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(Saal auf Berneck.)
Karl liegt völlig angekleidet auf einem Ruhebette, Conrad tritt herein, er sieht ihn und will wieder fortgehn.
Karl. Bleib, Conrad, ich schlafe nicht.
Conrad. Ihr solltet schlafen, das Nachtwachen wird noch Euren Verstand völlig zerrütten.
Karl. Wo ist meine Mutter, Conrad?
Conrad. Lieber Karl, –
Karl. Nicht wahr, es ist keine Mutter mehr hier im Schlosse? Die Zeiten sind vorüber. – zusammenfahrend. Horch! mich dünkt, es donnerte.
Conrad. Nicht doch.
Karl. Das war eine entsetzliche Nacht, als sich mir die Furchtbarkeit des Gewitters zu erkennen gab. Conrad, da war der Himmel ein weites feuriges Meer, da rissen große Donnerschläge Luft und Wolken in Stücke, da sauste es wie Gespenster um die Burg und nahm ganz meinen armen menschlichen Sinn gefangen, da trug ich jenes thörichte Schwert, das wider meinen Willen meine Mutter erschlug. – Ha! wie darf ich es noch wagen, den Namen Mutter auszusprechen? Mich hat keine Mutter gesäugt, ich bin kein Mensch, kein Sohn, der Name Sohn ist seitdem zum Fluch geworden. – er steht auf. Komm, ich will mich ankleiden.
Conrad. Ihr seid ja schon angekleidet.
Karl. Wirklich. – Hörst Du es auch in der Nacht durch alle Zimmer des Schlosses wandeln und seufzen und meinen Namen sprechen?
Conrad. Das ist lauter Phantasei von Euch.
Karl. Es rasselt oft wüthend durch den Saal, dann hör' ich Schwerter klirren und wunderliche Stimmen dazwischen, ungeheure Riesengestalten gehn mir vorüber und Gespenster drängen sich zu mir her, – das alles ist nicht Phantasei!
Conrad. Ihr seid überwacht, da müssen Euch die müden Sinne täuschen.
Karl. Es ist nicht anders, die wilde Geisterwelt hat mich zu ihrer Beute, zu ihrem Spiele ausgelesen. – Weißt Du noch die Zeit, Conrad, als in diesem Saale getanzt ward, als die Pokale um die Tafel gingen, als Adelheid an dieser Stelle saß? – Warum ist jetzt alles so stumm und traurig?
Conrad. Die Zeiten wechseln, die Umstände ändern sich.
Karl. Ich bin doch wohl ohne Schuld. Sollte es nicht sein können? Der Mensch wird geboren, ohne daß er es weiß, seine innerlichen Gedanken sind Träume, und äußerlich erzeugen sich indeß andere Träume, die wir Thaten nennen, und von denen er nichts weiß. –
Wenn nur kein Gewitter heraufzieht!
Conrad. Seid unbesorgt.
Karl. Es wird so finster, mir ist so bang.
Conrad. Es ist Abend geworden.
Karl. Laß einige Fackeln anzünden, laß Musik kommen, vielleicht kann ich einschlafen.
Conrad geht ab, bringt zwei brennende Fackeln und stellt sie hin, der Minnesänger tritt auf.
Karl. Setzt Euch, – dort in der Ferne, und nun eine recht schwermüthige Melodie, von der Art, die unsre Seele wie aus einem trüben Flusse in ferne unterirdische Gegenden führt, daß wir der Oberwelt und unserer irdischen Leiden vergessen. Sucht auf Eurem Instrumente die wunderbarsten Töne aus, jene betäubenden, einschläfernden, die um unsre Sinne gaukeln und sie mit süßer Schläfrigkeit berauschen. – Uebertönt mir jene Eule, die vom verdorrten Baum herunter winselt.
Minnesänger. Ich will Euch die Klage und den Trost des Unglücklichen singen, es ist ein neues Lied und eine neuerfundene Weise. Ich dichtete es jüngst, als mir das Elend der Menschen recht sichtbar vor die Augen trat.
