der Insekten. Das Glockenläuten war verstummt. Der Schwarze wandte sich zu den Sitzenden. Seine Stimme war ganz Ruhe. »Ihr hörtet Eures Schleifsteins Kreischen, und der Angstteufel machte Troßlärm und Musketenknallen daraus. Ich kenne das! Was die Teufel und die Engel in uns machen, das nehmen wir wahr.« Die beiden standen jetzt vom Boden auf. Der Mann half dem Weib. Man sah, daß ihre Stunde ganz nahe war.
Des Fahrenden Brauen zogen sich wie in Schmerz zusammen. Verhalten sagte er: »Wie konntet ihr 134 blindlings laufen wie die Hasen! Eine Herberge, ein Stall, eine Krippe wäre hier vonnöten.« Der Mann schaute wie ein Gescholtener vor sich nieder. Des Weibes bleiches Gesicht glühte auf und war plötzlich von junger Lieblichkeit. Sie stammelte, als wolle sie sich und den Mann rechtfertigen: »Es ist doch wahr, daß sie hinter uns waren! Vielleicht sind sie abgeschwenkt.«
Der Mann winkte mit dem Kopf nach der Kleinen. »Sie will in die Stadt zu ihrem Vater. Ich tu ihr den Willen.«
Der Fahrende schaute das Weib an. Ihr Körper, ihr Gesicht mochte vor kurzem noch kindlich gewesen sein. Jetzt, da beides mit dem strengen Stempel des Weibtums gezeichnet war, lag eine wehtuende Zwiespältigkeit darüber. War es diese Zwiespältigkeit, oder was war es, das den Fahrenden an ein anderes Gesicht erinnerte? Sein des Schauens und Verknüpfens gewohnter Geist schlug rasch die Brücke. Er lächelte.
»Eben zog Euer Vater noch den Glockenstrang. Sein schwarzer Pudel saß daneben.«
Das Weib wich in jähem Erstaunen zurück. »Kennet Ihr – – –«
Er ließ sie nicht ausreden. »Laßt das! Es ist jetzt nicht Zeit, sich über etwas zu wundern. 135 Geht nicht in die Stadt hinunter! Soll euer Sohn den ersten Atemzug unter Angst und Schrecken tun? –«
Die Zwei starrten sich an in ratloser Benommenheit. Schon fuhr der andere leise fort: »Warum – meint ihr – wimmelt die Welt von Untüchtigen, von Feiglingen und Halben? Das ist nur, weil Ach und Angst als erster Odem in sie eingeht. Bleibt weg!«
Des Weibes dunkelklare Augen kamen in scheuer Bitte zu dem Fremdling her. »Wo soll's denn sein? Wo meinet Ihr?« fragte sie erglühend.
Es lief ein Schatten über sein Gesicht. »Lieber auf der Heide bei den Schmetterlingen als drunten! Kennt ihr hier oben keine Stätte, wo eine Wiege Platz hätte?«
Wieder schauten sich die beiden ratlos an. Dann sagte der Mann in hilflosem Eigensinn: »Zu ihrem Vater soll sie.«
Der Fahrende trieb seinen Gaul an ohne ein weiteres Wort für das Paar.
Es tauchten jetzt dürftige Äcker auf. Zusammengelesene Haufen alter Feldsteine umgrenzten sie, darüber hingen die stachligen Ranken der Brombeeren. Verlassen stand ein rostiger Pflug im Gelände, und in einem hochragenden, einsamen 136 Kirschbaum huschten schweigende Vögel durch das gilbende Laub.
Der Fahrende hielt Umschau. Eine menschliche Siedelung konnte nicht fern sein. Er bog nach links ein und zog zwischen moorigen Wiesen dahin, auf denen Binsen mit ihren braunen Büscheln wuchsen. Ein fader dünner Brandgeruch lag über dem Weg, der von den ferne qualmenden Wölkchen eines Kohlenmeilers kommen mochte. Jetzt schnitt der Pfad tief in grünüberboschte Ränder ein. Beeren und Pilze wuchsen hier, erst vereinzelt, dann in reicher Fülle. Der Affe sprang von seinem Platz und fing zu schmausen an. Wählerisch nahm er das Schönste vom Schönen. Der Gaul aber reckte den Hals und versuchte von dem dunkelglänzenden Wasser zu saufen, das in einer tiefen Wegrinne stand.
