Ludwig Tieck
Der fünfzehnte November
Ludwig Tieck

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Der Wagen war angespannt, um den Kapitän in die Stadt zu führen, der dort alle seine Angelegenheiten in Ordnung bringen wollte, um alsdann in Ruhe der Familie seines geliebten Freundes leben zu können. Die beiden Alten standen auf dem glänzenden Vorsaal und hielten sich eng umschlossen, und Thomas sagte: »Siehst du, Jahn, wir weinen nun beide vor Freude wie die dummen Jungen. Nicht wahr, Seelen-Jahn, du bist niemals böse gewesen, wenn ich dich so oder Jude oder dicker Tölpel geheißen habe? Du weißt, ich habe nie die gezierten Redensarten, auch niemals die Weichherzigkeit ausstehn können; wenn ein Mensch so wie gedruckt spricht, so wird mir's ganz übel im Leibe, und da fällt so ein Seekalb, wie ich, leicht ins Grobe und Täppische. Das Grobsein liegt mir dann oft wie ein Harnisch um mein närrisches Herz, wenn das läppische Wesen gerade in der besten Erhabenheit und Wehmut zappelt. Ach! Jahn! Jahn! wir wollen selige Jahre durchleben, wenn du mir nur nicht den Streich spielst und dich nach der Ewigkeit hinüber aus dem Staube machst.«

»Auch du, liebe, treue Seele, mußt ja bei uns bleiben«, antwortete Jahn und gab ihm noch einen herzlichen Kuß; »ich bin in deiner Freundschaft so glücklich, wenn nur der Fritz – doch fahre die Sorge hin; es ist nicht zu ändern. Aber, daß du die Heirat nicht mehr wünschest, zu der ich nun seit zwölf Jahren alle meine Gedanken zurechtgelegt und alle meine Wünsche da hineingeflochten habe, – –«

»Laß gut sein«, rief Thomas; »wollen wir nicht dumm sein, wenn das goldene Mädchen so klug ist. Ich liebe sie wie meine Tochter; heiratet sie noch einen braven Jungen, so bekommen ihre Kinder alles, was ich habe – – Ach Gott! ach Gott! wie ist das zum Erbarmen!«

»Was gibt's?« fragte der Hausherr besorgt.

»Ach«, heulte der Seemann weiter, »daß dein Fritz – – daß – ei, was hätte das vergnügte Tage gegeben! Doch Gott muß das auch besser verstehn, als wir naseweisen Laffen, die wir so oft wie Hanswurst in alle Töpfe gucken wollen und darüber am Ende gar in den Wurstkessel fallen, wie ich einmal in Sizilien habe spielen sehn.«

Die Frau und Tochter kamen heraus, beide küßte der Kapitän recht herzlich, und dann fuhr er fort, ohne sich wieder umzusehn, nach Amsterdam.

Als der Vater die breite Treppe hinabgestiegen war, um dem Wagen noch nachzuschauen, kam Fritz ermüdet herauf und begab sich mit den beiden Frauen in das Zimmer, um auszuruhen. »Du wirst immer fleißiger«, sagte Elisabeth freundlich zu ihm. – »Muß wohl«, antwortete er, »kommt immer näher.« – »Was?« – »Das, das, – das, was kommt.«

Er ging langsam und auf den Zehen auf Elisabeth zu, indem er ihr starr auf das Gesicht blickte. – »Blut! Blut!« sagte er stürmisch. – Elisabeth trat vor den Spiegel, wischte mit einem Tuch die Tropfen ab und entdeckte am Kinn die Ritze, worauf sie mit Lachen sagte: »Ja, Freund, als ich vorher durch den Garten kam, lag deine Mus schon wieder auf dem Anstand unter einem Baume, schmal wie eine Schlange und nach den Vögeln oben hinaufschauend; der schwarze Mustapha kam schon um die Ecke und wollte sie packen und zausen, worauf ihn der Vater abgerichtet hat, wenn sie sich im Garten betreffen läßt; da nahm ich Mus schnell auf den Arm, damit ihr nichts geschehen sollte, sie erschrak aber, hielt mich vielleicht für den Mustapha und hat mich ein bißchen mit der Patte und den feinen Nägeln gekratzt.«

Fritz besah die Schramme noch einmal genau, dann schüttelte er sehr bedenklich mit dem Kopfe und sagte langsam: »Mus – Mus? Hab' sie so lieb – und gerade dich! – Nägel beschneiden.«