Im Windsgeräusch, in stiller Nacht,
Geht dort ein Wandersmann,
Er seufzt und weint, und schleicht so sacht
Und ruft die Sterne an:
Mein Busen pocht, mein Herz ist schwer,
In stiller Einsamkeit,
Mir unbekannt, wohin, woher
Durchwandr' ich Freud und Leid;
Ihr kleinen goldnen Sterne,
Ihr bleibt mir ewig ferne,
ferne, ferne,
Und ach! ich vertraut' euch so gerne.
Da klingt es plötzlich um ihn her,
Und heller wird die Nacht,
Schon fühlt er nicht sein Herz so schwer,
Er dünkt sich neu erwacht:
O Mensch du bist uns fern und nah,
Doch einsam bist du nicht,
Vertrau' uns nur, dein Auge sah
Oft unser stilles Licht.
Wir kleinen goldnen Sterne
Sind dir nicht ewig ferne,
gerne, gerne,
Gedenken ja deiner die Sterne. –
Ein heller Blitz und heftiger Donnerschlag.)
Karl fährt auf. Genug! – Alles ist doch nur erlogen, Dichtererfindung, indeß sein eigener Busen nichts fühlt! Fort! Minnesänger ab. – Ich will nichts mehr hören, alle Menschen sind falsch und ohne Empfindung. – Himmel! glühende Ketten ziehn sich um mich her, wilde Phantome durchkreuzen die Luft und stürzen auf mich ein, Gespenster klettern die Fenster hinan und klirren an den Scheiben – Conrad! –
Conrad. Was ist Euch?
Karl. Sieh die schrecklichen Gestalten, dort mit den flammenden Haaren, die in der Luft fliegen und sich zu mir her bewegen.
Conrad. Es sind ja die Fackeln, ich will sie forttragen, wenn sie Euch erschrecken. ab mit den Lichtern.
Karl. Das Bildniß meiner Mutter rührt sich. – O weh mir! weh mir, daß ich geboren ward! Die gräßlichen Flüche der Sterbenden ergreifen mich nun, die alte Sünde unsers Hauses hat mich mit gefaßt und schleppt mich zur Verdammniß. – Ich kann nicht mehr. – er kniet nieder. O errette mich, Gott im Himmel! – Der Blitz springt nach mir, der Donner schilt mich, das ganze Heer des Entsetzens jagt hinter mir her. – Wo ist Rettung? – O es treibt mich fort, durch die Wildniß, durch Wälder, ich kann mich nicht zurückhalten. er springt auf und eilt hinaus.
Conrad kömmt zurück. Ritter! – Ritter Karl! – Er ist fort! – O Gott im Himmel, was soll noch daraus werden? – Franz! Georg!
Franz. Georg.
Conrad. Folgt mir, der Ritter ist in den Wald hinaus, in's Freie geeilt, wir müssen ihn suchen. – ab.
Franz. Daß ich ein Narr wäre!
Georg. Gehst Du nicht mit?
Franz. Bewahre! ich habe meinen Abschied genommen, eben so gut, wie schon mancher Diener hier gethan hat. Das halte der Henker aus. – Sage mir, Georg, hast Du nicht bemerkt, daß es in der Burg umgeht?
Georg. Es ist mir manchmal so schaurig.
Franz. Die alten Tapeten klatschen als wenn es mit Flügeln dagegen rasselte. Unsre Hausfrau soll oft durch die Säle schleichen; man erzählt sich gar wunderliche Geschichten von ihrem Tode, man darf es nur nicht öffentlich sagen. Hast davon noch nichts gehört?
Georg. O ja, aber ich kann es immer nicht glauben.
Franz. Ich gehe wieder nach dem lustigen Bamberg zu meinem vorigen Herrn, da kann man doch froh sein, da schmeckt einem ein Trunk, da scheint die Sonne heiter und warm, – aber hier in dieser Wildniß –
Georg. Du hast Recht. Das sind hier wilde Felsen, schwarz und widrig strecken sie sich in den Himmel hinein, und kein fremder Ritter, kein Reisender besucht mehr unser Schloß; man hört gar nichts neues mehr, man erfährt gar nicht, wie es draußen in der Welt zugeht, es ist hier ein betrübtes Leben.
