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Saal im Palast.
Große Audienz. Der König, die Prinzessin, der Prinz Nathanael, der Koch in Gala.
König sitzt auf dem Thron: Hieher, Koch, jetzt ist es Zeit, Rede und Antwort zu geben; ich will die Sache selbst untersuchen.
Koch läßt sich auf ein Knie nieder: Ihro Majestät geruhen, Ihre Befehle über Dero getreusten Diener auszusprechen.
König: Man kann nicht genug dahin arbeiten, meine Freunde, daß ein König, dem das Wohl eines ganzen Landes und unzähliger Untertanen auf dem Halse liegt, immer bei guter Laune bleibe; denn wenn er in eine üble Laune gerät, so wird er gar leicht ein Tyrann, ein Unmensch; denn gute Laune befördert die Fröhlichkeit, und Fröhlichkeit macht nach den Beobachtungen aller Philosophen den Menschen gut, dahingegen die Melancholie deswegen für ein Laster zu achten ist, weil sie alle Laster befördert. Wem, frag ich nun, liegt es so nahe, in wessen Gewalt steht es wohl so sehr, die Laune eines Monarchen zu befördern, als eben in den Händen eines Kochs? – Sind Kaninchen nicht sehr unschuldige Tiere? Wer anders denken oder sprechen könnte, von dem müßte ich fürchten, daß er selbst den reinsten Schmuck seiner Seele, seine Unschuld, verloren hätte. – Durch diese sanften Tierchen könnte ich dahin kommen, es gar nicht überdrüssig zu werden, mein Land glücklich zu machen – und an diesen Kaninchen läßt Er es mangeln! – Spanferkeln und alle Tage Spanferkeln – Bösewicht, das bin ich endlich überdrüssig.
Koch: Verdamme mich mein König nicht ungehört. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich mir alle Mühe nach jenen niedlichen weißen Tierchen gegeben habe; ich habe sie zu allen Preisen einkaufen wollen, aber durchaus sind keine zu haben. – Sollten Sie an der Liebe Ihrer Untertanen zweifeln können, wenn man nur irgend dieser Kaninchen habhaft werden könnte?
König: Laß die schelmischen Worte, schier dich fort in die Küche und beweise durch die Tat, daß du deinen König liebst. – Der Koch geht ab. –jetzt wend ich mich zu Ihnen, mein Prinz – und zu dir, meine Tochter. – Ich habe erfahren, werter Prinz, daß meine Tochter Sie nicht liebt, daß sie Sie nicht lieben kann; sie ist ein unbesonnenes unvernünftiges Mädchen; aber ich traue ihr doch so viel Verstand zu, daß sie einige Ursachen haben wird. – Sie macht mir Sorgen und Gram, Kummer und Nachdenken, und meine alten Augen fließen von häufigen Tränen über, wenn ich daran denke, wie es nach meinem Tode mit ihr werden soll. – Du wirst sitzenbleiben! hab ich ihr tausendmal gesagt; greif zu, solange es dir geboten wird! Aber sie will nicht hören; nun so wird sie sich gefallen lassen müssen, zu fühlen.
Prinzessin: Mein Vater –
König weinend und schluchzend: Geh, Undankbare, Ungehorsame – du bereitest meinem grauen Kopfe durch dein Weigern, ein, ach! nur allzufrühzeitiges, Grab! – Er stützt sich auf den Thron, verdeckt mit dem Mantel das Gesicht und weint heftig.
Fischer: Der König bleibt seinem Charakter doch nicht einen Augenblick getreu.
Ein Kammerdiener kömmt herein.
Kammerdiener: Ihro Majestät, ein fremder Mann ist draußen und bittet vor Ihro Majestät gelassen zu werden.
König schluchzend: Wer ist's ?
Kammerdiener: Verzeihung, mein König, daß ich diese Frage nicht beantworten kann. Seinem langen weißen Barte nach sollte er ein Greis sein, und sein ganz mit Haaren bedecktes Gesicht sollte einen fast in dieser Vermutung bestärken, aber dann hat er wieder so muntre jugendliche Augen, einen so dienstfertigen geschmeidigen Rücken, daß man an ihm irre wird. Er scheint ein wohlhabender Mann, denn er trägt ein Paar vortreffliche Stiefeln, und soviel ich irgend aus seinem Äußern abnehmen kann, möcht ich ihn für einen Jäger halten.
König: Führt ihn herein, ich bin neugierig ihn zu sehn.
Kammerdiener geht ab und kommt sogleich mit Hinze zurück.
Hinze: Mit Ihrer Majestät gnädigster Erlaubnis ist der Graf von Carabas so frei, Ihnen ein Kaninchen zu übersenden.
König entzückt: Ein Kaninchen? – Hört ihr's wohl, Leute? O das Schicksal hat sich wieder mit mir ausgesöhnt! – Ein Kaninchen?
Hinze nimmt es aus dem Tornister: Hier, großer Monarch.
König: Da – halten Sie mal das Zepter einen Augenblick Prinz – Er befühlt das Kaninchen. Fett! hübsch fett! – Vom Grafen von –
Hinze: Carabas.
König: Ei, das muß ein vortrefflicher Mann sein, den Mann muß ich näher kennenlernen. – Wer ist der Mann? Wer kennt ihn von euch? – Warum hält er sich verborgen? Wenn solche Köpfe feiern, wie viel Verlust für meinen Staat! Ich möchte vor Freuden weinen; schickt mir ein Kaninchen! Kammerdiener, gebt es gleich dem Koch.
Kammerdiener empfängt's und geht ab.
Nathanael: Mein König, ich nehme meinen demütigsten Abschied.
König: Ja so, das hätt ich über die Freude bald vergessen. Leben Sie wohl, Prinz. Ja, Sie müssen andern Freiwerbern Platz machen, das ist nicht anders. – Adieu! Ich wollte, Sie hätten Chaussee bis nach Hause.
Nathanael küßt ihm die Hand und geht ab.
König schreiend: Leute! – Mein Historiograph soll kommen!
Der Historiograph erscheint.
König: Hier, Freund, kommt, hier gibt's Materie für unsre Weltgeschichte. – Ihr habt doch Euer Buch bei Euch?
Historiograph: Ja, mein König.
König: Schreibt gleich hinein, daß mir an dem und dem Tage, (welch Datum wir nun heut schreiben) der Graf von Carabas ein sehr delikates Kaninchen zum Präsent überschickt hat.
Historiograph setzt sich nieder und schreibt.
König: Vergeßt nicht, anno currentis. – Ich muß an alles denken, sonst wird's doch immer schief ausgerichtet. Man hört blasen. Ah, das Essen ist fertig. – Komm, meine Tochter, weine nicht, ist's nicht der Prinz, so ist's ein andrer. – Jäger, wir danken für deine Mühe; willst du uns nach dem Speisesaal begleiten?
Sie gehn ab. Hinze folgt.
Leutner: Bald halt ich's nicht mehr aus! Wo ist denn nun der Vater geblieben, der erst gegen seine Tochter so zärtlich war, und uns alle so rührte?
Fischer: Was mich nur ärgert, ist, daß sich kein Mensch im Stück über den Kater wundert; der König und alle tun, als müßte es so sein.
Schlosser: Mir geht der ganze Kopf von dem wunderlichen Zeuge herum.