Er ging fort, und die Mutter und Tochter stellten sich an das Fenster. Unten im Flur auf der Treppe saß die glänzende weiße Katze; Fritz nahm sie auf, hielt sie dicht ans Gesicht und sagte: »Du auch? kratzen? böse sein? und die Else! – Wenn noch Mustapha, – oder Vater« – Er nahm eine kleine Schere, drückte die eine Pfote der Katze gelinde, um die Klaue herauszupressen. Die Katze sträubte sich bescheiden und, als ob sie seine Absicht verstände, maute in einem kläglichen, gedehnten Tone. – »Ja, nun bitten«, sagte Fritz; »– versprechen, besser sein? ja?« Die Katze schien zu antworten; er küßte sie auf die Stirn, streichelte sie zärtlich und setzte sie dann langsam und vorsichtig auf den Boden; sie schmeichelte und drückte sich an seine Beine, indem sie freundlich spann und wedelte. Fritz sah ihr eine Weile zu, dann faltete er wie in Andacht die Hände, sah nach dem Himmel und wieder seufzend auf die Erde, indem er vor sich hinsagte: »Katz' ist Katz', weiß Fell, versteht mich, mir gut; Else nicht mehr: ich auch kratzen, mit Beil. Ach Gott! Vater böse, Mutter weinen, Else nicht leiden mich – nur Mus und Gott übrig.« – Hierauf ging er wieder nach dem Garten, um selbst in der Dämmerung noch zu arbeiten.

Die Mutter hatte den Sohn nicht so genau beobachtet, aber Elisabeth war tief erschüttert. »Wird es dich nie gereuen, mein Kind«, fing Susanne an, »unsern Freund abgewiesen zu haben? Und wenn ich, der Vater und der Kapitän einmal tot sind, was wird alsdann dein Leben sein, wenn du gar nicht heiratest, wie du neulich so bestimmt erklärt hast?«

»Liebste Mutter«, sagte das Mädchen in der höchsten Bewegung, »haben Sie Ihren Sohn, Ihren leiblichen, Ihren einzigen und unglücklichen Sohn vorher gesehn und beobachtet? Ihm ist die Welt ausgestorben, er wird keinen Freund finden, keine Zärtlichkeit, kein Wesen, das ihm seine Zeit und Bestimmung, ach, nicht einmal sein Vergnügen opfert. Sind Sie einmal gestorben, so fiele er in die Hände eigennütziger Verwandten, deren Charakter, deren Absichten ich Ihnen nicht zu schildern brauche. Er müßte vielleicht neben andern Unglücklichen in einer öffentlichen Anstalt verschmachten, wo sein Herz wohl ganz verwilderte; und wer bedarf der Liebe, der Fürsorge mehr, als er? Mutter, wenn ich, wie es doch der Lauf der Natur ist, Sie überlebe und lange überlebe, werden Sie es mir nicht, wenn Sie von oben herabschauen können, danken, wenn ich Ihrem Kinde bis in mein hohes Alter hinauf Mutter, Verpflegerin, Versorgerin bin?«

»Kind! Mädchen! o Gott!« rief die Mutter auf das tiefste erschüttert, »das könntest du? diese hohe Liebe wäre dir in deine menschlichen Gedanken gekommen?«

»Ja, Mutter«, sagte Else, jetzt nicht mehr weinend; »das war mein fester Vorsatz, seit ich zur Besinnung gekommen bin, seit ich denken kann. Und wenn ich heiratete, auch den besten Mann, auch den Thomas, den herzlichsten Freund von Ihnen und unserm Vater, so könnte ich doch nicht mit der Sicherheit versprechen, nur für die Wohlfahrt, für das noch mögliche Glück unsers Fritz einzig zu leben. Sie sehn, wie kein andres Wesen so vielen Einfluß auf seine Laune, auf seine Heiterkeit hat, als ich; Sie kennen aber auch seine Heftigkeit; wenn ich ihn so bewache, ihn so tröste und beruhige, wie ich es mir zur Pflicht festgesetzt habe, so kann ich wohl verhüten, daß der Ärmste nicht gar ein Mörder wird, ein Elender, den die rohe, scheltende Welt dann einen Bösewicht nennen würde.«

»Elschen!« sagte die Mutter, »du bist mir immer wie ein künftiger Engel erschienen, und jetzt ist mir, als hätt' ich dich dazu einkleiden sehn. – Aber weißt du auch gewiß, mein süßes Kind, daß du den Armen nicht mit einer wahren Leidenschaft liebst? Und daß du bei dem Jammer dann nicht wirst zu Grunde gehn?«

»Liebste Freundin«, antwortete Elsbeth mit aufgehobenem Blick, »sein Sie ganz ruhig, ich liebe ihn, gewiß, aber ebenso gewiß nicht mit jener Liebe, die die Menschen gewöhnlich meinen, wenn sie das heilige Wort nennen, denn diese Empfindung wäre hier Frevel und Sünde, und mein Herz müßte zerbrechen. Soll es denn nur diese eine Liebe geben? Ist unser menschliches Herz denn wirklich so arm? Ich will auf meinem Wege meine Wallfahrt zu dem heiligen Grabe beginnen, wo doch auch nur Steine für die glaubende Liebe angetroffen werden, und Sie und der Vater, auch unser Freund Thomas werden mich mit der Zeit verstehn; vielleicht unser Fritz tief, tief in seinem Innersten, ohne daß er es selber weiß. ›Ich liebe dich‹, sagen in unsrer dumpfen Rätselsprache Millionen zu Millionen, und wenn die Blume sich zur Sonne neigt, das Auge des Tieres für die Gabe dankt, Kinder spielen und lachen und der arme Bettler über den unerwarteten Silbergroschen entzückt ist, da sehn sie die Liebe nicht. Ach! der Kranke, der linde gepflegt wird, der Weinende, der milden Trost empfängt, die darbende Mutter, deren Kinder genährt werden, sie verstehn das Wort Liebe oft, sehr oft meist besser, als jene mit roten Wangen, die es in der Leidenschaft aussprechen, es vergessen und nachher verspotten.«