Franz. So zieh mit mir.
Georg. Meine Zeit ist noch nicht um. – Aber meiner Jugend kann ich mich hier nicht freuen, das weiß ich wohl; oft wenn ich so aus den wilden Thälern ein verlornes Jagdhorn herauftönen höre, weiß ich nicht, wie mir wird, aber ich muß dann weinen. Durch Gebete halte ich mich denn noch aufrecht. Hu! – welch ein Wetter! – Warum unser Ritter sich wohl vor dem Gewitter immer so ängstigt?
Franz. Wunderbar ist es.
Georg. Und hast Du ihn dann wohl schon beten sehn?
Franz. Nein.
Georg. Die Haut schaudert mir jedesmal, wie sich ihm dann die Haare aufrichten, wie sein Auge nach dem Himmel starrt, als wenn er Trost herab zwingen wollte, und wie dann alles vergebens ist und er wild und geängstigt nach dem Walde rennt. – Ach, dem armen Herrn wäre besser, er wäre schon todt. – Nun ich muß nur fort, es ist Nacht und ich kann nicht einsehn, wie wir ihn wiederfinden wollen; aber der Alte wird gleich sehr böse, wenn man nicht seinen Willen thut.
Franz. Ich habe mich nie sehr daran gekehrt, und jetzt geh' ich zu Bette. ab von verschiedenen Seiten.
(Vor der Burg Berneck, links das Crucifix, rechts die Eiche – Dunkle Nacht, Donner und Blitz.)
Heinrich von Orla.
Heinrich. Das ist ein Hexenwetter! – Ich bin ganz durchnäßt.
Wilhelm. Wo wir nur sein mögen, man sieht keinen Schritt weit. – Ob wir noch weit nach Orla haben?
Heinrich. Wenn wir nicht irre geritten sind, gewiß nicht.
Wilhelm. Wie mein Herz den ganzen Tag über schlug! Hinter jedem Hügel glaubte ich nun endlich den spitzen Thurm von Berneck zu sehn, und immer war er's nicht.
Heinrich. Du freust Dich, daß Du wieder in der Heimath bist.
Wilhelm. Wer sollte das nicht? – Wenn nur mein alter Vater auf Berneck noch lebt!
Heinrich. Und meine Schwester Adelheid! – Doch Gott wird mir diese Freude gewähren, und dann, Wilhelm, will ich mein Schwert und dies unruhige Leben niederlegen, und als ein stiller frommer Rittersmann leben und sterben. War ich nicht ein Thor, nach Glück und Ruhm in einem fernen Lande zu jagen? Mußt' ich die goldne Erfahrung so weit herholen, daß nur in uns selber, in einem stillen, häuslichen Leben das wahre Glück liege? Ich suche mir nun eine Gattin, Wilhelm, Du bleibst bei mir, nicht als mein Diener, sondern als mein Freund, ich will es Dir nicht vergessen, daß Du mir dreimal das Leben rettetest.
Wilhelm. O Herr –
Heinrich. Du bist mein wackrer Geselle, nicht mein Knappe. So wollen wir dann alt und grau werden, wenn es uns das Schicksal vergönnt, ohne uns wieder nach Getümmel und nach Schlachten zu sehnen. –
Wilhelm. Das Gewitter zieht fort, es hellt sich auf.
Heinrich. Ich glaube der Morgen dämmert schon. – Sieh, Wilhelm, sieh Dich genau um, stehn wir nicht vor Berneck?
Wilhelm. Ja, wahrlich. –
Heinrich. Es hört auf zu regnen. Nun, Wilhelm, suche Dein Pferd wieder, reite voran und melde meiner Schwester, daß ich sogleich komme. Wilhelm ab.
Heinrich. Wie wohl mir ist, da ich nun wieder hier bin! Du liebes deutsches Vaterland! wie theuer bist du mir jetzt durch deine Biederkeit und Treue geworden!