»Wenn ihr nur schlemmen könnt,« sagte lachend der Mann; »euch kümmert's wenig, daß das Verderben um den Weg ist.«
In diesem Augenblick rollte ein Schuß durch den Wald wie nachhallender Donner.
Blitzschnell sprang der Affe seinem Herrn auf die Schulter und kauerte sich zitternd zusammen.
Der Fahrende streichelte ihn. »Wo hast du das Entsetzen her vor dieser Menschensache? Bei echtem Donner habe ich dich nie zittern sehen! Ahnst du, 137 daß die Fratzen Gottes mehr zu fürchten sind als er selbst?«
Mit einer hervorbrechenden Innigkeit sprach er dem Tiere zu: »Sei ruhig, ich bin bei dir! Nicht zittern, Maja! Ich suche euch jetzt einen guten Stall. Dann muß ich ein wenig ins Tal hinunter. Nicht zittern, Kleines! Ich muß doch nach ihrem Sohne sehen! Sie will es so! Ich sah doch Rauch über dem Tal und – –«
Er schaute heißen Blicks auf das bebende Tier. »Gedulde dich! Sei fromm wie Prometheus, bis ich wieder komme. Treibe nicht Unfug! Entwische nicht! Der Menschendonner ist im Wald.«
Jetzt verhielt der Mann plötzlich den Schritt und lauschte nach rückwärts. Ein Lächeln huschte über sein dunkles Gesicht. »Maja, es ist, wie ich mir's dachte. Hörst du das Kreischen des Schleifsteins hinter uns? Die beiden kommen. Sie halten es wie jener Sohn des Vaters, der da sagte: nein, ich will's nicht tun! Und danach tat er's doch. Ich sah es diesem Scherenschleifer an, daß er von solcher Sorte ist.«
Wieder lachte er und fuhr dann fort: »Die Kleine, die bald eine Mutter ist? Ach, Maja, die hat keinen Willen als den, den man ihr eingibt. Ich kenne das.« 138
Laut rief er jetzt dem Gaul zu. »Dort hinüber, Prometheus! Siehst du den Lattenzaun?«
In flacher Mulde, vor nahen Hochwald wie schutzsuchend hingebettet, lag ein einsames Gehöft. Über dunkle, von Moos benagte Schindeldächer sah die goldflammende Krone einer mächtigen Linde herüber. Den kleinen Garten mit seiner Wildnis von fast verblühten Astern, hohen Malven und samenreichen Sonnenblumen umschloß ein morscher Lattenzaun. Dahinter lag die Mauer, die einst vielleicht das ganze Gehöft umschloß, die aber jetzt immer wieder durchbrochen und stellenweise zerfallen war. Ein altes hölzernes Tor zeigte neben dem Garten den Weg ins Hofesinnere. Die Flügel hingen schief und klafften; junge weiße Katzen schlüpften aus und ein in sorglos frohem Spiel. Auf den Mörtel über dem Tor war mit ungeschicktem Pinsel ein fünfzackiger Stern gemalt und darunter ein Name, der nur noch schwer zu lesen war.
Die scharfen Augen des Ankommenden hafteten darauf. Dann wanderten sie umher und faßten, was zu fassen war. Auch der Ententümpel in der nahen Wiese entging ihnen nicht, ein weites Becken voll schwarzgrünen Wassers, auf dem weiße Federn schwammen. Obenher, von einem Pflaumenbaum zum anderen, war ein Seil gespannt, an dem eine 139 mit Stroh gefüllte, mannshohe Puppe hing. Sie sollte wohl die Räuber in den Lüften scheuchen.
Der Fahrende tat jetzt das Tor weit auf und fuhr in den Hof. Ein angeketteter Hund heulte und winselte, statt drohend abzuwehren. Es war kein Mensch zu sehen.
Der Schwarze warf dem Gaul das Seil auf den Rücken und hielt Umschau. Der dürre Hund verfolgte seine Schritte und zerrte an der Kette.