So war der Sommer und auch der Herbst in gleichförmiger Beschäftigung vergangen. Thomas war noch in Amsterdam, wo er mit der Kompanie abrechnete, seine Waren verkaufte, über sein Schiff verfügte und für Bootsmann und Matrosen sorgte. Je kürzer die Tage wurden, je fleißiger wurde Wilhelm, so daß er jetzt auch in den Nächten bei Mondschein oder einigen Laternen arbeitete. Sein Schiff schien ganz fertig, indessen fand er noch vielerlei zu beschaffen und war so thätig, bald hier, bald dort, auch im Hause und Garten, daß er kaum die Zeit finden konnte, zu Tisch zu kommen.

Der Tag kam näher, von dem die Mutter wußte, daß der Vater an diesem vorzüglich trübe und verdrüßlich war, nämlich der fünfzehnte November, der Geburtstag seines unglücklichen Sohnes. Dieser Tag ward im Hause niemals gefeiert, ja die Mutter erwähnte seiner nie, um die bittre Laune des Vaters nicht noch mehr zu reizen. Sie selbst aber und auch Elisabeth schwiegen gegeneinander, weil sie nicht wußten, auf welche Weise sie die Geburtsstunde des Unglücklichen, so daß es ihm festlich und erfreulich sei, begehn könnten. Der Vater betrachtete aber den Sohn aufmerksamer, als er wohl sonst zu thun pflegte, denn es war auffallend, wie er blasser und viel magerer wurde, auch bekam sein Auge einen andern Ausdruck, so daß man wohl einen Ansatz zur Auszehrung befürchten oder vermuten durfte. Die Mutter hatte diese Veränderung auch beobachtet, und sie war selbst ängstlicher darüber als der Vater, doch war es schwer, mit dem Sohne zu sprechen, der gefragt keine oder nur unverständliche Antworten gab. Man beschloß, den Arzt, den Freund des Hauses, zu rufen. War der Sohn ernster und nachdenkender, als er sonst jemals sich zeigte, so war er dafür auch rascher und behender, und seine gewandte Thätigkeit, seine bewegliche Unruhe, sein Hin- und Herlaufen, Tragen, Suchen, vom obersten Boden bis in den Keller hinab, gab ihm öfters das Ansehn eines Gesunden, insofern der melancholische und stumpfe Ausdruck, der sein schönes Gesicht entstellte, jetzt fast ganz verschwunden schien.

»Morgen!« seufzte Elisabeth und sah die Mutter bedeutend an; »welcher Tag der Freude müßte dieser uns allen sein, wenn uns der Himmel diesen Segen gegönnt hätte.«

»Ich gestehe dir«, erwiderte die Mutter, »ich bin mehr bekümmert, als ich nur je gewesen bin, denn manchmal ist es, als wenn alle Fugen des Lebens in mir nachlassen wollten. Ich werde meinem Manne vorschlagen, daß wir wieder nach der Stadt ziehn. Das Geräusch der Gasse, der Besuch der Nachbarn, die Kanäle vor uns, die Häuser gegenüber sind doch tröstlicher als diese stille Einsamkeit hier, in der finstern, kalten Novemberluft.«

»Aber sehn Sie«, rief Elisabeth, »die Luft ist auch wirklich heut' von so sonderbarer Beschaffenheit, der Himmel so gefärbt, wie ich kaum noch gesehn habe. Die Wolken treiben schwer und niedrig, und ein bleichgelber Schimmer leuchtet seltsam hernieder. Die Sonne kann nicht durchdringen, und doch ist ein wunderliches Licht auf den Bäumen und dort auf den weit hinabfließenden Kanälen, die man jetzt deutlicher steht, weil die Bäume ihre Blätter verloren haben.«

»Es pfeift in der Luft«, erwiderte Susanne, »als wenn sich ein Orkan meldete. Mich dünkt sogar, ich hätte einen fernen Donner vernommen.«

»Was sagt ihr zu diesem sonderbaren Wetter?« sprach der Vater, indem er in den Saal trat. »Ich fürchte, ein Sturm wütet auf der See, und wir werden nächstens von großem Schaden hören; ein höchst seltsames, ängstliches Licht streift durch den Himmel, und die Luft ist dabei so schwer und liegt so still, daß das Herz erbangt. Man möchte glauben, so müsse es vor einem Erdbeben sein.«