Karl v. Berneck stürzt aus dem Walde. Rettet! rettet mich! – Es jagt mir durch den wilden Wald nach, alle Wölfe heulen, alle Eichen rauschen Scheltworte hinter mir her. – er stürzt auf Heinrich zu und umfaßt ihn. O um Gottes Barmherzigkeit willen, rette mich! –
Heinrich macht sich los. Wer bist Du? – Wahrlich, es graust mir bis in's Herz hinein, – ich kenne Dich nicht. –
Karl. Ich glaub' es wohl, denn Du bist ein Mensch. Wer kennt auch mich armen Verlaßnen? – Aber sage mir, sind mir die ungeheuren Gespenster nachgefolgt, oder bin ich jetzt frei von ihnen?
Heinrich. Unglücklicher!
Karl. Dann ist mir wieder besser. – Wird es Tag? – Nun wohl, so darf ich wieder um mich blicken, denn ihre Zeit ist vorüber.
Heinrich. Wer bist Du?
Karl. Ich hieß sonst Karl von Berneck, als ich noch den Menschen angehörte, seitdem ist manches anders geworden, und ich weiß nicht, wie mich die Leute jetzt nennen.
Heinrich. Karl von Berneck? – In dieser Gestalt muß ich Dich wiederfinden?
Karl. Nun, und warum nicht so?
Heinrich. Karl, kennst Du mich nicht mehr?
Karl. Nein.
Heinrich. Ich heiße Heinrich von Orla.
Karl. Wirklich? – Ich erinnere mich dunkel Deines Namens.
Heinrich. Ich war täglich auf Berneck, als Du noch ein Knabe warst, Du machtest mich immer zu Deinem Spielgenossen, ob ich Dir gleich mehrere Jahre voraus war. – Kennst Du mich noch nicht?
Karl. Ach es muß schon lange her sein, seit ich Dich nicht mehr sah.
Heinrich. Eine geraume Zeit – was macht Dein Vater?
Karl. Todt.
Heinrich. Und Deine Mutter?
Karl heftig. Todt, alles todt! – Was hatten sie auch in dieser Welt zu thun? – O wohl mir, wenn ich ihnen folgen könnte!
Heinrich. Todt? – ahndete mir es doch, als ich Abschied von ihm nahm, daß ich ihn nicht wiedersehn würde.
Karl. Heinrich von Orla? – O jetzt erinnere ich mich Deiner recht gut, mir ist, als wenn ich erwache. – Heißt Deine Schwester nicht Adelheid?
Heinrich. Ja.
Karl. Nun so sei mir willkommen, mich freut es, daß ich Dich wiedersehe. – Sage mir, wo ist unser Spielzeug hingekommen? Warum können wir nicht wie Kinder spielen, bis man uns sagt, unser Bart sei grau, und es sei endlich Zeit zu sterben? Daß man uns dann so schuldlos wie Kinder begrübe und wir ruhig in der Erde lägen, bis uns die letzte Trompete zu einem andern Leben riefe.
Heinrich. Der Mann spielt nur mit andern Dingen als das Kind, sonst läuft es ja auch auf eins hinaus.
Karl. Und mit uns spielt das Schicksal wieder auf seine Weise. Nicht wahr? Alles ein großes Spiel, eine Posse, in der fürchterliche und lächerliche Gestalten seltsam durcheinander gemischt sind, die sich gegenseitig nicht kennen und doch durchkreuzen. So entsteht, so vergeht das Leben des Menschen, man kann es nicht wunderbar nennen und doch ist es seltsam räthselhaft. – O Heinrich! wir sollten immer mit verbundenen Augen weiter gehn, so wie wir uns umsehn, sind wir verloren.
Heinrich. Ich verstehe Dich nicht.
Karl. Wär' ich wie Du! Könnt' ich zu jener heitern Schuldlosigkeit zurückkehren! – Aber mein eigenes Herz haßt mich und arbeitet unwillig in diesem verruchten Körper.
Heinrich. Du scheinst trübselig und krank.
Karl. Ja wohl. – er knieet vor dem Crucifix nieder und betet. O vergieb mir meine Schuld! Laß mich sterben oder durch deine große Gnade mich und alles vergessen. Tauche mich in einem See von Wahnsinn unter, damit ich nie wieder die Oberwelt und alle wirklichen Gegenstände in die Augen fasse. –
Heinrich. Das ist nicht gut gebetet.