Da trat der Mann ganz nahe hinzu und sagte: »Da haben sie einen Jagdhund zum Hofhund gemacht. Nimm Witterung an mir, armer Kerl! Ich bin auch anderes, als was ich scheine.«
»Holla, Ulrich Günther,« rief er jetzt laut, als sich immer noch niemand blicken ließ, »soll ich vielleicht meinen Gaul selbst in den Stall führen?«
An einem der kleinen Fenster im oberen Stockwerk erschien ein spähendes Gesicht. Gleich darauf trat die gedrungene Gestalt eines etwa vierzigjährigen Mannes auf die Schwelle.
»Was soll's?« klang es zugleich neugierig und barsch zu dem Fahrenden herüber, »hier ist keine Herberge und auch kein Ulrich Günther.«
»Ja, ja,« kam die Antwort, »der Ulrich Günther war da, lang ehe du da warst. Mir war nur, als hätte ich ihn vorhin dort am Fenster gesehen.« 140
Der bäuerliche Mann sah den Sprechenden scheu an und kehrte dann den Kopf nach dem Wohnstock. »Dort oben habe er sich erhängt vor bald sieben Jahren.«
»Na also,« entgegnete trocken der Schwarze. Dann ging er auf den Bauern zu. »Läßt du immer Tür und Tor offen, wenn im Wald Büchsen knallen?« fragte er leise, vertraulich.
Der Gefragte starrte scheu und erschrocken. Hatte ihm, dem Jakob Günther, dem Erbpächter des windigen Hofes, eben ein Mensch auf den Kopf zugesagt, was nur der Herrgott wissen konnte? War dieser fremde schwarze Kerl dahintergekommen, daß Jakob Günther auf seine Weise Anteil nahm, wenn der Herr Obervogt eine Jagd abhielt? –
»Was meint Ihr?« klang unbeholfen die bange Frage zurück.
Des Fahrenden Augen wichen nicht von dem Mann. Bis in die verborgensten Tiefen dieser einfältigen Seele schienen sie hinabzusehen.
»Ich meine immer, was ich sage. Hältst du's nicht auch so? Es kann für einen redlichen Mann nicht sonderlich schwer sein, mich zu verstehen. Übrigens: dein Hofhund ist ein Jagdhund, er taugt nicht für die Kette.« 141
»Ich weiß,« stammelte der Pächter verstört, »er ist mir zugelaufen.«
»So dachte ich's mir. Der Hund läuft dir zu, da werden dir auch die Hasen zulaufen und alles das, hinter dem solch ein Hund her ist. Nicht?«
Der Bauer stand wie ein Verurteilter; sein unbeholfener Mund fand keine Widerrede.
Jetzt gebot der Fahrende: »Du wirst mir einen guten trockenen Stall für meine Tiere geben. Für einige Tage nur benötige ich ihn. Bezahlen werde ich nach meinem Rang und Stand.«
Jetzt faßte sich der Pächter. »Der Stall ist voll,« klang es mürrisch.
»So wirst du Platz machen! Es muß ohnedies bei dir da oben bald Platz geschafft werden. Hast du eine Wiege?«
Das einfältige Gesicht des Gefragten wurde fast zur Fratze. Stammelnd klang's: »Ja, kommt sie denn wieder? Woher wißt Ihr denn? –«
Der Schwarze biß sich auf die Lippen. Immer, wenn er am wenigsten wußte, klang ihm diese Frage entgegen. Gehalten sagte er: »Woher? fragst du? Nun – dorther, woher alle Wissenden wissen. Glaubst du, ich sei wie die Narren, aufs Fragen und auf der Narren Antworten angewiesen?«
Der Pächter schüttelte langsam den schweren 142 Kopf. Etwas Hoffnungsloses hatte diese Gebärde, so, als gebe es der Mann auf, sich über Undurchdringliches länger zu besinnen. Schwer sagte er: »An der Wiege hätte es nicht fehlen sollen. Das Weglaufen war ihr dümmster Streich. Hat sie Euch gesagt, daß sie wieder kommen wolle, wenn ihre Stunde da ist? –«
Es arbeitete hinter des Fahrenden Stirn. Tastend und vorsichtig, wie man Dorngeranke entwirrt und auseinanderbiegt, antwortete er: »Mir ist, als hätte ich sie sagen hören, sie wolle zu ihrem Vater.«
»Gott verhüt's,« entfuhr es dem Pächter, »sie ist zu jung zum Sterben.«
Der Schwarze zuckte die Achseln: »Auch die Jungen, die Kräftigen machen es oft nicht durch.«
Der Bauer nickte trüb. Sein Blick ging hinüber nach der Linde, unter deren flammendem Blätterdach, vom gilbenden Laub wie mit Gold überstreut, eine kleine hölzerne Bank stand. Um des Fremdlings Mund spielte leise Ungeduld. Aber rasch meisterte er diesen schlimmsten Feind des Erkennenwollenden. Er wußte zu gut, daß die Derben und Schwerfälligen vom Schlage dieses Bauern sich nicht mehr vorwärtstreiben lassen, wenn sie erst einmal an etwas stutzig geworden sind. 143
Er lächelte und deutete nach dem Baum. »Dort könnte in Sommertagen die Wiege stehen.«
Der Pächter hob den Kopf. Er fand sich nun schon damit ab, daß dieser Schwarze auch das Ungesagte und Verborgene wußte.