Als sie in den Garten hinabstiegen, begegnete ihnen der Sohn. Er sah auch den Himmel bedenklich an, und der Vater, der ihn sonst nicht leicht anredete, sagte zu ihm: »Ein kurioses, angsthaftes Wetter.« – »Ja«, erwiderte Fritz ganz freundlich, »da sitzt es, Mus.« – Er wies auf seine Katze, die sich still in einen Winkel zusammengekauert hatte, sich nicht bewegte, die Augen fest zudrückte und nur zuweilen, kaum bemerklich, aus einer ganz schmalen Ritze verdrüßlich hervorblickte. »Da«, sagte Fritz, indem er hinwies, »so macht der Himmel heut' auch Gesicht, Mus verständig.« – »Würdest du uns wohl, liebster Fritz«, fragte Elisabeth mit der größten Freundlichkeit, »morgen nach Amsterdam begleiten? Dein Boot ist ja auch fertig.« – »Fertig!« rief Fritz, indem er freudig aufsprang – »morgen Nacht ich in Stadt – in meinem Bett schlafen – ach! Gottlob!« Er lachte, drückte dem Mädchen die Hand und lief springend und jauchzend nach seinem Boot.

Um Mittag wurde es so finster, daß man Licht anzünden mußte. Die Familie beschloß, gleich am folgenden Morgen nach der Stadt zu ziehn, da man jetzt auch überzeugt sein durfte, daß der Kranke sich darein finden würde. Die Dienerschaft wurde schon heut' vorausgeschickt. Als es später wurde, schien sich das Wetter wieder etwas aufzuklären, doch glaubte man zuweilen fernen Donner und Windstöße zu hören. In der Nacht wurde es stiller, und alle gingen beruhigt zu Bett, nur Fritz blieb, wie er seit kurzem sich angewöhnt hatte, wach und im Freien.

Gegen Morgen wurde der Vater munter und unruhig, denn ihm kam es vor, als triebe sich jemand im Hause und in seinen Zimmern umher; er hörte poltern und Fußtritte, warf hastig den Schlafrock über und eilte hinauf. Zu seinem Erstaunen fand er seinen Sohn, der beim Schein einer Laterne herumkramte. »Was gibt's?« fragte er; der Sohn beugte sich eben nieder, um den schweren eisernen Kasten, in welchem sich wichtige Dokumente und eine große Summe in Gold und Silber befand, aufzuheben. »Bist du ganz rasend?« rief der Vater, »laß stehn! und welche Anmaßung, den Kasten zu tragen, den zwei Menschen nicht erheben können.« – »Höchste Zeit!« rief Wilhelm, hob den Kasten und trug ihn, mit Anstrengung zwar, aber doch leicht aus dem Zimmer. »Anziehn! schnell! auch Mutter und Elsbeth!« rief der Jüngling in der Thür, und der Vater hörte, wie er in Absätzen und sich Augenblicke verschnaufend, die ungeheure Last die Treppe hinuntertrug. Der Verwunderte ging in das Schlafzimmer zurück, wo er die Mutter schon angekleidet fand. »Weißt du?« fragte er. – »Was?« erwiderte sie. – »Der Sohn«, antwortete er, »trägt eben den größten Teil meines Vermögens hinunter in den Garten, wie ich glaube, in sein Schiff; er ist heut' mit seinen Riesenkräften wie besessen; was fangen wir an?« Indem kam Fritz schon wieder. »Angekleidet!« schrie er; »und wo ist die Else?« Er stürmte wieder hinweg und die Treppe hinauf, doch Else kam ihm schon in vollem Anzuge aus ihrem Zimmer entgegen. »Mantel um!« rief der eilige Fritz, dessen Gesicht noch von der ungeheuern Anstrengung glühte. »Was gibt es?« fragte das Mädchen. – »Zu Schiffe gehn!« sprach Fritz, indem er wieder forteilte, um Anstalten zu treffen.

»Himmel!« rief der Hausherr, der ein Fenster geöffnet hatte, »laßt uns eilen, das Wasser tritt in den Garten, ein Damm ist wo gerissen.« Die drei Menschen, der alte Diener, alles lief durcheinander. »Das Wasser kommt zum Schiff!« rief Daniel, »Nehmt um Gotteswillen«, rief der Vater, »was ihr braucht, denn wir wissen nicht, was aus der Sache werden kann.«

Man lief schnell durch alle Zimmer, man steckte Papiere ein, man wickelte Sachen in Bündel, Schlüssel wurden abgezogen, und schon hörte man aus der Ferne ein verworrnes Getöse, ein dumpfes Geschrei, Stimmen durcheinander, die immer bestimmter und deutlicher wurden.