Karl. Für mich gut; jedermann hat darin seine eigene Weise.
Conrad kömmt. Nun da seid Ihr ja, mein lieber gnädiger Herr. Gott sei Dank! daß ich Euch wiedergefunden habe.
Heinrich. Wenn ich mich nicht sehr irre, der wackre alte Conrad.
Conrad. So heiß ich, Herr Ritter. – Aber woher kennt Ihr mich? – Beim Himmel, Ihr seid Heinrich von Orla oder mein Gedächtniß verläßt mich ganz.
Heinrich. Ja, der bin ich.
Conrad. Ihr seid zurückgekommen? – O und mein Sohn – Gott! ich habe nicht das Herz nach ihm zu fragen und möchte doch so gerne wissen, – ach! theurer Ritter –
Heinrich. Aengstige Dich nicht, alter Mann, Dein Sohn lebt, er ist wohlbehalten mit mir zurückgekehrt.
Conrad fällt nieder. Nun so dank ich dir denn doch aus vollem Herzen, du lieber Gott im Himmel da oben; daß du mich noch diese Freude erleben lässest, will ich dir gewiß nie vergessen. – Ach! und wo ist er? wo kann ich ihn finden? –
Heinrich. Er ist vorangeritten zu meiner Schwester; lebt sie noch, ist sie gesund? –
Conrad. Sie ist wohl, sie ist gesund, – und hat er sich immer brav gehalten?
Heinrich. Er ist ein wackrer Reiter, er hat mir dreimal das Leben gerettet.
Conrad. Nun, seht Ihr, seht Ihr, ich sagt' es Euch wohl. – So ist er denn doch seinem Vater nachgeartet? – O ich weiß mich vor Freuden gar nicht zu lassen! – Ich will heut jedem Armen, den ich sehe, von meiner Armuth geben. – er sieht auf Karl, der indeß immer in tiefen Gedanken gestanden hat. Ach Gott! – lieber Ritter, seht doch nur ein wenig heiter aus, damit ich mich doch nicht meiner übergroßen Freude zu schämen brauche.
Karl auffahrend. Was ist? Wovon war denn die Rede?
Conrad. So habt Ihr gar nicht einmal gehört – mein Sohn, mein Wilhelm ist zurückgekommen.
Karl. reicht ihm schweigend die Hand. Ich versteh Euch. Ihr seid gut. –
Heinrich. Mit Verwundern hab' ich Euch betrachtet, Ritter; kommt, begleitet mich auf mein Schloß, die helle Gegend, der Garten, meine Schwester, sie werden Euch vielleicht heiterer machen.
Conrad. Thut das, lieber Ritter. – O Ihr werdet gewiß unter Menschen genesen, die es gut mit Euch meinen.
Karl. Führt mich wohin Ihr wollt, ich bin wie im Traume.
Conrad. Erlaubt Ihr dann wohl, daß ich meinen Sohn auf Eurer Burg besuche?
Heinrich. Gern, aber sei so gut und führe mein Pferd nach, ich gehe dann mit dem Ritter diesen Fußsteig.
Conrad. Ich setze mich auf und besorge nur einige Geschäfte auf Berneck, dann seht Ihr mich sogleich auf Orla. ab.
Heinrich. Nun so kommt, Ritter, und weg mit diesen düstern Falten. er nimmt ihn unterm Arm und geht mit ihm ab.
(Garten der Burg Orla.)
Reinhard. Adelheid.
Adelheid. O daß er nun endlich zurückkömmt! – Wie mir dieser schöne Morgen dadurch noch schöner wird! Ein ganz neues Leben wird nun in mir seinen Anfang nehmen. – O Reinhard, Ihr glaubt es nicht, wie sehr ich mich freue.
Reinhard. Wie muß ich Euch dieses schwesterlichen Herzens wegen schätzen. – Ihr seid so hold, Ihr seid so gut –
Adelheid. Könntet Ihr nun Euren Bruder nicht eben so lieben? Wir haben schon so oft darüber gesprochen und gestritten.