»Zwillinge lagen darin,« sagte er schweren Tons, so daß man ein Leid daraus hörte.
»Zwillinge sind hart für ein Weib,« kam es leise zurück.
Der Pächter fuhr sich übers Gesicht, als trockne er Schweiß ab. »Sie hätte es geschafft,« klang es heiser, »aber das Fieber! Das Fieber nahm sie nach sechs Wochen. In jedem Arm liegt ihr ein Büblein.«
Des Fahrenden Lippen preßten sich zusammen. Über einen steilen Berg dunklen Menschenleides schaffte er sich schweigend hinüber, ehe er sein tastendes Vorwärtsdrängen wieder aufnahm. Seine Blicke hingen an dem Baum. Tot war das Weib. Wer mochte die Entlaufene sein? – Murmelnd kam's: »Die Zweite ist selten was die Erste.«
Der Pächter nickte. »Denk's auch. Ich mag keine mehr nehmen.«
Jetzt lachte der andere. »Verzeih! Ich sprach von der Bienentracht. Es schwirrt noch in deiner Linde und ist doch nichts mehr zu holen.« 144
Auch der Bauer lachte kurz. »Meinte, Ihr wolltet mir raten, kein zweites Mal zu freien.«
»Ich rate nie, wenn man mich nicht fragt,« entgegnete der Schwarze und ging zu seinem Gespann. Dort ließ er sich den Affen auf die Schulter klettern und kehrte sich zu dem Pächter: »Zeige mir jetzt den Stall!«
Sichtbar widerwillig und mit verfinstertem Gesicht tat der Bauer ein paar Schritte. »Der Schafstall wäre leer,« sagte er zögernd.
»Zeigen!« klang kurz der Befehl.
Es war ein niedriger Raum mit wenig Licht und stickiger Luft. Der Fahrende warf kaum einen Blick hinein. »Du bist wohl des Teufels!« sagte er barsch.
Er tat jetzt selbst eine Türe auf. In den Kuhstall war er geraten. Das erste, was ihm in die Augen fiel, waren Hasenbälge, die aufgespannt in einer Ecke hingen. Er verbiß ein Lächeln. Kurz streifte sein Blick den wegschauenden Pächter. Dann streichelte er den mageren Kühen die Flanken und redete in einer fremden Sprache mit ihnen.
Leise und untertänig kam jetzt des Bauern Frage: »Wäre es Euch hier recht?«
Der Fahrende ging ohne zu antworten hinaus auf den Hof, schirrte den Gaul aus und führte ihn in den Stall. Dann sprach er mit dem Affen, und 145 der nahm sichtlich verdrießlich Platz auf seines Kameraden Rücken.
Schüchtern trat der Pächter her, das Tierlein zu bestaunen.
»Rühre ihn nicht an,« gebot streng der Schwarze, »er riecht, was an den Händen klebt. Seine Zähne sind spitz und scharf.«
Der Affe fletschte die Zähne, als hätte er die Rede verstanden.