Sie standen unten, und schon war das Wasser eingedrungen, Fritz sprang ihnen entgegen und nahm Else wie ein leichtes Wickelkindchen auf den Arm, rannte durch den Garten, indem ihm das Wasser schon über die Knöchel ging, und setzte sie in seinem Boote ab. Dann kam er zurück und trug ebenso die Mutter in sein Schiff. Der Vater, als er sich diesem nahte, verweigerte diese Hülfe. Mit Daniel stieg der Alte ein, und Fritz schwang sich ihnen behende nach, indem er ein langes, starkes Ruder ergriff. Es währte nicht lange, so hob sich das große Schiff ganz von selbst, Wilhelm lenkte es, und als sie hinschwammen und den Garten verließen, sahn sie das Wasser, weil das Landhaus in einer Niederung lag, schon durch die Thür und die untern Fenster in die Zimmer dringen. Ein lautes Bellen ertönte, und Mustapha, der vergessen war, schwamm ihnen nach, sprang in das Schiff und stäubte, prustend und umherspringend, das Wasser von sich.

Alle waren noch wie betäubt, nur Fritz war ganz munter und besonnen. »Nicht wahr?« fragte er lachend; »Schiff hilft gut?« – »Arme Mus! arme Mus!« rief Elisabeth plötzlich; »lieber Fritz, wir haben deine Katze vergessen!« – »Nichts vergessen«, antwortete Fritz, »da dein Papagei, da drinnen, und hier« (indem er auf einen Kasten wies) »mein Muschen.« – Er öffnete, nahm das Tier auf einen Augenblick heraus, das noch immer nicht munter und lebendig war, streichelte es, legte es wieder in die Kissen des Korbes und begab sich dann von neuem an seine Arbeit.

Jetzt geriet man auf das Feld. Keine Landstraße war mehr zu erkennen. Allenthalben die größte Angst, Laufen, Getümmel, einer rannte an den andern; jeder suchte die Höhen zu gewinnen; von den Häusern, die unten lagen, und deren Bewohner sich nicht mehr hatten retten können, saßen die Bewohner oben auf dem Dach oder sahen mit Bekümmernis und bleichen Angesichtern aus den Bodenfenstern.

Ein Wind erhob sich, kräuselte erst und erregte das Wasser dann heftiger, so daß mit der zunehmenden Strömung, die entgegenrauschte, die Wellen oft über das Boot schlugen. Fritz winkte, daß sich alle unter das Verdeck begeben sollten, und in demselben Augenblick schrie er laut auf, denn in einiger Entfernung watete Barnabas schon bis über die Hüften im Wasser. Fritz steuerte ihm nach, und Elisabeth kam hervor, bat, schlug die Arme um seinen Leib, weil sie von der Wut des Jünglings das Gräßlichste fürchtete, der seinen Todfeind jetzt so nahe vor sich hatte. Fritz wehrte sie gelinde von sich ab und suchte den Elenden, der sich im tiefen Wasser nur langsam entfernen konnte, zu erreichen. Plötzlich wurde es dunkler, und der stürmende Wind setzte um, dem Barnabas wurde sein Hut vom Kopf gerissen und weit hinweg geweht; Elisabeth bat noch immer, aber das Boot schoß, von großer Kraft getrieben, vorwärts, Barnabas war eingeholt, der Jüngling stemmte das gewaltige Ruder, und der Rotkopf war zwischen diesem und einem Weidenbaum, der nur noch mit der obern Hälfte aus dem Wasser ragte, eingefangen. Fritz beugte sich weit aus dem Nachen, faßte den vor Angst und Frost mit den Zähnen Klappernden oben beim Kragen seines Rocks und schwang ihn sich über das Haupt hinweg, so leicht wie einen Vogel, in das Schiff. Jetzt zitterte Else und war überzeugt, daß etwas Abscheuliches geschehn würde. Aber Fritz lachte ihr freundlich ins Gesicht und warf den Durchnäßten in die Kajütte auf Betten und Polster hin, die er in der Nacht schon vorsorglich dahin geschafft hatte. »Trockne dich!« rief er. »Anziehn, was da liegt! Auch Wein trinken! Habe alles dahin gelegt.«

Elisabeth sah ihn groß an, Barnabas machte Miene, dankbar niederzuknieen, und schnitt ein so erbärmliches Gesicht, daß Fritz-Wilhelm laut auflachen mußte. Er steuerte hierauf nach der nicht fernen Hütte und nahm die heulende Mutter des Rothaarigen mit in sein Schiff.

Jetzt sah man schon andre Boote umherschwanken, Bretter kamen entgegengeschwommen, Hausrat, selbst Pferde und Kühe, die die Anhöhen suchten, schreiend erklimmten oder wieder in die Strudel zurücksanken. Auf Flößen kamen Menschen mit ihren Habseligkeiten, alles winselte, schrie und arbeitete, sich in allen Richtungen bewegend.