Reinhard. Und eben darum bitt' ich Euch, dieses Thema nicht zu wiederholen. – Sagt mir, wer kann seinem Herzen gebieten? Und wenn Ihr alles wißt, verdient er wohl noch die Liebe seines Bruders?
Adelheid. Er ist mehr unglücklich, als strafbar. Ihr seid ein harter Mann, je unglücklicher er ist, je mehr bedarf er Eurer Liebe.
Reinhard. Darf ich denn an dem heutigen schönen Tage, – darf auch ich glücklich sein? – Wollt Ihr mir denn keine bestimmtere Antwort geben.
Adelheid. Ich kann nicht. Soll ich Euch hintergehn? Wir würden uns dann nur beide täuschen. Ihr müßt eine längere Probezeit aushalten, denn Ihr seid ein unstäter, flatterhafter Mensch; zwölfmal seid Ihr mir untreu geworden, und eben so oft seid Ihr zu mir zurückgekehrt. Man darf Euch nicht so blindlings vertrauen!
Reinhard. Ihr selber waret Schuld an der Ungeduld meiner Liebe, daß Ihr mir kein bestimmtes Wort sagtet, daß ich nicht wußte, woran ich war. Aber gebt mir nur eine Versicherung, laßt mich nur eine feste Hoffnung fassen – o mein Fräulein, Ihr geht grausam mit mir um.
Adelheid. Ihr nennt uns gleich grausam, wenn wir Euch nicht die Herrschaft über unser Herz übertragen wollen.
Heinrich mit Karl. Wilhelm folgt.
Heinrich. eilt seiner Schwester in die Arme. Du lebst, bist wohl! – Pause, so wie Reinhard seinen Bruder bemerkt, entfernt er sich.
Karl seitwärts. Wie diese Umarmung meinem Herzen wehe thut! – Ich habe auch einen Bruder und er geht fort; er hat mich seit vielen Wochen nicht gesehn, aber sein Herz verlangt auch nicht darnach. – Gut; ich sollte doch schon daran gewöhnt sein.
Heinrich. Du glaubst nicht, wie ich mich freue, Dich wiederzusehn. – Aber ich hätte fast unsern Gast darüber vergessen; Karl von Berneck, Du kennst ihn vielleicht.
Adelheid. O ja.
Karl. Wenn Ihr Euch meiner noch erinnert –
Heinrich. Wer war der fremde Ritter, der uns verließ, als wir hereintraten?
Karl. Mein Bruder.
Heinrich. Dein Bruder, Reinhard? – Warum geht er fort? – Ich muß ihn doch begrüßen, er ist mir ein lieber Gast. geht ab.
Adelheid. Ihr seid krank, Herr Ritter?
Karl. Schon seit lange, ich wünsche, krank zum Grabe.
Adelheid. Warum wünscht Ihr das?
Karl. Ach! –
Adelheid. Kann Euch nichts in dieser Welt mehr trösten?
Karl. Daß ich nicht wüßte.
Adelheid. Ihr müßt hoffen.
Karl. An den Hoffnungen erkennt man die Thoren, denn sie erfüllen sich nie. Sie hüpfen wie Irrlichter vor uns her und ziehn uns in das Elend hinab. – Und welch ein Leben ist dies, in dem wir die Hoffnung wie eine betäubende Arznei gebrauchen müssen, damit wir nur von unserm eigentlichen Selbst und von unserm wahren Leben nichts gewahr werden.
Conrad kömmt. Ist er hier? – Verzeiht, mein Fräulein, meiner Unhöflichkeit, – aber man sagte mir, mein Sohn –
Adelheid. So eben hab' ich ihn noch gesehn –
Wilhelm, der herbeieilt. Mein Vater! – mein theurer Vater!
Conrad. O mein einziger Sohn! Mein Wilhelm! Sehn Dich noch diese alten Augen! – Wie männlich bist Du geworden! – Bei meiner armen Seele, Du siehst wie ein Ritter aus. – Ach! wie ruhig werd' ich nun dies alte Leben beschließen, da ich Dich noch wiedergesehn habe.