»Laß auch deinen Knecht nicht an die Tiere –«
»Der ist fort,« fiel der Bauer ein, fernen Zorn in der Stimme, »er hat Angst, weil es heißt, die Welschen seien nicht weit.«
»Nun ja,« entgegnete der andere, »es ist nicht jeder zum Helden geboren. Aber auch deine Magd –«
»Ihr sagtet doch, daß Ihr sie draußen getroffen habt,« entfuhr es verwundert dem Bauern.
Unwirsch fragte der Schwarze: »Ist es dein Brauch, daß du einem fortwährend in die Rede fällst? Wann lief sie weg? War's nicht an Mariä Geburt?«
»An Bartholomä war's.«
»Du hast recht.« Des Fahrenden Blick ging nach den Hasenbälgen. »Die großen Herren jagen in den Wäldern. Den Bauern kostet's seinen Kopf, 146 wenn er heimlich mittut. Da sucht er sich den Spaß bei seiner Magd.«
Verständnislos, ja blöd schaute der Pächter drein. Es war leicht zu merken, daß des anderen Rede weit daneben gegangen war.
Der Schwarze wandte sich ab. Seine Hand strich über des Gaules Hals. »Von wem trägt sie das Kind?« fragte er jetzt geradezu und in einem Ton, als sei er zum Richter berufen.
Der Pächter stammelte: »Hätte sie mir geglaubt! Ich hab ihr gesagt, daß der Christian ein Lump ist und wenn er auch mein Bruder ist. Es kann keiner für seinen Bruder. Aber bei den Soldaten werden sie ihm die Mucken wohl austreiben.«
»Ja,« klang es hart, »wer den Pflug verachtet, den frißt das Eisen.«
Der Bauer lachte ein wenig. »Pflug – vom Pflug hat der Faulenzer sein Lebtag nichts wissen wollen. Mit dem Schäferkarren draußen sein, das war seine Sache. Bis ihm auch das entleidet war. Dann ging's der Trommel nach. Jetzt läuft sie hinter ihm her und will ihm sagen, was der doch nicht wissen will. Finden tut sie ihn nicht. Der will sich nicht von ihr finden lassen. Ich hätte sie behalten, auch mit dem Kind. Die Marie ist keine Schlechte.« 147
Der Schwarze hörte mit undurchdringlichem Gesicht zu. Das alte Spiel, das er so oft genossen, spielte sich auch jetzt wieder ab: Daß die anderen sich desto gründlicher enthüllten, je mehr er die eigenen Hüllen um sich zog. Daß ihre Geheimnisse hochstiegen wie Wasser in der Röhre, wenn er nur einen Versuch machte, zu saugen.
Jetzt bellte draußen der Hund.
Die Männer traten aus dem Stall. Den Schleifstein schiebend, sein kleines Weib hinter sich, bog der Scherenschleifer in den Hof ein. Mit großen ungläubigen Augen starrte der Pächter ihnen entgegen. »Des Mesners Sabine,« sagte er tief verwundert und das Weib nicht aus den Augen lassend.
Mit einem unechten Lachen fragte der Scherenschleifer: »Und mich, den Rist, kennst du nicht mehr?«
Der Bauer fand nicht schnell die Antwort. Da sagte hinter ihm der Fahrende: »Siehst du, Pächter, daß man die Wiege jetzt braucht?«
Ungeschlacht wie ein Klotz stand der Bauer. Er verstand nicht mehr, was man eigentlich von ihm wollte. »Die Marie meinte ich – –,« stieß er hervor.
»Erst die Sabine,« entschied der Schwarze.
Da fragte das Weib, und eine zitternde Angst, 148 vielleicht schon ein erster rasender Schmerz lag in der armen Stimme: »Hast eine Wiege, Jakob, hast ein Bett?« Und sie krümmte sich leise.
Die drei Männer schauten sich stumm an. Vielleicht dachte der Scherenschleifer, es müsse ein ganz Großes um den Weg sein, wenn sein scheues, schüchternes Weib selbst das Wort nehme.
Der Bauer meinte wohl, es sei ein schwerer Ernst, wenn des Mesners Sabine, die einmal etwas ganz anderes gewesen war als eines Scherenschleifers Weib, ihn, den armen Pächter, um Bett und Wiege angehen müsse.