Vom nahen Pfarrdorfe her, welches höher lag, war alles unterwegs, um die Höhe zu erreichen und dort Schiffe zu erwarten. Man sah den Domine, den sein großer Knecht aufgehuckt hatte und ihn so forttrug. Als der Domine das Fahrzeug gewahr wurde, grüßte er so ehrerbietig, als er in seiner reitenden Stellung konnte, und bat, aufgenommen zu werden, welches ihm auch sogleich mit Freundlichkeit bewilligt wurde. Er stieg vom Knecht auf das Schiff, und dieser nahm auch seinen Platz darauf. »Eine schwere Heimsuchung«, sagte der Domine, »die ich doch, soviel ich weiß, durch nichts verschuldet habe. Nur gut, daß Frau und Kinder schon seit einigen Tagen in der Stadt sind.«

Sowie man über die Kanäle, Landstraßen und Wege fuhr, die man nirgend mehr erkannte, kamen mehr Fahrzeuge, Fähren mit Menschen und Vieh entgegen. Das Geschrei, das Geheul wurde größer, ganze Herden sollten in kleine Kähne getrieben werden, doch viele Kälber und Schweine, Kühe und Pferde ersoffen. Jeder Kahn, der vorüberfuhr, mochte er auch noch so angefüllt sein, wurde angerufen, manche wollten in den überladenen mit Gewalt steigen. Man stieß sie schreiend und schimpfend zurück. Ein andrer Kahn wurde so mit Gewalt erobert und schlug mit allen um. Man konnte nicht abwarten, wieviel gerettet, wieviel ertrunken waren, so hatte die Flut jetzt das Boot ergriffen. Sowie die Not und dringende Gefahr die Menschen aller Zeremonien und äußern Sitte entbinden, so erscheinen sie gräßlich, denn die Selbsterhaltung macht sie wilder und roher als das Tier; um so edler aber und übermenschlicher zeigt sich der Helfende dann, und diese Empfindung des Bewunderns schien jetzt der gemeine Barnabas fast zu heftig zu fühlen; denn er weinte und schluchzte an der Brust seiner alten Mutter, deutete stumm mit Verehrung auf seinen Retter, den er vormals so oft verhöhnt hatte, und gab der Alten tröstend und sie liebkosend von dem starken Wein, den er selbst erst zum Geschenk erhalten hatte.

Noch einige Flehende wurden aufgenommen, so daß das große Boot schon ziemlich angefüllt war. Bald goß der Regen, bald heulte der Sturm, die Strömung rauschte bald mehr, bald weniger, welches ununterbrochene verwirrte Getöse durch Hülferufen der Menschen, Winseln der Kinder, Brüllen des Viehes und die sonderbaren Töne der schreienden Möwen und andrer Wasservögel noch furchtbarer wurde. Zuweilen machten die schnell fahrenden Wolken die ganze Gegend dunkel, dann riß sich plötzlich wieder der Vorhang auf, und man sah im falben Licht weit hinab die Unermeßlichkeit des stürmenden Wassers und die Unzahl der Kähne und Schiffe, die schwimmenden Massen und Geräte und das tobende, hochaufflutende Meer.

Jetzt gerieten sie in die Brandung, da sie sich dem Meere näherten und die See die heulende, schäumende Flut ihnen rechts und links entgegenjagte. »O meine Amme, meine arme Gertrud!« rief plötzlich Elsbeth. Sie rang die Hände und wies dann nach einem Hügel, wo neben einer alten steinernen Kirche ein Häuschen von Lehm mit seinem Dach von Stroh schon zusammengesunken war. Gertrud, die Großmutter und Elsbeths Amme, hatte sich mit der blühenden Tochter Brigitte und zwei kleinen Enkeln auf die Trümmer hinaufgerettet, indessen das tückische Wasser immer höher stieg und alle binnen kurzem zu verschlingen drohte. Die Großmutter schien sich dem Tode gleichgültig ergeben zu haben, denn ihre Füße waren schon im Wasser, und sie sah nicht mehr um sich, die Mutter saß ein weniges höher und hatte die Händchen ihres jüngsten Kindchens, welches bitterlich weinte, in ihrem Busen verborgen, um sie zu erwärmen; das größere Mädchen, welches sieben Jahr sein mochte, schien die Mutter zu trösten, indem ihr die Thränen über das bleiche Gesichtchen liefen. Ohne daß Elsbeth ein Wort zu sagen brauchte, steuerte Fritz nach dem Platze hin, wo sich das traurige Schauspiel zeigte, er hatte mit Flut und Brandung zu kämpfen, das Boot wogte hoch und tief, und die Fahrenden glaubten mehr wie einmal umzuschlagen. Jetzt war man nahe genug, da sprang Barnabas mutig heraus, faßte beide Kinder und trug sie durch den hoch sprühenden Schaum, führte dann die Alte herbei, die Mutter folgte, und alle waren gerettet. Als sie sicher im Schiff waren, wiesen die Kinder weinend nach ihren beiden Kühen hin, die ihnen nachbrüllten. »Ich gebe euch andre, Kinder«, sagte van der Winden, »seid ruhig, seid ihr doch geborgen.« Und schon war Strohdach und Hütte von den Wogen ganz weggespült, und die Kühe schwammen in der Flut, die Hälse emporreckend. »Sie sterben«, sagte das siebenjährige Mädchen. »Gib dich zufrieden, Kind«, sprach van der Winden, »tröstet euch an diesem fürchterlichen Tage, seid ihr doch bei den Eltern.« Elisabeth war bei allen zuthätig und hülfreich, Wein, Speise, Erquickung, trockne Tücher, alles reichte, gab sie, tröstete, sich selbst vergessend, die vom Meerschaum schon ganz durchnäßt war. – »Die Kühe leben!« sagte das kleinste Kind. Und wirklich hatten sie gegenüber mühsam eine Anhöhe erklimmt, die spitz und einsam hoch im Felde lag. Indem man dort vorbeifuhr, rief van der Winden einem Manne zu, der sich auch dorthin geflüchtet hatte: »Könnt ihr mir die Tiere nach Amsterdam schaffen, so bezahle ich sie euch doppelt.« Er nannte Namen und Wohnung.