Karl. Auch Er fragt nun nichts mehr nach mir; auch Er hat sich mit seiner Freude zusammengefunden und ich stehe nun ganz einsam, ohne Freund und Bruder, ohne Vater und Mutter. – O wahrlich, er geht mit seinem Sohne fort, ohne sich nur nach mir umzusehn, ohne nur an mich zu denken; – o ich könnte wüthend werden, zornig neidisch, daß es so ist und daß ich, ein gänzlich Verworfener, einsam bleiben muß. –
Conrad ist mit Wilhelm abgegangen. – Pause. Karl ist in sich verloren und wacht dann auf, betrachtet Adelheid aufmerksam und geht zu ihr.
Karl. Ihr weint, mein Fräulein?
Adelheid. Mein Herz ist wunderbar bewegt, – ich hörte, was Ihr da sagtet, – und die Freude über die Ankunft meines Bruders, – jetzt alle Erinnerungen, Eure trübe Gestalt –
Karl. Ihr scheint erschüttert.
Adelheid. Ja, Ritter, die wunderbarsten Empfindungen haben mein Herz getroffen. Ich habe mich nicht in meiner Gewalt, – ich weiß nicht –
Karl. Faßt Euch, mein Fräulein.
Adelheid. Soll ich nicht laut schluchzen und jammern, wenn ich einen Freund vor mir sehe, der sich freiwillig dem Unglück weiht, indeß ich mich gern so glücklich fühlen möchte?
Karl. Nimmt denn noch eine Seele Theil an meinem Schicksale? – Ist es kein Traum? Kann es diese Wahrheit geben in dieser irdischen Welt?
Adelheid. Seid Ihr an allen Menschen verzweifelt?
Karl. Ach, wehe dem, der ihnen traut, es sind harte Geschöpfe – Und Ihr, mein Fräulein, – Gott, was ich oft nur in einsamen Nächten mit einer erhitzten Phantasie dachte, was ich für eine Unmöglichkeit hielt, – sollte jenes glänzende Bild wohl näher rücken können?
Adelheid. Ich sah es wohl, wie Euer Bruder fortging, als er Euch gewahr ward, und Ihr Thränen aus den Augen wischtet. Ich sah es in der Freude, in den Armen meines Heinrichs.
Karl. Verdien' ich diese Güte, diese himmlische Milde?
Adelheid. Ich habe Euch so lange nicht gesehn, ich habe immer viel nach Euch gefragt, – und nun tretet Ihr so vor mich, mit diesem Blick, – ach! das Herz wollte mir springen.
Karl. Himmel! welche unsichtbare Musik jauchzt um mich her? – Alle Stauden, alle Bäume grüßen mich mit fröhlichem Geräusch. Das ist die Welt nicht mehr, ich bin nicht mehr Karl von Berneck!
Adelheid. Wie ist Euch? Faßt Euch. –
Karl. Wahnsinnig könnt ich werden und ich bin es vielleicht schon, weil ich den Himmel so oft darum bat, und darum träumt mir auch jetzt, ich sei glücklich.
Adelheid. Karl!
Karl. sinkt zu ihren Füßen nieder. Bist Du Adelheid? O gieb mir ein Unterpfand, daß Du es wirklich bist!
Adelheid neigt sich wehmüthig über ihn. Ich bin es, und sei Du auch wieder der Karl, der Du warest. – O wie viel hab' ich um Dich gelitten! Hast Du meiner wohl zuweilen gedacht?
Karl. Dein Bild wandelte immer wie ein ferner Schimmer vor mir auf der öden Haide, der bald verlosch und bald freundlich wiederkam. – O gütiger Gott! kann es noch so weit mit mir kommen? – Manchmal wenn ich nicht schlafen konnte, dacht' ich an Dich, und wie ich Dich gesehn und dann sagte eine Stimme aus dem innersten Herzen heraus: O wenn sie dich lieben könnte! – Und dann war es wieder todt um mich und in mir, weil ich glaubte, Du haßtest mich, so wie die übrige Welt.
Adelheid. Ich liebe Dich, ich habe Dich immer geliebt. – O verachte mich darum nicht, wenn ich nicht spreche so wie es sich ziemt; ich weiß nicht, wo ich bin, ich weiß nicht, was ich sage: die gewöhnlichsten Dinge erscheinen mir heute anders. Ich kann mich nicht regieren.
