Ludwig Tieck
Denkwürdige Geschichtschronik der Schildbürger
Ludwig Tieck

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Caput II.

Weiberversammlung zu Schilda. – Ihr Brief.

Es war jetzt geschehen, daß alle Männer aus Schilda mehrere Jahre hintereinander waren entfernt gewesen, und ihre Frauen indessen das Regiment zu Hause hatten führen müssen. Sey es nun, daß sie dieser Einsamkeit überdrüssig geworden sind, oder daß vielleicht ein durchreisender Fremder sie auf andere Gedanken gebracht hat, oder daß es gar der Wille des Schicksals war, welches beschlossen hatte, daß die Geschichte der Schildbürger von diesem Zeitpunkte die denkwürdigsten Vorfälle enthalten sollte; genug, die Weiber kamen an einem Morgen zusammen und beschlossen nach einer langen Berathschlagung, daß ihre Männer nothwendig zurückkehren müßten, und in dieser Absicht verfaßten sie folgendes Sendschreiben:

Vielgeliebten Männer!

Es ist uns lieb gewesen, zu vernehmen, daß Ihr Euch noch wohl befindet, und wir haben lange vergebens auf Eure Zurückkunft gehofft. Ihr dürft es uns nicht übel deuten, wenn wir auf Eure übergroße Weisheit gar nicht gut zu sprechen sind, da diese eben Schuld daran ist, daß wir Euren erwünschten Umgang entbehren müssen. Ihr habt, mit Erlaubniß zu sagen, Verstand für fremde Leute, aber keinen für's Haus, Ihr versteht nur zu säen, aber nicht zu erndten, und eben deswegen wird Euer Winter sehr karg ausfallen. Da Ihr die ganze weite Welt mit gutem Rath 17 ausfüllt, so möchten wir armen bedrängten Weiber uns auch wohl ein Stückchen ausbitten, was wir denn anfangen sollen, wenn, wie es zu vermuthen steht, Eure Abwesenheit noch länger währen sollte. Es ist sehr schmeichelhaft für uns, daß Ihr in unsere Treue ein so festes Vertrauen setzt, und doch sind wir nicht ganz außer Zweifel, ob wir Euch so unbedingt trauen dürfen, wenigstens hat es einen sehr zweideutigen Anschein, daß Ihr ganz keine Sehnsucht nach uns und nach Euren väterlichen Herden empfindet. Wollt Ihr denn bloß vielleicht dem Sprichwort zu gefallen: »Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande,« niemals wieder zurückkehren? Denkt nur daran, daß es auch heißt: der Pfennig ist da am meisten werth, wo er geschlagen ist; und daß Ihr hier in Schilda geschlagen seyd, darüber werdet Ihr doch hoffentlich keinen Zweifel haben.

Ihr seyd durch Eure verdammte Weisheit über alle Eifersucht erhaben, sonst wollten wir Euch bald durch einige guterfundene Lügen hierherbannen können; wenn Ihr aber nicht aus Mißtrauen zurückkehren wollt, so kommt wenigstens zurück, um Euch unsrer musterhaften Treue zu erfreuen; laßt die Welt einmal ohne sonderliche Weisheit ihren Gang gehn und nehmt Euch des Hauswesens wiederum an. Schlagt Ihr aber unsern guten Rath in den Wind, so haben wir auch auf diesen Fall einen Entschluß gefaßt. Wir haben uns dann nämlich nach Männern umgesehn, die uns mehr lieben, wenn sie auch größere Dummköpfe sind; wir leben dann um so glücklicher mit ihnen, und haben des Bischen Verstandes wegen nicht so viel Sorge und Kummer. Wir wünschen 18 insgesammt, daß diese verzweifelte Gegenwehr nicht nöthig sey und daß wir uns Alle unterschreiben dürfen

Eure Weiber
N. N. n. n. etc.
       

Dieses Sendschreiben ward ohne Verzug durch einen Expressen an die Männer abgeschickt.



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