Der Fahrende aber ahnte wahrscheinlich, daß das Große und das Ernste schon sehr nahe war.
Vielleicht aber auch konnten sie alle drei gar keine richtigen Gedanken mehr haben, weil schon die kühlen Flügel des Gottesengels, von denen der eine Leben ist, der andere Tod, über der Gebärenden rauschten.
Eine, oder waren es zwei? – ja, waren es drei Stunden danach? – da beschrie in einer Kammer auf dem windigen Hof ein neugeborener Mensch die ärmlichen Wände.
Jakob, der Pächter, schleppte her, was er tauglich fand für Windeln. Der Scherenschleifer hielt seinen Knaben in den Armen und sah dabei aus 149 wie ein Aprilentag, an dem die Sonne ins Schneegestöber scheint und der Schnee in den Sonnenschein stöbert.
Nebenan aber, in dem großen Bett mit dem rotgeblümten Vorhang, in dem gleichen Bett, in dem vor etlichen Jahren die Zwillinge zur Welt gekommen und wieder aus der Welt gegangen waren, lag totenblaß und kalten Schweiß auf der Stirne das junge Weib und sah mit merkwürdig gläubigen Augen auf den fremden Mann, dessen Kunst ihr treu und stark beigestanden war, als die furchtbaren Stunden wie wilde Würger über sie herfielen.
Wie den Heiland selbst schaute sie ihn an, und wenn ein Schmerzenschauer ihren zarten, zermarterten Leib schüttelte, dann barg sie ihre kleinen feuchten Hände in seinen großen und wurde ruhig.
Manchmal zuckte, wie die Flammen nach gelöschtem Brand, die Qual noch einmal auf, dann sprach der Mann ein leises Wort, und wie unter einer Beschwörung ging das Böse vorüber.
Trug er nicht einen goldenen Schimmer um seinen dunklen Kopf? – So sah ihn das Weib, ehe sie erschöpft und zufrieden in Schlummer fiel.
Die Männer aber, die wagten sich nicht an den Fremdling heran. Seine Arztkunst umwitterte ihn wie etwas Unheimliches. 150
Jetzt wusch er sich im Tränkkübel der Kühe die Hände und schüttete das rotgefärbte Wasser hinter den Gartenzaun. Den Kübel reichte er dem Pächter hin. »Sind meine Tiere getränkt? Noch nicht? –Schaff mir Wasser her!«
Wie ein Gescholtener ging der Bauer.
Drinnen im Stall legte der Fahrende den Kopf ans Gebälk in tiefster Erschöpfung. Ein Ächzen entwand sich seiner Brust.
Der Gaul wieherte leise auf. »Wieder einem ins Leben verholfen, Prometheus,« sagte der Benommene, sich gewaltsam ermannend, »wie wird er es nützen? Ein Druck meiner Hand hätte ihm das Tor zur Welt verschließen können.«
Der Affe grinste.
»Bestie,« murmelte der Mann und schlug nach ihm.
Jetzt kam der Pächter mit dem Wasser.
»Ist es rein?« fragte der Schwarze kurz und nahm den Kübel. Lange blickte er prüfend hinein. Der andere wurde zuletzt unruhig.
»Ein Gehängter hat sich darin gespiegelt,« sagte der Fremdling streng und goß das Wasser aus.
Ohne Widerrede verschwand der Pächter mit dem Kübel.
Der Fahrende streichelte seine Tiere. »Er meint, 151 der Ententümpel sei gut genug für euch. Ich muß ihn kurz halten, diesen Bauern, wenn er auch keiner von den schlimmen ist. Maja, du wirst ihm den Stolz zeigen, solang ich weg bin.«
Er ging aus dem Stall und sah noch einmal nach der Wöchnerin. Die aber lag in tiefem Schlaf und hatte ein Kindergesicht. Eine wiedergekehrte Unschuld schien über sie ausgegossen, seit aus dem Weib eine Mutter geworden war.
Scheu blickte der Pächter hinter dem Fahrenden her, als der durchs Tor und feldein schritt.
Hatte ein Mensch, ein Engel, ein Teufel Einkehr gehalten auf dem windigen Hof? – 152