Karl. Nun, dann wäre ja der schwere Traum vorüber, dann könnt ich ja dreist nach dem Erbtheil des Lebens fassen, das mir gehört, – dann – o Adelheid! küsse mich, damit ich vor übergroßem Entzücken aufwachen muß, wenn ich ja nur träumen sollte.
Adelheid küßt ihn. Vergiß mich nicht, – liebe mich –
Karl. Ich höre den Chorgesang der beflügelten himmlischen Bewohner, sie haben einen Sünder wieder angenommen.
Adelheid. Willst Du nun heiter sein?
Karl. Jeder trübe Blick ist jetzt ein Verbrechen.
Heinrich kömmt mit Reinhard zurück.
Heinrich. Nun, Schwester? – Ich habe es nicht unterlassen können, gleich den Garten zu durchwandern, jede Anhöhe zu ersteigen. – Es ist schön, daß Du alles gelassen hast, so wie es war.
Hofmeisterin kömmt. Seid mir tausendmal willkommen, werthgeschätzter Herr Ritter. Verzeiht, daß ich Euch nicht sogleich meinen demüthigen Gruß entgegengebracht habe, aber ich hörte von Eurer glücklichen Zurückkunft, und da eilte ich, ein wohlschmeckendes Mahl zu bereiten, um Euch zu erquicken und so genug zu thun. – Ist es Euch nun gefällig in die Burg zu treten? – Es ist alles fertig.
Heinrich. Komm, Adelheid, Karl, Reinhard – wie leicht ist meinem Herzen, da ich wieder unter Landsleuten, unter Freunden bin!
Karl. Ich folge Euch sogleich. – Die übrigen ab, Adelheid sieht nochmals nach ihm zurück. Kann es eine solche Veränderung geben? Und warum war ich dazu so unvorbereitet? – Selbst diese Menschen, die dazwischen traten, haben den holden Klang in meinem Herzen nicht unterdrückt, der frühste Frühling aus den fernsten Kinderjahren ist zurückgekommen, und hat seine glänzendsten wunderbarsten Geschenke mitgebracht. – Ich wage kaum die Augen aufzuschlagen. – Mein Herz ist rein und geläutert, alle Feindseligkeiten halten sich ruhig, – mein Geist schlägt heute zum erstenmal seine Schwingen auseinander, und ein frohes Erstaunen ergreift ihn über den Glanz der Fittige, über den hellen Aether, dem er sich entgegenträgt. – Wie werd' ich unter ihnen sein? Wie sprechen können? Nur weinen, auf dem Boden möcht' ich knieen, trunken in ihre Augen blicken und so in himmlischer Wonne vergehn.
Conrad kömmt.
Karl. Bist Du froh, Conrad?
Conrad. Ja, Herr, von Herzen. – Und Ihr seht auch so munter aus.
Karl. Ich bin glücklich, selig, das Himmelreich hat sich heute meiner angenommen, die Liebe ist in mein Herz eingekehrt und hat alle ehemaligen schwarzen Bewohner vertrieben. – Sei recht glücklich, Conrad, wir wollen jauchzen, wir wollen trinken – und liebe Du mich auch noch wie sonst.
Conrad. Ich kenne Euch nicht wieder; Ihr seid Euch selbst unähnlich.
Karl. Nun dann bin ich gewiß glücklich. – Komm, lieber Conrad – aber vergieb meiner jugendlichen Freude, die Deinem Alter vielleicht Thorheit scheint, – Adelheid liebt mich.
Conrad. Wie sollt' ich das für Thorheit halten? – War es doch immer mein hauptsächlichstes Gebet, daß Ihr möchtet froh werden! Seht, Gott hat mich nun erhört, und ich bin selbst wieder frisch und jung; welch ein glücklicher Tag!
Karl. Lieber Conrad! – sieh, wie hell die Sonne scheint, wie das Grün der Bäume funkelt, – O, Gott im Himmel meint es doch gut mit seinen Menschen. – er faßt Conrad in den Arm, beide gehn ab.