Begebenheiten, Rettungen, seltsame Anblicke, Wracks, Licht und Finsternis, Sturm und Brandung, alles wechselte so schnell, das Boot schoß mit Eil' dahin, immer neuen Gegenständen vorüber, neue Gegenstände ihnen vorbei, so daß die wunderbar Erhaltenen nicht zur Besinnung kommen konnten. Sie wunderten sich kaum, als sie in einer Entfernung einen Wagen tief im Wasser sahn, in welchem sie den Seekapitän erkannten. Er fuhr so nahe wie möglich, Fritz steuerte hin, und sie nahmen ihn und den Kutscher ein. Pferde und Wagen wurden gleich darauf von den Wogen und dem Sturme fortgeführt, denn es war keine Möglichkeit, lange das Boot stehend zu erhalten. Thomas sah den emsigen, immer unermüdeten Fritz-Wilhelm gar sonderbar an und sagte nur: »Das ist also das Boot? Sollst bedankt sein, wackrer Junge.«

»Neuhaus! Neuhaus!« rief die Mutter. Sie waren jetzt dem Landhause der Freundin gegenüber. Hier war ein Gedränge von Booten und Kähnen, von allen Häusern ringsumher sah man abfahren, anderswo anlanden, und, wie es leicht geschieht, da in Neuhaus nur Frauenzimmer wirtschafteten, so nahm sich in der Not keiner der Freundinnen an. Der es hätte thun sollen, der junge Sommer, sprang eben in einen kleinen Kahn, indem er den beiden Schiffern Goldstücke gab, und fuhr schnell hinweg, so daß man ihn im Wogenschaum und Gedränge der Barken bald nicht mehr erkannte. Fritz und Elisabeth erschienen den verlassenen Frauen wie rettende Engel. Die Mutter, einige Dienerinnen stiegen mühsam und nicht ohne Gefahr ein, und Winny warf sich der Freundin mit einem dankenden Thränenstrom an den Busen. »O dein Werther!« sagte Elsbeth. »Laß den Verächtlichen«, erwiderte Winny, »ich hoffe ihn im Leben nicht wiederzusehn.«

Noch mancher Arme, Hülflose wurde gerettet und aufgenommen, soviel das Boot nur fassen mochte. Die sonderbarsten Wiedererkennungen von Leuten, die sich seit dreißig Jahren nicht gesehn hatten, fielen vor, die seltsamsten Bekanntschaften wurden hier oder auf andern Fahrzeugen gemacht, aber je näher man jetzt der Stadt kam, je größer wurde, wegen des Andrangs der Menschen, die Gefahr. Seit Thomas auf dem Schiffe war, half der Kundige redlich arbeiten, und so gelangten sie endlich spät, erst nach Sonnenuntergang, in die Stadt. Es war schwer, als man den überschwemmten Teil verlassen hatte, sich in die Kanäle hineinzufinden, noch schwerer, die GrachtNiederländisch: Graben, Kanal. zu erreichen, wo van der Windens großes Haus lag, und am überschwersten, vor diesem zu landen.

Es war ganz finster geworden, aber der Sturm hatte nachgelassen. Hände, Kleider, Füße küßten die armen Geretteten dem guten Fritz, dem alten Kaufmann, der Mutter, Elisabeth und dem Kapitän. Barnabas konnte des Dankes kein Ende finden, und man sah und fühlte, daß es sein Ernst war. Der reiche Kaufmann entließ seine Geretteten nicht, ohne für sie zu sorgen, die Familie von Neuhaus sowie die der Amme blieben gleich bei ihm. Der Domine eilte zu Frau und Kindern.

So setzte man sich, nachdem man den ganzen langen Tag in Angst und Not, Frost, Nässe und Drangsal gefastet hatte, mit veränderten Kleidern fröhlich zu einem schmackhaften Abendessen nieder. Elsbeth setzte die Amme und die Kleinen wie deren Mutter neben sich, um sie recht eigen zu verpflegen, und als man in fröhlichen Gesprächen noch einmal dem rüstigen Fritz danken, seinen sonderbaren Einfall, der so wunderbar dem Schicksal in die Hand gearbeitet hatte, wieder loben wollte, vermißte man ihn erst. »So ist der undankbare Mensch«, bemerkte Elsbeth lächelnd, aber doch mit Wehmut; »kaum sind wir im Trocknen, so ist auch unser Wohlthäter, dem wir alles zu danken haben, rein vergessen.« Die Mutter stand auf, um den geliebten Sohn zu rufen, der Vater war sehr gerührt. »Heut' ist sein Geburtstag«, sagte er. Die Mutter kam nach einiger Zeit zurück und sagte, so leise, als wenn der Sohn es hören könne: »Er schläft, in den Kleidern, auf dem Bett in seinem Zimmer.«

»Nun«, sagte der Vater, »der gute Mensch hat die Ruhe wohl verdient, er soll entschuldigt sein; ich glaube, er hat in vollen vierzehn Tagen nicht geschlafen, die fortwährende schwere Arbeit und dann heut' die ungeheure Anstrengung!«

Man stand vom Tisch auf, alle umarmten sich herzlich, und an diesem Abend vergaß keiner sein Nachtgebet.

Am folgenden Tage war das Wasser in den Landschaften schon etwas gefallen. Man stellte die Deichbrüche eilig wieder her, und der Schaden und das Unglück waren nicht so groß, als man anfangs gefürchtet hatte. Fritz erschien bei Tische nicht und ebensowenig am Abend, weil er, so oft man nach ihm forschte, immer noch im tiefsten, festesten Schlafe lag. Elisabeth wurde unruhig, doch Thomas und der Vater trösteten; die Mutter gedachte an die früheren Worte des Kapitäns und betete stündlich aus vollem Herzen für den Einzigen, und mehr noch in der stillen Nacht, als er immer noch wie ein Toter unbeweglich dalag, den man für gestorben hätte halten können, wenn die frische Farbe, die wechselnd gehobene Brust und der röchelnde Atem nicht den gesunden Schläfer bezeichnet hätten.

Eben war am folgenden Morgen van der Winden nach seinem Kabinett gegangen, als leichenbleich, mit entstellten Zügen und weit aufgerissenen Augen die Mutter zu ihm ins Zimmer stürzte. »Was ist dir?« schrie van der Winden entsetzt, der sonst nicht leicht die Fassung verlor. »Gott! Gott! du bist allmächtig!« röchelte Susanne, und Thränen stürzten erleichternd aus ihren Augen. – »Welch Unglück, – der Sohn«, schrie der Vater und rang die Hände. – »Still! still!« sprach sie, »wir verdienen es nicht. – Ich hörte Geräusch in seiner Stube«, sagte sie dann etwas ruhiger, »ich schlich mich hinüber – – was sah ich? Er lag auf seinen beiden Knieen in der Mitte des Zimmers und betete – nein, so etwas habe ich nicht gesehn, nicht für möglich gehalten, – wie er die Hände ineinander wand, daß alle Knochen und Gelenke krachten, die Augen weit aufgerissen, große Schweißtropfen der Angst fielen dick und voll, einer schnell nach dem andern, vor seinen Knieen nieder, ebenso viele und große Thränen aus den offnen, ganz unbewegten Augen. Aber die Augen, die Stirn, die Wangen, der ganze Mensch war anders. – Jetzt hatte er geendet, er stand auf, und nun sah er mich erst, ob ich gleich die ganze Zeit nahe vor ihm gestanden hatte. Er fiel mir um den Hals und sagte: ›Mutter, dankt auch Gott, dem Allmächtigen, denn ich bin ganz gesund! mir ist in meinem Schlaf die Gnade widerfahren.‹«

»Es ist wohl nicht möglich!« rief der Vater und fiel entsetzt in seinen Stuhl zurück. Aber der Sohn kam völlig geheilt, ruhig, besonnen, aber ganz in Liebe aufgelöst. Wer braucht Elisabeths Glück, die Freude des Kapitäns, die Wonne der Eltern zu schildern? Der alte Arzt fand den Fall wunderbar, aber nicht unbegreiflich und machte durch seine Zusicherung, daß die Genesung nicht zu bezweifeln sei, das Glück aller zu einem dauerhaften.

»Immer«, sagte der Kapitän, »wollen die Menschen Gespenster und Geister sehn und würden es für etwas ganz Besondres halten, wenn ihnen so ausdrücklich ein Abgeschiedener oder Überirdischer erschiene, und uns ist es eigentlich doch nun begegnet, aber wir nennen es nicht so.«

»Mehr!« sagte Elisabeth nachdenklich; »mehr ist uns geschehn! Wie sagte doch der Kranke neulich so schön und tiefsinnig bei Gelegenheit der Schwalben? Wieder Gott!«

»Recht hast du, Kind«, sagte Thomas, »leibhaftig ist er unter uns getreten; und wenn er verheißt, daß wir ihn selbst in jedem Darbenden speisen und kleiden, so dürfen wir auch in diesem Wunder seine unmittelbare Gegenwart demütig erkennen.«

Wie selig war der Kapitän, als er nach einem Jahre sich mit einem Kindchen trug, das seine geliebte Elisabeth seinem Fritz geboren hatte; wie vergnügt waren die Eltern und glücklich im Bewußtsein eines Zustandes, den sie seit so vielen Jahren für unmöglich gehalten hatten.

 


 


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